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Angelos klimperte vergnügt am Flügel herum. Als sie ihm zum ersten Mal spielen gehört hatte, war er noch ein Neuling am Instrument, aber in den letzten eineinhalb Monaten hatte er beachtliche Fortschritte gemacht. Während Sam Schinken, Zwiebel und Speck Schnitt, spielte er ihr ein Lied nach dem anderen vor, wobei er sich immer wieder prüfend nach ihr umsah. Sam war keine Meisterköchin, aber Angelos liebte ihre Spaghetti Carbonara. Da er selbst immer behauptete, er koche so gerne gemeinsam, kümmerte er sich im um die Spaghetti Nudeln, während Sam die Soße zubereitete und darauf achtete, dass Angelos sich nicht mit heißem Wasser übergoss. Angelos wechselte gerade die Melodie am Klavier und Sam hielt einen Moment inne. Dieses Stück kannte sie. Es war neu und Sam erinnerte sich, dass Mama es verabscheut hatte. Sam glaube, es lief das letzte Mal, als sie gemeinsam Auto gefahren sind. Das Stück endete abrupt in einem disharmonischen Akkord. Zwei Augenblicke später drückte Angelos sie gegen seine Brust. Schweigend. Als wäre es selbstverständlich, dass Sam plötzlich einen Weinkram bekomme. »Mou anemostróvilos«Ihre Tränen schienen kein Ende zu nehmen und Angelos murmelte immer wieder leise ihren Kosenamen. Sam würde nie wieder mit ihrer Mama in einem Auto sitzen. Sich mit ihr darüber streiten, ob Sam fahren dürfte. Zwar hatte sie einen gefälschten Führerschein, aber leider hatte sie noch niemanden, der ihr Fahren beigebracht hätte. Papa wollte es diesen Herbst mit ihr versuchen. So fest Sam konnte, drückte sie sich gegen Angelos. Hoffte, er könnte den Schmerz von ihr nehmen oder sie zumindest ihre verloren gegangenen Pläne für die Zukunft vergessen lassen. Als ihr Schluchzen ausblieb und Angelos das Gefühl hätte, sein Hemd könnte nicht noch nässer werden, drehte er sie um und griff mit ihrer Hand zum Messer. Legte seine darüber und gemeinsam schnitten sie so gut es ging Schinken und Speck in Streifen.»Spiel bitte weiter« bat Sam schließlich und Angelos drückte ihr einen Kuss auf ihre Schulter. Draußen begann es gerade zu regnen. Sam legte ihre Hände auf den warmen Deckel des Topfes, um ihre Finger aufzuwärmen. »Darf ich?« Angelos stand mit ihrem paar Kuschelsocken hinter ihr und ging in die Knie. Hielt den Socken, damit sie hineinschlüpfen konnte und drückte ihr darauf einen Kuss in die Kniekehle. Bis die Spaghetti fertig waren, sagte keiner der beiden etwas. Das Klopfen der Tropfen gegen die Scheibe wurde lauter und Sam schloss die Augen und genoss das Geräusch. Solange, bis Angelos leises Geklimper verstummte. Sein Spiel war ruhiger geworden und er hatte sich öfter nach ihr umgedreht. Genauso wie jetzt. »Mir geht es gut« flüsterte Sam und schöpfte Spaghetti und Soße auf Teller und reichte Angelos einen davon. Anders als sonst aßen sie auf der Coutch, damit Sam Angelos spüren konnte. Jetzt da sie seine Musik nicht mehr hören konnte, brauchte sie seinen Körper, der sie an seine Präsenz erinnert. „Weiß man schon etwas neues?", fragte Angelos vorsichtig, worauf Sam kurz zusammenzuckten. Vielleicht wusste Tante Helen etwas über die Umstände des Unfalls ihrer Eltern, aber noch hatte sie nicht mit Sam darüber gesprochen. Einerseits reibte sie diese Ungewissheit auf, andererseits konnte sie sich nicht vorstellen, wie sie reagieren sollte, wenn sie erfuhr, dass es kein Unfall war. Sam schüttelte langsam den Kopf und Angelos zog sie noch ein Stück näher zu sich. Sie wurde das Gefühl nicht los, er hatte einen Verdacht, den er nicht mit ihr teilen wollte.
***
Bleib heute Nacht hier« schlug Sam vor und stellte die abgespülten Teller zurück in den Schrank. Angelos scrollte sich inzwischen durch seine Mails. »Aber ich muss morgen früh aufstehen« warnte er und Sam lachte auf. Das sagte er immer, wenn er ihr die Chance geben wollte, ihr Angebot zu überdenken. »Ich auch. Tante Helen erwartet mich zum Brunch« erwiderte sie. Angelos versteifte sich sofort beim Namen ihrer Tante und nickte knapp. Er legte seinen Fokus wieder auf sein Handy, tippte aber nicht weiter. »Ich möchte mit dir über Markos reden« stellte Angelos fest und legte sein Handy weg. Wie kam er von Tante Helen auf Markos? Sam biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Was sollte sie dazu sagen? Egal was es war, es würde ihn auf jeden Fall kränken. Und Sam brauchte ihn gerade hier, bei ihr. »Es muss nicht heute sein, Sam. Aber ich kann nicht weiter Zeit mit dir verbringen, mich in dich verlieben, während dein Exfreund noch nichts von seiner Verabschiedung oder zumindest von uns beiden weiß« - »Markos weiß, dass ich mit dir geschlafen habe«Besonders Markos nahm es mit der Monogamie einer Beziehung nicht so ernst, deshalb verschwieg ihm Sam die ersten Treffen. Nach und nach wurde ihr aber klar, dass sie im Begriff war eine furchtbare Dummheit zu begehen und gestand Markos alles. Er sagte wie immer nicht fiel dazu und fragte, ob es vorbei sei. Das Sam bejahte. Aber irgendwie entwickelten sich die Dinge anders, als sie sich das gewünscht hätte. Angelos blieb hartnäckig und Markos rastete ständig aus, anstelle um Sam zu kämpfen. Deshalb sprach sie mit Markos seit Wochen kein Wort und verbrachte immer mehr Zeit mit Angelos. »Du hast es ihm erzählt?«»Ja«»Und weiter?«»Anfangs störte es ihn nicht. Es wäre ja nicht so, als wäre ich das einzige Mädchen in seinem Leben gewesen. Deshalb sagte er nichts gegen Sex. Aber als er merkte, dass da unter Umständen mehr war, wurde er wütend«Damit wollte Sam dieses Thema beenden. Für heute hatte sie genug geweint. »Was bedeutet das?«»Das bedeutet, dass du heute Nacht bei mir bleibst, damit sich diese Wut auf mich auszahlt«
***
Angelos war verschwunden. Als Sam aus der Dusche kam, war er nicht mehr im Wohnzimmer. In ihrem Zimmer war er auch nicht. »Angelos?« rief sie. Die kahlen Wände schluckten ihre Stimme und sie bereute es, noch immer keine Bilder aufgehängt zu haben. Genügend Fotos hätte sie auf ihrem Handy und da sie nicht trainierte, fehlte ihr es auch nicht an Zeit. Wobei sie das bald wieder ändern sollte. »Ich bin hier!« kam es zurück. Sam öffnete überrascht die Tür zu einem der Gästezimmer. Angelos hatte selbst auch geduscht. Seine Haare waren immer noch feucht. Sam streckte die Hand nach ihm aus und wuschelte durch seinen Haarschopf. »Was machst du hier herinnen?«»Mich für die Nacht einrichten?«»Schläfst du nicht bei mir?«Angelos sah von ihr weg und Sam zog herausfordernd die Augenbrauen nach oben. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Angelos hatte bis jetzt zwar noch nie bei ihr, aber bereits einige Male mit ihr geschlafen. Warum wollte er jetzt in ihrem Gästezimmer übernachten? »Geht es um Markos?« fragte Sam und trat einen Schritt zurück. Sie kannte bisher keine Eifersucht. Markos hatte nie weiter beachtet, was sie mit anderen Kerlen trieb, solange sie ihn nicht bloßstellte. Das auf Gegenseitigkeit beruhte. »Nicht wirklich« wich er ihr aus. Also es ging um Markos. »Ich will dich Angelos. Nur dich. Sobald ich den Mut aufbringe, zurück in die Ställe zu fahren, werde ich Markos alles sagen« Sam streckte erneut die Hand nach Angelos aus, der sie dieses Mal ergriff und ihre Finger miteinander verflocht. »Ich weiß, dass wir bereits Sex hatten, Sam« verteidigte er sich und Sam zog die Augenbrauen nach oben. Meistens hatten sie sich nicht einmal die Zeit genommen, um in ein Hotelzimmer zu fahren, sondern sind gleich in den Privaträumen des Klubs übereinander hergefallen. Das hatte Sam nie gestört. Bis jetzt. »Seit dem hat sich etwas verändert für mich. Ich will dich, Sam. Nicht mehr nur Sex« - »Das ist gut«Sam schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich. »Mir geht es nämlich genauso«, flüsterte sie in sein Ohr und drückte ihre Lippen in seine Halsbeuge. Mit einem Ruck riss sie Angelos von den Füßen und trug sie zurück in ihr Schlafzimmer. Das riesige Bett in der Raummitte war gleich viel gemütlicher, wenn Angelos neben ihr war.
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