Kapitel 22
Die Sonne erstrahlte hell, wärmte die Straßen und Wege, welche Lilitha und ihr scheinbares Gefolge geradewegs zu der kleinen Schneiderei im Zelt führten. Es war das erste Mal seit langem, dass Lilitha ohne Kaden in der Stadt war und das erste Mal, dass sie mit einer Wache und einer Kammerzofe gesehen wurde. Es war ein neues Gefühl, das ihr jedoch nicht unbedingt gefiel.
Der Hauch von Neuem lag in der Luft und Lilitha genoss das rege Treiben auf den Straßen trotzdem. Frühjahrsputz wurde gemacht und bald würde es auch wieder einen Wochenmarkt geben, auf dem die Händler Frisches aus der Natur anboten. Aktuell gab es nur Eingelegtes, was lange haltbar war.
Auch wenn es eine reiche Stadt war, so war es doch nicht möglich, im Winter frisches Obst und Gemüse zu bekommen. Zumindest nicht für die einfache Bevölkerung.
Sin blickte sich die ganze Zeit angespannt um und auch Lilitha bemerkte ab und an die Blicke, die man ihr zuwarf. Doch bisher hatte sie nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein. Im Gegenteil. Als sie das Zelt der Schneiderin betrat, fühlte sie sich sogar geborgen. Hier gab es so viele Erinnerungen an eine schöne Zeit mit Kaden. Eine Erinnerung, die ihr einen Knoten im Bauch versetzte.
Kaden war nicht hier und damit musste sie sich abfinden. Immerhin hatte er als Highlord wichtige Dinge zu erledigen. Das hatte sie gewusst, als sie sich auf ihn eingelassen hatte. Und dafür gab er ihr seine Treue. Er hatte nur Augen für sie und stand mit dieser Verlobung auch für ihre Beziehung ein.
Zumindest hoffte sie, dass es so war. Allerdings verstand sie nicht, wieso die Stadt nicht in feierlicher Laune war. Als ihre Mutter ihr von der ersten Frau des damaligen Highlords, Kadens Vater, erzählt hatte, hatte sie auch von der Bekanntmachung, der Verlobung gesprochen. Alle Reiche, egal wie weit sie doch vom goldenen Reich entfernt waren, feierten den Tag der Bekanntmachung und vor allem den Tag der Trauung. Doch hier auf den Straßen hatte sie nichts dergleichen gesehen. Oder bekam sie nur nichts davon mit? War die Verlobung denn schon öffentlich? Oder wusste es nur der Harem?
Lilitha selbst konnte es nicht sagen. Sie hatte gehofft, in der Stadt etwas davon zu erfahren, doch so wie es aussah, wurde daraus wohl nichts. Es lag eine gewisse Nervosität in der Luft, das bemerkte sie, doch sie konnte nicht genau sagen warum.
»Ah, Mylady«, wurde sie von der weißhaarigen Schneiderin begrüßt, die mit einem Lächeln auf sie zukam und schließlich einen Knicks machte. »Es ist schön, dass Ihr uns wieder hier beehrt«, sagte sie strahlend.
»Ich würde gern mit dir über das Hochzeitskleid reden«, erwiderte Lilitha zögerlich lächelnd. Zumindest hier hatte sich nichts geändert. In der Gegenwart dieser Frau fühlte sie sich wirklich wohl.
»Nennt mich Bree«, erwiderte die Weißhaarige und nickte der Vampirin mit einem respektvollen Lächeln zu, als sie sowohl sie als auch Lilithas Gefolge hereinbat. »Ich habe bereits die freudigen Nachrichten vernommen, dass die Vermählung zwischen Euch und dem Highlord nun offiziell ist«, fügte sie hinzu, als hätte es vorher schon eine Vermählung gegeben, von der Lilitha nichts gewusst hatte.
Ihr Blick glitt noch einmal hinaus in die Stadt und sie fragte sich, ob es denn nun wirklich offiziell war. Immerhin war Bree sehr oft im Schloss gewesen und wusste daher so einiges.
»Ich brauche auch noch ein paar andere Kleider, schätze ich«, murmelte Lilitha, die sich nicht ganz so sicher war, was sie sagen sollte.
»Selbstverständlich, Mylady. Es wäre mir eine ungemeine Ehre, Euch einkleiden zu dürfen«, erklärte sie strahlend und verneigte sich zum gefühlt tausendsten Mal vor Lilitha, als wäre sie bereits die Highlady. »Bitte, wenn es Euch lieber sein sollte, können wir nach hinten gehen, dort bewahre ich alle Stoffe und Entwürfe auf. Ihr könntet mir Eure Wünsche mitteilen.«
Lilitha, die sich eindeutig unwohl fühlte, lächelte leicht. »Das wäre wunderbar«, erklärte sie leise und Bree strahlte, als sie die Rothaarige in den Nebenraum führte. Dort gab es eine Art riesigen Lagerraum mit hunderten Stoffen, in allerlei Farben. Außerdem standen eine Menge Kleiderpuppen herum, die teilweise einige angefangene und sogar fertige Kleider trugen.
»Ich denke, ich brauche einiges an Kleidern, aber ich würde zuerst gern über ein Hochzeitskleid sprechen. Ich habe schon eine recht genaue Vorstellung«, erklärte Lilitha vorsichtig und versuchte an ihre Kindheit zu denken. Wie es damals mit ihrer Mutter war und wie diese sich verhalten hatte. Vielleicht half ihr das jetzt.
Brees weißes Haar schwang zur Seite, als sie ohne anzuhalten, ihren Kopf zu Lilitha drehte, die hinter dieser lief und dicht von Sin und Fey verfolgt wurde. Die übrigen Wachen waren vor dem Zelt stehen geblieben und hielten wohl, während Lilithas Aufenthalt, die restlichen Kunden fern.
»Oh, das ist überraschend. Immerhin war der Antrag erst gestern«, kicherte sie, doch sie winkte gleich wieder ab, als sie um eine scharfe Ecke bog und in ein abgetrenntes Abteil kam, wo hauptsächlich Papier und Skizzen lagen.
»Der Offizielle«, murmelte Lilitha leise und wurde ein wenig rot, während sie ihr folgte.
»Wenn Ihr so lieb wärt und es mir beschreiben könntet«, meinte Bree leise, zückte einen Stift und war bereit Lilithas Ideen auf Papier zu bringen. Sie war schon neugierig, wie die neue Highlady sich ihr Hochzeitskleid vorstellte.
Langsam nickte Lilitha und überlegte, wie sie es am besten in Worte fassen sollte. »Der Rücken sollte fast komplett frei sein. Oder mit einem sehr dünnen Stoff. Am liebsten nur ganz kurze Ärmel, die erst unterhalb der Schulter ansetzen. Der Rock weit gefächert und mit mehreren Schichten. Keine Verzierungen, außer ein paar Perlenketten für den Rücken«, erklärte Lilitha leise und schielte ein wenig zu Fey und Sin. Ihre Gesellschaft machte sie nervös. Vor allem, weil beide genau zuzuhören schienen, was sie sagte.
Der Raum war beinahe vollkommen still und nur das beständige Kratzen der Kohle über das Papier, war zu vernehmen. Sin schien sich immer wieder umzusehen und betrachtete dabei die umliegenden Kleiderpuppen, als wären sie aus Stroh, um an ihnen Schwertkampf zu üben. Fey dagegen hatte die Augen niedergeschlagen und die Hände auf dem Bauch gefaltet. War sie eingeschüchtert von Sin oder war sie nur so lange nicht mehr draußen gewesen?
»So!« Mit diesen Worten riss Bree Lilitha aus ihren Gedanken und die Rothaarige ließ ihren Kopf zurück zu der Schneiderin wirbeln. »Es ist nur ein Entwurf, aber so in etwa würde ich es umsetzen, wenn es Euch beliebt?«, fragte sie und drehte den großen Skizzenblock zu Lilitha herum.
Diese betrachtete sich das Bild lange und spielte dabei mit einer Verzierung an ihrem Rock. »Ich würde das hier und das hier gern streichen. Ich möchte wirklich nur einen einfachen Faltenrock«, erklärte sie vorsichtig und zeigte mit den Fingern auf einige Stellen, die Bree in den Rock eingearbeitet hatte, die Lilitha aber nicht zusagten. Sie hatte Pläne für das Kleid und diese Schleifen würden nicht passen.
Bree wirkte etwas irritiert und befolgte Lilithas Anweisungen mit einem Seufzen. »Es steht mir nicht zu, Euch zu widersprechen, Mylady, doch glaubt ihr nicht, dass ihr als angehende Highlady nicht etwas mehr aus der Menge stechen solltet? Ich hatte auch vor, es mit Eurem Circlet abzugleichen, sollte ich einen Blick darauf werfen dürfen.«
»Ich habe mein Circlet noch nicht. Es muss ebenfalls erst noch entworfen werden«, erklärte Lilitha leise. »Ihr dürft mit dem Rückenteil gern ein wenig experimentieren, aber der Rock sollte so konzipiert sein, dass Blumen darauf Platz finden können, ohne dass ihre empfindlichen Blätter zerdrückt werden, weil Falten, oder Schleifen darauf liegen.«
Bree wirkte überrascht und nickte lediglich. »Ich werde mich darum kümmern, Mylady«, erklärte sie und musste gleichzeitig eingestehen, dass sie noch nie einen solch komplizierten Auftrag erhalten hatte. Auch wenn es auf den ersten Blick einfach wirkte, hatte die Erklärung der Rothaarigen ein ganz anderes Licht darauf geworfen.
Lilitha lächelte erleichtert. Sie hatte damit gerechnet, mehr diskutieren zu müssen, doch Bree machte es ihr leicht. »Vielen Dank.«
Damit verabschiedete sie sich auch schon wieder, denn sie wollte noch ein wenig durch die Stadt laufen und herausfinden, was das für eine Atmosphäre war, ehe sie zurück zum Palast musste. Sie hoffte wirklich, dass Kaden heute Abend noch Zeit für sie hatte. Auch wenn sie es nur ungern zugab, sie vermisste ihn schon wieder. Allerdings war ihr auch klar, dass sie ihn wahrscheinlich nicht unbedingt antreffen würde. Dennoch blieb sie nicht mehr allzu lange in der Stadt. Es war nicht ansatzweise so schön, wie es heimlich mit Kaden gewesen war. Versteckt unter Schleiern, sodass niemand sie erkannte.
Vielen lieben Dank fürs lesen. Wir würden uns sehr über Rückmeldungen in Form von Votes und Kommentaren freuen.
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