Kapitel 15
Ich saß auf der Veranda und ließ die Sonnenstrahlen über mein Gesicht gleiten, während ich mit meinen Werwolfsohren spielte. Es fühlte sich gut an, sie nicht ständig unter meinem Haar verstecken zu müssen. Die Wärme der Sonne war angenehm, etwas, das Nico nie wirklich erleben konnte. Der Gedanke an ihn ließ mich unwillkürlich lächeln – wie er mich immer mit einem beinahe kindlichen Trotz ansah, wenn ich meine Ohren draußen zeigte. Er hasste es, dass er nicht mit mir in der Sonne sein konnte.
Ich spürte seinen Blick auf mir, schob mir absichtlich eine Strähne hinter das Ohr und ließ die weißen, flauschigen Ohren zum Vorschein kommen. Nico knurrte leise, deutlich unzufrieden, aber ich wusste, dass es eher aus Neid war, als aus echter Wut.
„Du siehst wirklich so aus, als würdest du das genießen," sagte er plötzlich und trat näher an die Tür, die zwischen ihm und dem Sonnenlicht lag. Seine Stimme klang fast ärgerlich, aber ich konnte das leise Lächeln in seinen Worten hören.
Ich grinste breit und legte mich zurück. „Natürlich tue ich das. Es ist herrlich draußen. Du solltest es auch mal versuchen, statt immer im Schatten zu stehen."
Nico rollte mit den Augen. „Sehr witzig. Du weißt, dass ich mich verbrennen würde."
„Ach, nur ein bisschen?" Ich neckte ihn weiter, ließ meine Ohren extra wackeln, um ihn zu provozieren. „Du verpasst echt was."
Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen, nur wenige Zentimeter vom Sonnenlicht entfernt. „Vielleicht genieße ich es einfach, dir beim Genießen zuzusehen," murmelte er, seine Augen auf meine Ohren fixiert. „Aber es nervt mich trotzdem, dass ich sie nicht anfassen kann, solange du da draußen bist."
„Tja, das Leben ist manchmal unfair," sagte ich und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es war selten, dass ich die Oberhand in unserem seltsamen Spiel hatte, aber das hier war eine dieser wenigen Gelegenheiten.
Nico knurrte spielerisch und trat einen Schritt zurück, weg von der Schwelle. „Du wirst schon sehen, irgendwann kommst du freiwillig zu mir zurück, und dann gehören die Ohren wieder mir."
„Große Worte für jemanden, der nicht mal die Sonne verträgt," rief ich ihm nach und lachte, als er leise fluchte und ins Haus zurückkehrte.
Die Minuten vergingen, und ich genoss die Ruhe, die Sonne auf meiner Haut, das sanfte Rauschen des Windes. Doch mein Blick wanderte immer wieder zu der Tür, hinter der Nico verschwunden war. Ich wusste, dass er mich aus der Dunkelheit beobachtete, und irgendwie gab mir das ein seltsames Gefühl von Sicherheit.
Nach einer Weile hörte ich ihn wieder murmeln, diesmal etwas lauter: „Warum kannst du nicht einfach hier reinkommen?"
Ich drehte mich um, konnte ihn jedoch nicht sehen. „Weil es draußen viel schöner ist. Und ich mag es, dich ein bisschen zu ärgern."
„Du bist grausam." Seine Stimme war jetzt deutlicher, als wäre er näher gekommen.
„Das sagt der Vampir, der mich anfangs gegen meinen Willen festgehalten hat," konterte ich und setzte mich auf. „Ich denke, ich verdiene es, ein bisschen Spaß zu haben."
Ein Schnauben war zu hören, und dann trat Nico doch wieder in den Türrahmen, diesmal mit einem resignierten Lächeln auf den Lippen. „Ich weiß gar nicht, warum ich mich mit dir einlasse."
Ich zuckte mit den Schultern. „Weil ich faszinierend bin?"
Er lachte kurz auf. „Faszinierend und anstrengend."
Ich streckte mich aus, ließ meine Ohren wackeln, und grinste ihn an. „Das macht mich doch nur interessanter."
Nico lehnte sich gegen den Rahmen, sein Blick wanderte wieder zu meinen Ohren, und ich konnte sehen, wie sehr er sich zurückhielt, nicht einfach die Sonne zu ignorieren und mir hinterherzulaufen. „Vielleicht hast du recht," sagte er schließlich leise. „Vielleicht ist es das, was mich an dir so fesselt. Du bist anders als die anderen... und irgendwie erfrischend."
Ich hielt inne, überrascht von dem plötzlichen Ernst in seiner Stimme. Für einen Moment war da keine Neckerei, keine spielerische Spannung zwischen uns. Nur seine ehrlichen Worte, die mich ein wenig aus der Fassung brachten.
„Nico..." begann ich, wusste aber nicht, wie ich weitermachen sollte.
Er unterbrach mich mit einem sanften Lächeln. „Mach dir keine Sorgen. Genieß die Sonne. Aber vergiss nicht, dass ich hier auf dich warte."
Ich nickte langsam, unsicher, wie ich auf diese plötzliche Zärtlichkeit reagieren sollte. Also lehnte ich mich einfach wieder zurück, ließ die Sonne auf meine Haut scheinen und hoffte, dass der Moment der Verlegenheit bald vorübergehen würde.
Aber tief in mir wusste ich, dass es sich gerade irgendwie verändert hatte. Nico und ich... es war mehr als nur ein seltsames Spiel zwischen uns. Da war etwas Tieferes.
Als ich schließlich wieder ins Haus trat, überkam mich sofort eine Welle von Müdigkeit. Die Sonne hatte mir Energie geraubt, und ich spürte meine Beine etwas zittern. Doch bevor ich mich auch nur in Richtung des Sofas bewegen konnte, sprang Nico mich regelrecht an.
„Endlich!", rief er triumphierend und warf mich auf die Couch, bevor ich überhaupt protestieren konnte. Sofort vergrub er seine Finger in meinen Haaren und begann, meine Ohren zu suchen. „Ich habe so lange gewartet!"
„Nico, lass das," murmelte ich genervt, versuchte mich wegzudrehen, doch er ließ mir keine Chance. „Ich bin total fertig von draußen... hör auf!"
Aber er hörte nicht auf. Im Gegenteil, er schien sich förmlich daran zu erfreuen, wie meine Ohren unter seinem Griff zitterten. „Das hast du davon, mich draußen so zu ärgern," meinte er und zog spielerisch an einem meiner Ohren, was mich unweigerlich zusammenzucken ließ. „Jetzt bist du hier, und jetzt gehören sie wieder mir."
„Ich schwöre, Nico..." Ich wollte etwas Drohendes sagen, aber meine Stimme klang alles andere als überzeugend. Zu gerne hätte ich ihm wirklich eine verpasst, ihm gezeigt, dass ich nicht nur sein Spielzeug war. Doch die Wahrheit war, dass ich viel zu schwach dafür war. Meine Kräfte waren durch den langen Aufenthalt in der Sonne erschöpft, und er wusste das genau.
Er grinste, als hätte er das gerade gespürt, und drückte mich sanft gegen die Couchlehne. „Ach, Dylan, du tust immer so, als würdest du es hassen, aber tief in dir weißt du, dass du das magst."
„Mag ich nicht," murrte ich, doch es klang kaum glaubwürdig. Meine Ohren zuckten unter seinen Fingern, und ich spürte, wie mein Körper unwillkürlich auf seine Berührungen reagierte. Es ärgerte mich, wie er immer wieder diese Macht über mich hatte, und noch mehr ärgerte mich, dass er es genau wusste.
„Lügner," sagte Nico spielerisch, seine Stimme war leise und fast sanft, während er weiter meine Ohren kraulte. „Du bist viel zu ehrlich mit deinem Körper. Er verrät dich jedes Mal."
„Nico, hör auf," wiederholte ich und schloss meine Augen, in der Hoffnung, dass er nachgeben würde. Aber ich wusste, dass das vergebens war. Nico hatte die Kontrolle, und ich war zu erschöpft, um ihn davon abzuhalten.
„Nein, noch nicht." Er beugte sich näher, und ich konnte seinen Atem an meinem Hals spüren. „Weißt du, Dylan, du bist wirklich das interessanteste Wesen, das ich je getroffen habe. Du widerstehst mir und doch... du lässt mich nie ganz los."
Ich öffnete die Augen und sah ihn an, meine roten Augen trafen auf seine tiefen blutroten. „Vielleicht, weil ich einfach keine andere Wahl habe," gab ich trocken zurück.
Er lachte leise. „Vielleicht. Aber es ist mehr als das." Er ließ von meinen Ohren ab und strich mir sanft durchs Haar. „Du bist anders. Ich will dich nicht wie die anderen... Ich will dich behalten."
Seine Worte schickten einen kalten Schauer über meinen Rücken. „Behalten?" wiederholte ich und versuchte mich aufzusetzen, doch er hielt mich sanft aber bestimmt zurück. „Nico, ich bin kein Gegenstand, den man besitzen kann."
„Das habe ich nie gesagt," erwiderte er leise und seine Augen verengten sich leicht. „Aber du gehörst mir. Ob du es willst oder nicht."
Seine Worte klangen endgültig, und obwohl ich innerlich rebellieren wollte, fühlte ich mich von dieser Machtlosigkeit erdrückt. Es war, als hätte er mich längst in seine Welt hineingezogen, und je mehr ich kämpfte, desto tiefer sank ich.
„Ich...", wollte ich etwas entgegnen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Vielleicht, weil ich wusste, dass ich nicht wirklich widersprechen konnte. „Ich will nicht dein Spielzeug sein, Nico."
Er hielt kurz inne, dann lächelte er schwach. „Du bist kein Spielzeug, Dylan. Du bist... mehr als das." Seine Hand wanderte sanft zu meiner Wange und er sah mir direkt in die Augen. „Aber du wirst nie von mir loskommen."
Diese Gewissheit in seiner Stimme ließ mein Herz schwer werden. Es fühlte sich an, als hätte er das Netz um mich bereits geschlossen, und ich war darin gefangen – für immer.
„Du bist verrückt," flüsterte ich, mehr zu mir selbst als zu ihm.
„Vielleicht," stimmte er zu, beugte sich nach vorn und küsste mich sanft auf die Stirn. „Aber du hast mich so gemacht."
Ich schloss die Augen und versuchte, mich gegen das Gefühl zu wehren, das tief in mir aufstieg. Aber es war hoffnungslos.
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