1. Die Ankunft
Von dem Schotterparkplatz führte ein Weg einige hundert Meter weg, bevor sie auf eine eigentlich leere Wiese kommen würden. Zumindest war es lange Zeit eine recht leere Wiese gewesen, doch zu Halloween verwandelte sie sich in einen Ort des Grauens. Vor einiger Zeit hatten die Veranstalter ein kleines Haus gebaut. Denn so hatten sie nicht nur die Freifläche, die jedes Jahr etwas anders dekoriert wurde, sondern auch noch ein Haus, in das man gehen konnte. Man müsse sich ja schließlich weiterentwickeln, war das Argument der Veranstalter.
Tatsächlich hatte dieses kleine Haus dem Ganzen einen neuen Touch verliehen. Zwei Jahre zuvor etwa befand sich dort das Labor eines verstreuten Professors, der die Besucher in seine Experimente einbezogen hatte.
Außerdem konnte das Haus das restliche Jahr über für andere Events genutzt werden.
Der Eingang wurde kontrolliert. Natürlich, schließlich sollte das hier eine sichere Veranstaltung werden. Einer nach dem anderen wurde von der Security überprüft. Die Schlange war lang. Anscheinend hatte es angesichts des Jubiläums mehr Leute als sonst hierher verschlagen.
Es war dunkel, als sie sich in die Reihe stellten. Es ging schneller voran als gedacht. Bereits hier drang das Heulen von Wölfen oder das Schreien einer Frau an ihre Ohren. Die Geräusche kamen zwar vom Band, das war Louisa, genauso wie jedem anderen, bewusst, und doch sorgten sie bereits vor Beginn für eine angenehm schauerliche Stimmung. Sie verliehen der Atmosphäre das gewisse Etwas.
Die Geräusche beflügelten die Fantasie. Was würde hinter der Einlasskontrolle auf sie warten?
Eine angenehme Anspannung ergriff von ihr Besitz, die dafür sorgte, dass Louisa ihr Gewicht immer wieder von einem auf das andere Bein verlagerte. Auch die Augen ihrer Freunde blitzten.
Niemand sagte ein Wort, wollte doch jeder einfach nur abtauchen in diese andere Welt und die Realität hinter sich lassen. Hier begann es.
Die Menschen, die mit ihnen warteten, waren zum Teil ebenfalls kostümiert. Doch die kleine Gruppe hatte sich bewusst dagegen entschieden. Immerhin gehörten sie nicht zu dem Personal.
Fast war es so, als würde ihre Alltagskleidung hier unangenehm auffallen. Louisa sah zu Maik hoch. Mit seiner dünnen Statur und seinen dunklen Haaren hätte er rein äußerlich einen guten Dämon abgeben können. Wenn sein Charakter nicht komplett das Gegenteil erahnen ließe.
Als sie das Gelände betraten, staunte Louisa nicht schlecht: Vor ihnen lag ein Friedhof aus alten, verwitterten Grabsteinen, der von Bodennebel umhüllt ist. Aus den Boxen schallte gerade das unheimliche Lachen eines Psychopathen. In der Mitte befand sich ein Grabhügel, auf den einige Leute bereits gestiegen waren.
Irgendetwas schien dort vor sich zu gehen.
Auch die Gruppe machte sich auf den Weg dorthin. Licht spendeten nur ein paar Fackeln und altertümliche Laternen, die ihr Licht im Nebel verteilten. Irgendwo dort hinten befand sich das Haus, doch es war versteckt.
Die Nebelschwaden leckten an dem Hügel.
Ein Vampir trat auf den Grabhügel. Es war eine schlechte Verkleidung. Oder nein, nicht schkecht. Billig. Es sah aus, wie eines dieser billigen Kostüme, die man im Supermarkt erstehen konnte.
Doch Louisa und dir anderen wussten, wer es war. Dass er mit dieser Kostümierung einen bestimmten Effekt erzielen wollte. Es war der Veranstalter, der die Gäste persönlich empfing.
„Herzlich willkommen", setzte er an. Er schrie die Worte förmlich über den Platz, doch aufgrund des billigen Vampirgebisses in seinem Mund nuschelte er so, dass niemand ihn wirklich verstehen konnte. Er bemerkte es und nahm sein Gebiss heraus. Bestimmt gehörte bereits dies zur Show.
„Herzlich willkommen", er machte eine Pause und breitete die Arme zu einer allumfassenden Geste aus, wobei sein Plastikumhang aufflatterte. Nun machte er nicht mehr den Eindruck, angestrengt schreien zu müssen. Eine volle, tiefe Stimme legte sich über die Versammelten, als er den Faden wieder aufnahm: „In Halloweentown. Angesichts unseres Jubiläums haben wir uns etwas Besonderes für euch ausgedacht. Doch nun, kommt herein und lernt das Fürchten!"
Er setzte sich die Zähne wieder ein und wandte sich mit einer weiteren ausufernden Geste auf einen Grabstein, der sich direkt neben ihm befand. Er wirkte verfallen, dir Schrift verwittert.
Genau in diesem Moment wurde die Grabplatte davor angehoben und ein roter Ballon stieg daraus empor. Er stieg langsam höher und höher, bis sich die Schnur gespannt hatte. Rote, krause Haare kamen zum Vorschein, gefolgt von einem Clown, der mit Schminke ein groteskes Dauergrinsen in sein weißes Gesicht getackert bekommen hatte. Es sah aus wie eine billige Kopie von Es.
Der Clown hob eine Hand, sah uns an und verharrte einige Augenblicke in genau dieser Position. Seine Augen huschten über die Menge, bevor sie ins Nichts starrten.
Er streckte die Hand aus dem Loch hervor, winkte die Zuschauer mit seinem Zeigefinger, ihm zu folgen. Dann ließ er den Ballon los, lachte, und verschwand wieder im Grab. Der rote Ballon flog an seiner hellen Schnur immer höher, wurde dabei zunehmend kleiner. Louisas Blick folgte ihm, bis er von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Eine Zeitlang rührte sich niemand, bis auf den Vampir, der eine Fackel aus dem Boden zog und sich vor den Eingang in die Unterwelt stellte.
Der Nebel hatte sich ausgebreitet und lag nun schwer über dem Boden, hüllte die Grabsteine ein. Auch den Eingang in die Welt des Grauens, durch die der Clown verschwunden war.
Dann setzten sich die ersten Gäste in Bewegung, zuerst zögerlich, doch je mehr folgten, desto zielstrebiger wurden sie.
Louisa bereute es wieder einmal, hierhergekommen zu sein. Doch das war nur das Adrenalin und gehörte dazu. Ehe sie es sich versah, machten ihre Füße ein paar Schritte nach vorne, in den Nebel hinein.
Sie spürte Maiks Hand, die ihre streifte, und ergriff sie. Sie waren zusammen und zusammen würden sie es schaffen.
Außerdem, was sollte ihnen schon passieren?
Dennoch spürte sie das leichte Zittern, verursacht durch das Adrenalin in ihrem Körper, als sie nun in das schwarze Loch unter der aufgeklappten Grabplatte blickte.
Sie atmete einmal tief ein. Maik spürte ihr zögern und ging voran. Er stieg die Leiter als erster von ihnen hinab, gefolgt von Louisa, dann kamen Isabell und Cassy, bevor Leo das Schlusslicht bildete.
Die Sprossen der Leiter waren aus Metall, sie schienen leicht verrostet zu sein, wie Louisa in dem schwachen Licht sah. Sie spürte die Kälte jeder einzelnen Sprosse in ihren Händen. Je weiter sie hinabstieg, desto kälter schienen sie zu werden.
Die anderen Menschen, die sich vor oder auch hinter ihnen befanden, waren nicht wichtig. Es waren nur Fremde, die mit ihnen in diese Dunkelheit stiegen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top