Kapitel 8
Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in ein blutrotes Licht, als Nico plötzlich sagte: „Du kannst gehen, wenn du willst, Dylan. Du bist frei."
Ich starrte ihn überrascht an. War das ein Trick? Ein weiterer Test? Doch seine blutroten Augen funkelten ernst, fast... traurig? Ich zögerte keinen Moment länger, drehte mich um und rannte. Der kühle Abendwind strich über mein Gesicht, als ich mich vom Haus entfernte. Fünf Meter, vielleicht auch zehn – ich hatte keine Ahnung, wie weit ich bereits gekommen war.
Doch dann stoppte ich abrupt. Meine Beine zitterten, und mein Herz pochte in meiner Brust, als ob es sich selbst zerreißen wollte. Ich drehte mich langsam um und blickte zurück auf das Haus. Die dunkle Silhouette stand da, kalt und abweisend, und doch fühlte ich eine unbegreifliche Anziehungskraft, die mich zurückzog.
„Ich..." flüsterte ich vor mich hin. „Ich kann nicht..."
Der Gedanke, ohne Nico weiterzuleben, schnürte mir die Kehle zu. Ich war verwirrt. Eben noch hatte ich alles getan, um ihm zu entkommen, und jetzt? Jetzt spürte ich, wie leer ich mich ohne ihn fühlte, als wäre er der einzige Fixpunkt in meinem Leben. Ein gefährlicher, aber unentbehrlicher Fixpunkt.
„Nein! Was tue ich hier?!" Ich ballte die Hände zu Fäusten, doch es half nichts. Meine Beine begannen sich von selbst zu bewegen, zurück zu ihm. Mit jedem Schritt spürte ich, wie meine Angst, allein zu sein, größer wurde.
Ich stand wieder vor der Tür, meine Hand zitterte, als ich anklopfen wollte. Doch bevor ich es tat, öffnete sich die Tür wie von Geisterhand. Nico stand da, das schwache Licht des Hauses warf seinen Schatten lang und unheimlich auf den Boden.
„Dylan," sagte er ruhig, „ich wusste, dass du zurückkommen würdest."
Ich sah ihn an, sprachlos. Sein Blick war ruhig, gelassen – und doch spürte ich den Hauch von Triumph in seinen Augen.
„Warum hast du mich gehen lassen?" fragte ich schließlich, meine Stimme brüchig.
„Weil ich wissen wollte, ob du freiwillig zurückkommst," sagte er leise und trat näher. „Es ist etwas anderes, wenn du aus freien Stücken bei mir bleibst. Es bedeutet, dass du es akzeptierst."
„Akzeptiere was?" Meine Stimme zitterte.
Nico lächelte sanft, sein Blick wanderte zu meinen flauschigen Ohren. „Dass du zu mir gehörst."
Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, doch es war nicht vor Wut, sondern vor Verlegenheit. „Ich... ich weiß nicht, was das bedeutet," gab ich zu.
Er legte seine Hand auf meine Schulter und zog mich langsam zu sich. „Es bedeutet, dass du nicht ohne mich leben kannst. Und ich nicht ohne dich."
Ich schüttelte den Kopf, doch er ließ mich nicht los. „Aber... ich wollte weg von dir!"
„Und doch bist du zurückgekommen. Das sagt mehr aus als alles andere."
Meine Gedanken rasten. War er wirklich alles, was ich hatte? Ich wollte es nicht wahrhaben, doch tief in mir wusste ich, dass er recht hatte. Ich hatte niemanden sonst. Meine Familie hatte mich verstoßen, und Nico... er war der Einzige, der mir überhaupt eine Art von Aufmerksamkeit schenkte, auch wenn es auf seine eigene unheimliche Weise war.
„Aber warum? Warum machst du das?" fragte ich, während ich mich an seine Brust lehnte, unfähig, die Nähe abzulehnen.
„Weil du etwas Besonderes bist, Dylan," flüsterte Nico in mein Ohr. „Du hast keine Ahnung, wie wertvoll du bist."
Seine Worte hallten in meinem Kopf wider, doch ich verstand sie nicht. Was meinte er? Warum war ich wertvoll? Ich war schwach, verstoßen, ein Niemand. Doch Nico behandelte mich, als wäre ich das Wichtigste auf der Welt.
„Ich... ich verstehe das nicht," murmelte ich, meine Stimme kaum hörbar.
„Das musst du auch nicht," sagte Nico und strich mir sanft über das weiße Haar. „Alles, was du wissen musst, ist, dass du jetzt bei mir bist. Und dass ich dich nicht wieder gehen lassen werde."
Ich hob meinen Blick und sah ihm direkt in die Augen. Seine Worte hätten mich erschrecken sollen, doch stattdessen fühlte ich eine seltsame Geborgenheit. Es war verrückt. Ich wusste, dass ich ihm nicht trauen sollte. Aber ich konnte nicht anders. Vielleicht war es sein Vampircharme oder einfach nur die Tatsache, dass ich verzweifelt jemanden brauchte.
„Also, was jetzt?" fragte ich schließlich, meine Stimme immer noch unsicher.
Nico grinste und beugte sich leicht vor, seine Stirn berührte fast meine. „Jetzt bleibst du bei mir, und wir sehen, wohin das führt."
Ich schluckte hart, doch ich nickte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es keinen Weg mehr zurück gab. Nicht für mich.
Als ich die Augen aufschlug, fühlte ich mich merkwürdig warm. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass ich in Nicos Armen lag. Sein Griff war fest, fast besitzergreifend, aber ich hatte mich irgendwie daran gewöhnt. Vorsichtig versuchte ich, mich aus seiner Umarmung zu befreien, doch im Schlaf zog er mich nur noch fester an sich.
„Verdammt," flüsterte ich, halb frustriert, halb verlegen. Mein Gesicht war heiß, und ich konnte das leichte Kratzen seiner Kleidung auf meiner Haut spüren. Doch plötzlich bemerkte ich etwas Kaltes, Feuchtes an meinem Hals.
Ich erstarrte.
Nico drehte mich in einer fließenden Bewegung zu sich, als wäre ich leicht wie eine Feder. Sein Gesicht war so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte, und dann... leckte er meinen Hals.
„Nico!" rief ich erschrocken, aber meine Stimme klang eher wie ein gequältes Keuchen. Mein Körper reagierte instinktiv – meine Ohren zuckten, und ein Schauer lief mir über den Rücken.
Er murmelte etwas Unverständliches und ließ seine Zunge erneut über meinen Hals gleiten, als ob er im Halbschlaf war und nicht einmal wirklich realisierte, was er tat. Ein Prickeln breitete sich dort aus, wo seine Zunge meine Haut berührte, und ich war mir nicht sicher, ob es nur die Kälte seiner Berührung war oder etwas anderes.
„Nico, hör auf damit!" Ich drückte gegen seine Brust, versuchte mich zu befreien, doch meine Anstrengungen schienen ihn eher amüsiert zu haben. Er öffnete halb die Augen, ein verschlafenes, aber intensives Glühen in seinem Blick.
„Mmm... Dylan," murmelte er leise, seine Lippen formten sich zu einem kleinen Lächeln. „Warum bist du so nervös?"
„N-nervös?" stammelte ich, als er mich noch näher an sich zog. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. „Du... du hast gerade an meinem Hals geleckt, verdammt!"
Nico lachte leise, sein Atem streifte mein Gesicht. „Oh, das? Ich dachte, du würdest das genießen."
Ich errötete bis zu den Ohren. „Nein, ich genieße das nicht! Hör auf mit dem Mist und lass mich los!"
Statt mich loszulassen, sah Nico mich einfach nur an, als wäre ich ein Rätsel, das er lösen wollte. „Du bist wirklich zu süß, wenn du dich aufregst, weißt du das? Diese roten Wangen... diese zuckenden Ohren..."
„Nico, ich meine es ernst!" Ich versuchte, streng zu klingen, doch meine Stimme zitterte. Verdammt, warum konnte ich nicht einfach stark und entschlossen sein? Warum ließ ich mich so leicht aus der Fassung bringen?
„Ist ja gut," sagte er schließlich und ließ mich ein kleines Stück los, genug, dass ich mich zumindest aufsetzen konnte. Doch er hielt meinen Arm noch immer fest. „Aber du solltest wirklich daran denken, Dylan... du gehörst mir jetzt. Du kannst nicht einfach machen, was du willst."
„Was zum Teufel soll das heißen?" Ich starrte ihn an, meine Verwirrung wuchs mit jedem Moment.
Er zog mich zurück zu sich, legte seinen Kopf in meine Nackenbeuge und atmete tief ein. „Es bedeutet, dass du nicht ohne mich leben kannst. Und das weißt du, Dylan. Du hast es gestern bewiesen, als du zurückgekommen bist."
Seine Worte drangen wie Gift in meinen Verstand. Hatte er recht? Hatte ich wirklich keine andere Wahl? Ich konnte ihm nicht widersprechen – ich war zurückgekommen, obwohl ich hätte fliehen können. Aber warum? War es wirklich diese Abhängigkeit? Oder war es etwas anderes?
„Ich bin nicht..." Meine Stimme war kaum hörbar, doch er hörte mich. „Ich bin nicht dein Besitz."
„Nein," sagte er leise, „nicht mein Besitz. Aber du bist mein."
Ich biss mir auf die Lippe, als seine Worte mich erneut trafen. Es fühlte sich an, als ob er nicht nur über mich sprach, sondern als ob er mein Innerstes erfasste. Ich wollte widersprechen, mich losreißen, aber etwas hielt mich zurück. Vielleicht war es die Wahrheit, die in seinen Worten lag. Vielleicht war es die Tatsache, dass ich wirklich nichts und niemanden hatte, außer ihm.
„Du wirst dich daran gewöhnen," sagte er leise und küsste sanft meine Stirn. „Früher oder später."
Ich schloss die Augen, ließ seinen Kuss auf meiner Stirn brennen und atmete tief ein. Was auch immer hier passierte, ich hatte keine Kontrolle darüber. Nicht wirklich. Nico war stärker, mächtiger... und irgendwie war er jetzt ein Teil von mir. Ein Teil, den ich nicht einfach abschütteln konnte.
„Was mache ich jetzt?" fragte ich schließlich, meine Stimme klang besiegt, und doch war da ein kleiner Hauch von Hoffnung, dass er mir eine Antwort geben könnte.
Er lächelte, zog mich erneut an sich und strich mir sanft über das Haar. „Du bleibst. Bei mir. Für immer."
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Sorry, wenn ich hier Rechtschreibfehler haben sollte. Hab nämlich eine Schiene auf meiner Schreibhand.
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