Kapitel 24
Unsicher trat Lilitha an die Eunuchen heran, die vor der Tür standen, doch sie wurde nicht beachtet. Das taten die Wachen selten. Egal, wo sie hinwollte. Keine der Wachen hielt sie auf. Lediglich Sergej schien bisher irgendetwas in dieser Richtung getan zu haben.
Mit einem gezwungenen Lächeln nickte sie ihnen zu und passierte die Doppeltür, welche zu Kadens Räumen führte. Er hatte zwar gesagt, sie solle mehr Zeit im Harem verbringen, doch sie hatte sowieso schon alles getan, was er ihr gesagt hatte und sie wollte ihn nun gerne sehen.
Sie betrat seine Räume nicht sofort, wie sie es sonst machte, sondern blieb vor der Tür, die vom Flur zu seinem Wohnraum führte, stehen. Diese war leicht geöffnet, sodass sie hineinsehen konnte. Daher sah sie, dass er da war. Dennoch entschied sie sich stehenzubleiben und an die offene Tür zu klopfen, um auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht wollte er sie gerade nicht sehen, dann würde sie schweren Herzens wieder gehen.
Sanft ließ sie einige Male ihre Faust gegen das schwere Holz sinken und hoffte, dass er es gehört hatte.
»Komm rein«, murmelte er laut genug, dass Lilitha es verstehen konnte. Vermutlich hatte er bereits ihren Duft durch die offene Tür wahrgenommen.
Langsam trat sie ein und suchte ihn mit ihren Augen. Er lag auf dem Bett und wirkte erschöpft.
»Störe ich?«, fragte sie leise und klang unschlüssig. Vielleicht wollte er seine Ruhe haben? Eventuell hatte sie ihn sogar geweckt. Er musste einen stressigen Tag gehabt haben.
Unschlüssig, was sie tun sollte und auf eine Antwort wartend, blieb sie mitten im Raum stehen.
Kaden senkte seufzend den Blick auf Lilithas nervös zuckende Hände. Es fühlte sich an, als hätte er sie Ewigkeiten nicht mehr gesehen, nach den ganzen Befragungen, die er abhalten musste. Dennoch waren nicht alle Frauen durch, aber immerhin schon über die Hälfte.
»Nein, komm her«, seufzte er erschöpft und setzte sich auf, um sich an dem Bettrand zu positionieren.
Lilitha trat ein wenig unsicher auf ihn zu und ließ sich neben ihm nieder, um sich schließlich doch an ihn zu schmiegen. Sie konnte diese Distanz einfach nicht ertragen. »Möchtest du eine Massage? Du siehst geschafft aus.«
Kaden lachte schwach und legte die Arme um die Rothaarige, um sich langsam nach hinten auf die Matratze sinken zu lassen, als wäre ihm die Anstrengung doch zu viel gewesen.
»Nein, schon in Ordnung«, lehnte er ab und zog Lilitha dicht an sich. »Wie war es in der Stadt?«, fragte er leise, als wäre es ihm unangenehm zu fragen.
»Na ja, nicht besonders. Du warst nicht da. Aber ich habe alles bekommen, was ich wollte«, erklärte sie und genoss seine Nähe und seinen Geruch. Sie hatte ihn so vermisst.
Er seufzte schwer und rollte sich auf die Seite, um sich abzustützen und Lilitha anzublicken. »Es tut mir leid, dass ich nicht dabei war. Ich hätte mit dir mitkommen sollen«, gestand er leise und wich ihrem goldenen Blick aus.
»Du warst beschäftigt«, beschwichtigte sie ihn und beobachtete sein ausweichendes Verhalten.
»Trotzdem«, beharrte er. »Ich hätte dich begleiten sollen. Immerhin ist es unsere gemeinsame Hochzeit, egal ob Harem oder nicht«, fügte er hinzu und strich Lilitha vorsichtig über die Wange. »Wenn du möchtest, können wir auch zusammen nochmal in die Stadt gehen«, schlug er leise vor und neigte sein Haupt über Lilitha, um ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen.
Diese schloss genießerisch die Augen. »Solange ich Zeit mit dir verbringen kann, ist mir der Ort egal«, flüsterte sie und bemerkte, wie der Knoten, der sich um ihr Herz gelegt hatte, langsam lockerer wurde. Aber er verschwand noch nicht ganz.
Er lächelte leicht, als er Lilitha eine Weile musterte und den Arm um ihre Taille legte. »Ich weiß doch, wie gern du inoffiziell in der Stadt bist und ich will, dass du glücklich bist«, warf er fast schon schuldbewusst ein, jedoch mit einem gewissen Zweifel in der Stimme.
Lilitha schenkte ihm ein Lächeln. »Dass es inoffiziell ist, war nie der Grund dafür, dass ich glücklich war. Es war die wundervolle Begleitung«, korrigierte sie ihn, mit einem Ton in der Stimme, der Kaden zeigte, wie sehr sie ihn vermisste, was bei ihm für eine Gänsehaut sorgte.
Kaden konnte ein breites Grinsen nicht vermeiden und drückte Lilitha einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich wieder ein Stück erhob. »Jetzt werd bloß nicht kitschig«, scherzte er und zog Lilitha zurück in eine sitzende Position. »Wir gehen heute Abend in die Stadt, verstanden?«
Bei dieser Aussage wurden Lilithas Augen groß. Kaden kannte diesen Blick. Er hatte ihn immer gesehen, wenn sie nicht glauben konnte, dass er das wirklich tat. Beim Gewächshaus und auch bei seinem Antrag. Das bestärkte ihn in seinem Vorhaben.
»Aber du bist doch so erschöpft. Du hattest bestimmt einen langen Tag«, sagte sie und Sorge klang in ihrer Stimme mit.
Kaden rollte die dunkelbraunen Augen und blickte Lilitha vielsagend an. »Hör auf dir Sorgen um mich zu machen, mir geht es gut. Wer weiß, wann wir das nächste Mal Gelegenheit haben werden, um in die Stadt zu gehen«, erklärte Kaden und erhob sich, um Lilitha sogleich mit sich auf die Beine zu ziehen.
»Erzählst du mir von deinem Tag?«, wollte sie wissen, während sie Kaden folgte. Obwohl sie nicht mehr bei ihm schlief, waren in seinem Schrank noch immer Kleider von ihr. Darunter auch ein Mantel, der unter die Umhänge passte, die sie sich später holen würden, um unbemerkt zu bleiben. Es war nicht viel. Nur die sporadischen Kleider, die als Übergang gedacht waren. Ihre neuen Sachen waren erst dabei, gefertigt zu werden.
Kaden seufzte und tat es Lilitha gleich, indem er sich einen dünnen Mantel griff. Der Frühling erlaubte es, wieder leichtere Kleidung zu tragen und somit reichte dieser schon.
»Lieber nicht. Er war recht ereignislos«, erklärte er ein wenig unruhig, als würde er das Thema am liebsten wechseln wollen. Er wollte Lilitha so weit wie nur möglich von den Verhören fernhalten. Immerhin wusste er nicht, wie nah ihr dieses Ereignis noch ging.
Sie bemerkte seine ausweichende Art, wusste aber noch nicht genau, was sie davon halten sollte. Es konnte immerhin viele Gründe haben, dass er ihr nichts sagen wollte. Also akzeptierte sie es. Sie drehte sich zu ihm und hauchte einen Kuss auf seine Wange.
»Erzähl mir lieber, wie es in der Stadt war. Hast du dich bereits mit Sin angefreundet?«, fragte er seufzend, aber mit einem Lächeln und beobachtete Lilitha, nachdem er sich den dünnen Mantel übergeworfen hatte.
Sie verzog ein wenig den Mund. »Sin ist nicht sonderlich gesprächig. Anfreunden ist da schwer, aber er ist eine verhältnismäßig angenehme Gesellschaft«, erklärte sie widerwillig, da sie Kaden nicht anlügen wollte.
Ein leises Lachen verließ die Lippen des Blonden. »Er weiß einfach gern, womit er es zu tun hat. Er ist ein guter Freund von der Front«, erklärte Kaden und musterte Lilitha abwesend.
»Ja, so kam er auch rüber«, schnaubte sie ein wenig belustigt. »Ich war mir nicht sicher, was er in mir gesehen hat. Ich hatte das Gefühl, einen Wachhund dabei zu haben, der nicht versteht, warum er etwas bewachen soll«, erklärte sie, während sie mit Kaden zusammen in die Räume huschte, die sonst die Diener nutzten. Am Abend war hier oft wenig los, denn nur noch eine Handvoll Diener musste zu dieser Stunde noch den Palast verlassen. Es war also unwahrscheinlich, dass man sie hier sah.
»Er ist ein guter Krieger. Sonst würde ich ihm auch nicht das Wertvollste anvertrauen, was ich besitze«, erwiderte Kaden geradezu säuselnd und griff nach einem Umhang, um ihn ganz formell vor Lilitha zu halten, damit diese hineinschlüpfen konnte.
Bei Kadens Worten wurde die junge Frau schlagartig rot im Gesicht. Hatte sie ihn richtig verstanden? Sie war das Wertvollste, das er besaß? Meinte er das ernst?
Sie zögerte, in den Mantel zu schlüpfen und trat schließlich auf ihn zu, um ihn fest zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Dabei traten ihr Tränen in die Augen.
Wusste Kaden, wie gut ihr seine Worte taten?
Sichtlich überrascht und auch ein wenig überfordert, erwiderte Kaden den Kuss und legte vorsichtig die Arme um Lilitha, um sie zu halten. Zufrieden seufzte er in den Kuss hinein und liebkoste Lilithas Lippen, als er ihren Geschmack in sich aufnahm.
»Vielleicht sollte ich öfter sowas sagen«, murmelte er an ihre Lippen, zog Lilitha kurz darauf wieder in einen stürmischen Kuss und vergaß dabei vollkommen, was sie überhaupt vorhatten.
Als sie sich kurz lösten, um wieder Luft zu holen, flüsterte Lilitha: »Oder du küsst mich einfach öfter.« Kaum hatten die Worte ihre Lippen verlassen, nahm sie den Kuss wieder auf und schmiegte sich an ihn. Es war kein langer Zeitraum gewesen und doch hatte sie das Gefühl, ihn ewig nicht mehr gesehen zu haben.
Kaden lachte rau und nahm Lilithas Gesicht zärtlich in die Hände, um ihre Wangen zu streicheln. Vorsichtig löste er sich von ihr und hoffte, er würde sie nicht zu sehr verstimmen.
»Wir führen das später fort. Ich wollte gern noch heute Abend mit dir raus«, erklärte er und löste sich nun vollends von der Vampirin, um den Umhang aufzuheben, den er zu Boden hatte fallen lassen.
Lilitha verzog ein wenig die Lippen, ließ sich aber kommentarlos in den Umhang helfen. Wenn Kaden mit ihr raus wollte, würde sie ihm den Gefallen tun. Wahrscheinlich brauchte auch er ein wenig Abwechslung.
»Gut, aber ich möchte dir einen Ort zeigen, den ich früher als Kind gern aufgesucht habe«, erklärte sie und küsste noch einmal sanft seine Wange.
Vielsagend hob er eine Braue, doch sie konnte eine gewisse Neugier im Braun seiner Augen erkennen, welche sie schmunzeln ließ. »In Ordnung ... Sollte ich eine Waffe mitnehmen?«, fragte er misstrauisch, wenn auch nicht wirklich ernst.
Lilitha lachte. »Nein, aber du solltest schwindelfrei sein«, erklärte sie. »Zumindest kurz.«
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