Kapitel 2
Die Dunkelheit umgab mich, als ich durch den Wald rannte, mein Herz schlug wie ein Trommelwirbel in meiner Brust. Der Mond warf schwaches Licht auf den Pfad, doch ich war blind vor Angst. Fenris war wieder hinter mir her. Seit meiner Verbannung hatte er mich gejagt, als wäre ich ein wildes Tier, das zur Strecke gebracht werden musste. Immer wieder fand er mich, und immer wieder gelang es mir, ihm zu entkommen. Doch dieses Mal war es anders. Ich spürte, dass mir die Zeit davonlief.
Meine Muskeln brannten, und meine Atmung ging stoßweise. Hinter mir hörte ich das gedämpfte Knacken von Ästen – sie kamen näher. Fenris' Leute waren schneller, stärker, unerbittlich.
„Da ist er!" Fenris' Stimme hallte durch die Nacht, rau und bedrohlich. Ich warf einen panischen Blick über die Schulter, sah die Silhouetten der Wölfe im Mondlicht. Sie hatten mich gefunden.
Ich rannte weiter, die Äste peitschten gegen meine Haut, aber ich konnte sie kaum spüren. Alles, was zählte, war das Überleben. Doch plötzlich, als ich eine Lichtung durchquerte, stieß ich mit voller Wucht gegen etwas – oder besser gesagt, jemanden.
„Uff!" Ich prallte gegen eine muskulöse Brust und taumelte zurück. Vor mir stand ein Mann, groß, mit pechschwarzem Haar, das ihm in wirren Strähnen ins Gesicht fiel. Seine Augen – blutrot und funkelnd – trafen für einen flüchtigen Moment meine, bevor er den Blick über meine Schulter warf.
„Lauf!" rief ich ihm zu, in der Hoffnung, dass er verstand, dass Fenris auf dem Weg war. Doch der Fremde rührte sich nicht. Stattdessen lächelte er. Ein kaltes, fast amüsiertes Lächeln, das mir einen Schauer über den Rücken jagte.
„Dylan!" Fenris tauchte am Rand der Lichtung auf, seine Zähne gebleckt, die Augen glühend vor Hass. Doch bevor er auch nur einen Schritt weitergehen konnte, bewegte sich der Fremde. Mit einer Geschwindigkeit, die ich kaum verfolgen konnte, war er bei Fenris und schlug zu. Es war kein Kampf – es war ein Gemetzel. Fenris hatte keine Chance. Mit einem einzigen Hieb schleuderte der Fremde ihn durch die Luft, und ich hörte das Knacken von Knochen, als Fenris gegen einen Baum prallte.
Schwer atmend starrte ich auf die Szene. Fenris, der starke Anführer des Rudels, lag am Boden, blutend und regungslos. Der Fremde wischte sich beiläufig das Blut von den Händen und drehte sich dann zu mir um.
„Du solltest besser nicht hier draußen herumlaufen, Kleiner," sagte er mit einer Stimme, die so samtig und gefährlich war, wie seine Augen vermuten ließen. Er griff nach meinem Arm, und bevor ich protestieren konnte, zog er mich dicht an sich heran. „Wir gehen."
„Was...?" Meine Worte wurden mir im Hals erstickt, als er mit mir durch die Nacht flog. Es ging so schnell, dass die Bäume um uns herum zu einem verschwommenen Wirbel wurden. Ich konnte kaum atmen, so fest hielt er mich. Dann, plötzlich, standen wir vor einem alten Haus, das ich noch nie zuvor gesehen hatte.
„Willkommen," sagte der Fremde, während er die Tür mit einem leichten Stoß öffnete und mich ins Haus schob. „Hier wirst du für eine Weile sicher sein."
Ich stolperte hinein, mein Kopf drehte sich von der Geschwindigkeit und der plötzlichen Stille um uns herum. „Wer... wer bist du?" fragte ich schließlich, als ich mich halbwegs gefasst hatte.
„Nico." Er ließ meinen Arm los und lehnte sich lässig gegen die Wand. Sein Blick ruhte auf mir, als würde er etwas Unerwartetes in mir suchen. „Und du bist Dylan, nicht wahr? Halb Werwolf, halb Vampir."
„Woher... woher weißt du das?" stotterte ich. Mein Herz raste noch immer von der Begegnung mit Fenris.
„Ich weiß eine Menge Dinge," antwortete er ruhig und grinste mich auf eine Art an, die mir gar nicht gefiel. „Vor allem über dich."
Ich hasste ihn sofort. Er hatte mich vielleicht gerettet, aber dieses Grinsen, diese Selbstsicherheit – es war, als würde er alles nur als ein Spiel betrachten. Ein Spiel, bei dem ich der Bauer auf dem Schachbrett war, und er derjenige, der die Figuren bewegte.
„Danke," brachte ich schließlich hervor. Es war schwer, die Worte auszusprechen, aber er hatte mich gerettet, und das konnte ich nicht ignorieren. „Was... was schulde ich dir?"
Nico lachte leise, als hätte ich einen besonders amüsanten Witz gemacht. Dann trat er auf mich zu, beugte sich vor und flüsterte: „Ewige Treue."
Mir stockte der Atem. „Was?!"
„Du hast richtig gehört, Dylan." Seine Augen funkelten gefährlich, und plötzlich wurde mir klar, dass er mich nicht einfach so gerettet hatte. „Du bist mir jetzt etwas schuldig. Und was ich will, ist, dass du mir auf ewig treu bist."
Meine Kehle schnürte sich zu, und ich wich einen Schritt zurück. „Ich... ich schulde dir gar nichts!"
„Oh doch," sagte Nico leise und trat noch näher, sodass ich die Kälte, die von ihm ausging, spüren konnte. „Du schuldest mir dein Leben, Dylan. Ich habe dich vor Fenris gerettet, und jetzt gehörst du mir."
Mein Herz raste. „Ich gehöre niemandem!" rief ich und versuchte, die Panik in meiner Stimme zu unterdrücken.
„Du wirst es bald verstehen," flüsterte er und strich mir über meine weißen Ohren, als würde er ein Haustier streicheln. „Früher oder später wirst du es verstehen."
Mein ganzer Körper erstarrte bei seiner Berührung, und in diesem Moment wusste ich, dass ich in eine Falle getappt war.
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