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Im Schutz der Dunkelheit bewegte sich Sam über den Strand auf die Gebietsgrenze zwischen den Ligeia und den Xenos zu. Zum Glück wurde dieser Teil hier nie bewacht. Sie konnte ungehindert die kleine Anhöhe hinauf klettern und fand sich beim Hintereingang eines kleinen Hotels wieder, das zur Angelos Immobilienkette gehörte. Wie verabredet wartete er bereits auf sie. Sam schlang erleichtert ihre Arme um seinen Hals und er drückte sie fest an sich. »Schön, dass du es geschafft hast«»Ich lasse unser Date doch nicht ausfallen«Sam lachte auf und drückte ihre Lippen auf seine. Jeden Samstagabend. Das war mittlerweile bereits zur Tradition geworden und sie ließen es nur in Notfällen ausfallen. Die letzten zwei Wochen waren Notfälle gewesen, da Helen Sam nicht aus den Augen lassen wollte. Wofür sie insgeheim ganz dankbar gewesen war. Sie brauchte die Nähe zur ihren übrigen Hinterbliebenen. Als Angelos den Arm um sie legte und sie durch die angebaute Disko des Hotels hinauf in sein Büro brachte, ließ ihr Herzklopfen nach. Sie wandte sich nach der tanzenden und kreischenden Menge um. Der Club war kein Ort von Traurigkeit. Deshalb sollte sie aufhören, sich so viele Gedanken zu machen. »Geht es dir gut?« fragte er und Sam ruckte zu ihm herum. Da sie kein Lächeln zustande brachte, drückte sie ihm einen Kuss auf die Nase und bejahte. Angelos schob sie in den weitläufigen Privatbereich und schenkte sofort zwei Drinks ein. Sie schienen beide einen harten Tag gehabt zu haben. Wobei seiner sicher härter war wie ihrer. Aber Angelos war stark. Seit jeher. Er würde Sams Gewissensbisse wegen heute Nachmittag nur belächeln. Jeder Mafioso würde das. Nur Sam ließ der Gedanke nicht los, dass sie etwas furchtbares getan hatte. »Willst du mir nicht sagen, was dich quält?«»Ich darf nicht«»Ich verrate nichts«»Ich habe einen Mann mit dem Wohl seiner Familie erpresst«Angelos ließ sich auf eines der schwarzen Sofas sinken. Er lachte nicht, sondern sah sie einfach nur ernst an. Sam fühlte sich verloren in dem großen Raum. »Du bist ein wirklich guter Mensch, dass dir das zu schaffen macht«»Ich bin lediglich schwach«»Anemostróvilos, sag das nicht« Sam ließ sich neben ihn in die Kissen sinken und vergrub ihren Kopf an seiner Brust. Sein vertrauter Geruch nach Meer und Salz stieg ihr in die Nase und sie entspannte sich sofort. Gleich morgen würde sie der Sache auf den Grund gehen. Aber heute wollte sie einfach nur seine Gesellschaft genießen.Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, lag sie in einem federweichen Bett. Sie vergrub sich tiefer in den Kissen, bis sie begriff, dass sie nicht zuhause war. Wo verdammt ... ?Sam bließ erleichtert Luft aus, als sie feststellte, dass sie in einem von Angelos Hotelzimmern war. Verunsichert starrte sie unter die Decke. Zum Glück hatte sie ihre Unterwäsche noch an. Mit Müh und Not konnte sie sich an das dritte Glas Whisky erinnern, aber dann war da nichts mehr. Als wäre sie im genau gleichen Moment eingeschlafen. Aber da sie ihre Unterwäsche noch anhatte, schien nichts außergewöhnlich passiert zu sein. Immerhin wollte sie Angelos vorgestern Nacht nicht anfassen, dann hatte er es gesten Nacht sicherlich auch nicht vor. Suchend sah sie sich nach ihrem Overall um, der zum Glück achtlos über einen Hocker geworfen auf sie wartete. Im Bad fand sie alles, um sich einigermaßen ansehnlich zu machen und schlüpfte dann durch die Tür. Vom dritten Stock aus sollte es eigentlich nur ein Katzensprung bis zum Hinterausgang sein. Trotzdem betete sie bei jedem Schritt, dass sie bloß niemand entdeckte. Obwohl es eine inoffiziell-anerkannte Sache war, dass sich Sam ungestraft auf Ligeia Gebiet bewegen durfte, wollte sie ihr Glück nicht herausfordern. Immerhin war das Verhältnis zwischen Tante Helen und Angelos Vater sehr brüchig. Genauso wie das zwischen Helen und ihr selbst. Sollte sie Tante Helen am Tag nachdem sie aufgeflogen waren in Angelos Hotel erwischen, wird das böses Blut bringen. Außerdem hatte sie Angelos noch immer nicht gesagt, warum sie beim Autor war. Oder zumindest hoffte sie, dass sie in ihrem Rausch nichts ausgeplaudert hat. »Sam? Wo willst du hin?« ertappt hielt Sam inne. Angelos Schritte hinter ihr wurden lauter und Angelos schlang die Arme um sie. »Es ist Sonntag, Sam. Bleib wenigstens zum Frühstück« bat er und Sam seufzte auf. Schließlich gab sie nickend nach. Angelos schmuggelte sie wesentlich besser zurück in den dritten Stock, als sie sich heruntergeschummelt hatte. »Du musst einen ziemlichen Kater haben« stellte Angelos fest, worauf Sam bitter auflachte. Oh ja, sie spürte jeden einzelnen Knochen und könnte das Essen der letzten drei Tage herauskotzen. Bis sich Angelos Lippen plötzlich auf ihre legten. Sofort zog sie ihn näher an sich und machte sich an den Knöpfen seines Hemdes zu schaffen. »Ich will deinen Kater nicht ausnutzen« stoppte Angelossie und Sam seufzte frustriert auf. Angelos streifte sich das offene Hemd trotzdem ab und Sam kuschelte sich an seine warme Brust. Wenigsten das gestand er ihr zu. »Warum willst du keinen Sex mehr?«»Oh glaub mir, ich will. Aber erst, wenn du auch so weit bist«»Bin ich«Angelos schmunzelte und schüttelte den Kopf über sie. Sie wollte den Schmerz mit Sex verdrängen. Das war zwar keine schlechte Idee, aber später würde sie das mit Sicherheit bereuen und das wollte er nicht. »Ich hab dir Frühstück versprochen« erinnerte er sie und Sam rang sich ein Lächeln ab. Essen war auch keine schlechte Option.
***
»Hey Georgios. Ich müsste etwas mit dir besprechen ... Nein, könntest du zu uns kommen ... Ines geht es mies ... Ich dank' dir« Ines lag völlig wegetreten auf dem Sofa. Einen Moment hatte Sam daran gedacht einen Arzt zu holen, aber da Ines ansprechbar war, wollte Sam keinen unnötigen Ärger machen. Was auch immer sie letzte Nacht getrieben hatte, Sam war froh, nicht zuhause gewesen zu sein.Als Georgios durch die Tür kam und Ines auf dem Sofa sah, bließ er langsam Luft aus. »Die heute Jungend ...« murmelte er beim Vorbeigehen. Sam lachte auf, als er mit einem Bier zurück zu Ines und ihr kam. Da es schon nach zwei Uhr war, beschloss sie, sich selbst auch eines zu holen. Es war ein sehr ausgedehntes Frühstück mit Angelos geworden. Sam nutzte den Augenblick und berichtete Angelos, warum sie beim Autor war. Er war genauso wenig begeistert wie sie darüber. Wenn es ein Mann herausfinden konnte, war es möglich ihnen auf die Schliche zu kommen. Trotz aufgeladenen Stimmung, Sam tauschte ihren Overall gegen Angelos Hemd, ließ er zu nichts anderem als kuscheln überreden. Wofür sie ihm insgeheim dankbar war. Er hatte Recht, wenn er sagte, dass sie nicht ganz bei sich war.Ines stöhnte auf auf der Bank auf und drehte sich gequält auf die Seite. »Wie geht es dir?«, flüsterte Sam und ließ sich neben ihr auf den Boden sinken. Ihr Gesicht hatte eine ungesunde Farbe. Zwischen blass und gelblich und sie roch nach Alkohol. Vielleicht war das weiße Pulver, das hier überall herumlag doch nicht das, woran sie gedacht hatte. Vielleicht war Ines einfach nur betrunken. So wie die letzten zwei Wochen beinahe jeden Abend. »Wie spät es ist?« fragte Ines und rieb sich müde über die Nase. Ob sie trotz ihres Katers noch immer Allergie hatte? Georgios stöhnte frustriet auf, als plötzlich ein Schwall Blutz aus Ines Nase schoss. »Bei Gott«, Sam sprang sofort auf und lief um eine Packung Taschentücher aus der Küche. Was auch immer da letzte Nacht abgegangen war, musste aufhören. Tante Helen würde ausrasten, sollte sie auch nur Wind davon bekommen.Benommen presste sich Ines die Tücher auf die Nase und lehnte sich zurück. »Ich bin so müde, Sam« flüsterte sie. Sam warf ihren Cousin einen hilflosen Blick zu, der einfach nur zum Sofa nickte. Sam setzte sich ganz dicht zu Ines und streichelt ihr die Haare aus der Stirn. Im Vergleich zu Sam, hatte Ines nicht ihre Eltern verloren, deshalb sollte sie sich unter Umständen zusammenreißen. Zumindest soweit, dass sie nicht selbst umbrachte. Sollte es einen Himmel geben in dem ihre Eltern warteten, würden sie ziemlich sauer sein, sollte Ines durch eine Überdosis den Sprung ins Jenseits schaffen. »Wie viel hast du genommen?»Ein Gramm vielleicht? Sicher nicht mehr!«»Wie viele Lines, Ines?«»Ich glaube 5«Georgios blies scharf Luft aus und schüttelte den Kopf. Sie hatte ihn noch nie so wütend gesehen. »Sind fünf viele?« flüsterte Sam ihn zu und beugte sich näher zu ihm. Mittlerweile hatte Ines die Augen wieder geschlossen. War es vielleicht doch das Beste es zu riskieren einen Arzt zu holen? »Nicht unbedingt. Kommt auf Gewicht und Kondition an, aber so wie sie aussieht ...« Georgios seufzte auf und schüttelte zum x-ten Mal heute den Kopf. »ja, es war viel« »Sollen wir einen Artz holen?«Georgios griff nach Ines Hand und suchte ihren Puls, fluchte leise und nickte. »Kennst du jemanden, der das vertraulich behandelt?« - »Natürlich. Ich hole sofort jemanden« Georgios nickte verdrossen und holte weitere kalte Tücher, während Sam die Nummer eines Bekannten von Marcel wählte. Er kümmerte sich manchmal um sie, wenn sie sich beim Springen irgendetwas zuzog, dass nicht amtskundig werden sollte. »Du solltest gehen, Sam«»Ich kann sie doch nicht alleine lassen!«»Keine Sorge. Ich bleibe. Sollte irgendwer Wind davon bekommen, dass hier jemand wegen zu viel Kokain behandelt worden ist, sperren sie dich für die Sommertuniere«Sam seufzte und nickte beklommen. Ja, sollte alleine herauskommen, dass in ihrer Familie geschnupft wird, könnte das schon schlecht kommen. Herr Galanis würde ausrasten ... und Tante Helen ihre Top-Sportlerin verlieren. »Bitte melde dich, sollte es ihr schlechter gehen«»Sie kommt wieder auf die Beine. Heute Abend ist sie wieder ganz die Alte«Sam wusste, dass Georgios log. Trotzdem wollte sie ganz fest daran glauben, dass das ein einmaliger Ausrutscher war. Nichts, dass Ines öfter tat. Auf jeden Fall musste sich auf den Weg zu irgendeinem öffentlichen Platz machen. Sie brauchte Zeugen, sollte wirklich etwas durchsickern. Obwohl sie sich eigentlich nach Angelos Armen sehnte, machte sie sich auf den Weg in den Reitstall. Da war selbst sonntags was los.
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