Kapitel 27
Der Abend mit Kaden brannte sich in Lilithas Gedächtnis und sorgte dafür, dass sie den nächsten Tag überlebte. Heute stand die Anprobe für das Kleid an, das sie beim Debütantinnenball tragen würde. Laura begleitete sie und Lilitha war froh darüber, dass keine anderen Frauen dabei sein würden.
Die Abendsonne tauchte den Raum in wunderschönes oranges und goldenes Licht, welches die weißen Säulen reflektierten.
Während Lilitha bereits auf dem Podest stand und damit begann sich zu entkleiden, räumte Bree ihre Utensilien zurecht, welche sie zum Schneidern brauchen würde. Nadeln, Scheren, Kohle und noch einige weitere Dinge, deren Zweck Lilitha nicht ersichtlich war.
Laura derweil, war damit beschäftigt, durch den Raum zu streifen und sich dessen Ausstattung genauestens zu besehen. Sie war hier, weil Lilitha sie gebeten hatte, denn sie wollte ihre Meinung wissen. Was in Ordnung war. Laura tat das gern, da sie neugierig war, wie Lilithas Kleider und auch wie ihr eigenes Kleid aussehen würden. Dennoch glaubte Laura, dass hinter Lilithas Bitte noch etwas anderes stand. Sie war den ganzen Tag seltsam nervös und unruhig gewesen. Sobald sie jemandem begegnet waren, war sie abgedreht und hatte einen anderen Weg eingeschlagen. Ein reichlich seltsames Verhalten, selbst für die Rothaarige.
»Also ...«, setzte Laura geradezu unschuldig an und hielt vor den großen, gläsernen Balkontüren inne, um die Landschaft zu begutachten, welche sich in den orangefarbenen Lichtern sonnte. »Das wird jetzt das Kleid für morgen oder für die Jungfernnacht?«, fragte die Werwölfin und öffnete die Türen, soweit es ihr möglich war.
»Das wird das Kleid für morgen«, erklärte Lilitha.
»Ich habe bereits alle Kleider dabei. Auch das für die Jungfernnacht und das für die Hochzeit ebenfalls«, fügte die Schneiderin hinzu. Der Schnitt des Hochzeitskleides war so einfach gehalten, dass sie damit ebenfalls schon fertig war.
Noch dazu ging es hier immerhin um die Hochzeit des Highlords. Das hieß für sie so viel wie, es würde so lange und schnell daran gearbeitet werden, bis es fertig war. Sie hatte die Nacht mithilfe von einigen Zaubern durchgemacht, doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Wenn auch nicht unbedingt zu einer solch offiziellen Hochzeit. Aber die Braut wünschte es so.
»Dieser Adelsball?«, seufzte Laura und drehte sich zu Lilitha um, um diese anzublicken. »Ich habe das sowieso nie verstanden. Immerhin sollten die doch gar kein Mitspracherecht haben, wenn es um die Ehefrau des Highlords geht. Hochadel hin oder her.«
»Der Adel mischt sich immer überall ein. Sie sind manchmal sogar so dreist, dass sie sich in die Erziehung der Kinder von anderen Adligen hängen. Der Hochadel kann aber ganz schön gefährlich werden, wenn man ihn ignoriert. Also ist es besser, wenn man ihn auf diese Weise besänftigt und ihm wenigstens das Gefühl gibt, dass sie etwas zu sagen hätten«, seufzte Lilitha, die sich an die Tage aus ihrer Kindheit erinnerte. Damals hatte sie genau das erlebt. Eine Bekannte ihrer Mutter, eine Frau aus dem Hochadel, hatte darauf bestanden, dass Lilitha als Lady Ballett lernte. Das hatte eine riesige Diskussion gegeben, doch am Ende hatte ihre Mutter nachgegeben. Nur damit Lilitha in der Ballettstunde ein Chaos verursachte.
Diese Erinnerung zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen. Junge Vampire waren eben nicht dazu gemacht, solch schwierige Sachen zu erlernen. Heute hätte das vielleicht anders ausgesehen.
Unverständlich verzog die blonde Haremsfrau die vollen Lippen und rollte die Augen, um wieder auf den Palasthof zu blicken. »Ist ja wie bei einem Schauspiel. Das totale Theater, mit dir als Hauptdarsteller und dem Adel als Spielleiter«, lachte sie spöttisch und schielte kurz verheißungsvoll zur Schneiderin. Diese war jedoch vollends damit beschäftigt, Lilitha das imposante rote Kleid anzuziehen. Bei dem ausgefallenen Schnitt und den Mengen an Stoff hätte es für sich schon als Hochzeitskleid durchgehen können.
»Ist es hier noch zu locker, oder zu eng?«, wollte Bree wissen und zupfte ein wenig an einer Stelle im Brustbereich des Kleides.
»Das ist so in Ordnung«, murmelte Lilitha, was die Schneiderin nicken ließ.
»Dreht Euch bitte einmal, damit ich sehen kann, wie der Stoff fällt und ob alles sitzt«, bat sie und trat einen Schritt zurück, damit Lilitha ihrer Aufforderung nachkommen konnte.
Analytisch beobachtete Bree, wie sich der Rock aufblähte und nickte bestätigend, als würde sie sich innerlich Notizen machen. »Ich denke es ist besser, wenn ich hier noch ein Stück einnähe«, meinte sie und zog eine Nadel aus ihrem Gürtel, um diese am Kleid festzustecken.
Laura wurde dabei von beiden Frauen ignoriert. Die Dunkelhäutige seufzte und wandte den Blick vor sich auf den Boden, während sie ihre Arme vor der Brust verschränkte.
»Was ist eigentlich mit Kaden?«, fragte Laura so beiläufig wie möglich, als wäre es ein alltägliches Gesprächsthema, in der Hoffnung, die Schneiderin würde dem keine Beachtung schenken. Doch Lilitha wusste es besser. Schockiert riss Bree die Augen auf und blickte zu dieser auf.
»Du hast es ihr erzählt?«, rief sie entrüstet aus, bei der Vorstellung, Lilitha hätte Kadens Namen verraten. Sie wusste ebenso gut wie Lilitha, dass er seinen Namen nicht jedem kundtun wollte.
Beschwichtigend hob Lilitha die Hände und versuchte die Schneiderin zur Ruhe zu bitten. »Nein, das habe ich nicht«, verteidigte sie sich und warf einen Blick auf Laura. Dabei waren ihre Augen groß und fast schon flehend. Diese hingegen fühlte sich in ihrer Annahme bestätigt.
Sie hatte inzwischen den Blick gehoben und schüttelte leicht den Kopf, um ihr Missfallen zu verdeutlichen. Sie machte sich Sorgen um Lilitha, das wusste diese. Doch nun schien sie geradezu wütend auf die Vampirin. Was dachte sich Lilitha nur dabei, mit irgendeinem Halbwüchsigen zu kokettieren? Egal wer oder was er war, sollte diese Sache rauskommen, würde Lilitha einen Kopf kürzer gemacht werden.
Lilitha wandte den Blick von Laura zu Bree und schlug bittend die Hände zusammen. »Bitte verrate es ihm nicht, ich werde es ihm selbst erklären. Versprochen«, fehlte sie, da Bree keine Ahnung hatte, dass Laura überhaupt nicht wusste, dass Kaden der Highlord war, sondern lediglich davon ausging, dass sie dem Highlord fremdging. Was auch nicht sonderlich vorteilhaft für sie war. Lilitha wusste, dass sie in der Klemme steckte und sie würde es Kaden erklären. Sobald sie den Mut irgendwie zusammengekratzt hatte.
Bree blickte sie eindringlich an und traute sich kaum, einen Muskel zu bewegen.
»Sie weiß also auch davon?«, fragte Laura ungläubig und hätte Lilitha am liebsten zurechtgewiesen. Was dachte sie sich nur dabei, das auch noch überall herumzuerzählen?
Lilitha rieb sich ein wenig überfordert die Schläfen. Beide Frauen glaubten etwas komplett anderes und sie wusste nicht, wie sie das Ganze wieder geradebiegen sollte. Wenn sie Laura erzählte, dass der Highlord Kaden hieß, würde sie sein Vertrauen missbrauchen. Wenn sie aber Bree erzählte, Kaden sei ein Freund ... Als wären die Gerüchte, die im Umlauf waren, nicht schon schlimm genug.
Noch dazu würde Laura wohl misstrauisch werden, da sie nun dachte, dass Bree Bescheid wusste. Das war doch aussichtslos! Und das alles nur wegen eines kleinen Versprechers.
Ein wenig unbehaglich schritt Laura auf Lilitha zu, die noch immer auf dem Podest stand und sichtlich überfordert wirkte. »Was hast du dir nur dabei gedacht?«, fragte Laura leise, aber eindringlich. Sie wollte definitiv nicht riskieren, dass sich die Kunde noch mehr verbreitete als ohnehin schon.
Lilitha warf genervt die Hände in die Luft. »Lasst das Thema jetzt endlich! Ich bringe das wieder in Ordnung«, erklärte sie gereizt, ehe sie leise hinzufügte: »Wir reden, nachdem ich mit dem Highlord gesprochen habe.«
Fast schon ängstlich riss Laura die Augen auf und blickte Lilitha ungläubig an. »Sag bloß, du willst es ihm beichten«, erwiderte sie sprachlos und hoffte, dass Lilitha etwas anderes meinte.
Diese seufzte und griff sich an den Kopf. »Gott, dieser Harem macht mich fertig«, stöhnte sie und richtete nun ihren Blick wieder auf Bree, die nicht so richtig wusste, was los war. »Können wir uns jetzt um das Kleid kümmern?«, fragte sie hoffnungsvoll, denn sie wollte diesem Thema entgehen.
Eine Weile war alles still, bis Bree sich stumm daran machte, Lilithas Kleid wieder zu öffnen. Ohne Umschweife nahm sie ihr das Kleid ab, während Laura sie eingehend ins Visier nahm. Kaum hatte die weißhaarige Schneiderin das Ungetüm aus Stoff verstaut, holte sie ein weißes, jedoch schlichtes Kleid heraus, um es Lilitha vor die Füße zu halten.
»Ich habe es nach Eurem Wunsch angefertigt«, erklärte diese, ohne weiterhin auf das Thema Kaden einzugehen, auch wenn die Stimmung im Raum angespannt blieb.
Lilitha betrachtete das Kleid und strahlte, ehe sie mit den Beinen voran hineinschlüpfte. Es schmiegte sich perfekt an ihre Rundungen und der Rücken war ein Kunstwerk. Aber ansonsten war das Kleid schlicht, wenn auch sehr lang. Ein Maß an Dramatik musste es wohl dennoch für sich beanspruchen.
Die Rothaarige ließ ihre Hände prüfend über den Stoff gleiten. Dieser würde sich sehr gut für das eignen, was sie geplant hatte. »Das ist perfekt.«
Stirnrunzelnd betrachtete Laura das schlichte, geradezu unauffällige Gebilde eines Hochzeitskleides, welches zwar einen weit gefächerten Rock hatte und einige Stufen besaß, doch eher wirkte, als würde es in der Menge untergehen wollen. Kein Schmuck, kein aufwändiger Schnitt. Nicht einmal Verzierungen.
»Was ist das?«, fragte die Werwölfin unsicher und schien tatsächlich das vorige Thema zu vergessen.
»Mein Hochzeitskleid«, erklärte Lilitha und schien vollkommen zufrieden damit zu sein. Sie drehte sich sogar einige Male, um zu schauen, wie das Kleid fiel, damit sie später die Blumen nicht zerdrückte.
Alles war perfekt und ihre Stimmung stieg wieder an. Wenigstens eine Sache, die problemlos vonstattenging.
»Dir ist bewusst, dass du den Highlord heiraten wirst und nicht irgendeinen neureichen Adelsjungen?«, fragte sie unsicher und sprach das aus, was sich wohl auch Bree dachte.
»Dessen bin ich mir bewusst«, erklärte Lilitha und musste ein Grinsen unterdrücken. Sie hatte erwartet, dass Laura so etwas sagen würde. »Ich weiß, was ich tue«, versicherte die Rothaarige noch einmal, blickte aber nicht zu Laura.
Mit einem ergebenen Seufzen schloss diese die Augen und ging wieder hinüber zum Balkon, um die frische Luft einzuatmen.
»Klar, das merkt man«, murmelte die Blonde sarkastisch und lehnte sich an den Türrahmen.
Sie war besorgt, denn Lilitha machte eher den Eindruck, als wäre sie überfordert. Das war überhaupt kein guter Anfang. Wahrscheinlich würde die Hochzeit ein komplettes Desaster werden.
Vielen lieben Dank fürs lesen. Wir würden uns sehr über Rückmeldungen in Form von Votes und Kommentaren freuen.
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