Kapitel 4.2

Als sie hinaustraten, senkte Lilitha den Kopf und folgte ihm, während sie ihren Blick auf ihre Beine gerichtet hatte. Ihre nackten Füße klatschten leise auf den Marmorboden, der plötzlich ganz kalt wurde. Ihre Finger zupften unruhig an dem Oberteil und sie hoffte wirklich, dass sie niemandem begegnen würden. Es war doch noch ziemlich zeitig, die Hoffnung bestand also, dass sich noch alle Haremsfrauen im Hamam befanden.

Sie wagte es einige Male flüchtig nach oben zu schielen zu Kadens breiten Schultern, der vor ihr lief. Es war kalt und sie spürte, wie sie ein wenig Gänsehaut bekam. Trotz der Tatsache, dass es ihr unangenehm war, blieb sie stumm. Sie hatte Angst irgendwie Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Was, wenn Kaden jetzt doch beschlossen hatte, dass sie Schuld an dem Tod seiner Mutter hatte?

Trauer umfing ihr Herz bei diesem Gedanken, da sie unweigerlich zurück an den Tod ihrer Mutter denken musste. Sie hatte die Nachricht genauso erhalten, wie Kaden. Von jemand anderem. Sie war lange völlig bestürzt und deprimiert gewesen. Ob es Kaden auch so ging? Das würde seine Zerstreuung erklären.

Auch wenn sie nie wirklich wusste, wie nah sich die beiden gestanden hatten, so wirkte er doch nicht gerade wie der trauernde Sohn, der er sein sollte. Ein wenig Sorge machte sich in ihr breit, doch diese war vermutlich sehr weit hergeholt. Immerhin schien es Kaden wohl gutzugehen. Irgendwie jedenfalls.

Sie passierten einen Gang, in dem sie tatsächlich auf zwei Haremsfrauen trafen. Diese verneigten sich vor dem Highlord, doch als sie Lilitha erblickten, wurden ihre Blicke feindselig und herablassend. Nichts Ungewöhnliches, auch wenn Lilitha es nicht in Gegenwart des Highlords erwartet hätte. Als beide dachten, sie wären außer Hörweite, begannen sie leise zu flüstern.

»Was macht sie denn hier?«

»Sieht so aus, als würde sie selbst für die Eunuchen die Beine breit machen.«

»Und dieser Aufzug. Wie traut sie sich nur so hinaus?«

Kurz schloss Lilitha die Augen, um tief durchzuatmen. Zwangsweise versuchte sie die Worte nicht an sich heranzulassen und diese einfach zu vergessen, auch wenn es ihr sichtlich schwerfiel.

Erschrocken sah sie auf, als sie plötzlich gegen den festen Rücken des Highlords krachte, der vor ihr einfach stehengeblieben war.

Mit einer Bewegung drehte er sich zu Lilitha um und blickte über sie hinweg zu den anderen Frauen, die sich von ihnen entfernten.

»Reden die immer so hinter deinem Rücken?«, fragte er verärgert und verengte die Augen.

Lilitha zuckte die Schultern, als würde es ihr nichts ausmachen. »Sie waren heute noch sehr freundlich«, bemerkte sie leise. »Weil Ihr in meiner Nähe seid, trauen sie sich nicht, mich herumzuschubsen und begnügen sich mit Tratschen.«

Mit einem Schnauben packte er Lilitha an den Schultern, um sich vorsichtig an ihr vorbeizudrücken und den Frauen nachzulaufen.

Lilitha wusste nicht, ob sie das so gut finden sollte, doch er war der Highlord und konnte ohnehin tun, wonach ihm der Sinn stand.

Also blieb ihr nichts anderes übrig, als stehenzubleiben und abzuwarten, was nun geschehen würde. Sie konnte Kaden im Moment ohnehin nicht einschätzen. Was würde er jetzt tun? Er war wirklich sehr verärgert, aber genauso gut, konnte er sich auch nur höflich mit den Frauen unterhalten. Immerhin hatte er stets viel Wert darauf gelegt, höflich zu sein.

Lilitha sah, wie er bei den Frauen zum Stehen kam und diese beiden sich fragend und ehrfürchtig zu ihm umdrehten. Nicht einmal ein Fünkchen kokett waren seine Augen, wie sonst immer, wenn er einer Haremsfrau gegenüberstand.

Sie strengte ihr Gehör an, doch irgendwie drang kein Geräusch daran. Entweder redete er absichtlich so leise oder die Architektur des Raumes war nicht gerade für Echos geeignet.

Gerade als eine der Frauen von Kadens Worten beschämt den Blick senkte, sah sie plötzlich den Berater des Highlords um die Ecke auf ihn zu laufen. Als Sergej ihn erblickte, wirkte er nicht überrascht ihn zu sehen, aber ernst. Wahrscheinlich hatte er die Nachricht erhalten, dass der Highlord unbeschadet zurückgekehrt war.

Doch als Sergej Lilitha erblickte, verengten sich seine Augen und er musterte sie nachdenklich. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Kaden. »Willkommen zurück«, grüßte er ihn.

Dieser wandte Sergej kurz seinen Blick zu, als er über dessen Schulter kurz zu Lilitha blickte und wieder zurück zu den Frauen. Mit einem steifen Kopfnicken deutete er ihnen zu gehen, damit er und Sergej allein waren. Mit einem Knicks und gesenktem Blick folgten sie der Anweisung und machten sich tuschelnd auf den Weg.

»Wir müssen uns unterhalten«, flüsterte Kaden gepresst zu seinem Gegenüber und wirkte alles andere als erfreut.

»Dessen bin ich mir bewusst, Mylord«, erwiderte Sergej und wirkte ergeben. So wie er den Kopf einzog, wusste er wohl schon, was auf ihn zukommen würde. Die Frage war nur, wie schlimm es werden würde.

Kaden nickte, als er Sergejs Haltung wahrnahm und blickte erneut zu Lilitha, die ihn mit großen Augen beobachtete. Er versuchte sich an einem beruhigenden Lächeln und deutete mit dem Kinn auf einen kleinen Aufenthaltsraum, der leer war. Sie sollte lieber nicht zusätzlich belastet werden, nur weil sie dieses Gespräch mitbekam. Wer wusste schon, wie sie darauf reagierte. Womöglich brach sie noch zusammen.

Lilitha zögerte und spähte in den Raum, ehe sie stumm nickte und eintrat. Kaden hingegen wandte sich wieder Sergej zu und musterte diesen. Gereizt verschränkte er die Arme und blickte mit verengten Augen auf den Berater.

»Du warst derjenige, der Lilitha in den Kerker gebracht hat«, begann Kaden zischend, was eindeutig mehr nach einem Fakt klang, als nach einer Frage. »Ich vertraue dir meinen Palast an und das ist es, was du tust?«

Sergej straffte die Schultern und versuchte sich nicht einschüchtern zu lassen. »Es ist viel geschehen, Mylord. Wir können von Glück sagen, dass es nicht noch mehr Tote gegeben hat. Auch mir hat man versucht etwas ins Essen zu mischen, doch ich habe es rechtzeitig gemerkt. Oder zumindest mein Vorkoster. Eure Mätresse war diejenige, die am ehesten für diese Tat infrage kam. Ich habe nur getan, was nötig war, um den Palast vor noch mehr Toten zu beschützen.«

Verständnislos schüttelte der Highlord den Kopf und trat einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu. »Du hattest kein Recht dazu, sie auch nur anzufassen. Noch dazu hast du weder Beweise noch ein Geständnis, also halt dich aus Angelegenheiten raus, die du nicht zu bestimmen hast«, erklärte er wütend und senkte den Blick, um sich wieder ein wenig zu beruhigen.

»Tatsächlich habe ich Beweise, denn das Küchenmädchen hat erzählt, dass sie die Kräuter für die Suppe von eurer Mätresse hätte. Sie selbst kannte sie nicht einmal, bis sie ihr gezeigt wurden«, erklärte Sergej. »Damit war sie verdächtig genug.«

Eine Weile lang starrten sich die beiden nur stur in die Augen, als würden sie darauf warten, dass der andere nachgab.

»Sie würde sowas nie tun«, presste Kaden kopfschüttelnd hervor, als würde er sich für ihre Unschuld rechtfertigen müssen.

»Aber Ihr wart nicht da, um ihre mögliche Unschuld zu beweisen«, presste Sergej hervor und senkte den Blick. »Wisst Ihr denn, ob sie wirklich unschuldig ist?«, fragte er leise nach. »Sie war mit Eurer Mutter zusammen, als es geschah und nur sie hat überlebt.«

Bei diesem Satz wurde Kadens Mimik schärfer. »Ich will so etwas nie wieder hören. Das Thema ist hiermit abgeschlossen und ich will den richtigen Täter. Verstanden?«, fragte er nun mit Nachdruck und machte seinen Standpunkt deutlich, der keinen Widerspruch mehr zuließ.

»Wie Mylord befiehlt«, murmelte Sergej sichtlich überrumpelt. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass der Highlord wegen dieser Frau so reagieren würde. Sie war scheinbar mehr, als nur eine Lieblingsgeliebte. Sergej würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie seine Achillesferse war.

Er wusste nicht wirklich, ob das gut oder schlecht war, doch alles, was er wusste, war, dass Lilitha eine Bedrohung darstellte. Immerhin wusste keiner, wo sie wirklich bei Kaden stand. Auch ihre Vergangenheit war undurchsichtig.

Gerade, als sich der Highlord abwenden wollte, rief sein Berater ihn nochmal zurück. »Mylord, Ihr solltet eine Willkommensfeier veranstalten für Euren Harem. Ihr wart immerhin eine Weile weg.«

»Das nächste Fest, das ich veranstalte, wird die Trauerfeier für meine Mutter sein«, erklärte er leise, ohne Sergej nochmal anzusehen. Er wollte lieber schauen, wo Lilitha war und ob es ihr gut ging.

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