Kapitel 30

Als Nico in das Zimmer des Vampirkönigs trat, hielt ich kurz inne. Die Atmosphäre war schwer, und ich konnte das Flüstern der anderen Vampire draußen hören, die sich um die Tür versammelt hatten. Das Licht fiel schummrig durch die Vorhänge und ließ die Schatten im Raum tanzen.

Der Anblick des Vampirkönigs schlug mir wie ein Schlag ins Gesicht. Er lag schwach und gebrochen im Bett, sein einst majestätisches Auftreten war nur noch ein Schatten seiner selbst. „Wow, Papa sieht ja toll aus," murmelte Nico sarkastisch und verschränkte die Arme. „Hast du das neue Make-up ausprobiert oder bist du einfach nur am Verrecken?"

Ich war schockiert von Nicos Worten, aber gleichzeitig spürte ich die zugrunde liegende Wut in seiner Stimme. „Nico, vielleicht solltest du—" begann ich, doch er schnitt mir das Wort ab.

„Was? Vielleicht sollte ich höflich sein, während er hier in seinem eigenen Elend liegt?" Nico trat einen Schritt näher und sah seinen Vater an, als wäre dieser ein verärgerter Hund. „Was ist mit dir passiert? Wo ist der mächtige Vampirkönig, von dem jeder spricht?"

Der Vampirkönig hob mühsam den Kopf und sah seinen Sohn mit müden Augen an. „Nico..." Seine Stimme war brüchig, fast unverständlich. „Komm näher."

„Komm näher?" Nico lachte höhnisch. „Ich glaube nicht, dass ich das will. Schließlich hast du mich die letzten Jahre ignoriert. Glaubst du, ich komme jetzt hierher, um deine Befehle zu befolgen?"

„Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen!" fauchte der König, seine Stimme wurde etwas stärker, als er versuchte, sich aufzurichten. „Das ist ernst. Ich bin schwach, und du bist der einzige, der mich unterstützen kann."

„Mich unterstützen? Du hast nicht einmal versucht, mich als deinen Sohn zu akzeptieren!" Nico ballte die Fäuste, und ich spürte, wie die Anspannung im Raum zunahm. „Und jetzt, wo du schwach bist, rufst du nach mir?"

„Du verstehst nicht, was auf dem Spiel steht," sagte der König mühsam und sah mich dann an. „Und du... du musst dir über deine Herkunft im Klaren werden. Es gibt Dinge, die du noch nicht weißt."

Ich trat einen Schritt zurück, das Gefühl, dass ich hier nicht hingehörte. „Ich habe keine Lust, hier in Familienangelegenheiten verwickelt zu werden," murmelte ich, als ich die hitzige Diskussion zwischen Vater und Sohn beobachtete. „Ich bin nicht hier, um mich in eure Probleme einzumischen."

Nico schüttelte den Kopf. „Dylan, du bist nicht nur ein Zuschauer. Du bist ein Teil dieses Spiels, egal wie sehr du es leugnen willst."

Der Vampirkönig sah mich eindringlich an. „Dylan, du bist der Sohn von Lucius. Und das bedeutet, dass du eine Macht in dir trägst, die größer ist, als du es dir vorstellen kannst."

„Was soll das heißen?" fragte ich, mein Herz raste. „Was für eine Macht?"

„Hör zu, Dylan. Du musst verstehen, dass die Welt der Vampire nicht so einfach ist, wie du denkst. Lucius ist nicht einfach ein Vater, der in dein Leben tritt. Er ist ein König und er hat die Macht, dein Schicksal zu formen," erklärte der König. „Und wenn du nicht lernst, deine Kräfte zu kontrollieren, wird er versuchen, sie für seine eigenen Zwecke zu nutzen."

Nico warf mir einen warnenden Blick zu. „Das ist genau das, was ich befürchtet habe. Er versucht nur, uns zu manipulieren."

„Es geht nicht darum, dich zu manipulieren, Nico," murmelte der König, während er sich wieder zurücklehnte, als würde ihm die Kraft fehlen, weiterzusprechen. „Es geht darum, die Familie zu schützen. Du bist der Thronerbe, und Dylan ist ein Teil von dir. Du kannst nicht einfach weglaufen und hoffen, dass alles gut wird."

„Familie?" Nico lachte bitter. „Du hast dich nie um mich gekümmert. Jetzt, wo du schwach bist, willst du, dass ich an deinen bettelnden Lippen hänge?"

„Du hast die Möglichkeit, alles zu ändern," drängte der König. „Du musst lernen, die Dunkelheit zu akzeptieren, die in dir steckt. Das ist der einzige Weg, um zu überleben."

Ich spürte, wie die Worte des Königs in meinem Kopf herumwirbelten. Was bedeutete das für mich? Hatte ich wirklich die Fähigkeit, meine Herkunft zu akzeptieren? Und wenn ja, würde ich die Kontrolle über mein eigenes Schicksal haben oder wäre ich dazu verdammt, die Fäden anderer zu folgen?

„Du bist nicht allein, Nico," flüsterte ich. „Wir können das zusammen durchstehen. Ich stehe hinter dir."

Nico sah mich an, seine Augen blitzen vor Wut, dann weichten sie einem Anflug von Unsicherheit. „Ich habe dich nicht hierhergebracht, damit du mir den Rücken stärkst. Ich habe dich hierhergebracht, damit du mir nicht in die Quere kommst."

„Hör auf, so zu reden! Wir müssen zusammenarbeiten!" rief ich, als ich versuchte, ihn zu erreichen. „Wenn wir gegen Lucius kämpfen wollen, brauchen wir einander."

„Es gibt keinen Kampf, den wir gewinnen können, Dylan," sagte Nico und sah wieder zu seinem Vater. „Es gibt nur seine Machtspiele und unsere Dummheit, die es ihm erlauben, mit uns zu spielen."

Der König schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. „Nico, es tut mir leid. Ich habe Fehler gemacht. Aber ich kann dir jetzt nicht die ganze Geschichte erzählen. Du musst mir vertrauen. Ich bin nicht dein Feind."

„Wenn du nicht mein Feind bist, warum hast du mich dann nie beschützt?" Nico schüttelte den Kopf, als würde er die ganze Situation nicht fassen können. „Ich bin nicht hier, um deine Entschuldigungen zu hören. Ich bin hier, um zu klären, was als Nächstes kommt."

Der Vampirkönig sah uns an, und ich spürte, dass etwas in der Luft lag. Eine unerklärliche Spannung, die uns alle verband. Ich wusste nicht, was die Zukunft für uns bereithielt, aber ich fühlte, dass ich in diesem Moment eine Entscheidung treffen musste – und dass sie weitreichende Konsequenzen haben würde.

Während Nico weiter mit seinem Vater stritt, fühlte ich einen unbehaglichen Drang, das Zimmer zu verlassen. Ich konnte die Hitze der Diskussion nicht mehr ertragen, also ging ich nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Doch kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, fühlte ich einen scharfen Druck auf meinem Mund und wurde gegen die Wand gedrückt.

„Lucius!" keuchte ich, als ich erkannte, wer es war. Mein Vater stand vor mir, seine blutroten Augen leuchteten vor Wut. „Lass mich los!"

„Sei still, Dylan! Du musst verstehen, dass du hier nicht sicher bist," zischte er und ließ seinen Griff kurz lockerer. „Es gibt Dinge, die du nicht weißt, und die Wahrheit wird dich zerstören."

„Was für eine Wahrheit? Warum kann ich nicht einfach ein normales Leben führen?" Ich versuchte, mich zu befreien, doch seine übermenschliche Kraft hielt mich fest.

„Weil du kein normales Leben führen kannst! Du bist der Sohn von Lucius, und das bedeutet, dass du in die Fußstapfen deines Vaters treten musst. Es ist nicht nur ein Name, Dylan; es ist dein Schicksal," erklärte er und sah mich mit einem durchdringenden Blick an.

„Schicksal? Ist das der Grund, warum du mich immer beobachtest? Warum du dich nie um mich gekümmert hast?" Ich war frustriert, und meine Stimme zitterte vor Emotionen. „Ich bin mehr als nur dein Erbe!"

„Das weiß ich, aber du hast keine Ahnung, was auf dem Spiel steht," antwortete er, seine Stimme wurde ernst. „Nico ist nicht nur ein Freund; er ist der Thronerbe, und du musst verstehen, dass seine Familie mit deiner verbunden ist. Wir stehen im Zentrum eines Machtspiels, das seit Jahrhunderten dauert."

Ich schüttelte den Kopf. „Das sind alles nur Ausreden! Ich will nicht Teil deiner Intrigen sein!"

„Du hast keine Wahl, Dylan!" Lucius' Ton wurde lauter, und ich konnte die Wut in seiner Stimme spüren. „Du bist untrennbar mit ihm verbunden, und du musst lernen, diese Verbindung zu akzeptieren. Du wirst leiden, wenn du es nicht tust."

„Ich werde nicht leiden! Ich werde nicht wie du enden! Ich will nicht manipuliert werden!" Ich fühlte, wie die Tränen in meinen Augen brannten, aber ich versuchte, stark zu bleiben.

„Es ist nicht nur eine Manipulation. Es ist der Preis für deine Existenz. Du bist ein Teil dieser Welt, und ich werde alles tun, um dich zu beschützen – auch wenn du es nicht verstehst," sagte Lucius, seine Stimme wurde weicher, fast flehend.

„Schütze mich? Indem du mich an die Wand drückst und mir sagst, dass ich mich fügen soll?" Ich sah ihn direkt an, und für einen kurzen Moment war ich mir nicht sicher, ob ich Angst oder Wut empfinden sollte.

In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Nico trat heraus, seine Augen weiteten sich, als er die Szene vor sich sah. „Was zum Teufel machst du mit ihm?" fragte er wütend und kam näher, seine Hände ballten sich zu Fäusten.

„Es ist nicht, was du denkst," antwortete Lucius schnell und ließ mich los. Ich taumelte einen Schritt zurück, unfähig, meinen eigenen Körper richtig zu kontrollieren.

„Nicht was ich denke? Du drückst ihn an die Wand, als wäre er nichts! Warum sollte ich dir jemals vertrauen?" Nico sah mich an, seine Wut verwandelte sich in Besorgnis. „Dylan, geht es dir gut?"

„Ich... ich komme klar," stammelte ich, während ich versuchte, meinen Atem zu beruhigen. „Es ist nur, dass er mir das Gefühl gibt, dass ich nichts wert bin."

„Das ist nicht wahr! Du bist mehr als das! Du bist nicht nur ein Werkzeug für seine Machtspiele!" rief Nico, als er näher trat und mich mit seinen Blicken beschützte.

„Und du bist der Thronerbe, Nico. Du musst lernen, das zu akzeptieren!" Lucius schüttelte den Kopf, als würde er sich über die Unvernunft seines Sohnes ärgern. „Dylan ist mehr als du glaubst, aber er muss sich entscheiden, ob er bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen."

„Ich habe keine Verantwortung gegenüber dir oder deinen Machtspielen!" schrie ich zurück, und meine Wut kochte über. „Ich bin nicht dein Spielball, und ich werde nicht akzeptieren, dass du mein Leben kontrollierst!"

„Du verstehst nicht, was auf dem Spiel steht!" Lucius' Stimme wurde eindringlich. „Es geht nicht nur um dich, sondern um das Überleben unserer Familie!"

„Überleben? Oder Kontrolle?" Nico schüttelte den Kopf und sah mich an. „Dylan, ich kann nicht glauben, dass das alles ist, was du für dich selbst willst. Du bist nicht nur ein Werkzeug! Du hast deine eigenen Träume, und du solltest sie nicht aufgeben müssen, nur weil er es sagt!"

„Träume?" Lucius lachte bitter. „Was sind Träume in einer Welt voller Blut und Macht? Du musst stark sein, Nico!"

„Stark sein?" Nico knirschte mit den Zähnen. „Ich habe die Kraft, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und ich wähle, Dylan zu schützen!"

„Das ist naiv!" rief Lucius, seine Geduld schwand. „Du denkst, du kannst einfach entkommen? Diese Welt wird dich einholen!"

„Vielleicht sollten wir es herausfinden," murmelte ich, und ich spürte eine unerklärliche Entschlossenheit in mir aufsteigen. „Wenn ich ein Teil dieser Welt bin, dann werde ich auch dafür kämpfen, wie ich es will. Ich werde nicht zulassen, dass jemand anders mein Schicksal bestimmt."

„Dylan, das ist keine einfache Entscheidung," warnte Lucius, aber seine Worte verhallten in der aufgeladenen Atmosphäre.

Nico sah mich an, seine Augen funkelten vor Unterstützung. „Ich stehe hinter dir, egal was passiert. Du bist mehr als nur ein Teil dieser Familie. Du bist wichtig, und du verdienst es, glücklich zu sein."

Die Worte von Nico gaben mir den Mut, den ich brauchte. Ich wollte nicht mehr unter dem Schatten meines Vaters stehen. Ich wollte meine eigene Identität finden, selbst wenn das bedeutete, gegen die Erwartungen zu kämpfen.

„Ich bin nicht bereit, für die Fehler deiner Vergangenheit zu leiden, Lucius. Ich werde meine eigene Zukunft gestalten, mit oder ohne dich!" rief ich entschlossen.

„Dylan, warte!" Lucius' Stimme war jetzt voller Besorgnis, aber ich drehte mich um und lief mit Nico zurück ins Innere des Palastes. Ich fühlte mich befreit, als ob eine Last von meinen Schultern gefallen wäre, aber ich wusste, dass dies erst der Anfang eines viel größeren Kampfes war.

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