Kapitel 40
In den folgenden Tagen fühlte es sich an, als ob ich in einem Traum lebte. Nico war so aufmerksam, so liebevoll, dass ich mich manchmal fragte, ob er wusste, dass die Zeit knapp wurde. Er brachte mir jeden Morgen Frühstück ans Bett, auch wenn ich kaum einen Bissen herunterbekam. „Hier, versuch das mal", sagte er und hielt mir vorsichtig einen Löffel mit warmer Suppe hin. „Es wird dir guttun."
Ich lächelte schwach und versuchte einen Schluck zu nehmen. „Du bist wirklich viel zu gut zu mir, Nico."
Er grinste, aber es war ein trauriges Lächeln. „Ich will nur, dass du dich besser fühlst, Dylan."
Jeden Tag war er bei mir, wich nicht von meiner Seite. Er kümmerte sich um mich, hielt mich, wenn ich zu schwach war, um selbst aufzustehen, und sprach mir Mut zu, wenn ich das Gefühl hatte, dass es keinen Ausweg mehr gab. Er ließ sich nicht unterkriegen, egal wie schlecht es mir ging.
Eines Abends saßen wir zusammen auf der Veranda. Der Himmel war in tiefes Orange getaucht, die Sonne stand tief am Horizont. „Weißt du", sagte Nico nach einer Weile, „ich habe mir nie vorgestellt, dass wir so viel Zeit miteinander verbringen könnten. Es ist verrückt, aber... ich wünschte, es wäre unter anderen Umständen."
Ich sah ihn an, seine Augen leuchteten in der Dämmerung. „Ich auch", flüsterte ich. „Aber ich bin dankbar für diese Zeit, Nico. Du hast mir mehr gegeben, als ich je erwartet hätte."
Er sah mich ernst an. „Ich will dir noch mehr geben, Dylan. Ich will nicht, dass das endet."
Ich senkte den Blick. „Ich weiß... aber ich kämpfe. Ich kämpfe jeden Tag, nur für dich."
„Und ich werde nicht aufgeben", sagte er leise und strich mir sanft über die Hand. „Wir schaffen das irgendwie. Wir müssen."
Die nächsten Tage verwöhnte er mich noch mehr. Er brachte mir Blumen, die er im Wald gefunden hatte, und bereitete mir heiße Bäder vor, in denen ich entspannen konnte. Es war so, als wolle er jeden Moment perfekt machen, als wollte er mir zeigen, wie sehr er mich liebte, in jeder kleinen Geste, in jedem liebevollen Blick.
„Weißt du noch, als wir uns das erste Mal begegnet sind?" fragte Nico eines Abends, als wir uns zusammen ins Bett legten. „Ich dachte, du wärst der nervigste Kerl, den ich je getroffen habe."
Ich lachte leise, obwohl es mich Kraft kostete. „Und ich dachte, du wärst ein arroganter Idiot."
„War ich das nicht?" grinste er.
„Vielleicht ein bisschen", antwortete ich schmunzelnd und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter. „Aber du hast dich verändert. Wir beide haben uns verändert."
„Ja, das haben wir", stimmte er zu und zog mich näher zu sich. „Und jetzt? Würdest du mich immer noch als Idioten bezeichnen?"
„Nein", sagte ich leise. „Jetzt würde ich sagen, dass du der Mensch bist, den ich am meisten liebe."
Er schwieg einen Moment und küsste sanft meinen Kopf. „Und ich liebe dich, Dylan. Mehr als alles andere."
Die Tage vergingen, und trotz allem genoss ich jede Sekunde, die ich mit ihm hatte. Doch tief in mir wusste ich, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Jeder Tag fühlte sich an wie ein Geschenk, aber die Dunkelheit, die sich über meinen Körper legte, wurde stärker.
Ich wollte nicht gehen, wollte Nico nicht verlassen. Aber ich wusste, dass der Moment näher rückte, an dem ich loslassen musste.
Es war ein leiser, friedlicher Morgen, als ich aufwachte. Doch in mir wusste ich sofort, dass dies der letzte Tag sein würde, den ich mit Nico verbringen konnte. Jede Bewegung war schwer, jede Atmung fühlte sich an, als würde sie mich weiter an den Rand der Dunkelheit ziehen. Die Kräfte, die ich so lange aufrechterhalten hatte, waren verschwunden. Mein Körper gab nach.
Nico war neben mir, saß wie immer an meiner Seite, sein Blick voller Sorge. „Wie fühlst du dich heute?" fragte er leise, fast so, als wüsste auch er, was heute auf uns zukam.
Ich wollte ihn nicht beunruhigen, wollte nicht, dass er die Traurigkeit in meinen Augen sah, also lächelte ich schwach. „Es geht mir gut...", log ich, doch meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Nico, ich... ich will heute, dass du mir etwas versprichst."
Er sah mich verwirrt an, legte seine Hand sanft auf meine. „Was soll ich dir versprechen?"
„Ich möchte, dass du den Thron besteigst. Du bist dazu bestimmt. Dein Volk braucht dich... und ich..." Meine Stimme brach ab, als mir Tränen in die Augen stiegen. „Ich möchte, dass du weiterlebst. Ohne mich."
Nico sah mich fassungslos an. „Nein. Nein, Dylan. Das kannst du mir nicht antun. Du kannst mich nicht verlassen." Seine Stimme war brüchig, voller Verzweiflung.
Ich lächelte sanft, obwohl mir das Herz brach. „Es ist nicht meine Entscheidung, Nico. Ich habe so lange gekämpft... für uns beide. Aber jetzt... jetzt ist es Zeit loszulassen."
Er schüttelte den Kopf, als könnte er die Realität nicht akzeptieren. „Dylan, bitte... bleib bei mir. Wir finden einen Weg. Irgendeinen Weg."
Ich griff nach seiner Hand, hielt sie fest, so fest ich konnte, obwohl meine Kraft kaum mehr ausreichte. „Es gibt keinen Weg mehr. Aber du... du hast noch dein Leben vor dir. Du musst weitergehen, Nico. Für mich."
Eine Weile herrschte nur Stille zwischen uns. Er schaute mich an, als wolle er jeden Moment mit mir für immer in sein Gedächtnis brennen. Dann fragte er plötzlich, seine Stimme leiser als je zuvor: „Dylan... darf ich deine Ohren kraulen?"
Es war das erste Mal, dass er um Erlaubnis fragte. Immer hatte er es einfach getan, immer hatte er gewusst, dass es mich beruhigte, dass es mich tröstete. Doch heute... heute war anders. Ich nickte sanft. „Ja, Nico... du darfst."
Vorsichtig legte er seine Hand auf meine flauschigen Ohren, strich sanft über sie, wie er es so oft getan hatte. Ich schloss die Augen, ließ das vertraute Gefühl durch meinen Körper strömen. Es war das Einzige, was mir in diesem Moment noch Halt gab, der einzige Trost, den ich noch spüren konnte.
„Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit", flüsterte er, seine Stimme zitterte. „Ich wünschte, ich könnte dich heilen."
„Du hast mir mehr gegeben, als ich jemals erwartet hätte, Nico. Ich habe dich... und das ist genug." Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Ich liebe dich, Nico. Mehr als alles andere."
Er zog mich sanft zu sich, hielt mich, als könnte er mich so vor dem Unvermeidlichen bewahren. „Ich liebe dich auch, Dylan. Und ich werde dich niemals vergessen."
Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne fielen durch das Fenster, als meine Augenlider schwerer wurden. Ich konnte den Kampf nicht länger führen. Die Welt um mich herum wurde leiser, verschwamm, bis alles, was ich noch spürte, Nicos warme Berührung und sein sanftes Kraulen an meinen Ohren war.
„Danke, dass du bei mir bist", flüsterte ich, meine Stimme kaum noch hörbar.
„Ich werde immer bei dir sein", versprach er leise und küsste meine Stirn.
Und dann ließ ich los.
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