4. Der Rundgang
Sie wusste, dass alle das Bedürfnis hatten, schneller zu laufen. Doch konnten sie denjenigen vor sich mit dem Kerzenständer nicht überholen. Jedenfalls nicht, ohne durch die Dunkelheit stolpern zu müssen. Und das wollten sie beide nicht, selbst wenn der Weg kein weiter war. Der Schreck saß zu tief.
Nein, so etwas hatte es hier noch nie gegeben. Es war fast wie ein interaktiver Film, den man hautnah miterlebte. Louisas Atem ging fiel zu schnell und das Unbehagen folgte ihr auf ihrem Weg.
Und doch war sie glücklich über diese Erfahrung. Erst Recht, als sie nun durch eine Tür an die frische Luft geführt wurden. Die Gestalt verneigte sich vor ihnen und verschwand dann mit eiligen Schritten wieder durch die Tür, die sie leise hinter sich schloss.
„Und jetzt? Wie sollen wir die anderen wiederfinden?" Louisa sah sich um.
Irgendwie war es den Veranstaltern gelungen, den Eindruck zu erwecken, sich tatsächlich in einem kleinen altertümlichen Ort auf dem Land zu befinden.
Etwas weiter links von ihnen standen einige alte Autos, um die Zombies umherwanderten. Immer Mal wieder rannten sie auf die Besucher zu, die sich dann erschraken. Von hier aus wirkte es fast lächerlich, doch es war etwas ganz anderes, wenn man selbst in so einer Situation war. Mit Abstand sah alles leichter aus.
Eine weitere Tür in der Wand öffnete sich und Maik, Leo und Isabell traten heraus. In Isabells Augen mischte sich Erleichterung mit Schrecken. „Wie schön euch zu sehen!", kurz hielt sie inne und atmete einmal tief ein und aus. „Warum haben sie es immer auf mich abgesehen? Nur weil ich klein bin?"
„Was ist denn passiert?" Louisa ging auf ihren Mann zu und fühlte sich sofort sicherer. Er war eben immer noch ihr sicherer Hafen. Auch wenn der Sturm sie längst nicht mehr so beeinträchtigte, wie er es einmal getan hatte.
„Das war komplett irre! Ich muss meine Theorie wohl zurücknehmen, sie haben sich dieses Jahr wirklich Mühe gegeben", sagte Leo begeistert. „Ich meine, seht euch das an!" Er deutete auf den Weg vor ihnen. Es schien wirklich eine ganze Stadt zu sein, die sich hier vor ihnen ausbreitete. Mit den alten Autos, die zwar nicht so sehr in die dargestellte Zeit passten, aber das machte nichts. Neben den Zombies liefen auch Hexen umher, noch mehr Clowns mit Rasseln in den Händen, die Geräusche von sich gaben und von ihrem Kommen kündeten.
„Lasst uns erstmal alles ansehen." Jetzt war die Angst der Faszination gewichen.
„Aber diesmal lassen wir uns nicht los. Egal was passiert" Cassy ergriff die andere Hand von Louisa. Sie war feucht vom Schweiß. Auch Leo und Isabell reihten sich ein. Dann liefen sie weiter.
Ein Weg war nur deswegen vorhanden, da Generationen von Menschen bereits hier entlanglaufen waren. Es war festgetretene Erde, sonst nichts.
Hinter den Autos mit den Zombies kam eine kleine Fachwerkhütte. Davor liefen einige Frauen, vor der Tür der Hütte brannte ein Feuer. Einige von ihnen hatten einen Besen in der Hand, andere schienen etwas auf dem Feuer zu kochen, denn ihr Blick war konzentriert auf die Flammen gerichtet. Sie unterhielten sich mit hohen Stimmen, die die Dunkelheit zerschnitten. Doch hier passierte nichts weiter.
Dann streifte Louisas Blick eine der Hexen, die, mit einem Besen bewaffnet, einen Besucher vor sich herjagte. Die Frau rannte weg, doch die Hexe verfolgte sie quer über die Straße, bis sie sie am Ende doch erreichte und sie mit dem Besen auf den Hintern klopfte. „Unrat, verschwinde!", sagte sie dabei mit quietschender Stimme und die Besucherin lachte nun.
Weiter führte der Weg. Vorbei an Skeletten, die den Wegesrand säumten. Auf einer Ebene neben dem Weg war eine Guillotine aufgebaut, neben ihr stand ein Pranger und auch ein Galgen befand sich hier. Dazwischen brannten Fackeln und ein Dämon stand vor den Gerätschaften. Er ließ seinen Blick über die Besucher schweifen. Louisa spürte, wie sich ihre Blicke kurz kreuzten und unwillkürlich stieg wieder diese Angst in ihr auf. Dabei war sie ihre Dämonen losgeworden. Sie drückte die Hand ihres Mannes etwas fester, der den Druck kurz erwiderte. Alles war gut. Der Dämon lief einige Schritte und schien sich suchend umzublicken. Ihre Gruppe lief unbehelligt weiter. Und doch hatte sich die Atmosphäre verändert, als sie diesen Blick gespürt hatte. Nichts von dem ist echt.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Weges stand eine weitere kleine Hütte. Auch hier brannte ein Feuer vor der Tür. Doch es gab auch viele Knochen und Tierschädel, die hier herumlagen. Ein Mann mit einem Stab, an dessen Ende ein kleiner Schädel prangte und der komplett in schwarz gehüllt war, sowie afrikanischen Kopfschmuck trug, trat auf ihre Gruppe zu. Einen nach dem anderen schaute er mit starrem Blick an. Er streckte eine Hand nach Isabells Gesicht aus, die zurückwich. Mit einer schnellen Bewegung strich er ihr durch die Haare und verwuschelte sie. Dann ließ er wieder von ihnen ab und zog weiter.
Nun ging es um eine Ecke und Louisa und die anderen waren von einem scheinbar alten Gemäuer umgeben, das einen Raum unter freiem Himmel bildete. Hier liefen Vampire hin und her. Es sah aus wie ein Festsaal, mit vielen Kerzenständern, Holzboden, einem Klavier und einem Tisch mit roter Tischdecke. Darauf stand ein weiterer kleiner Armleuchter und goldene Teller und Besteck. In einer Ecke befanden sich zwei Särge.
Die Vampirfrauen und -männer waren in edle Kostüme gekleidet und kein Vergleich mit dem Auftritt, den der Veranstalter zu Anfang hingelegt hatte. Die Reißzähne wirkten echt und die blauen Kontaktlinsen verliehen ihnen etwas wahrhaft Unheimliches.
Immer wieder streiften die Vampire ihren Weg, schauten sie an. Einmal spürte Louisa eine Hand an ihrem Rücken.
Und dann wurde sie aus der Gruppe gerissen. Jedoch ereilte Maik dasselbe Schicksal, ein Vampir mit Zylinder und edlem Spazierstock zog ihn mit.
Und gemeinsam wurden sie zu den Särgen geleitet, mit wenig Druck dazu gebracht, sich dort hineinzulegen. Sie sah ihre Freunde, die stehengeblieben waren und warteten. Immerhin etwas, dachte sie, während der Sargdeckel sich über ihr schloss.
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