Kapitel 23
Als sie schließlich den Palast wieder erreichten, gab es die typischen, misstrauischen Blicke der Haremsfrauen, die sich abwandten und gingen. Nur Laura blieb zurück, schenkte Lilitha ein strahlendes Lächeln und schien ihre Gegenwart in Anspruch nehmen zu wollen, denn kaum hatte Lilitha die Gänge des Harems wieder betreten, war Laura an ihrer Seite und zog sie förmlich mit sich in den Hamam.
»Wehe dir, du verschwindest gleich wieder! Ich möchte alles hören, über diesen ganzen Rüschenkram, den du planst«, plapperte Laura euphorisch vor sich hin und redete beinahe so schnell, dass Lilitha sie nicht verstanden hätte. Es war auch schwer darauf zu reagieren, so wie die Werwölfin ihr Kleid öffnete, als sie im Vorraum des Hamams angekommen waren.
»Ich weiß nicht, was ich dir erzählen soll«, murmelte Lilitha ein wenig überfahren und entkleidete sich zögerlich, um Laura in den Hamam zu folgen. Was sollte sie ihr auch erzählen? Wie ihr Kleid aussah? Nein, das würde sie nicht verraten.
»Na, ich weiß nicht ... Was du eben so planst. Immerhin hat es sich sogar rumgesprochen, dass dein Verlobter, dir erlaubt hat in die Stadt zu gehen. Das ist eine riesige Sache!«, rief die Frau begeistert aus und riss Lilitha förmlich die Kleider vom Leib. Diese blieb einfach stehen, da sie das von Laura bereits kannte und sich zu wehren wäre vergebens.
Wenn sie wüsste ...
Lilitha hatte kaum Gelegenheit zum Luftholen, als Laura sie auch schon in die gefliesten Gänge des Hamams zog.
»Ich habe überhaupt nichts geplant«, murmelte sie. »Ich fühle mich vollkommen überfordert«, gestand sie. »Ich weiß nicht, was von mir erwartet wird.«
Die blonde Frau rollte seufzend die blauen Augen und zog Lilitha in einen leeren Raum hinein, welcher kontinuierlich mit warmem Dampf gewärmt wurde.
»Fang gar nicht so an! Du wirst bald die neue Highlady sein. Das ist doch aufregend. Und du hast Angst vor möglicher Verantwortung?«, fragte sie verständnislos mit einem Kopfschütteln und verzog die Lippen ein wenig.
Was war nur los mit dieser Vampirin? Natürlich war es hier im Harem alles andere als schön, wie hinter Lilithas Rücken geredet wurde und der Attentäter war ebenfalls noch immer auf freiem Fuß, doch Lilitha war nun mit dem Highlord verlobt ... war es etwa nicht das, was sie wollte?
Seufzend legte sich Lilitha auf eine Liege, um sich massieren zu lassen. »Der Stadtbesuch war schön. Aber ich wäre lieber mit Kaden dort gewesen«, murmelte sie, ehe ihr bewusst wurde, dass sie Kadens Namen gesagt hatte. Ehe sie das irgendwie richten konnte, füllte sich der Raum nach und nach mit Frauen. Als hätten sie nur darauf gewartet, Lilitha allein zu erwischen.
Die Rothaarige hätte nur zu gern gewusst, was in diesem Augenblick in Lauras Kopf vorging. Ihre Mimik wechselte von einem Stirnrunzeln, zum Schnauben und dann zu kugelrunden Augen.
»Kaden?«, fragte sie irritiert, mit einem misstrauischen Blick, als hätte sie sich komplett in Lilitha getäuscht. Dabei schien sie überhaupt nicht zu bemerken, wie sich der Raum immer weiter füllte.
Lilitha entschied sich, zu schweigen, aber Laura war unnachgiebig. »Wer ist Kaden und was hast du mit ihm zu tun?«, fragte sie so laut, dass alle Anwesenden es hörten. Lilitha wäre am liebsten im Boden versunken. Was sollte sie jetzt sagen? Wenn sie ihnen erklärte, dass Kaden der Highlord war, würde sie ihr Versprechen brechen und wenn sie etwas anderes sagte, würde man ihr wahrscheinlich nachsagen, dass sie fremdging. Beides keine schönen Optionen. Aber viele Möglichkeiten besaß sie nicht. Sie überlegte kurz und entschied sich dann, die anderen einfach aufzuziehen.
»Er ist ein wundervoller Mann. Zuvorkommend und romantisch. Wir waren zusammen in der Stadt.«
Es war ja immerhin nicht gelogen ... Nur nicht die ganze Wahrheit. Doch was hätte sie auch sonst sagen sollen? Hätte sie nun gestanden, dass es der Highlord war, hätte sich das überall herumgesprochen und Lilitha war sich sicher, dass Kaden nicht wollte, dass jeder seinen Namen kannte.
»Ein Mann aus der Stadt? Woher genau kennst du denn jemanden aus der Stadt?«, fragte eine fremde Frau stirnrunzelnd, als Laura zu ihr herumwirbelte. Scheinbar schien sie erst jetzt die restlichen Neuankömmlinge zu realisieren. Mit großen Augen wandte sie sich wieder zu Lilitha um und blickte sie entschuldigend an.
Diese überlegte kurz. »Ich habe ihn kennengelernt, als ich mit dem Highlord unterwegs war«, erklärte sie, als endlich das Dienstmädchen kam, um sie zu massieren. Dabei beobachtete sie die Reaktionen, der anderen Frauen auf ihre halbe Wahrheit.
»Mit dem Highlord draußen? Wann soll das denn gewesen sein?«, murmelte eine gehässig und schnaubte verachtend, ohne Lilitha anzusehen.
Laura holte derweil tief Luft und breitete sich mit neugewonnener Fassung ein Handtuch auf eine Steinplatte aus, um sich hinzulegen. »Eifersüchtig?«, kicherte die Werwölfin und zwinkerte Lilitha kurz zu. Die Unbekannte warf Laura kurz einen scharfen Blick zu, ehe sie sich vollkommen von ihnen abwandte und sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerte.
»Es muss Anfang Sommer gewesen sein«, murmelte Lilitha und versuchte nicht zu sehr daran zu denken, was sie hier eigentlich tat. Wenn Kaden davon erfuhr, wäre er sicher nicht so begeistert. Aber lügen war auch nicht in Ordnung. Darin würde sie sich nur verzetteln, wenn sie nicht aufpasste und ihre Worte ohne Bedacht wählte. Es war immer besser nahe bei der Wahrheit zu bleiben. »Sergej war nicht erfreut, dass er Highlord mich mitnehmen wollte.«
Einige der Frauen setzten sich, bei den Worten, zu Lilitha, auf eine kleine Anhöhe, die mit einem Mosaik verziert war.
»Ich nehme mal an, der Highlord weiß nichts davon?«, fragte eine Frau vielversprechend und lehnte sich neugierig weiter in Lilithas Richtung.
Diese überlegte kurz. Sollte sie sagen, er wusste es oder sollte sie es abstreiten? Das war eine schwierige Frage.
»Ich weiß nicht genau«, sagte sie stattdessen. Natürlich wusste Kaden, wer er war, doch zu sagen, der Highlord wisse von ihrer Beziehung, würde seinem Ruf schaden. Das wollte Lilitha nicht.
»Du weißt es nicht?«, schnaubte eine der Frauen lachend und schüttelte den Kopf. »Als würde der Highlord jemand Untreues heiraten. Du bist deinen Kopf los, wenn er das erfährt«, warnte sie halbherzig, doch es klang eher, als wäre es ihr gleich.
Es wäre nicht gut, wenn sich das Gerücht verbreiten würde, dass sie untreu sei. Aber man könnte es den Frauen als miese Nachrede unterstellen. Was es irgendwie auch war.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Lilitha und genoss die Massage sichtlich.
»Der Highlord weiß, dass du eine Affäre hast«, stellte eine große Frau mit schwarzer Haut fest und schien alles andere als überzeugt. »Reden wir hier alle über denselben Mann?«, fragte sie unverständlich und blickte Lilitha geradezu bohrend an.
»Ich habe nie gesagt, dass ich eine Affäre habe«, erklärte Lilitha und seufzte. Diese Frauen waren anstrengend.
»Ach ja? Habt ihr zusammen Gras geschnitten, oder wie?«, fragte sie verächtlich, als sich seichtes Gekicher breit machte.
Lilitha lachte. »Nein, aber ein Feld spielte durchaus eine Rolle«, sagte sie und entschied sich dazu, die Frauen ein wenig zu ärgern. Vielleicht färbte der Harem ja doch auf sie ab.
Einige verzogen grübelnd das Gesicht, während Laura ihr ebenso fragende und neugierige Blicke zuwarf, ohne sie auszusprechen. Auch wenn sie Lilitha nicht öffentlich so vorführen wollte, so schien sie doch ebenso neugierig, wie auch die anderen Roten.
Lilitha versuchte sich ihre Laune davon nicht noch mehr vermiesen zu lassen. Stattdessen dachte sie an die Zeit, in der Stadt und vor der Stadt zurück. Dieses Mal hatte Kaden sie förmlich zurückgewiesen und es war nicht ansatzweise so schön gewesen, wie sonst. Sie vermisste ihn so sehr. Sie wollte mehr Zeit mit ihm.
Doch irgendwie schien sich seit seiner Reise und besonders seit der Verlobung, so einiges geändert zu haben. Aber es war doch eigentlich alles wie immer. Zumindest sollte es das sein. Und doch ... war irgendwie alles anders.
»Los, erzähl schon. Welches Feld und was hat dieser Kaden damit zu tun? Was macht er denn beruflich?«, fragte eine Frau mit meerblauem Haar neugierig und wackelte geradezu kindlich mit den baumelnden Beinen.
Lilitha seufzte ergeben. »Er ist ein Adliger, was genau er tut, möchte ich nicht verraten. Jedenfalls hat er versucht, mich im Blumenfeld zu verführen«, erklärte die Rothaarige und konnte ein leichtes Lächeln nicht verstecken. Damit gab sie zwar irgendwie zu, eine Affäre zu haben, aber auch nicht. Hoffentlich ging das nicht schief.
Die Erinnerungen an diesen Tag waren jedoch einfach zu schön und lenkten sie sofort von dem ab, was geschehen könnte. Wärme erfüllte sie und am liebsten wollte sie sich jetzt an Kaden schmiegen. Doch stattdessen, lag sie noch immer auf der Liege, die mit Handtüchern gepolstert war und ließ sich massieren. Ob er schon nach ihr suchte?
Die Blauhaarige machte große Augen und wippte ungeduldig auf und ab. »Was? Er wollte dich verführen? Wie denn das?«, fragte sie geradezu unschuldig, dass Lilitha schon anfing, einiges von sich selbst in ihr wiederzuerkennen. Sie kannte die Frau nicht und hatte sie auch noch nie hier gesehen, doch das beruhigte sie auch nicht sonderlich.
»Er war unglaublich romantisch, lieb und zuvorkommend«, erklärte Lilitha mit einem Schmunzeln und Schwärmen in der Stimme. »Er ist genau das, was ich mir von einem Mann wünsche. Es fiel mir also nicht sonderlich schwer darauf einzugehen, auch wenn meine Lebenssituation nicht gerade zu unserer Beziehung beiträgt.«
Lilitha konnte es nicht genau erklären, doch irgendwie fühlte es sich gut an, über Kaden zu sprechen. Auch wenn es nicht die ganze Wahrheit war.
Aber sie sah auch nicht ein, dass sie ein Geheimnis aus ihren Gefühlen für ihn machen sollte. Trotzdem war sie ein wenig nervös. Was geschah, wenn jemand die Sache ausplauderte?
Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn Sergej davon Wind bekam, so wie Kaden immer versuchte, alles vor ihm zu verheimlichen.
»Also habt ihr beiden doch eine Affäre?«, wiederholte eine Frau verwirrt und schien nicht ganz zu verstehen, was das Ganze nun eigentlich war.
Lilitha seufzte. »Nein, keine Affäre«, sagte sie mit Nachdruck, denn das stimmte. Kaden eine Affäre zu nennen, wäre die reinste Lüge. Aber zu sagen, sie wären verlobt, wäre zu deutlich. Langsam wurde ihr die Fragerei auch zu viel. Sie wollte Kaden wirklich keinen Ärger machen, doch sie glaubte, dass sie es bereits getan hatte.
»Was? Er verführt dich und der Highlord weiß nichts davon ... was ist es dann, wenn keine Affäre?«, fragte eine andere Haremsdame geradezu zickig und schien so allmählich ungeduldig zu werden.
Lilitha lachte. »Nun, wenn du dir das nicht selbst erklären kannst, werde ich es dir nicht verraten. Kannst du dir vorstellen, dass ich ein Leben hatte, bevor man mich hierher verschleppt hat?«, fragte sie und erhob sich. Diese ganzen Fragen wurden ihr langsam zu viel und sie wollte nicht noch mehr lügen. Es fühlte sich noch immer nicht gut an, auch wenn es nötig war, wenn sie Kadens Geheimnis bewahren wollte.
Laura bemerkte Lilithas Bewegungen und tat es ihr gleich, um sich aufzurichten. »Bei den Schöpfern, werdet ihr immer so garstig, wenn ihr eifersüchtig seid?«, meinte sie, als würde ihr das erst jetzt auffallen und folgte Lilitha hinaus in die Gänge.
»Sie sind nicht so schlimm wie Chiana, aber trotzdem aufdringlich«, murmelte Lilitha, während sie sich wieder anzog, um den Hamam zu verlassen. Am liebsten wollte sie zu Kaden, doch sie wusste nicht, wo dieser war und ob er überhaupt Zeit hatte. Vielleicht schlief er schon. Es war immerhin sehr spät.
Laura antwortete nicht direkt, sondern folgte Lilitha stumm aus dem Hamam und blickte sie besorgt an. Kaum waren sie an einer einigermaßen abgelegenen Stelle, griff Laura nach Lilithas Handgelenk, um sie zum Stehen zu zwingen und blickte sich abermals um, um sicherzugehen, dass sie diesmal allein waren.
»Was soll diese ganze Sache mit diesem Kaden?«, fragte sie ernst, aber auch besorgt.
»Du musst dir wirklich keine Gedanken darüber machen, dass ich dem Highlord fremdgehe. Wirklich nicht«, versuchte Lilitha Laura zu beruhigen und entschied sich, das komplette Thema zu wechseln. »Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du meine Blumenjungfer für die Hochzeit wirst.«
Laura blinzelte sichtlich überrascht und schien nicht so recht zu wissen, ob Lilitha sie wirklich als solche wollte oder nur fragte, um das Thema zu wechseln. Ein wenig nervös lachte die Werwölfin und löste ihren Griff von Lilithas Gelenk, um ihre Arme vor der üppigen Brust zu verschränken.
»Denkst du nicht, der Begriff wäre etwas fehlleitend?«, fragte sie sarkastisch, doch sie musste dennoch grinsen.
»Es heißt doch so, oder nicht?«, fragte Lilitha irritiert. »Na ja oder Blumenmädchen, aber dazu bist du wohl etwas zu alt«, fügte sie nüchtern hinzu.
Laura kicherte leise und vertiefte ihr Grinsen sichtlich. »Ihr wisst doch, wie ich das meine«, flüsterte sie und räusperte sich kurz, um ihre Haltung zu lockern. »Ich kenne mich zwar nicht mit Vampirbräuchen aus, aber ... ich denke, ich krieg das hin ... was auch immer das ist«, lachte sie und stieß Lilitha bestätigend gegen den Arm. Eine sehr merkwürdige Geste, doch es schien ihre Art zu sein, ihre Zustimmung kundzutun.
Lilitha lächelte. »Danke, das bedeutet mir wirklich viel. Ich werde es dir in den nächsten Tagen erklären. Aber jetzt werde ich erst einmal den Highlord aufsuchen«, erklärte sie, denn sie wollte Kaden sehen. Egal, ob er gerade schlief, oder nicht.
»Sei bitte einfach vorsichtig«, flüsterte Laura ihr eindringlich zu, bevor Lilitha sich auf den Weg machte.
»Das werde ich«, versicherte sie und machte sich auf den Weg zu Kadens Räumen. Sie hoffte wirklich, dass er da war.
Vielen lieben Dank fürs lesen. Wir würden uns sehr über Rückmeldungen in Form von Votes und Kommentaren freuen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top