Prolog
Ich heiße jeden hier herzlich Willkommen,
normalerweise würde mein Mitstudent Samuel Hórith, die Rede zu Anfang übernehmen, doch ist er unglücklicherweise verhindert. Somit sehe ich mich aus freundlichkeitstechnischen Gründen dazu verpflichtet, euch den Königlichen Kongress und das gesamte Weltsystem Halfas' nahe zu bringen. Mein Name lautet übrigens Ires Octalina!
Ihr müsst wissen, er ist bereits im dritten Semester seiner Erzähler Ausbildung, während ich mich noch einen gebürtigen Anfänger schimpfen darf.
Ich hoffe, dass euch dies nicht stört und ich alle Geschehnisse, detailgetreu und dennoch spannend überliefern kann.
Wenn dem nicht der Fall sein sollte, werde ich mich wohl für weitere Dozentenvorträge zurückziehen und Samuel aus einem solchen frei schreiben lassen müssen, aber... ich schweife ab.
Ich sollte wohl vorerst erwähnen, dass sich die Geschichte, die ich euch sogleich erzählen werde, in einer Altertümlichen Zeit abspielt, ähnlich dem Mittelalter. Die Tagesabläufe werden ungewohnt für Technischfortgeschrittene Personen, wie euch und mich sein. Auch wenn man es kaum glauben kann, gibt, gab und wird es wahrscheinlich niemals Elektronische Gerätschaften in Halfas geben. Bisher waren die mit Strom betriebene Lampe und die Automail, die fortgeschrittensten Erfindungen und es scheint nicht so, als würde man sich steigern wollen. Kaum vorstellbar, aber wahr.
Normalerweise würde jetzt das austeilen eines Handbuches auf dem Plan stehen, doch hat mein lieber Mitstudent ein jedes davon, zur Einführung der Neulinge, in Beschlag genommen. Ich schätze, er bezeichnet es weiterhin als wertvolles Artefakt.
Da ich euch jedoch nicht weiter mit langen Reden langweilen möchte, werde ich euch sofort in einen Handlungsverlauf hineinwerfen.
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Die Äste der alten Eiche, welche die hölzerne Werkstatt von der Straße trennt, schlagen gegen die verstaubten Fenster und das Heulen des Windes, kündigt ein Unwetter an.
Das gelbliche Licht der rohrförmigen Deckenlampe flackert nun bereits seit geraumer Zeit unaufhörlich. Doch weder das schlechte Licht, noch der Lärm von außerhalb oder die späte Stunde, hindern die Person, welche in mitten des Raumes an ihrem Schreibtisch sitzt und an einem Metallgestell hantiert, daran ihre Arbeit zu verrichten.
Lange rote Haare werden durch ein, um die Stirn gebundenes, Tuch zurückgehalten und das Gesicht durch eine Schutzmaske verdeckt. Die recht hohe, fröhliche Stimme, die die Lieder des rauschenden Radio's leise mit summt, zeugt jedoch von einer Frau.
Weitere Stunden sitzt sie noch an ein und der selben Stelle, nur auf ihr Tun fixiert.
Inzwischen durchbrechen Blitze die nächtliche Dunkelheit und der Donner grollt in der Ferne, während die Regentropfen gegen ihr Fenster trommeln.
Die zuvor noch flackernde Lampe, fällt nun vollständig aus, sodass die Rothaarige sich zum aufstehen gezwungen sieht.
Ihre Hand schiebt die Maske, deren Oberfläche von vielen Brandflecken geziert wird, beiseite und die darunter verborgenen blauen Augen kommen zum Vorschein.
Ihre Kieferknochen sind ungewöhnlich eckig für eine Formwandlerin, doch ändert selbst das nichts an ihrer selten angetroffenen Schönheit.
Ein resignierter Seufzer entflieht ihren Lippen, als ihr Blick an der Lampe hängen bleibt.
„Entweder die Glühbirnen sind durchgebrannt oder etwas stimmt mit der Stromleitung nicht.", murmelt sie überlegend in den verlassen wirkenden Raum, ehe sie sich daraufhin nach einer Zwischenlösung für das Lichtproblem umsieht.
Ihr fällt jedoch nichts weiter, als eine gewöhnliche Kerze ins Auge, deren Licht -würde sie sie anzünden- nach dem ersten Schritt über die Türschwelle hinaus, sofort erloschen wäre.
Erneut seufzt sie auf und überlegt fieberhaft nach einer Lösung. Einzelne Körperteile konnte sie nicht verwandeln und würde sie eine Wandlung ihres gesamten Körpers vornehmen, bliebe ihr nichts, um die Kerze zu halten.
Die Brauen der jungen Frau ziehen sich verärgert zusammen und ihre Augen sind, aus Missgunst über die Situation, geschlossen.
Ein gereiztes Schnalzen ertönt, als sie die Kerze dennoch anzündet und sie vor das kleine Fenster, auf eine Ablage, stellt.
Mit dem Ärmel ihrer dunkelbraunen Tunika, wischt sie etwas Dreck von der Scheibe, um das Licht, auch draußen noch, erkennen zu können. Daraufhin stapft sie auf die Tür zu, zieht sich beim Vorbeigehen einen Mantel über und bedeckt somit das granatrote Haar mit dem grauen Stoff.
Kaum hatte sie die Tür geöffnet, empfängt sie bereits der gnadenlos peitschende Regen.
Es fällt ihr schwer, die Tür hinter sich zu schließen, denn der Wind arbeitet gegen sie, versucht den Weg ins Innere der Werkstadt frei zu machen.
Als es ihr letztendlich doch gelingt, gegen den Wind zu bestehen, kneift die junge Frau ihre Augen zusammen und legt eine Hand an die Stirn, so als wolle sie salutieren.
Der Regen, hat das Holz der, in den Baum verbauten Veranda, durchnässt, was den festen Stand auf dieser, zu nichte macht.
Von der sonst so schönen Waldstadt des Lichtenvolkes, ist kaum noch etwas zu sehen. Die Äste der Bäume schlagen um sich und in den darin verbauten Häusern, brennt nur spärlich Licht.
Die Hängebrücken, die die verschiedenen Behausungen miteinander verbinden, wirbeln um ihre eigene Achse. Die Strickleitern sind größtenteils eingeholt worden.
Schnellen Schrittes, steuert die Rothaarige die Klappe, unterhalb des Hauses an.
Es war eine Art Lager, in eine kleine Baumhöhle, unter soeben genanntem Fenster, eingelassen.
Die vom Regen aufgeweichte Erde, platscht bei jedem ihrer Schritte. Schwere, braune Stiefel, geben ihr dennoch den nötigen halt, um nicht auszurutschen.
Durch den Wind, welcher ihr unangenehm um die Ohren pfeift, bekommt die Formwandlerin, nur noch schemenhaft die Geschehnisse um sie herum mit.
So bemerkt sie auch den sich langsam neigenden Pfeiler, der zur Ausschilderung der Straße dienen sollte, erst zu spät. Schließlich befindet er sich bereits im freien Fall auf sie zu.
Erschrocken reißt sie die Augen auf. Tausende von Gedanken kreisen in ihrem Kopf, doch ein keiner von ihnen, will sich wirklich festsetzen und gedanklich lesbar machen.
Schützend hält sie die Arme, leicht verschränkt, über ihrem Kopf, bereit das schnell fallende Holz zu empfangen.
Die Augen weit aufgerissen, wartet sie auf den Schmerz, doch zerspringt der Pfeiler im nächsten Augenblick auch schon, in unzählige, kleine Splitter.
Ein wenig später und es wäre um sie geschehen gewesen.
Überrascht folgt ihr Blick der Spur aus Holzspänen. Angefangen bei denen, die sich in ihre Haut gebohrt haben, über das Gras, seitlich der Straße, bis hin zum ehemaligen Standort des Pfeilers.
Das gelbgrüne Auge einer Person, leuchtet ihr in der Dunkelheit entgegen. Die eine Hand, ist noch in Richtung der Rothaarigen ausgestreckt.
Das weiße, kurze Haar, hängt ihrem Gegenüber struppig ins Gesicht.
Erst jetzt, wo der Wind die filzigen Strähnen zur Seite weht, fällt der Formwandlerin das milchig-trübe, rechte Auge auf.
„Vrijme Nylos?"
Der Rothaarigen fährt ein Schauder über den Rücken, als ihr Gegenüber ihren Namen ausspricht.
Die Frage, war nicht mehr, als ein Flüstern, doch schien es trotz des weiterhin tobenden Unwetters, so, als könnte die Stimme sogar den lauten Donner übertönen.
Woher soll Vrijme auch wissen, dass es der Wind ist, der bloß dem Willen seiner Verkörperung folge leistet und deren kratziges Flüstern, an das Ohr der Formwandlerin trägt.
„J-Ja."
Eingeschüchtert von der ihr fremden Frau, bekommt sie nur eine gestotterte Antwort zustande.
Ein Blitz erhellt die Nacht und wird von der goldenen Rüstung der Weißhaarigen reflektiert.
Zufrieden nickt eben jene: „Ich bin wegen einer wichtigen Angelegenheit hier."
Auf ihr Handzeichen hin, rollt ein blonder Junge im Rollstuhl, aus dem Schatten eines nahestehenden Baumes. Eine Filzdecke war über seine Beine gelegt worden und verdeckt die enden seiner blauen Tunika.
Die Tropfen des peitschenden Nass, scheinen über ihm zu verdampfen, so, als wäre die Temperatur, die von ihm ausgeht, zu hoch.
In seinen Armen hält er ein Bündel Stoff.
„Unsere Rasse wird von der Gesellschaft verstoßen, man fürchtet uns grundlos oder missbraucht unsere Macht, für militärische Zwecke. Ich möchte nicht, dass dem Jungen hier, das selbe widerfährt.
Was nur passieren würde, wenn ich ihn mit mir nähme.
Würden Sie sich also freundlicherweise seiner annehmen?"
Die stolze Haltung der Weißhaarigen, ist etwas eingesunken und nun sieht man auch die Müdigkeit, die sich in ihren Augen widerspiegelt.
Ein weiterer Blitz macht die teilweise eingefallenen Gesichtszüge sichtbar. Dabei ist sie kaum älter als dreißig, was im Anbetracht der Lebensspanne ihrer Rasse, nicht einmal das Kindesalter überschreitet.
Der leere Blick des blinden Seelenspiegels, gepaart mit den tiefen Schatten, die sich unter ihren Augen abzeichnen, verleihen ihr einen beinahe schon gespenstisches oder leichenähnliches Aussehen.
Alles in allem, wirkte sie alles andere als gesund. Vielmehr sah die junge Frau so aus, als würde sie jeden Moment vorne über kippen, da ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten.
Völlig überrumpelt von der Frage, schaut Vrijme auf das Bündel in den Armen des Blonden und setzt sich langsam, darauf zu, in Bewegung.
Seine rotbraunen Augen, verfolgen dabei misstrauisch einem jeden ihrer Schritte.
Vorsichtig beugt sich die Formwandlerin vor, um einen Blick auf das Kind, welches in den Decken verborgen zu sein scheint, zu werfen.
Neugierig mustern sie große graue Augen und ein entzücktes lachen, seitens des Kindes, ertönt.
Einzelne Strähnen seiner Indigofarbenen, gelockten Haare, fallen bereits über seine Stirn, doch Vrijme vermutet, dass es nicht älter, als einige Monate sein kann.
„ Wie heißt er?"
Ihr Blick hebt sich und der nun lächelnde Junge antwortet ihr glücklich:
„Denborah! Es ist eine Mischung aus den Sprachen, der verschiedenen Völker und bedeutet Zeit."
Von seiner Fröhlichkeit angesteckt, lächelt sie nun auch.
„Denborah.", murmelnd wiederholt Vrijme den Namen und blickt dabei das Kind an, welches seine Arme fordernd ausstreckt.
Ihr vorheriger Ausdruck in den Augen, weicht einem sanften und sie streicht dem Jungen einige seiner Haarsträhnen nach hinten, wodurch seine spitzen Ohren zum Vorschein kommen.
Sie erinnern ein wenig an die der Elfen, sind jedoch bei weitem nicht so spitz zulaufend. Außerdem fehlt es ihnen an Länge.
Dennoch würde ein jeder erkennen, dass sie sich -trotz der Rundlichen Form- von denen der Menschen ebenso unterscheiden.
„Ja. Ja ich werde mich seiner annehmen!", antwortet sie in Richtung der Weißhaarigen, die nur erleichtert über ihre Antwort zu sein scheint.
„Komm Cassian! Unser Teil des Auftrags, ist erledigt.", ruft sie nun den Jungen im Rollstuhl wieder zu sich. Der Regen ist etwas abgeklungen, sodass nur noch ein leichter Niesel auf die drei anwesenden herab prasselt.
„Wiedersehen Vrijme.
Stell nichts dummes an Denborah!"
Grinsend folgt er der Aufforderung der Grünäugigen und beginnt auf diese zu zu rollen.
Lächelnd wandert Vrijmes Blick wieder zu dem Kind, das mit ihren Haaren zu spielen begonnen hat.
„Denborah."
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