Kapitel 39

In den nächsten Wochen wurde mein Zustand immer schlechter. Ich hatte kaum noch Kraft, aus dem Bett zu kommen, und Nico kümmerte sich um alles. Er kochte, er brachte mir das Essen ans Bett, und manchmal blieb er einfach an meiner Seite, auch wenn die Stille zwischen uns schwerer wurde. Ich weigerte mich weiterhin, ein reiner Vampir zu werden, auch wenn Nico es mir immer wieder vorschlug.

„Dylan, bitte", sagte er eines Morgens, als er mir ein einfaches Frühstück brachte. „Du wirst immer schwächer. Es wird schlimmer. Du musst das nicht durchmachen."

Ich starrte ihn an, mein Atem flach und schwer. „Nico, ich habe dir schon gesagt, dass ich das nicht will. Es ist nicht... mein Weg."

Er setzte sich auf den Rand des Bettes und schüttelte den Kopf. „Aber du wirst sterben, wenn du so weitermachst. Schau dich doch an! Du bist kaum noch bei Bewusstsein. Ich will das nicht... ich kann das nicht ertragen."

Ich zwang mich zu einem Lächeln, obwohl es sich müde anfühlte. „Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, aber ich muss diesen Weg gehen. Ich kann nicht einfach alles aufgeben, nur um zu überleben. Das wäre nicht richtig."

„Aber du überlebst nicht", sagte er leise, fast flehend. „Du... du verschwindest vor meinen Augen, Dylan. Bitte. Lass mich dir helfen."

„Du hilfst mir schon", erwiderte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Du bist hier bei mir. Das reicht."

Nico sah mich lange an, bevor er seine Hand ausstreckte und sanft durch mein Haar fuhr. „Es reicht mir nicht", sagte er. „Es reicht mir nicht, dich langsam sterben zu sehen."

Ich spürte, wie mein Herz schwerer wurde. Es tat weh, ihn so verzweifelt zu sehen. Aber ich konnte einfach nicht nachgeben. „Ich... ich will nicht, dass du leidest, Nico", sagte ich leise. „Aber ich kann das nicht ändern."

Er stand auf und ging ein paar Schritte im Zimmer auf und ab, seine Hände in die Haare vergraben. „Das ist so unfair", murmelte er. „Warum musst du so stur sein? Warum muss es so enden?"

„Weil es mein Leben ist", antwortete ich schwach. „Und ich will, dass es so endet, wie ich es bestimme. Nicht wie jemand anderes es für mich entscheidet."

Nico blieb stehen, seine Augen auf mich gerichtet. „Ich verstehe dich nicht, Dylan. Wirklich nicht. Aber ich respektiere deine Entscheidung. Auch wenn es mich umbringt."

Ich schloss die Augen und seufzte. „Es tut mir leid... für alles."

Er setzte sich wieder zu mir und griff nach meiner Hand, drückte sie sanft. „Ich will nicht, dass du dich entschuldigst. Ich will nur, dass du lebst."

Die Tage vergingen, und jeder Tag schien für mich ein kleiner Kampf gegen die Erschöpfung zu sein. Ich konnte nicht mehr richtig essen, alles schmeckte fade, selbst wenn Nico es mit Sorgfalt zubereitete. Einmal hob ich die Gabel mit zitternder Hand, nahm einen Bissen und ließ sie dann wieder fallen. Nico beobachtete mich, ohne ein Wort zu sagen, aber ich sah den Schmerz in seinen Augen.

„Es... es schmeckt gut", log ich leise.

„Du musst nichts essen, wenn es nicht geht", sagte er sanft. „Ich weiß, dass es schwer ist."

„Ich will nicht, dass du... dir zu viele Sorgen machst", antwortete ich und versuchte, seine Hand zu ergreifen, aber selbst das fiel mir schwer. Er nahm meine Hand in seine und hielt sie fest, während ich tief durchatmete.

„Du wirst immer schwächer", sagte er, seine Stimme voller Sorge. „Wie lange willst du das noch durchhalten?"

Ich schluckte mühsam. „So lange, wie ich kann. Das ist alles, was ich tun kann."

„Du bist so stur", murmelte er, aber ich spürte den Hauch von Zärtlichkeit in seinen Worten. „Und trotzdem liebe ich dich. Auch wenn es wehtut."

„Ich liebe dich auch", flüsterte ich, meine Stimme kaum hörbar. „Und genau deshalb will ich, dass du verstehst... es geht nicht darum, wie lange ich lebe. Es geht darum, wie ich lebe."

Nico schwieg, seine Augen voller Trauer und Verständnis. Er beugte sich vor und drückte einen sanften Kuss auf meine Stirn, während ich die Augen schloss. Die Müdigkeit übermannte mich wieder, und ich wusste, dass ich bald keine Kraft mehr haben würde, diese Kämpfe zu führen.

„Schlaf", flüsterte er. „Ich bin hier. Ich werde immer hier sein."

Ich zog Nico sanft zu mir, auch wenn meine Arme schwer wie Blei waren. Jeder Atemzug war mühsam, doch ich wollte ihm so nah sein, wie es nur ging. Unsere Lippen berührten sich, und ich spürte den Schmerz in seinem Kuss. Es war ein Kuss voller Sehnsucht, Angst und Liebe. Ich konnte nicht anders, als die Tränen zurückzuhalten, die mir in die Augen stiegen. Nico verdiente das nicht... mich so zu verlieren.

„Dylan..." flüsterte er, als er sich ein Stück von mir löste, seine Stirn an meine lehnte. „Ich will nicht, dass du gehst. Ich kann das nicht... ich kann dich nicht verlieren."

„Ich will dich auch nicht verlassen", antwortete ich, meine Stimme brüchig, während ich versuchte, den Kloß in meinem Hals zu schlucken. „Aber... ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalten kann, Nico. Es fühlt sich an, als würde ich mit jedem Tag schwächer werden. Ich weiß, dass du das siehst."

Er schüttelte den Kopf, seine Hände umklammerten meine Schultern. „Nein, das darf nicht sein. Du musst kämpfen. Du musst einfach weiterkämpfen, Dylan. Ich brauche dich hier bei mir. Ohne dich..."

„Nico", unterbrach ich ihn sanft, „ich kämpfe doch. Jeden Tag, jede Sekunde. Für dich. Aber... es wird immer schwerer. Ich weiß nicht, ob ich diesen Kampf noch lange durchhalten kann."

Er sah mich an, sein Blick verzweifelt und verletzt. „Es muss doch einen Weg geben. Es gibt immer einen Weg."

Ich schüttelte leicht den Kopf. „Manchmal gibt es keinen einfachen Weg, Nico. Manchmal müssen wir akzeptieren, was kommt, egal wie sehr wir es hassen."

„Nein, ich kann das nicht akzeptieren!" rief er plötzlich, seine Stimme bebte vor Emotion. „Ich kann nicht zusehen, wie du vor meinen Augen stirbst! Ich... ich brauche dich bei mir, Dylan!"

„Ich weiß", flüsterte ich und legte meine Hand an seine Wange, fühlte die Wärme seiner Haut unter meinen kalten Fingern. „Ich will auch bei dir sein. Aber... vielleicht ist das der einzige Weg. Vielleicht ist es besser, dass ich gehe, bevor es noch schlimmer wird."

Seine Augen füllten sich mit Tränen, und ich sah, wie er gegen den Schmerz ankämpfte. „Nein... du darfst das nicht sagen. Du musst bei mir bleiben. Ich will nicht, dass du gehst."

Ich lehnte mich gegen seine Brust, meine Kraft schwand, und ich ließ den Moment einfach auf mich wirken. „Ich will es auch nicht. Aber ich fühle, dass meine Zeit kommt, Nico. Du musst... du musst irgendwann loslassen."

„Ich werde dich niemals loslassen", sagte er fest, seine Stimme entschlossen. „Niemals."

Ich schloss die Augen, genoss den Moment der Nähe, das Gefühl seiner Arme um mich. „Ich liebe dich, Nico. Ich werde dich immer lieben, egal was passiert."

„Ich liebe dich auch", flüsterte er und hielt mich noch fester. „Ich werde alles tun, um dich hier zu behalten. Du musst nur weiter durchhalten. Für uns."

Ich spürte, wie meine Tränen langsam über meine Wangen liefen, während ich mich an ihn klammerte. „Ich werde es versuchen. So lange ich kann."

Wir blieben lange so, eng umschlungen, während die Dunkelheit des Abends um uns herum fiel. Ich spürte, wie Nicos Atem sich beruhigte, und hörte den leisen Herzschlag in seiner Brust. Er war mein Anker, mein Halt, doch tief in mir wusste ich, dass es ein Kampf war, den ich nicht ewig führen konnte. Die Zeit lief ab, und obwohl ich ihn liebte, wusste ich, dass ich bald loslassen musste.

Aber noch nicht. Noch wollte ich bei ihm bleiben. So lange ich konnte.

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