Die Wette
„Ich liebe ihn doch so."schluchzte ich.
„Ich weiß."tröstete Steph und rieb über meinen Rücken, während ich mit der Nase in ihrem Weihnachtspulli hing und ihn vollrotzte.
„Sorry."schniefte ich und kam hoch.
„Ist okay, das Ding ist sauhässlich. Geht's wieder?"
Von nebenan waren laute Stimmen und Gelächter zu hören. Ich schnäuzte in ein Taschentuch und blickte zur Tür, hinter der fleißig Weihnachten gefeiert wurde.
„Ich kann es nicht tun."flüsterte ich.
„Hör zu, wenn es jemand versteht, an Weihnachten den Laufpass zu bekommen, nein, es sogar übersteht, dann er."erklärte meine Freundin und patschte mir wieder auf die Schulter.
Ich umarmte sie fest, sie räusperte sich verlegen. Ja, sie stand nicht so auf Körperkontakt und ich rechnete es ihr hoch an, dass sie meinen Gefühlsausbruch über sich ergehen lassen hatte. Anstatt um Hilfe zu rufen oder weg zu laufen!
„Süße, ich kann doch nicht Ralph Fiennes verlassen."hauchte ich. „Ehrlich, das ist...Frevel. Wie viele Frauen würden gerade gerne mit mir tauschen wollen?"
„Inklusive mir."
„Hm."machte ich und lächelte sie an:„Genau. Sorry, dass er dich so scheinbar gar nicht bemerkt..."
„Hör auf! Du gräbst in der Wunde."
Wir lachten und ich küsste ihre Wange, sie knurrte und stand auf. Ich ebenfalls, dann ging ich alleine ins Bad und schaute mein verheultes Gesicht an.
„Das wäre wirklich, wirklich dämlich. Du liebst ihn, er dich, und schau dich an. Wieviele Chancen bekommst du in deinem Alter noch?"redete ich mir zu.
Ich wusch mein Gesicht, schminkte mich nach und hockte mich auf den Badewannenrand.
„Dein goldener Käfig."murmelte ich. „Quatsch, du bist nicht eingesperrt!"
Schnell rappelte ich mich auf und ging zu den anderen zurück, bevor es noch schlimmer wurde. Der Mann meiner Träume, um dessen Liebe ich hart gekämpft hatte, saß neben seinem Schauspielerfreund Liam und lachte so niedlich, dass mir das Herz ganz schwer wurde. Warum war ich nur so, warum reichte es mir nicht? Wenn ich erstmal etwas hatte, wurde es langweilig. Nein, langweilig war er nicht, nur...er hatte eine andere Art, zu lieben. Ich war da, das war ihm genug. Nicht, dass ich darauf wert legte, jeden Tag Liebeserklärungen zu bekommen, Komplimente, überhaupt, musste ich nicht jeden Tag mit ihm reden, wenn er seine drolligen fünf Minuten hatte und seine Ruhe wollte, war es völlig okay. Aber ich erwartete schon, dass man ab und zu um mich kämpfte. Das man antwortete, wenn ich ihm schrieb, nicht sofort, nein, ich wußte ja, er war gerade drehen oder zu einem Interview ecetera, aber wenigstens ein paar Stunden später, vielleicht mal ein winziges: „Ich vermisse dich" in zwei Wochen, noch schlimmer war es, wenn Ralph zuhause war. Er drückte es mit Gesten und Zärtlichkeiten aus, wenn er gut drauf war, aber wenn nicht, konnte er mich eiskalt mehrere Tage lang ignorieren und tat danach wieder so, als wäre alles normal. Er redete über seine Misere, manchmal, manchmal nicht, so, wie es ihm beliebte, während ich ihn mit Gefühlen überhäufte, was er nicht abkonnte, genau wie meine liebe Steph. Sie wären ein tolles Paar, dachte ich gerade, als Ralph mich ansah und ich wieder spürte, wie sehr ich diesen Mann wollte. Aber niemals würde er so sein, wie ich ihn gerne hätte! Vielleicht liebte ich ihn gar nicht, vielleicht war ich so geblendet von seinem Status, ich himmelte ihn schließlich schon seit über zwanzig Jahren an!
Und nun brachte er mich wieder völlig durcheinander, indem er rüber kam und mich umarmte.
„Wann dürfen wir sie rauswerfen, ohne, dass es unhöflich erscheint?"murmelte er in mein Ohr und ich kicherte.
Eine Stunde später dann ließ ich den letzten Gast hinaus und als ich zurück ins Wohnzimmer kam, war Ralph auf der Couch eingeschlafen.
Ich hockte mich davor und streichelte sein Gesicht. Legte meinen Kopf auf seine Hand, wieder spürte ich, wie mir die Tränen aufstiegen.
„Frohe Weihnachten, mein Liebling."flüsterte ich.
Er öffnete die Augen und zuckte zusammen.
„Dir auch, mein Schatz. Danke, dass du heute wieder so eine wundervolle Gastgeberin warst. Dass du dieses Haus so mit Leben füllst, mit Liebe, dass..oh, nein, nicht doch."murmelte er und zog mich an sich, ich kuschelte mich in seine Brust und weinte bitterlich.
Er streichelte meinen Rücken, wie Steph es vorhin getan hatte und ich musste trotz allem grinsen.
„Was ist denn? War das kein schönes Kompliment, ich habe mir doch wirklich Mühe gegeben?"seufzte er und meinte es auch so.
„Du hast dir Mühe gegeben?"schniefte ich und schaute hoch.
„Du weißt, wie schwer es mir fällt, in emotionalen Dingen die richtigen Worte zu finden, wenn sie mir niemand ins Drehbuch geschrieben hat."murrte er.
„Es ist doch ganz einfach. Drei beschissene Worte!"
„Ich bin erschöpft."kam ernst zurück und ich rollte mit den Augen. „Du weißt doch, was ich empfinde. Warum soll ich es sagen?"fügte er hinzu.
„Ich weiß es nicht. Ich habe dir drei Male geschrieben, weil ich wissen wollte, wen ich zu deinem Geburtstag einladen soll, drei Male, in einem Monat. Als ich dich per Skype anrufen wollte, hast du mich weg gedrückt, als wäre ich dein Agent oder so, okay, wenn du keine Zeit hast, aber dann meldet man sich später und entschuldigt sich, was machst du? Nichts. Als wäre ich nicht existent, bis du wieder zurück bist."
„Ich habe dir eine Karte geschrieben. Ich hasse diesen neumodischen Medienkram."
„Auf der Karte stand auch keine Antwort. Nur, wie schön es dort sei und was du alles erlebt hast."
„Ich habe ein Herz gemalt. Herrgott, du verstehst es, mir den Abend zu vermiesen!"murrte er und richtete sich so abrupt auf, dass ich fast runter fiel.
„Tut mir leid, ich wollte nicht vorwürflich sein, ich möchte nur, dass du verstehst, warum ich weine, obwohl es ein schöner Abend war und ich die glücklichste Frau der Welt sein sollte."seufzte ich, setzte mich auf und lehnte mich zurück.
Ralph war aufgestanden und schenkte sich einen Brandy ein.
„Ich kann dir die drei Worte nicht sagen, weil es eine Lüge wäre."murmelte er.
„Sagst du das jetzt, weil es dir zu eng wird?"
„Nein, es ist wahr. Ich kann nicht lieben. Nicht so, wie es alle erwarten, jedenfalls. Mir tut es leid, wenn ich dir jetzt weh tue. Vielleicht liebe ich dich nicht, aber ich empfinde mehr für dich, als für jeden anderen und ich bin glücklich, wenn ich nach Hause komme, du da bist, das ist nicht ausgedacht. Ich bin glücklich, wenn wir miteinander schlafen. Aber du hast recht, wenn ich woanders bin, blende ich dich komplett aus. Nicht, weil du mir nicht wichtig bist, Schatz. Ich ticke einfach so."
„Schläfst du dann mit anderen Frauen?"murmelte ich.
„Nein. Früher, ja, da hab ich sowas gemacht. Aber das ist mir auch nicht mehr wichtig. Ich weiß ja, wenn ich heim komme, bekomme ich einen wunderbaren Orgasmus."lächelte er und mir wurde heiß.
Einen Moment schauten wir uns an. Ich seufzte, dann legte ich mich auf die Couch und guckte an die Decke. Da oben im Gästezimmer lag meine Freundin und schlief selig.
„Was machen wir nun?"murmelte Ralph.
„Ich bin auch erschöpft."gab ich leise zurück. „Erschöpft von all den gemischten Gefühlen."
„Bitte, lass gut sein."
„Ich kann nicht, ich muss eine Entscheidung treffen."
„Wenn du das so siehst. Ich werde mich nicht verbiegen, damit du zufriedener bist. Oder dich mehr geliebt fühlst."
„Fick dich, Fiennes."knurrte ich und er lachte: „Ich hätte gerne dich gefickt, aber das kann ich heute wohl vergessen."
„Und morgen. Und übermorgen auch! Für immer!"schnaubte ich, sprang auf und lief nach oben.
„Sehr erwachsen!"rief er hinter mir her.
Wie ich es erwartet hatte, war er am Morgen verschwunden. Wenn man zwei Häuser und mehrere Wohnungen rund um den Globus hatte, war es einfach, sich zu verpissen! Steph sah müde aus, ich völlig erledigt. Natürlich hatte ich nicht geschlafen, sondern die ganze Nacht Actionfilme geschaut. Die nichts mit Weihnachten zu tun hatten!
„Du solltest mit ihm reden."murmelte meine Freundin, während sie ein Toast bestrich. „So ist es doch kacke!"
„Wieso, er hat gesagt, was er denkt. Er ändert sich nicht und findet meine Bedürfnisse albern."seufzte ich.
„Hat er nicht gesagt. Nur, dass er sie nicht erfüllen kann."
„Wird. Was ist denn dabei, mal ein paar Wörter in das Handy zu tippen?"schnappte ich.
Sie schaute mich ernst an und ich senkte den Kopf: „Sorry. Ehrlich, ich glaube, ihr seid ein und dieselbe Person in verschiedenen Körpern. Ich liebe dich genauso, wie ihn, Steph, aber bei dir ertrage ich es gut, ignoriert zu werden- Quatsch, es fühlt sich gar nicht so an, als würdest du es tun, bei ihm ja. Ich glaube, weil wir Sex haben. Vielleicht wäre es anders, wenn..."Ich stockte, musste wieder weinen.
Meine dunkelhaarige Freundin erwiderte:„Könntest du das aushalten? Nein, ich denke, daran liegt es nicht. Redet, findet Kompromisse."
Ich stöhnte und konzentrierte mich erst einmal auf die Vernichtung des üppigen Frühstückes, das wir uns gezaubert hatten. Dann rief ich Ralph an, er ging sofort ran und ich musste schmunzeln, denn er strafte mich Lügen. Wir gingen zusammen essen und beschlossen, dass wir uns besser jetzt trennten, bevor wir uns völlig zerfetzten und gar nicht mehr miteinander reden würden, was wir beide unerträglich empfanden. Gleich, nachdem wir daraufhin angestoßen hatten, bereute ich die Vereinbarung fast, denn eine junge Frau hatte Ralph im Visier und ich wusste, er müsste nur schnippen, um eine neue Freundin zu finden. Ich sprach es aus, er schüttelte den Kopf: „Liebes, du bist schon die genügsamste Person der Welt. Und diese jungen Hühner wollen das komplette Programm."
„Trotzdem wirst du sicherlich schneller einen neuen Partner haben, als ich, jedenfalls, wenn es um eine jüngere Person geht."
„Fishing for Kompliments! Du kennst deine Ausstrahlung, also lass es."seufzte er.
„Meine Ausstrahlung. Aber wenn sie erfahren, wie alt ich tatsächlich bin..."
„Na gut. Ich wette mit dir, dass du vor mir einen neuen Partner hast, und zwar, einen jüngeren!"erklärte er nun grinsend.
„Ich halte dagegen."blinzelte ich. „Ich weiß nicht mal, wo ich einen kennenlernen soll?"
„Was ist mit deinem Job?"
Ich rollte mit den Augen. „Du kennst die Regel, außerdem bin ich die Vorgesetzte."
„Es geht doch erstmal nur um die Wette..."grinste Ralph und schenkte nach.
„Umso schlimmer, wie soll ich dem hinterher dann noch in die Augen gucken? Nein, Arbeit ist tabu. Und du, mein Lieber, wirst die Wette gewinnen, weil du dir einfach keine Mühe gibst und zuhause rum hockst!"schimpfte ich liebevoll.
„Nun, denn... Ich wollte es vermeiden, aber vielleicht muss ich auch mal in den sauren Apfel beissen, um meine Liebste glücklich zu machen. Wir gehen auf eine besondere Silvesterparty, auf der sich halb Hollywood tummeln wird."knurrte er und legte mir sein Handy vor die Nase, ich sah, dass er eine Einladung für ein Riesenevent in Santa Monica erhalten hatte und sie wissen wollten, für wieviele Personen sie Plätze buchen sollten.
„Meine drei liebsten Freundinnen müssen mit!"verlangte ich, Ralph nickte und tippte eine Antwort. „Ähm, wird das teuer?"hakte ich schnell nach.
„Das ist es mir wert. Dein Weihnachtsgeschenk."
„Ich habe gar nichts für dich, außer...oh, Ralph. Ich bin eine ganz schreckliche Freundin, hm? Trenne mich kurz nach deinem Sechzigsten und an Weihnachten!"
„Wir haben uns im gemeinsamen Einverständnis getrennt, Liebes. Und wir haben noch nicht über den Gewinn gesprochen."gab er kühl zurück.
Ich schaute ihn fragend an, er lutschte nachdenklich an einem Shrimpspiess.
„Wäre es zu ausverschämt, von dir zu verlangen, gelegentlich mit mir zu schlafen?"lächelte er sanft.
„Moment mal? Also du wettest, dass ich schneller als du wieder einen neuen- jüngeren- Partner finde, und willst trotzdem mit mir ins Bett?"lachte ich.
„Das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun. Und es bleibt ja dir überlassen, wie ernst du es mit dieser Beziehung meinst."blinzelte er.
„Hm, und wenn ich gewinne, was bekomme ich dann?"
„Meinen Schwanz."lachte er, jemand guckte zu uns rüber.
„Den hab ich doch schon. Und ich will mich nicht dazwischen drängen, einer süßen Frau das Herz brechen. Hm...ich bin zwar sonst kein materieller Mensch, aber ich liebe deine Londoner Wohnung, äh, die kleinere, versteht sich. Die andere liegt auch ungünstig."
Er reckte die Hand aus: „Deal."
Ich schlug ein.
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