Kapitel 3.1
Tief atmete Lilitha durch, da sie zum ersten Mal seit langem Kadens frischen, herben Duft wahrnahm, als sie erwachte. Seine Wärme umgab sie und ihr Körper fühlte sich so entspannt an, wie schon lange nicht mehr.
Murmelnd rieb sie sich den Schlaf aus den Augen und blinzelte hoch zum Highlord, an dessen Seite sie lag. Überrascht stellte sie fest, dass er wohl nicht geschlafen hatte, denn seine Augen blickten starr gegen die Decke und auch sein Atem ging regelmäßig, wie es bei einem wachen Vampir der Fall war.
»Danke, dass du mich gehalten hast«, begrüßte sie ihn und Kaden blickte zu ihr. Sie hatte die unnatürliche Blässe fast vollständig verloren und auch ihre Augen hatten wieder einen leichten Glanz, was Kaden beruhigte. Ein warmes Lächeln breitete sich, bei dem Anblick der Rothaarigen, den er so lange missen musste, auf seinen Lippen aus.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er leise und strich ihr die zerzausten Strähnen aus dem Gesicht. Jedoch eher, um sie berühren zu können, als mit der simplen Absicht, ihr Gesicht von Störenfrieden zu befreien.
»Besser«, sagte sie und streckte sich ein wenig, allerdings immer noch ungelenkig, während Kaden sich ihre recht abgemagerten Arme besah. Dabei bemerkte er noch etwas und griff nach ihrem Arm, ehe er diesen sehr skeptisch musterte.
»Das kommt aber nicht von der Pflanze«, bemerkte er nicht sehr erfreut, als er die roten Striemen betrachtete, die ihre Arme zierten. Lilitha senkte ein wenig betrübt den Blick. Sollte sie ihm von der Peitsche erzählen? Wohl besser nicht. »Lilitha«, presste er ungeduldig hervor und wartete auf eine Antwort, als er wieder von Kaden zum Highlord wurde. »Woher kommen die?«, wiederholte er seine Aufforderung in anderer Form und fuhr mit den Fingern über die Wunden.
Statt etwas zu sagen, drehte sich Lilitha ein Stück und Kaden konnte ihren Rücken erkennen. Das Kleid, oder eher das, was davon noch übrig war, war runtergerutscht und legte Teile ihres Rückens frei.
Kaden starrte die Haut darunter an und hob die Hand, um die Reste des Kleides weiter nach unten zu ziehen. Dabei legte er eine Wunde nach der anderen frei, bis das ganze Ausmaß zu sehen war. Ihr gesamter Rücken war von offenen Wunden und Dreck bedeckt. Fast so stark verkrustet von Blut und Schorf, dass man kaum sagen konnte, wie schlimm es wirklich war.
Kadens Atem stockte und seine Augen weiteten sich. Am liebsten wäre er sogleich aufgesprungen und hätte denjenigen, der ihr das angetan hatte, zur Rechenschaft gezogen. Doch er war wie erstarrt. »Wer hat dir das angetan?«, fragte er zwar leise, doch mit einem bedrohlichen Unterton.
»Ein Mann«, war alle Information, die sie ihm mitteilen konnte. »Jemand, der wollte, dass ich gestand, damit man mich offiziell dafür hinrichten kann, was ich angeblich getan habe. Scheinbar hat er es nicht ohne Geständnis fertiggebracht, mich hinrichten zu lassen«, sagte sie leise. »Er hat mir oft genug gesagt, was ich angeblich getan habe, damit ich es wiederhole.«
Auch wenn Kadens Wut unermesslich war, so konnte er doch nicht anders, als den zitternden Unterton ihrer Stimme zu vernehmen. Seine Gesichtszüge entspannten sich, als er mitleidig ihren Hinterkopf musterte. Sie war nun in Sicherheit.
Nach einem tiefen Atemzug zog er sie sanft in seine Arme. »Ich werde ihn finden«, versprach er.
Lilithas Gesicht hellte sich leicht auf, doch als Kaden sie ein Stück von sich schob, durchfuhr sie Panik. Am liebsten hätte sie ihn davon abgehalten, aufzustehen, doch sie konnte sich nicht rühren. Zu groß war die Angst, dass er sie allein ließ.
Er dachte jedoch nicht daran. Er trat vor sie und blickte zu ihr nach unten. »Kannst du ins Bad laufen?«, fragte er. Er würde ihre Wunden säubern müssen.
»Ich ... denke schon«, murmelte Lilitha und schob ihr Bein aus dem Bett. Es fiel ihr schwerer als erwartet. Als sie aufstehen wollte, bemerkte sie, dass ihre Beine zitterten und sie nicht richtig tragen wollten.
Bevor sie überhaupt einen ersten, unkoordinierten Schritt machen konnte, um womöglich hinzufallen, trat Kaden an den Bettrand, um sie auf die Arme zu heben. Er trug noch immer dasselbe, das er auch schon bei seiner Ankunft angehabt hatte, was Lilitha ein wenig Sorge machte. Als hätte er, seit er hier war, nichts getan, außer sich um sie zu kümmern.
»Hör auf, dich zu überschätzen. Du musst dich schonen«, ermahnte er sie, wenn auch mit sanfter Stimme.
Lilitha hielt sich an Kaden fest und barg ihr Gesicht an seiner Brust. »Du bist der Highlord. Es ist nicht richtig, dass du dich so um mich kümmerst. Auch wenn es schwer ist, du hast andere Dinge, um die du dich im Moment kümmern musst«, sagte sie leise, wenn auch mit leichtem Unwillen in der Stimme. Sie wollte nicht, dass er ging und gleichzeitig wollte sie ihn auch nicht von seinen Aufgaben abhalten.
»Ich werde dich sicherlich nicht mehr allein lassen. Erst recht nicht, solange wir noch nicht wissen, wer es war. Noch dazu bist du verletzt«, wandte er ein, als hätte er sich bereits darüber Gedanken gemacht und stieß die Tür mit dem Rücken auf, um sie ins Bad zu tragen.
»Aber du wirst dich nicht immer um mich kümmern können und so ist es dir nicht möglich den Täter zu finden«, murmelte sie und schmiegte sich noch weiter an ihn, als hätte sie Angst, dass er gleich weggehen würde. Ihr war klar, dass sich ihre Aussage mit ihrer Körpersprache widersprach, doch es gab einen Unterschied bei den Sachen, die sie wollte und Sachen, die nun einmal sein mussten.
»Ich lasse dich nicht allein«, wiederholte er fest entschlossen und senkte den Blick ein wenig bei Lilithas Anhänglichkeit. Vorsichtig setzte er sie auf einer steinernen Bank ab und ging vor ihr in die Hocke, um ihr in die Augen sehen zu können. »Ich will dich nicht noch einmal verlieren.«
Diese Aussage überraschte Lilitha. Sie hob die Hände, ehe sie Kadens Gesicht zärtlich mit ihren Fingern umfasste, als würde sie etwas unglaublich Kostbares in der Hand halten. Dann beugte sie sich ein Stück vor, um ihre Lippen leicht auf seine zu drücken. Sie waren noch spröde vom Gift und daher wollte sie den Kuss eigentlich nicht weiter vertiefen, weil sie Angst hatte, dass es Kaden nicht gefiel.
Er schien ebenso überrascht über ihre Reaktion, wie sie über seine Worte. Dennoch erwiderte er den Kuss und zog Lilitha vorsichtig und sanft an sich, in der Hoffnung ihr nicht wehzutun. Doch er wollte ihr so nahe wie möglich sein.
Vorsichtig löste sie sich von ihm, behielt jedoch den geringen Abstand bei und die Augen geschlossen. »Ich habe dich so vermisst«, hauchte er rau an ihre Lippen und nahm den Kuss wieder auf. Jedoch war Kaden nun derjenige, der die Initiative ergriff. Trotzdem blieb er vorsichtig und war überrascht, als ihr plötzlich stumm die Tränen über die Wangen rollten.
Als er sich von ihr löste, blickte er sie an und wollte schon nach einer Erklärung fragen, als sie ihm zuvor kam: »Ich hatte solche Angst, dass du wiederkommst, und mich nicht mehr haben willst«, sagte sie mit rauer Stimme. Sie musste sich selbst eingestehen, dass die Worte der anderen Frauen sie doch getroffen hatten.
Nicht nur einmal hatte sie nachts in Kadens Gemächern mit der Angst, es könnte ihre letzte Nacht hier sein, wachgelegen. Kaden könnte nach Hause kommen und sie hinauswerfen, weil ihm nicht mehr nach ihr war oder weil er in ihr eine Wahrheit gesehen hatte, die sie selbst zu verdrängen versuchte.
Nie wieder wollte sie ihn verlassen und am liebsten immer in seiner Gegenwart bleiben, doch wahrscheinlich war das Wunschdenken. Wie seine Mutter schon sagte: Er war nicht davon zu überzeugen, sich dauerhaft zu binden.
Kadens Lippen legten sich wieder auf ihre, wie ein fehlendes Puzzleteil und sagten ihr, dass er für sie da war.
Lilitha schloss die Augen und ihr Atem ging schneller, während Kaden sie einfach im Arm hielt und sie sich das erste Mal seit langem wieder sicher fühlte. Ein wunderbares Gefühl, welches sie nie mehr verlieren wollte. Sie konnte seinen Herzschlag spüren, da er gegen sie gedrückt war. Murmelnd legte sie ihre weichen Hände auf seine Brust und lehnte auch ihre Stirn an diese. Sie wollte den Moment nicht zerstören, doch es gab etwas, was ihr schwer auf der Seele lag. »Als du nicht da warst, hat Chiana mich bedroht. Sie hat es zwar nicht gesagt, aber das 'sonst' war deutlich zu hören«, flüsterte sie.
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