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(harry wird hier 22 & louis 24 sein)
"Kuscheltherapie? Ist das Ihr Ernst?"
Fassungslos sitze ich meiner Psychologin gegenüber und weiß nicht so recht, ob ich lachen oder weinen soll - immerhin klingt Kuscheltherapie unheimlich absurd, wohingegen ihr Gesicht eher nach sieben Tage Regenwetter aussieht.
"Ja, Harry. Ist es", sagt sie und lehnt sich dabei seelenruhig in ihrem Sessel zurück, während ich angestrengt versuche, zu verstehen, was zur Hölle das sein soll. Kunsttheraphie und Musiktherapie, ja meinetwegen auch Reittheraphie - alles schon gehört und mehr oder weniger für gut befunden. Aber Kuscheltherapie? Klingt nach Softporno für diejenigen, die sich keinen Puffbesuch leisten können und für Tinder zu fett sind.
"Machen Sie sich gern lustig, Harry. Sie werden das trotzdem ausprobieren", reißt Judy mich nach einer Weile aus meinen abstrusen Gedanken, weshalb ich sie mit einem Kopfschütteln mustere. "Das ist doch verrückt. Ich nehme seit einem Jahr Antidepressiva und sitze hier jeden Freitag, um mir die Seele aus dem Leib zu kotzen und jetzt soll mir ausgerechnet Kuscheln helfen?", frage ich skeptisch, woraufhin sie nickt.
"Sie werden mit Ihrem Kuscheltherapeut lernen, sich wieder auf einen anderen Menschen einzulassen, Ihre eigenen Grenzen zu setzen und Ihren Körper wahrzunehmen", erklärt sie, ehe sie mir eine Broschüre reicht, die tatsächlich weniger an einen Softporno erinnert, sondern viel mehr an einen Reiseführer in ein buddhisisches Kloster.
Es ist in hellen Farben gehalten und ist an den Rändern mit einigen exotischen Pflanzen verziert. Wenn man sie aufschlägt, sieht man im Hintergrund einen jungen Mann mit unheimlich langen Dread Locks meditieren und in geschwungenen Buchstaben wird erklärt, dass Louis Tomlinson ausgebildeter Kuscheltherapeut ist und mithilfe "sanfter Berührungen" Menschen dazu verleitet, wieder in Kontakt mit ihrem Inneren zu kommen.
"Das funktioniert nicht." Entschieden lasse ich den Flyer zu Boden segeln und verschränke die Arme vor der Brust, was Judy seufzen lässt. "Harry. Lassen Sie sich doch wenigstens darauf ein", bittet sie und lächelt mich aufmunternd an, sodass ich mich gezwungenermaßen geschlagen gebe. "Na gut. Aber wehe, der Typ taugt nix", brumme ich, bevor ich aufstehe und in meine Jeansjacke schlüpfe.
Sobald ich ihre Praxis verlassen habe und wieder unten auf der Straße stehe, zücke ich meine Zigarettenschachtel und klemme mir eine Kippe zwischen die Lippen, die kurz darauf erglimmt. Während ich genüsslich die ersten Züge nehme, schlendere ich in Richtung eigene Wohnung, wo mich einzig und allein mein Kater Quentin begrüßt - allerdings unter lautem Protest, da ich es gewagt habe, zu gehen, ohne ihm Futter zu geben.
Also hole ich das rasch nach und liege anschließend auf meiner Couch, das Handy unschlüssig in der Hand. Die Googlesuche nach Kuscheltherapie führen mich allesamt zu Blogs, die ein bisschen zu esoterisch für mich klingen und nur davon reden, wir sollten uns in unserem Alltag mehr Zeit für Zärtlichkeit mit dem Partner nehmen. Nur dass ich weder Zeit, noch Partner habe.
Mein Job in der Redaktion einer zweitklassigen Musikzeitschrift, den ich nur mit Ach und Krach behalten habe, raubt mir oft den letzten Nerv, sodass ich abends nur noch halbtot in mein Bett falle und mich frage, warum zum Teufel ich morgen früh wieder aufstehen muss. Nur um einen bescheuerten Artikel nach dem anderen zu schreiben und mich mit Leuten rumzuschlagen, die den Sinn für wahre Musik schon lange verloren haben - irgendwo zwischen Geldgeilheit und blonden Modepüppchen.
Und Partner? Nun, meine erste und letzte Freundin ist abgehauen, nachdem ich eines Nachts komplett besoffen heimkam und nicht mal mehr ihren Namen kannte. Autsch.
Beim Gedanken an Sophie und ihre verletzte Miene, als ich taumelnd durch die Tür gestolpert bin und fast ihren Lieblingspyjama vollgekotzt hätte, zieht sich mein Herz schlagartig schmerzhaft zusammen und ich presse die Augen aufeinander, damit die Tränen ja da bleiben, wo sie sind.
Damals hat es schon länger gekriselt zwischen uns; zuerst, weil ich meinen Zigarettenkonsum verdoppelte und Sophie nur noch anmotzte, wenn ich von der Arbeit heimkam, und dann, weil ich nicht mehr mit ihr schlief, jegliche Lust an Kinodates oder Essenseinladungen verloren hatte und stattdessen regelmäßig zur Flasche griff.
Nachdem sie weg war, habe ich eine Woche heulend in meinem Bett gelegen und mich dafür verflucht, zu dem geworden zu sein, was ich war: ein erbärmlicher Trauerkloß, der vergaß, zu duschen und kaum noch aß. Letztendlich ist meine Schwester es gewesen, die irgendwann vor meiner Tür stand, mich aus meinem Schlafzimmer zerrte und verkündete, dass ich dringend eine Therapie bräuchte.
"So geht das nicht mehr weiter, Harry. Du kannst dich nicht so gehen lassen. Ich vermisse meinen kleinen Bruder, der mich sonntags zum Brunch einlädt, seinem Neffen Prinzessinengeschichten vorliest und mit seinen Witzen jeden zum Lachen bringt", ist der Weckruf gewesen, der mich schließlich zu Judy geführt hat - eine ältere Frau mit graumelierten Haaren und einer unerschütterlichen Ruhe, die mich irgendwie gerettet hat. Zumindest dahingehend, dass ich es mittlerweile schaffe, wöchentlich einkaufen zu gehen, meine Artikel pünktlich bei meinem Chef einzureichen und meinen Kater nicht zu vergessen.
In Sachen soziale Kontakte jedoch bin ich noch immer sehr unbeholfen. Zwar sehe ich meine Familie spätestens, wenn meine Mutter mal wieder eine kleine Grillparty veranstaltet, aber darüber hinaus sieht es eher spärlich aus.
Früher, als Sophie noch da war, hatte ich sogar einen relativ großen Freundeskreis, mit dem wir bowlen gingen, Städtekurztrips machten und lange Samstagnächte in sämtlichen Bars Londons verbrachten. Aber mit ihrem Verschwinden verabschiedeten sich auch die Leute aus meinem Leben und nur mein bester Freund Niall hat Verständnis, wenn ich Wochen brauche, bis ich auf eine Whatsappnachricht antworte.
Passend dazu klingelt plötzlich mein Handy, weswegen ich mich räuspere und hoffe, dass man mir das Weinen nicht allzu sehr anhört.
"Styles?"
"Harry? Hast du nicht was vergessen?" Die Stimme meiner Mutter klingt ungewöhnlich streng, wodurch ich sofort hellhörig werde.
"Äh...", mache ich und krame angestrengt in meinem Gedächtnis nach möglichen Terminen, die ich verdrängt haben könnte.
"James wird heute 6."
"Scheiße!"
Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf und hechte in den Flur, wo ich in meine abgewetzten Boots schlüpfe und rasch Portmonnaie samt Schlüssel in meine Hosentasche stopfe.
"Gib mir eine halbe Stunde!"
Mit diesen Worten lege ich auf und renne das Treppenhaus hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Nachdem ich direkt im Ausgang fast meinen Nachbarn Mr. Kingsley umniete und ihm nur noch eine hastige Entschuldigung zurufen kann, überquere ich die Straße und jogge zur nächsten U-Bahn-Haltestellte.
30 Minuten später stehe ich vor dem Haus meiner Mutter - sie wohnt etwas außerhalb von London in einem ruhigen Viertel, in dem sich Villa an Villa reiht und der Rasen mit der Nagelschere geschnitten ist.
Mum verfügt ebenfalls über solch einen Garten, doch irgendwie kann man es ihr verzeihen, da sie ansonsten absolut nicht abgehoben wirkt. Auch jetzt öffnet sie mir mit einem breiten Grinsen die Tür und verliert es augenblicklich, sobald ihr das Geschenk ich meinen Händen auffällt: Ein Happy Meal, das ich eben noch im nächstbesten Mc'Donalds geholt habe.
"Ist das dein Ernst?", zischt sie, während sie mich nach drinnen lotst. "Ich hatte nichts anderes", entgegne ich leise und bemühe mich, mich ihrem zügigen Tempo anzupassen. Kaum dass wir ihren Garten erreicht haben, drehen sich sämtliche Gäste zu mir um und runzeln beim Anblick der rotgelben Box argwöhnisch die Stirn.
Nur James, der bis eben noch mit seinen Kindergartenfreunden im Pool geplantscht hat, rennt in Supermanbadehose auf mich zu und schreit lauthals: "Attacke!" Lachend lasse ich das Happy Meal fallen und gehe in die Hocke, um ihn aufzufangen und hinterher durch die Luft zu wirbeln.
"Alles Gute zum Geburtstag, kleiner Mann", sage ich, als ich ihn wieder auf den Boden gelassen habe und ihm seine Pommes reiche. "Dein richtiges Geschenk kriegst du später", verspreche ich ihm noch, ehe er freudestrahlend abhaut und bei seinen Freunden damit angibt, dass er den coolsten Onkel der Welt hat.
Obwohl Gemma, die das Geschehen sehr gut beobachtet hat, fassungslos den Kopf schüttelt, trägt sie trotzdem ein süffisantes Schmunzeln auf den Lippen und nähert sich mir. "Du bist immer für eine Überraschung gut, Brüderchen", kichert sie, mich in ihre Arme schließend.
"Wie geht es dir?", will sie wissen, und auch wenn die Geburtstagsparty ihres Kindes eigentlich der falsche Ort dafür ist, ziehe ich sie hinter mir her in die Küche, wo lediglich Mum gerade dabei ist, neuen Kaffee aufzustellen, weshalb ich auch sie zu mir winke.
"Judy hat mir Kuscheltherapie verordnet. Am Montag hab ich meine erste Stunde."
Ahnungslose Blicke der beiden.
"Was soll das sein?"
Ich zucke bloß mit den Schultern. "Ich hab keinen blassen Schimmer. Man hat einen Therapeuten, mit dem man kuschelt. Angeblich soll sie mir dabei helfen, Kontakt zu meinem Inneren aufzubauen." Die letzten Worte setze ich in unsichtbare Gänsefüßchen und verdrehe dabei die Augen, um meiner Unlust zu der ganzen Geschichte mehr Ausdruck zu verleihen.
Einige Sekunden herrscht Stille, bis die beiden Frauen sich ansehen, synchron ihre Unterlippen vorschieben und die Köpfe zur Seite neigen, was heißt, dass sie die Idee entgegen meiner Hoffnung gar nicht schlecht finden.
Auf mein genervtes Stöhnen hin legt meine Mutter nur ihre Hände an meine Schultern und zwinkert mir Mut machend zu. "Ach komm Harry. So wie ich Judy einschätze, macht sie nichts, was nicht hilft. Ein bisschen Nähe könnte dir wirklich gut tun, sonst weißt du irgendwann gar nicht mehr, wie das geht."
Sie umarmt mich demonstrativ lange und flüstert mir dabei ins Ohr:
"Ich bin stolz auf dich, mein Sohn."
Und so banal dieser Zuspruch auch sein mag, lässt er mich dennoch lächeln.
helloo! was sagt ihr zum ersten kapitel? ich weiß, dass harry teilweise unglaublich zynisch und sarkastisch ist, aber ich hoffe, ihr mögt ihn trotzdem. ich bin auf jeden fall total gespannt & freue mich über jeden vote und kommentar.
euch alles liebe. xxx
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