I Crave Your Mouth, Your Voice, Your Hair

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich geschlafen oder wie lange die Betäubung angehalten hatte doch nun spürte ich die ersten Schmerzen allmählich wieder meinen Geist benebeln. Sie kamen wellenartig und rissen mich aus meinem Schlaf der nicht annähernd so erholsam war, wie erhofft.

Ich lag immer noch in dem Sessel mit nur einer Boxershorts bekleidet und mit einem unheimlich kleinen Sichtfeld, dass mein räumliches Sehen stark einschränkte. Die Luft roch nach Tomaten und gebratenem Speck und als ich mich aufrichtete, bemerkte ich den Stapel an Kleidung, der vor dem Sessel ordentlich zusammengefaltet auf dem Boden lag. Eine Jeans und ein laubgrüner Pullover. Ich zog beides an und unterdrückte mein Fluchen aufgrund der Glieder- und Kopfschmerzen die mich fast in den Wahnsinn trieben. Dann stand ich langsam auf und versuchte mich an mein verbliebenes Auge zu gewöhnen. Es war erstaunlich wie gering das menschliche Sichtfeld wurde, wenn man ihm eines nahm.

Missmutig blickte ich mich in dem geräumigen Zimmer um; betrachtete den für zwei gedeckten Esstisch und den riesigen Seidenteppich der meine nackten Füße wärmte. Das Haus war kein bisschen personalisiert und glich eher einem beispiellosen Anschauungsobjekt als einem belebten Zuhause.

Auf dem Glastisch neben der Couch stand ein Glas Wasser mit einer Tablettendose - Hydromorphon stand handgeschrieben auf dem kleinen Etikett - und ich nahm letztere in die Hand, bevor ich einen Schluck trank und eine Tablette mit hinunterspülte. Seitdem ich zugelassen hatte, dass mein einstiger Therapeut mein Auge entfernte, sollte man meinen, mein Vertrauen nicht mehr hinterfragen zu müssen.

Meine Beine fühlten sich immer noch wacklig an und gerade als ich dem Geruch folgen wollte, kam Hannibal -gekleidet in einen rostbraunen Rollkragenpullover und einer weißen Schürze um die Hüften, in den Raum hinein. »Guten Morgen Will. Ich hoffe du hast Appetit.«

Er lächelte und stellte zwei Teller und eine Wasserflasche auf dem Esstisch ab, während ich näher kam und Platz nahm. Mein halbes Gesicht war immer noch etwas taub aber die Tablette schien ihre Wirkung zu entfalten. »Ich habe nicht sonderlich viel zum Kochen hier. Dieses Haus habe ich so gut wie nie in diesem Jahr genutzt«, sagte er heiter und kam nach einem Augenblick des Verschwindens wieder zurück. In der Hand eine noch zugedeckte Schüssel die er in der Mitte des Tisches abstellte.

»Selbst Wein habe ich nicht hier. Ein unverzeihlicher Fehler meinerseits.«
»Den verzeihe ich dir.« Ich brachte nur ein schiefes Lächeln zustande, dass er warm erwiderte, im Hinblick auf mein verbundenes Gesicht, und dann auf die Teller wies. »Den Speck habe ich vor Monaten eingefroren. Bedauerlicherweise hat er so an Fett und Aroma verloren und spiegelt nicht mein Können wieder, welches ich dir gerne serviert hätte.«
»Ich bin in Armut aufgewachsen, Hannibal. Er schmeckt mir«, gab ich nur von mir und steckte mir sogleich eine Scheibe des Fleisches in den Mund.

Der Geschmack zerging auf meiner Zunge und trotz meiner noch halb tauben Wange, schaffte ich es anständig zu essen. Auch mein Gegenüber begann die Gabel zum Mund zu führen und schluckte, bevor er wieder anfing zu sprechen. »Sie war jung. Bildschön aber unfruchtbar. Dies hat sie in eine Depression getrieben.« Er steckte sich eine weitere Scheibe in den Mund. »Ein Jammer wegen der Aromen. Sie war eine der Wenigen, deren Leiche nie zu Sprache kam. Ihr habt sie nie gefunden.«

Meine Gabel hing immer noch vor meinem Mund; gestoppt von seinen Worten und nun von dem Blick den er mir schenkte, während er lächelnd weiter aß und ein Schluck Wasser trank. Ich wusste, dass er mit dieser provokanten Aussage nur meine Reaktion sehen und erahnen wollte, inwiefern ich sein Selbst akzeptiert hatte. Listige Psychospielchen.

»Sie schmeckt mir«, antwortete ich dann langsam mit den vorherigen Worten und nahm die schwebende Gabel in den Mund, »trotz fehlender Aromen.«
Der aufgeweckte Funke in seinem Blick verdunkelte sich und sprang auf seine Lippen über, als ich den Speck weiter aß. »Deck lieber erstmal den gesamten Tisch auf, bevor du große Reden schwingst«, murmelte ich kauend und wies mit der Gabel auf die noch abgedeckte Schüssel hin die zwischen uns stand.

Er legte das Besteck beiseite und schien nun tatsächlich etwas aufgeregt zu sein. Die Vorfreude war kaum zu übersehen, während er sich mit einer Servierte den Mund abtupfte und dann langsam den Deckel von der Schüssel nahm. »Voilà. The Mongolian Mary. Eine Delikatesse aus der Mongolei. Traditionell serviert mit einem eingelegten Schafsauge, getränkt in Tomatensauce.«

Ich starrte in die Schüssel und hätte mich beinahe an meinem Speck verschluckt, als ich sah was mir dort den Blick erwiderte. Der Schauer kroch mir kalt den Rücken hinab und das Klirren der Gabel, die scheppernd auf meinem Teller landete, kroch wie in Zeitlupe durch den Raum. Mein Blick huschte zu dem lächelnden Mann vor mir und zurück zu dem blau gräulichen Auge in der Suppe. »Das ist kein Schafsauge«, stellte ich dann schließlich tonlos die Tatsache klar, die ihm von Anfang an bewusst war. Sein Lächeln wuchs. »Im Geschmack gibt es keinen großen Unterschied.«

Ich sah erneut in die Schüssel und atmete tief durch, während er mir einen Löffel vorlegte und lächelte, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht welches ewig in Erinnerung bleiben würde. Ich könnte nun ablehnen, verstört zurück weichen und ihm dieses makabere Spielchen übel nehmen, doch das tat ich nicht. Diese Situation war eine stille Frage auf Zusammenführung. Eine Art Angebot auf eine ziemlich scheußliche Weise.
Meine Hand bebte, während ich den Löffel aufnahm und ihn in die rötliche Sauce tauchte; begleitet von Hannibals Blicken.

Mein Auge war kaum größer als ein Flaschendeckel und so leicht, dass es kaum an Gewicht vermuten ließ. Ein weiterer Schauer überzog meinen Körper und ich legte es auf meinen Teller ab, ehe ich es zitternd mit dem Messer geradewegs zerteilte. Die Übelkeit schluckte ich hinab, als ich die Pupille durchschnitt und ausblendete wie sie mich durch achtunddreißig Jahren Erfahrung betrachtete - tod und zugleich so lebendig wie seit Stunden nicht mehr. Seine eigenen Augen beobachteten mich wie durch einen Schleier und seine Atmung drang rau über den Tisch hinweg, als ich eine Hälfte auf den Löffel nahm, ihn in die Sauce tunkte. Der Rest geschah wie in einem Film. Während mein Gehirn versuchte auszublenden, dass es sich hierbei um mein eigenes Auge handelte, umschlossen meine Lippen den glitschigen Glaskörper. Die gewürzte Tomatensauce umspülte meinen Gaumen während ich bebend anfing zu kauen und Hannibal beobachtete, dessen Blick fast schon gierig auf mir lag. Hinter seiner gebannten Miene loderte ein Feuer, während er meine Lippen betrachtete und und sich über die eigenen leckte.

Das Stückchen in meinem Mund war leicht gummiartig und zum Teil auch etwas knorpelig. Man biss auf diesem herum und erwartete wahrscheinlich etwas total Abscheuliches, einen über alle Maßen ekligen Geschmack. Doch der Effekt trat nicht ein. Viel eher war die ungewöhnliche Struktur begleitet von einem milden, neutralen Geschmack den die würzige Sauce auffing. Ich schluckte langsam und Hannibals Augen flimmerten kurzweilig, ehe er diese schloss und seine Hände vor dem Mund verschränkte. Sie zitterten leicht.

Mein verbliebenes Auge sah an seinem Körper hinab und noch bevor jemand etwas sagen konnte nahm ich meinen Löffel erneut zur Hand und schmiss die andere Hälfte meines Auges zurück in die Tomatensauce. Die Schüssel schob ich darauffolgend näher an den Psychologen heran. Meine Stimme war kaum mehr als ein Wimpernschlag in der entzündlichen Stille, als ich mich zurücklehnte und sagte: »Hast du dir das schon mal vorgestellt? Mich zu kosten?«

Er atmete tief ein und nahm die Hände vom Mund. Sein Löffel rührte kurz in der Sauce und entnahm dann das rot getränkte Auge. »Durchaus. Ich habe es sogar sehr oft in Erwägung gezogen.«
»Und was verspürst du nun dabei; jetzt, wo du ein Teil meines Selbst endlich auf dem Teller hast?« Sein Lächeln traf mich wie ein Schlag. Nach mehreren stillen Sekunden hob er den Löffel dann langsam an seine Lippen und beugte sich ein Stück über den Tisch, mir geradewegs entgegen wobei er leise, fast hauchend flüsterte: »Erregung.« Erst dann schlossen sich seine Lippen um das Metall und er lehnte sich genießerisch zurück in den Stuhl, wobei sich seine dunklen Augen schlossen. Sein Atem wurde tiefer und als er langsam, voller Genuss anfing zu kauen hatte es etwas unfassbar sinnlich ihn dabei zu beobachten. Seine Kiefermuskulatur bewegte sich in einem stetigen Rhythmus während er mein, von ihm selbst entferntes, Auge aß und ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden. So makaber diese Situation auch klang.

Er kaute noch eine ganze Weile auf dem knorpeligen Stück, ehe sich sein Kehlkopf hob und er abschluckte. Sein leises Seufzen wanderte durch den Raum und als er wie in Zeitlupe die Augen öffnete, sah ich den feuchten Glanz der darin lag. Ich selbst fühlte mich wie in einem Delirium während ich ihn so betrachtete.
»Und?«, hauchte ich leise zwischen die Ruhe, »war es so, wie du's dir vorgestellt hast?«
»Besser.« Seine Stimme klang tonlos und noch benebelt von dem Geschmack der auf seiner Zunge liegen musste. »Selbst dein Innerstes ist eine reizende Versuchung mit einem nahezu feurigen Abgang.«

Mein Blick verlor sich für einen Moment in seinen braunen Augen, ehe ich den Kontakt abbrach und den Speck weiter aß. Wir tauchten das gebratene Gemüse, ebenfalls aus der Tiefkühltruhe, - ein weiteres Geständnis seinerseits, das er mir unangenehm berührt mitteilte - in die Tomatensauce und schwiegen bis wir fertig waren.

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