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»Bitte sieh mich nicht an, als wäre ich ein Geist«, bat Angelos und schob Sam einige Schritte zurück, damit er selbst durch die Eingangstür treten konnte. »Angelos, ich weiß nicht ob, ...«»Ich habe mir Sorgen gemacht«Sam presste ihre Lippen zusammen und lehnte ihren Kopf gegen seine Brust. Sein Herz schlug ungewöhnlich schnell. »Die Kameras sind aus« nuschelte sie in sein Hemd. Angelos Arme schlossen sich automatisch fester um sie. »Warum?« - »Marcel ist mit den Anderen hier. Er will nicht, dass Tante Helen uns dabei zusieht, wie wir uns betrinken«Angelos drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und löste sich von ihr.Sam zog die Schultern hoch, als Angelos den Blick über ihr angeräumtes Wohnzimmer schweifen ließ. »Lass mich dir helfen« bat er und legte eine Hand an ihre Wange. Sam wich aus. Sie wollte nicht darüber reden. Auch nicht nachdenken. Und schon gar nicht den Schmerz fühlen. Deshalb schüttelte sie stumm den Kopf und trat weitere Schritte zurück. »Sie mich nicht so an« forderte sie schließlich und verschränkte die Arme. Sie brauchte kein Mitleid. »Umarm mich einfach wieder« bat sie und streckte Angelos ihre Hand entgegen. Er ergriff sie sofort. Als Sam Angelos das erste Mal getroffen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, das er sie jemals so liebevoll in den Armen halten konnte. Aber jetzt war sie froh, dass er hier war. »Sam?« Angelos hob ihr Kinn an, als Marcels Stimme durch den Gang schallte. »Geht es dir gut? Ich habe einen totalen Filmriss ...« Er schoss um die Ecke und verstummte sofort, als er Angelos sah. Seine blonden Haare standen in alle richtigen ab und die Knöpfe seines meerblauen Hemdes waren falsch zugeknöpft. Sein Date mit der Whiskyflasche endete zu seinem Nachteil. »Sieh nach Ines. Ihr ging es gestern ziemlich mies, als ich sie ins Bett brachte« erwiderte sie. Angelos erwähnten sie beide nicht, obwohl er die Arme von hinten um sie geschlungen hatte. Sie war froh, an diesem Morgen nicht alleine zu sein. Alle standen neben der Spur. Vor allem ihre Cousins und ihre Cousine Ines. Wahrscheinlich, weil ihre Mama für Ines der Ersatz für ihre eigene Mutter war. Tante Helen war das Oberhaupt der Familie. Für jeden da, wenn man sie brauchte. Aber keine liebevolle Mutter. Helen mied Berührungen. Unter dem litt Ines, seit Sam denken kann. Sams Mama allerdings war immer für eine Umarmung zu haben. Ines war in ihrer Gesellschaft immer aufgeblüht. Und jetzt wo sie nicht mehr hier war, fiel sie zusammen. »Ich schallte die Kameras in einer halben Stunde wieder ein« warnte Marcel sie. Sein Blick war zum ersten Mal auf Angelos Ligeia gerichtet. Sie spürte ihn nicken. Die beiden Männer verstanden sich. Zumindest soweit es die Umstände zuließen. »Lass uns hinunter ans Meer gehen« schlug Angelos vor und Sam hauchte ihn dankbar einen Kuss auf die Wange. Obwohl er hier ganz offensichtlich nicht willkommen war, behandelte er sie trotzdem noch liebevoll. Sam war sich nicht sicher, ob sie das an seiner Stelle könnte. Deshalb hielt sie sich von Ligeia Teritorium prinzipiell fern. Genauso wie sie es sein sollte. »Es tut mir leid«»Es ist nicht deine Schuld. Ich wusste, womit ich zu rechnen hatte. Es war nur halb so schlimm«»Noch fassen mich alle mit Samthandschuhen an«Als Waisin konnte man damit auch rechnen, fand sie. Hoffentlich tolerierte ihre Tante ihre Beziehung zu Angelos Ligeia auf Dauer. Wenn er in der Nähe war, fiel ihr das Atmen eine Spur leichter. Auf den Weg nach draußen begegnete ihnen niemand. Die meisten waren bereits gestern Abend abgezogen und außer Marcel schien noch niemand wach zu sein. Das war gut. »Sie sollten für dich da sein, anstelle sich zu betrinken«»Wer sagt, dass ich nicht mitgetrunken habe?«»Du riechst nicht nach Alkohol, Sam« Sie schloss die Hand fester um Angelos. Ihre Familie war sie für sie da. Sie taten ihr den größten Gefallen und ließen sie in Ruhe. Zwar nicht alleine, aber sie hielten ihren Mund und mieden jedes Thema, dass Sam weh tun könnte. Mehr durfte sie nicht erwarten. Immerhin hatte jeder von ihnen noch immer sein eigenes Päckchen zu schultern. »Du schiebst es weg, aber das macht es nicht besser!«»Gott, verdammt, Angelos! Es wird weh tun, wenn ich erst begreife, dass sie nie wieder aus einem Flugzeug steigen und zu mir zurückkehren werden. Bis jetzt war es eine lange Reise. Aber sobald ich den Gedanken zulasse, dass sie nicht zurückkommen ... das kann ich nicht«Angelos presste die Lippen zusammen und legte einen Arm um sie. »Ich bin hier, Sam« sie schob ihren Kopf in seine Halsbeuge und atmete seinen typischen Geruch nach Meer ein. Er hatte nicht viel gesagt, aber es bedeutete ihr die Welt. Sie machte sich daran die Knöpfe seines Hemdes aufzuknöpfen. »Sam, willst du das wirklich?« fragte er und griff nach ihren Handgelenken. Hauchte einen Kuss darauf. Sam errötete und schüttelte schnell den Kopf. »Ich will schwimmen gehen«Angelos legte den Kopf zurück und lachte auf. »Was immer du möchtest«Im nächsten Moment zog er Sam ihr Kleid über den Kopf, riss sich seine Hose und sein Hemd vom Leib und schloss die Arme um sie. Hob Sam hoch. Sie drückte ihren Kopf gegen seine Halsbeuge, als er ins Wasser stampfte. Selbst als beide zur Hälfte von eisigem Wasser umspült wurden, ließ er Sam nicht los. Der Wellengang war hoch. Als die erste Welle ihren halben Körper nass machte, presste sie sich noch fester an Angelos. Er drückte seine Lippen auf ihre Stirn. Sam erschauerte. Langsam drehte er sich zur Küste um, damit er Sam vor den Wellen abschirmen kann. Das nur halb so gut funktionierte, wie er es sich wünschte. »Geht es besser?« fragte er in die Stille hinein. Sam begann sich in seinen Armen zu winden, worauf er sie zögerlich loslässt. Auf den Sandboden absetzte. Die nächste Welle ließ Sam erneut erschauder, aber sie spürte die Kälte kaum noch. Angelos sah sie mit solcher Aufmerksamkeit an, die sie selten erfahren durfte. Sein Blick fesselte sie. »Es ist leichter wenn du hier bist« gestand sie und riss ihren Blick los, um ihre Lippen auf seine Wange zu drücken. »Und im Meer ist auch leichter« Die unendliche Weite erinnerte sie an die unzähligen Möglichkeiten, die da draußen auf sie warteten. Hier konnte sie noch immer träumen. »Solltest du nicht arbeiten?« wechselte Sam das Thema. Angelos Wangen waren von der Kälte gerötet. Sam hätte den Mund halten sollen. So weit waren sie noch nicht. Sie versuchte krampfhaft nicht daran zu denken, dass ihr weißer BH mittlerweile völlig durchscheinend sein musste. Nicht, dass Angelos das noch nie gesehen hätte, aber gerade fühlte es sich komisch an. Dieses Vertrauen zwischen ihnen war neu und es machte Sam Angst. Unauffällig trat sie näher auf ihn zu. »Meine Mutter deckt mich« erwiderte er und Sam zog überrascht ihre Augenbrauen hinauf. Das war ... wirklich eine Überraschung. »Dann danke ihr von mir« Angelos zog sie als Antwort wieder zu sich. Bisher hatten sie nicht viel gesprochen. Eher getrunken und dann gefühlt. Genau das taten sie jetzt wieder. Angelos vergrub seine nassen Hände in ihrem Haar, noch bevor er seine Lippen auf ihre drückte. Sam öffnete sofort den Mund und ließ sich gegen ihn sinken. Bis sie realisierte, dass etwas nicht stimmte. Sie zog sich langsam zurück und legte eine Hand an seine Wange. »Du hast geraucht«»Ja«»Was ist los?«»Das darf ich dir nicht sagen«Sam schob ihre Hände weiter zurück und nickte. Natürlich durfte er das nicht. Sie war die Nichte seines größten Feindes. Verzweifelt zog sie ihn wieder zu sich, da sie nicht wusste, wie sie ihm sonst helfen könnte. »Sam?« der Ruf wurde beinahe von den Wellen verschluckt, aber Angelos hatte sie nicht weit genug hinausgetragen dafür. Angelos legte seine Stirn an ihre und fuhr ihr ein letztes Mal durch die Haare. Das Wasser war trüb, deshalb brauchte sie eine Weile bis sie Angelos Hand ertastet. Gemeinsam gingen sie zurück zum Strand. Als sie Sams beste Freundin fast erreicht hatten, drückte Sam Angelos nochmal einen Kuss auf die Wange. »Ich bin auch hier, falls du etwas brauchst« Wahrscheinlich wird er keinen Weg finden, ihr zu erzählen, was ihn bedrückt, aber zumindest wusste er jetzt, dass sie immer hier war, um ihn zu umarmen und zu halten. Zumindest hoffte Sam das. »Markos ist hier«Angelos Hand schloss sich sofort fester um ihre. »Schick ihn weg«»Sam, du kannst nicht ... «»Bitte! Bring ihn von hier weg« Sam blinzelte gegen die Tränen an und Evelina legte sofort ihre Arme um sie. »Natürlich schick ihn weg« gab Evelina nach und Sam rang sich ein Lächeln ab. »Angelos das ist ...«»Evelina. Ich weiß. Ich kenne sie vom Gericht«Sams beste Freundin zog verärgert die Augenbrauen zusammen. Es war offensichtlich, dass sie das vor Sam verbergen wollte. »Worum geht es?« Fragte sie und sah zwischen den beiden hin und her. Evelina hob herausfordernd die Augenbrauen. Obwohl sie sicherlich erst vor kurzem aufgestanden ist, sah sie bereits wunderbar aus. Ihre dunkelbraunen Locken hatte sie schon ordentlich zu einem Dutt zusammengedreht. Zwar trug sie kein Make-up, aber das hatte sie auch gar nicht nötig. Ihre dunklen Augen faszinierten von alleine. »Ja, Angelos worum geht es?«»Du verklangst mich. Das solltest du wissen«»Marcel verklagt dich«Evelina war Marcels Anwältin? Sam zog ihre Augenbrauen nach oben. Evelina wich ihrem Blick aus und sagte irgendetwas zu Angelos. Der darauf auflachte und vehement den Kopf schüttelte. Sie könnte ihnen ewig dabei zusehen, wie sich die beiden zankten. Es freute sie ungemein, dass sich Evelina mit ihm unterhielt. Auch wenn sie wusste, dass Evelina es nur Sam zu liebe tat. Sie wollte, dass Angelos wohl fühlen konnte. Das ging nicht, wenn jeder in ihrem Umfeld einen so großen Bogen um ihn machte, wie er es tun sollte. »Wir sollten ins Haupthaus fahren. Alle anderen sind schon aufgebrochen«, holte sie Evelina zurück und deutete zum Haus hinauf. »Ich warte oben auf dich. Ohne Markos« sie klang grimmig. Aber sie würde alles tun, damit Sam sich besser fühlte. Sam wartete, bis Evelina einige Meter entfernt war, bevor sie sich wieder zu Angelos umdrehte. »Ich mag Evelina«»Kennst du sie schon lange?«»Der Prozess dauert mittlerweile schon eine Weile«Sam ärgerte sich darüber, dass sie nicht genauer zugehört hatte, als die beiden miteinander gesprochen hatte. Noch immer hatte sie keine Ahnung, was die beiden bei Gericht aneinandergeraten ließ. Angelos verflocht stumm seine Finger mit ihren. »Ich weiß nicht, warum er hier ist Angelos« flüsterte sie schließlich, worauf Angelos sie sofort losließ. Er würde es nicht ansprechen, dass Sams Exfreund vor ihren Türen stand. Aber Sam wollte nicht, dass er glaubte, da liefe noch etwas. »Den, mou anemostróvilos« Nicht, mein Wirbelwind Sam überlief ein Schauer, als Angelos ihren Kosenamen verwendete. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und zog ihn erneut an sich. Wie sonst sollte sie ihm zeigen, dass er der Einzige war, für den sie sich interessierte. »Schläfst du heute Abend hier?«»Hast du Zeit dich mit mir zu treffen?«»Um sieben?«Sam zog ihn noch näher zu sich, worauf Angelos leise aufstöhnte. 



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