Kapitel 14.2
Lilitha blickte ihn an und musste lächeln. Kein Wunder, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Manchmal fragte sie sich noch, wie das passiert war, doch dann zeigte er ihr eine Seite, die er nur selten offenbarte und sie wusste es wieder.
Noch immer schmunzelnd griff sie erneut zu einer Pflanze, um ihre Macht wirken zu lassen und spürte, wie die Kraft, die sie durchströmte, in die Pflanzen floss. Lilitha keuchte. Sie hatte sich nach so langer Zeit nicht mehr ganz unter Kontrolle. Wie ein Bergequell floss die Magie nur so aus ihr raus und flutete das Gewächshaus. Nur in wenigen Sekunden breitete sich das Leben innerhalb der Wände aus und ließ die verwelkt geglaubten Pflanzen wieder in allen Farben des Sommers erblühen.
Kaden, der es gerade geschafft hatte, einen eingekrachten Tisch in eine freie Ecke zu schaffen, blickte erstaunt auf und besah sich das Naturschauspiel. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass Lilitha eine solche Kraft besaß. So schnell wie alles aufblühte und wie sich dieses Leben ausbreitete, war unglaublich. Er sah, wie aus der Erde kleine Knospen schossen, die wuchsen und schließlich ihre wunderschönen Blüten öffneten.
»Schluss jetzt«, keuchte Lilitha und Kaden drehte sofort seinen Blick zu ihr. Sie hockte am Boden und wirkte erschöpft. »Das reicht!«, schrie sie verärgert und das Wachstum der Pflanzen ließ nach, bis keine neuen mehr sprossen. Lilitha seufzte.
Ohne lange zu zögern, ließ Kaden das Holz zu Boden fallen und eilte zu der Rothaarigen, um sich neben ihr niederzulassen. »Lilitha«, hauchte er besorgt und zog sie aus ihrer Fötushaltung.
»Schon in Ordnung«, murmelte diese und atmete mehrmals tief durch. »Ich benutzte diese Fähigkeiten zu selten und weiß deshalb noch nicht so genau, wie viel Kraft ich wann einsetzen muss und wann ich vorsichtig sein sollte«, erklärte sie und war plötzlich überraschend müde. Schwach ließ sie sich gegen seine Brust fallen, als sie kurz das Gleichgewicht verlor.
Besorgt hob er Lilitha auf die Arme, um sie in eine möglichst saubere und freie Ecke zu bringen und sie dort abzusetzen. Sie war schlaff von dieser plötzlichen Machtwelle, aber es war nichts passiert. Zumindest dieses Mal nicht. Ihre Kraft war eben doch gefährlich und das auch für sie. Das vergaß sie nur manchmal wieder.
»Bist du sicher, dass es dir gut geht? Willst du etwas Blut? Oder vielleicht etwas zu essen?«, fragte Kaden besorgt und befühlte ihre Stirn, um zu sehen, ob sie nicht doch angeschlagener war, als man ihr auf den ersten Blick ansah.
»Es ist wirklich alles in Ordnung«, versicherte sie und schenkte ihm ein Lächeln. »Es kam nur sehr plötzlich. Normalerweise ziehen die Pflanzen nicht so schnell so viel Energie«, erklärte sie und schmiegte sich an Kadens Brust. Verwirrt blickte dieser auf sie runter und fragte sich, ob das denn wirklich der Wahrheit entsprach. Wenn das hier unbeabsichtigt war, was würde dann erst kommen, wenn sie es bewusst tat?
»Wenn du deine Kraft bewusst einsetzt, ...«, fragte Kaden langsam und beobachtete sie genau. »Wie weit würdest du reichen?«, wollte er wissen. Lilitha blickte auf und legte den Kopf schief.
»Ich bin noch jung und schwach. Meine Mutter konnte mit ihrer Gabe einmal um die halbe Welt sehen. So hat sie meinen Vater immer im Auge behalten können. Und unser Garten war eine Art Ankerpunkt für sie. Ich denke, ich kann im Moment vielleicht eine Fläche in der Größe des Palasts abdecken«, erklärte sie leise und auch ein wenig zögerlich.
Kaden jedoch blickte sie weiterhin ernst an, als wollte er sagen, sie solle ihn nicht wieder anlügen. Doch diesmal blieb ihre Mimik unbewegt, als hätte sie ihm die Wahrheit gesagt.
»Das hast du mir gar nicht erzählt«, murmelte Kaden ein wenig unsicher und sah sich nochmals im Garten um.
»Du hast nicht danach gefragt und ich war mir unsicher ... wie du reagieren würdest«, sagte sie leise und senkte den Blick. Ob ihm bewusst war, dass sie sich aus dem Kerker hätte befreien können? Aber so etwas lag nicht in ihrer Natur. Es war für sie ein Unding, die Natur dazu zu nutzen, anderen wehzutun. Es lag ihr einfach nicht im Blut, im Gegensatz zu anderen Vampiren.
»Ich dachte, du würdest mir die wichtigen Dinge mitteilen«, wandte er ein und ballte ein wenig die Fäuste. Auch wenn er Lilitha recht geben musste. Er hatte sie nicht gefragt. Doch sie war nun seine Verlobte und dieses Ereignis machte ihm nur bewusst, dass er diese scheinbar überhaupt nicht kannte. Er wusste nicht einmal, wie sie mit Nachnamen hieß. Und das, obwohl er ihr bereits seinen Namen verraten hatte, bevor sie wirklich eine Beziehung geführt hatten. Sein Kiefer arbeitete unabdinglich, während seine Gedanken hitziger wurden. Er wusste nicht einmal wirklich, auf wen er wütend war, doch irgendwie passte ihm das einfach ganz und gar nicht.
»Du wusstest, was ich kann. Ist es wirklich wichtig, dass ich dir sage, wie stark diese Fähigkeit ausgebaut ist? Ich bin ein Küken. Sehr schwach im Vergleich zu den anderen ...«, hier brach sie ab und Kaden verstand das Wort nicht, dass sie fast nur murmelte. Den anderen was? Gab es noch mehr, die diese Fähigkeiten besaßen? Und wie weit war sie wirklich mit der Natur verbunden?
»Als andere ... was?«, wiederholte er und blickte sie nun wieder direkt an, doch sie wich seinem Blick nur weiter aus und hielt ihr Gesicht in seiner Brust vergraben. »Findest du es nicht eigenartig, dass wir jetzt verlobt sind, uns aber scheinbar überhaupt nicht richtig kennen?«, fragte Kaden und schien es auch irgendwie für sich selbst laut aussprechen zu wollen.
»Bist du wirklich der Meinung, dass wir uns nicht kennen?«, fragte sie leise. »Oder kennen wir nur die Dinge, die uns wichtig sind?«, fügte sie ebenso leise hinzu. Ihr Gesicht weiterhin dort, wo sie es die ganze Zeit schon hatte. An Kadens Brust. Kadens Puls ging schneller, bei dem Missfallen, was er verspürte.
»Ich habe eher das Gefühl, dass du mir nicht vertraust«, gab er mit heiserer Stimme von sich, doch er wirkte eher abwesend, während er monoton ins Nichts starrte.
»Ich vertraue dir, aber ich habe ein Versprechen gegeben. Ich darf es nicht brechen«, flüsterte Lilitha leise. »Da ist es egal, wie sehr ich dir vertraue. Wenn du von mir ein Versprechen erhältst, willst du doch sicher auch nicht, dass ich es breche, weil ich denke, dass es gerade gut ist.«
Angespannt wartete sie, dass Kaden irgendetwas sagte und auf ihre Worte reagierte. Auch wenn sie sehr leise sprach, wusste sie, dass er sie hören konnte. Doch er blieb still. Sein Herz raste fast schon in seiner Brust, auf welcher ihr Kopf lag. Sie war sich nicht sicher, ob sie etwas sagen sollte. Die Stille schien fast schon erdrückend.
Sie fragte sich, ob er ihr überhaupt zugehört hatte. Sie zu hören und die Worte zu verstehen, waren immerhin zwei unterschiedliche Dinge. Vielleicht hatte er sie ignoriert, weil er in Gedanken war?
Die Rothaarige traute sich nicht, sich zu bewegen. Sie hatte Angst, dass sie Kaden damit reizen würde und er vielleicht wütend reagierte.
Eine Weile saßen sie beide einfach so da, bewegungslos und scheinbar wusste keiner so richtig, was nun kommen würde. Plötzlich fühlte sich die Entscheidung, Lilitha zu heiraten, viel ernster an. Er liebte sie, das tat er wirklich ... oder zumindest glaubte er das. Doch konnte er wirklich ihr Ehemann werden, wenn sie ihm nicht einmal die Wahrheit sagen konnte? Er senkte plötzlich den Blick und bewegte sich ein wenig von ihr weg, um aufzustehen. »Es ist schon spät. Ich denke, wir sollten uns langsam zurückziehen«, meinte er nüchtern und griff nach seiner Jacke.
Diese Aussage sorgte dafür, dass sich Lilithas Nackenhaare aufstellten und sie erzitterte. Das war kein gutes Zeichen. Sollte sie ihm folgen, oder sagen, dass sie die Nacht hier verbringen wollte? Würde er sie allein lassen? Lilitha konnte es nicht sagen, also erhob sie sich vorsichtig. Noch immer fühlte sie sich ein wenig erschöpft. Als wäre sie zu lange gelaufen. »Das sollten wir«, murmelte sie zustimmend.
Aus einem Instinkt heraus griff Kaden ihr unter die Arme, als Lilitha einen wackeligen Schritt machte und half ihr wieder auf die Beine. Schluckend über seine eigene Reaktion, bot er ihr einen helfenden Arm an, um einen angemessenen Abstand zu wahren. Er war im Moment einfach zu wütend auf die gesamte Situation, als dass er sich zu mehr durchringen konnte.
Lilitha nahm ihn nur sehr vorsichtig und schüchtern an, was dafür sorgte, dass Kaden sich fühlte, als wäre er in die ersten Wochen ihrer Bekanntschaft zurückversetzt worden. Auf einmal wirkte sie wieder so vorsichtig und verletzlich wie damals. »Bist du jetzt wütend auf mich?«, fragte sie leise und mit gesenktem Blick.
Er wollte ihre Frage verneinen, doch er war sich selbst nicht sicher. War er sauer? Eindeutig, ja, das war er. Doch ob sich diese Wut wirklich auf Lilitha richtete, wusste er nicht. »Ist schon gut«, sagte er vorsichtig, in dem Versuch, das Thema zu wechseln. Immerhin war es auch Lilithas gutes Recht, ihm etwas zu verheimlichen. In gewisser Weise tat er nichts anderes. Doch das änderte nichts daran, dass er sich wünschte, es würde anders laufen.
»Ich verstehe«, murmelte sie bedacht. Ihrer Meinung nach, war sein Versuch das Thema zu wechseln ein deutliches Zeichen dafür, dass er wütend auf sie war. Dabei waren sie doch gerade einmal einen Tag verlobt und schon ging der erste Ärger los.
Vielleicht war ihre Hochzeit doch keine so gute Idee? Wie würde er erst reagieren, wenn sie ihm von ihren Eltern erzählte? Wenn sie verheiratet waren, würde sie ihr Versprechen immerhin nicht mehr brechen. Oder vielleicht doch? War Kaden der Einzige für sie? Das, was ihr Vater für ihre Mutter gewesen war? Das hatte sie zumindest gedacht. Doch irgendwie schien alles komplizierter zu werden, seitdem sie diesen Ring trug.
Er erwartete Sachen von ihr, welche sie als seine Frau nun einmal einzuhalten hatte und natürlich auch für das Reich gegeben sein mussten, sollte sie die neue Herrscherin werden. Aber jetzt kamen ganz neue Sachen zum Vorschein und die einzigen Meinungsverschiedenheiten, die sie bis jetzt hatten, war das Aphrodisiakum in Kombination mit Chiana. Allerdings war das auch schon eine Weile her.
Aber nun? Nun schienen sie sich ununterbrochen auf die Füße zu treten. Das war anstrengend, aber vielleicht lag es auch daran, dass sie so lange aufeinander hockten. Vielleicht war die Idee in den Harem zurückzukehren doch nicht ganz so verkehrt. So oft wie sie dort schon ins Fettnäpfchen getreten war, war kaum noch was übrig, was die Anderen schocken konnte. Eventuell tat ihnen ein wenig Abstand gut. Allerdings wusste sie nicht genau, wo sie wohnen sollte. Da musste sie auf Kaden warten. Wo auch immer er sie einquartieren würde, es war seine Entscheidung. Immerhin war es sein Harem. Auch wenn er das nie sagte. Der Highlord war nun einmal derjenige, welcher hier das Sagen hatte.
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