Do Not Go Gentle into That Good Night
Bunte Farben tanzten auf meiner Netzhaut und ein benommenes Kribbeln bahnte sich durch die Andeutung meiner Gliedmaßen, während mein Innerstes brannte wie ich es noch nie erlebt hatte.
Fühlte sich so das Jenseits an?
Ein enormer Druck lastete auf meiner Körpermitte und die Farben begannen zu flimmern.
Oder gab es doch einen Himmel? Einen Gott so wie man sich ihn vorstellte?
Gefühle durchbrannten meine Extremitäten und erneut zerquetschte etwas meinen Körper mit aller Macht, als ich glaubte meine Zellen erneut sterben zu spüren.
Nein, wenn es wirklich ein jüngstes Gericht gab, dann würde ich in die Hölle kommen. Zusammen mit...
Luft. Luft war es das mir fehlte. Doch in meinem Körper war kein Platz für diese. Der Druck presste erneut meine Brust zusammen und mit einem mal wurden aus den tanzenden Farben unscharfe Umrisse von Bewegungen und Licht. Mein Körper durchfuhr eine Erschütterung und mit einem Mal entleerte sich meine Lunge in einem Schwall von Wasser, Gischt und Sand. Ich würgte und hustete all den Tod hervor, umfasste eine Hand an meiner Schulter und riss den Mund wie ein sterbender Fisch dem Horizont entgegen, als ich gering die Luft in meine feuchten Lungen zog. Mein Blickfeld war merkwürdig getrübt und meine Augen brannten als ein verschwommenes Gesicht über mir auftauchte.
War das der Teufel? Ein Geist höchstpersönlich?
»Du musst atmen, Will.«
Nein, ich musste leben.
Erneut füllten sich meine schmerzenden Lungen mit Luft und mit diesem Atemzug kam auch der Schmerz des Jahrtausends. Mein Innerstes glich einem Meer aus erdrückenden Flammen und in meinen Gliedmaßen fühlte ich keinerlei Zugehörigkeit, während alles in meinem Gesicht zerreißend brannte.
»Du musst atmen. Wir müssen zum Auto. Er muss-«
Einschneidende Arme umfassten mich und noch bevor ich einen Schmerzenslaut von mir geben konnte verschluckte mich erneut die süße Benommenheit der Hölle.
Als das nächste Mal die Farben auf meiner Netzhaut tanzten brummte der Motor um mich herum. Mein Sichtfeld war erdrückend eingeschränkt und nur verschwommen nahm ich die Person neben mir wahr, die klitschnass das Lenkrad umklammerte und das Auto fuhr. Erleichterung überkam mich, als ich Hannibal in den Umrissen erkannte und gleichzeitig eine einschneidende Erschütterung, da wir doch eigentlich tot sein sollten.
»Es gibt im Leben nur zwei Sünden, Will«, begann Lecter das Auto zu füllen und seine Worte stießen nur gedrungen durch meine Ohren. »Zu wünschen ohne zu handeln oder zu handeln ohne Ziel. Verrätst du mir deines?«
Ich blinzelte drei Mal, doch mein Sichtfeld vergrößerte sich nicht während ich den Mann an meiner Seite betrachtete. Selbst nachdem er in den Tod gestürzt war, vom Blut getrocknet meinen eigenen Arsch gerettet hatte und bebend das Polizeiauto in die Nacht hinein fuhr schaffte er es trotzdessen seine kühle, beherrschte Ausstrahlung zu bewahren. Er war mir ein Rätsel.
»Wir hätten tot sein sollen«, brachte ich heiser hervor und schaffte es einigermaßen die Worte ruhig zu halten, die sich auf meiner Zunge sammelten. Sie fühlte sich an wie ein totes Stück Fleisch.
»Nun, erfreulicher Weise sind wir es nicht. Dank deiner genauen Kalkulation stürzten wir ins Wasser anstatt gegen die Felsen.« Ich lachte tonlos auf und lehnte stöhnend den Kopf gegen den Sitz als der aufkeimende Schmerz erneut über meinen Körper hereinbrach.
Wir fuhren durch die Nacht und als wir irgendwann endlich anhielten, half er mir aus dem Wagen und stützte mich den gesamten Weg bis zur Tür. Ich konnte einzig nur ungefähre Schatten von Bäumen erkennen und wurde von einer bitteren Kälte umfasst, während wir in das Haus stolperten, welches mir schier unbekannt war. Ich ließ mich stöhnend in einen Sessel fallen, während Hannibal zu einem Kamin humpelte und nach mehreren Anläufen ein Feuer entzündete, das unsere Umgebung erhellte.
»Wie viele Immobilien besitzt du eigentlich?«, fragte ich tonlos und von meinem verschwommenen Sichtfeld immer noch beeinträchtigt. Meine Augen fühlten sich nicht wie die meinen an.
Er drehte den Kopf in meine Richtung und warf einen Holzscheitel in die Flammen, ehe er antwortete: »Ich bevorzuge mehrere Pläne bereit zu halten.«
Ich lehnte seufzend den Kopf in den Nacken und schloss für einen Moment die Augen, bevor erneut seine Worte durch den dichten Nebelschleier drangen. »Bleib wach. Wir sollten uns waschen und der Versorgung unserer Läsionen widmen. Mit einer Sepsis überlebst du nicht lange.« Hannibal zog mich hoch, noch bevor ich mir dessen überhaupt im Klaren war, und gemeinsam stolperten wir durch den Raum. »Du hast mich auch mit einer Gehirnentzündung am Leben erhalten. Was macht mir dann eine Sepsis?«, murmelte ich mit zusammengebissen Zähnen, denn jeder Schritt pochte in meinem Körper nach. Er schmunzelte trocken und schaltete eine Lampe an, die das Badezimmer nur spärlich beleuchtete. »Eine Enzephalitis lässt sich hinauszögern, vor allem wenn man Diagnosen fälscht. Bei einem folglich schnell eintretenden Organversagen wäre nicht mehr viel mit dir anzufangen.«
»Auch mit keinen höchst manipulativen, psychischen Spielchen?«, fragte ich scharf und ließ mich in der geräumigen Dusche auf den Boden sinken. »Auch mit denen nicht.« Er lächelte fahl und schaltete das Wasser ein.
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