Home sweet home
Diejenige, die mir schließlich in London Gesellschaft leistete, war Steph. Zunächst war sie noch etwas verhalten, aber nachdem ich ihr zig mal versichert hatte, dass alles in Ordnung mit uns beiden wäre, und dass ich mich für sie freute, klagte sie mir ihr Leid, das natürlich meinem ähnlich war. Sie hatten sich in New York nicht direkt gestritten, aber sie war dann doch eher zurück gekehrt, als Ralph.
„Uh, das tut so gut, den Frust an dieser häßlichen Tapete auszulassen."brummte sie, während sie Fetzen von der Wand riss und ich lachte.
„Ja, da hat Ralphie wirklich keinen guten Geschmack bewiesen!"
„Er ist hier einfach eingezogen, ohne jemals was zu machen! Ist ja eh nie hier."lachte sie und ich nickte.
Zum Glück hatten meine Arbeitgeber mir noch eine Woche Urlaub genehmigt, damit ich schon mal anfangen konnte, zu renovieren. Alles würde ich nicht schaffen. Steph war zwar eine Riesenhilfe, aber die Wohnung hatte drei Zimmer und ein großes Bad. Wir schliefen im Wohnzimmer auf dem Fussboden und arbeiteten die Nacht durch, tranken zu viel und hatten Spaß. Ich legte gerade den Boden mit Zeitungen aus, als ich über einen Artikel vom Silvesterabend in LA stolperte.
„Nein!"rief ich.
„Was ist?"fragte die Dunkelhaarige und hockte sich neben mich.
„Guck mal. Unser Dance Battle!"
„Da hab ich echt was verpasst. Aber ich war genervt und ziemlich geschockt."seufzte sie.
Sie hatte mir erzählt, dass nahezu gleich nach dem Essen die Leute aus den Zelten gescheucht worden waren. Ralph wäre mit ihr zum Strand runter gegangen, damit sie sich weiter unterhalten konnten und außerdem hatte er schon genug, das Gegröle nur von weitem zu hören. Er hatte noch eine Flasche Wein organisiert, sie hätten getrunken und ziemlich doll geflirtet. Irgendwann dann hätte er sie geküsst. Wieder anders- ich hatte Ralph quasi nötigen müssen! Daraufhin war Steph erschrocken abgehauen, sie hatte ein schlechtes Gewissen, obwohl sie ja wusste, wie ich dazu stand. Aber ich konnte sie verstehen, anders herum wäre es wohl genauso gewesen.
Plötzlich fiel mir etwas ein und mir wurde heiß und kalt:„Oh Gott, Steph, ich bin die beschissenste Freundin ever! Ich hab deinen Geburtstag ganz vergessen! Und Ralph sagte noch, ihr wolltet in New York nachfeiern, wie ätzend ist das?"
Sie schaute mich ernst an: „Nun sind wir quitt."
„Nein, das kann man nicht verzeihen, ich war so ein Egoist, die ganze Zeit hatte ich nur die Wette im Kopf und hab keine von euch richtig wahr genommen! Und hab mich noch bei Henry ausgeheult, dass Ralph dich mit nach New York nimmt, dabei war es dein Geschenk und das hattest du mehr als verdient!"
„Es ist okay, krieg dich wieder ein, Ramona!"lachte sie.
Natürlich hatten wir uns über den Abend ausgetauscht. Bevor ich mich fragen konnte, warum Ralph mir nicht wenigstens einen Hinweis gegeben hatte, klingelte es an der Haustür.
„Dammit, ist das schon der Lieferservice?"
„Ich hab nicht mal angerufen."erwiderte die Dunkelhaarige und drückte auf den Summer.
„Oh, nee. Nicht, dass es wieder dieser komische Typ ist."
Sie schaute mich alarmiert an. Zwei Tage zuvor war sie von einem Pizzaboten verfolgt worden, der uns anfangs mal die Pizza geliefert hatte und so creepy war, dass wir dort nicht mehr bestellten. Wir hörten das Knarzen der Holztreppe. Einen Moment später klopfte es.
„Wer ist da?"rief ich.
„Der, dessen Name nicht genannt werden darf!"kam amüsiert zurück und ich lachte, Steph öffnete.
Ralph umarmte sie sogleich, ich verzog mich schnell ins Schlafzimmer und legte weiter Zeitungen aus.
„Willst du keine Begrüßung?"fragte er mich nach einer Weile, Himmel, sah er gut aus.
„Ich wollte euch erstmal Zeit geben, euch zu vertragen."
„Wir haben uns nicht gestritten."
„Nein, mit dir kann man sich auch nicht streiten."seufzte ich.
„Ist das jetzt ein Kompliment?"
„Gib dir bitte etwas mehr Mühe mit ihr."
„Das musst du mir nicht sagen. Warum hilft dein Koloss nicht, ist er busy?"
„Ich hab dir doch geschrieben, dass wir wirklich kein Paar sind!"seufzte ich.
„Hm. Darf ich euch Hübschen denn zum Essen ausführen?"
„Du glaubst mir nicht, oder?"
„Doch, natürlich. Du hast legitim gewonnen."lächelte Ralph.
Ich lachte. „Hör schon auf. Na gut, ne Pause wäre ganz angebracht."
Zu aller Not wurden wir erwischt. Nun hatte Ralph Fiennes ein Dreiecksverhältnis mit Megan Fox und Mary Elisabeth Winstead, denn so wurden wir seit der Hollywood- Party in den Zeitungen gehandelt, anscheinend war es unmöglich, dass sich einfache Leute wie wir dort hinein getraut hätten. Steffi war mit Christina Hendricks verwechselt worden und Babs wäre laut Presse Gwen Stefani. Zugegeben, wir wären eine coole Girl- Band!
Steph musste nach Irland zurück, ihr Urlaub war nun auch vorbei und Ralph half mir weiter beim Renovieren, er versuchte ein paar Male, mich zu überreden, doch mit ihm in seiner anderen Wohnung zu übernachten, aber ich hatte ehrlich Skrupel. Nachdem ich ihm zum dritten Mal geantwortet hatte, dass ich nicht mitkommen würde, und er schulterzuckend heim gefahren war, rief ich Steph an.
„Ah, du Lebensretterin."keuchte sie. „Ich sterbe gerade vor Langeweile."
Ich lachte: „Kann ich nicht behaupten, mit dem alten Mann kommt man kaum voran. Okay, dafür kann er besser schauspielern als wir! Hör zu, Steph, Raff versucht dauernd, mich in seine Wohnung zu holen. Ich könnte schon eine ruhige Nacht gebrauchen, dein Stalker hat auch schon wieder geklingelt, immer dann, wenn Ralph gerade raus ist. Aber ich hab echt ein schlechtes Gewissen!"
„Quatsch, was ist denn dabei?"gab sie wieder, etwas klapperte und ihre Katze miaute.
„Naja, er wird mit mir in einem Bett schlafen."
„Und?"
„Vielleicht...ach Mann. Eigentlich will ich nicht mit ihm schlafen, aber in letzter Zeit muss ich dauernd dran denken, wie gut dieser Kerl im Bett ist."seufzte ich.
Sie schwieg. Das konnte ihr doch echt nicht egal sein?
„Er hat mir gesagt, dass er es nicht unterdrücken würde, wenn er Lust auf dich hätte."hauchte sie.
„Siehst du. Ich will das nicht, Steph."
„Ich muss damit leben, genau, wie umgekehrt."
„Mir muss er nicht treu sein, und du bist mir gar keine Rechenschaft schuldig, Süße."
„Mir muss er auch nicht treu sein."seufzte sie.
Ich holte tief Luft. Es klingelte an der Haustür und ich jaulte leise. „Ich bringe diesen Kerl um."
„Wen? Ralph?"
„Ja, den auch, der bringt uns in diese beschissene Lage. Okay, ich brauche einfach noch Zeit. Vielleicht wird es irgendwann anderes sein, aber jetzt will ich hier einfach nur meine Ruhe haben."
„Verstehe ich total. Nur...tu mir einen Gefallen, ich will es nicht wissen, wenn wieder was zwischen euch läuft. Das habe ich mit ihm auch vereinbart. Wenn er bei mir ist, geht es nur um uns."
„Hey, das klingt nach einer guten Idee. Du hast absolut recht, es ist schließlich mein schlechtes Gewissen und das sollte auch bei mir bleiben."
„Hm. Mann, klingelt er immer noch?"
„Jepp. Ich rufe jetzt die Polizei."
„Mach das und passe auf dich auf."
„Hm, er will eigentlich nur wissen, wo du abgeblieben bist."kicherte ich. „Ich hoffe nicht, dass er dafür über Leichen geht."
„Meine Güte. Echt jetzt, hol dir einen Bodyguard."
Sofort fiel mir Henry ein, aber der konnte ja nicht rund um die Uhr. Ich rief tatsächlich das Revier an, bei dem Ralph und ich den Stalker gestern schon gemeldet hatten. Doch wie das Leben so spielte, als sie ankamen, war er fort. Nun konnte ich nicht einschlafen, lag auf der Erde im Wohnzimmer und starrte auf Henrys Nummer. Ach, ein Hallo würde mich nicht umbringen, dachte ich und tippte los, dann löschte ich die Hälfte wieder, weil es albern klang, aber das war dann wieder zu wenig, ich wollte ihm einfach mehr mitteilen. Also löschte ich alles und fragte an, ob er vielleicht gerade Zeit hätte. Starrte weiter auf den Chat, wartete auf das „schreibt..."
Ich wusste ja noch nicht mal, wo der Schauspieler war. In den USA war es gerade Nachmittag, vielleicht drehte er? Vielleicht hatte er längst eine andere Freundin, jemand wie er war sicher nicht lange alleine. Es kam ein Selfie aus dem Fitnessstudio. Ich lachte, er sah zu niedlich aus, und antwortete: „Heißt? J/N?"
„Für dich immer. Gib mir fünf."
Drei Minuten später kam ein Videocall und ich stöhnte, ging aber ran, Henry hockte halbnackt und geduscht in der Umkleide.
„Bist du einmal durch den Wasserstrahl gelaufen?"lachte ich.
„Ich hab schon geduscht, als ich dir geantwortet habe. Wieso sitzt du im Dunkeln?"
„Ich liege."kicherte ich.
„Hm. Ich möchte dich sehen."
„Ach, ich sehe heute echt daneben aus."
„Bitte...ich kann mich kaum noch an dein schönes Lächeln erinnern. Wenn ich das Foto vom Hollywood Sign nicht hätte...und das neueste aus der SUN. Mit Megan und Ralph, aber das ist ja so unscharf."
„Hör auf!"jaulte ich und drehte mich zur Lampe, schaltete sie ein.
„Hu, sind deine Haare erblasst."
„Hm. Hatte keine Zeit zum Nachtönen, ich bin voll im Renovierstress."
„Warum hast du dich nicht eher gemeldet? Ich helfe dir gerne, das weißt du doch. Ohne Gegenleistung."sagte er ernst.
„Deswegen rufe ich an."
Nun fiel ihm alles aus dem Gesicht: „Wegen... dem ... Renovieren?"fragte er vorsichtig.
„Nein, der Gegenleistung!"lachte ich. „Schade, dass du so weit weg bist..."
„Bin ich gar nicht. Jedenfalls nicht, wenn du zuhause bist. Du hast die Wette ja gewonnen, also schätze ich, dass du in London wohnst?"
„Jepp. Und du bist auch hier? Ich dachte, du bist im Fitnessstudio?"
„Richtig, in meinem favorisierten Londoner Club."
„Mitten in der Nacht?"
Er lachte: „Es ist viertel nach zehn, keine Zeit für Leute wie mich, das Ding hat bis Mitternacht auf. Wenn du möchtest, komm ich rum? Ich möchte allerdings noch was essen."
„Kein Problem. Und du bist dir sicher?"fragte ich zweifelnd.
Er grinste: „Warum nicht?"
„Wegen dem, was beim letzten Mal passiert ist."
„Dass ich den CG raushängen lasse? Nope, ich hab mich ausgepowert und bin heute ganz friedlich und zahm." Ich lachte leise. Henry fuhr fort: „Bis gleich, mein Häschen. Lustig, ich kenne immer noch nicht deinen richtigen Namen, was steht an der Klingel? Bugs Bunny? Und wo finde ich dich überhaupt?"
„Ich schicke dir gleich alles."lächelte ich.
Tippte meinen Namen und die Adresse ein und hoffte, dass es für ihn okay war, es auf einer Matratze am Boden zu tun. Stöhnte: „Herrgott, was machst du nur?"
„Bin gleich da, soll ich noch im Drug Store vorbei?"schrieb er nun.
„Vielleicht besser."erwiderte ich beschämt.
„Geht klar. Ich freue mich total, dass du angerufen hast!"
Mein Herz machte einen Hüpfer.
„Und ich mich, dass du her kommst und es mitmachst."
„Was?"
„Du weißt..."
„Das ich mich in eine Dreiecksbeziehung einmische?"
„Wir waren nur essen, Herrgott."
„Zick nicht gleich wieder rum."
„Sorry. Nein, ich schlafe nicht mit Ralph, er hätte es wohl gerne, denke ich, vielleicht denke ich auch falsch, aber ich hab dich angerufen, weil ich es gerade echt nötig habe."
Nichts. Ich wartete, wartete, schrieb nochmal, wann er denn hier sein würde und bekam keine Antwort. Ich döste über dem Warten ein, und wurde am Morgen von meinem Wecker aus einem heißen Traum gerissen. Ich schaute mich verwirrt um, bis ich kapierte, dass Henry mich versetzt hatte!
„Da ist man einmal als Frau direkt und sagt, was man will, und schon spielt ihr Kerle das Mimöschen!"tippte ich wütend und schickte es ab, völlig unreflektiert und impulsiv, dann musste ich mich beeilen, um zu Job eins zu kommen, der vor der Toren Londons zu finden war.
„Ah, gut, dass du wieder da bist, Bridget."begrüßte mich meine Vorgesetzte Hannah, ihre grauen Augen verheult.
„Oh nein...ist es soweit?"japste ich, und all meine Sorgen waren passé.
Ich umarmte sie und sie begann, zu weinen.
„Ich übernehme. Fahr heim."murmelte ich.
„Aber du kannst..."
„Ich krieg das hin, ansonsten rufe ich dich an."gab ich zuversichtlich zurück, dabei hatte ich keinen Schimmer.
Ich hatte mich vor einem Jahr spaßeshalber bei La Riche beworben, weil ich mir seit Ewigkeiten mit den Farben die Haare tönte, sie suchten sowas wie eine Bürokraft für den Vertrieb nach Deutschland und Österreich und da ich auch ein bisschen Wirtschaftsfranzösisch konnte, hatten sie mich eingestellt, obwohl ich aus dem Gesundheitswesen kam. Sie hatten schnell gemerkt, dass ich Lust an Farbkombis und Ausprobieren habe, so war ich in die Produktion versetzt worden, als Leitung, trotzdem reichte mein Gehalt noch nicht aus. Hannah war leitende Chemikerin, sie bastelte zusammen, was ich mir ausdachte, so ging es eigentlich nicht ohne den anderen. Ohne sie! Aber so gab es eben im Januar und Februar keine Farbverbesserungen.
Auf meinem Schreibtisch lagen Stapel an Briefen von Nutzern, ich fragte immer nach Feedback, um zu improvisieren. Hannah fuhr heim zu ihrer sterbenden Mutter und ich stürzte mich in die Arbeit, war komplett vertieft, dass ich fast vergass, mittags rechtzeitig Schluss zu machen. Nahm natürlich noch mein Weihnachtsgeschenk mit, die Oberbosse hatten mir alle Farben geschenkt, die ich im letzten Jahr kreiert hatte, obwohl ich die Hälfte davon nicht tragen konnte. Rechtzeitig kam ich in dem Buchshop an, der in der Nähe meiner Wohnung lag, und verbrachte dort den Nachmittag bis Abend, der Besitzer war letztes Jahr gestorben und sein Sohn hatte einen anderen Job, vormittags hütete seine Frau den Laden und nachmittags ich. Wenn ich nicht konnte, hatten sie zu, denn nachmittags musste sich die Frau um die Kinder kümmern. Der Laden war ein Herzstück und man wollte ihn nicht verkaufen. Und natürlich stand kurz vor acht Ralph vor der Tür.
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