Kapitel 12
Ich rannte blindlings durch den Wald, meine Gedanken waren ein Wirbelsturm aus Schmerz und Enttäuschung. Plötzlich spürte ich einen heftigen Aufprall, als ich mit einem anderen Vampir zusammenstieß. Bevor ich reagieren konnte, packte er mich und drückte mich gegen einen Baum.
„Na, was haben wir denn hier?", zischte der Vampir mit einem schmierigen Grinsen. „Ein kleiner Halbwolf, der allein in der Nacht umherstreift?"
„Lass mich los!", schrie ich und kämpfte gegen seine Umklammerung an, doch er war stärker. Sein Blick wanderte zu meinem Hals, und ich wusste, was als Nächstes kommen würde.
„Dein Blut wird ein wahrer Genuss sein," murmelte er, und bevor ich mich wehren konnte, spürte ich seine Zähne in meiner Haut.
Ich zuckte zusammen und versuchte, mich zu befreien, aber die Kraft in mir schwand schnell. „N-no!", stammelte ich und zappelte wild, doch je mehr ich mich wehrte, desto mehr schwand mein Wille. Schließlich gab ich auf. Warum sollte ich weiter kämpfen? Nico war der zukünftige Vampirkönig, und ich war nur ein Mittel zum Zweck. Ich war ihm egal.
„Das ist es, Kleiner," murmelte der Vampir mit einem gehässigen Lächeln, während er weiter trank. „Du wirst mir so viel Freude bereiten. Das Blut eines Halbwerwolfs ist etwas ganz Besonderes."
Ich fühlte mich schwach und schloss die Augen. Mein Herz schlug immer langsamer, und ich dachte an all die schönen Momente, die ich mit Nico geteilt hatte. Hatte ich wirklich geglaubt, dass er mich mochte? War ich so naiv?
In einem letzten verzweifelten Versuch, mich zu wehren, öffnete ich die Augen und sah, wie die Nacht um mich herum verschwamm. „Nico..." flüsterte ich, bevor ich in die Dunkelheit fiel.
Plötzlich hörte ich ein Wüten im Unterholz. Ein Schatten tauchte auf, und der Vampir, der mich festhielt, wurde mit einem lauten Knall von mir abgerissen. Ich taumelte und sah Nico, der in einem rasenden Tempo auf den Angreifer losging.
„Du wagst es, ihn anzutasten?!" schrie er mit einer Wut, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Mit einem geschickten Schlag stieß er den Vampir von mir weg. Ich sank auf die Knie und versuchte, klar zu sehen.
„Dylan! Bist du okay?" Nico kniete sich neben mich und sah mich besorgt an. „Ich habe dich nicht verlassen, ich schwöre es!"
„Du... bist der Thronerbe," murmelte ich schwach und sah ihn mit Tränen in den Augen an. „Das war alles ein Spiel für dich, oder?"
„Das ist nicht wahr! Ich wollte dir das sagen, aber ich wollte nicht, dass du in Gefahr gerätst!", rief er und legte seine Hände auf meine Schultern. „Ich hätte es dir früher sagen sollen, aber ich wollte nicht, dass du mich anders siehst."
„Ich sehe dich jetzt genau, wie du bist!" schrie ich, und mein Herz fühlte sich schwer an. „Du bist ein Vampir, ein König, und ich bin nur ein schwacher Halbwolf!"
„Das macht dich nicht weniger wertvoll!" Nico sah mir direkt in die Augen, und ich spürte den Drang, ihm zu glauben, doch der Schmerz war noch frisch.
„Lass mich einfach in Ruhe," flüsterte ich, als ich meinen Kopf senkte. Ich fühlte mich verloren und enttäuscht.
„Dylan, bitte," sagte Nico eindringlich. „Du bist mehr als das! Ich habe alles getan, um dich zu schützen. Lass nicht zu, dass andere dir das Gefühl geben, du seist nichts wert. Du bist stark!"
„Stark?", wiederholte ich bitter. „Was ist stark an mir? Ich kann mich nicht einmal gegen einen Vampir wehren!"
„Du hast gekämpft!", rief er und schüttelte den Kopf. „Du bist kein Volltrottel! Du bist mein..."
„Mein was?", unterbrach ich ihn, mein Herz klopfte heftig. „Was bin ich für dich? Ein Werkzeug? Ein Druckmittel?"
Nico zögerte einen Moment, als ob er über seine Worte nachdachte. „Du bist mehr, als du denkst. Du bist jemand, der mir wichtig ist. Und ich werde dich nie aufgeben."
Gerade als ich ihm antworten wollte, tauchte Fenris erneut auf, seine Augen blitzten vor Wut. „Was hast du dir nur gedacht, Nico? Er ist nicht dein Spielzeug!"
„Das werde ich mir nicht gefallen lassen!" Nico stellte sich schützend vor mich und ballte die Fäuste. „Lass Dylan in Ruhe!"
„Du kannst ihn nicht beschützen, solange du der König bist!", rief Fenris. „Er wird nur ein Druckmittel für die Krone bleiben!"
Ich fühlte mich in der Klemme. Mein Herz riss sich zwischen dem Verlangen, bei Nico zu bleiben, und der Angst vor den Konsequenzen, die unsere Verbindung mit sich brachte. „Ich kann nicht...", flüsterte ich und sank zurück.
„Dylan!", rief Nico und streckte die Hand nach mir aus. Doch ich konnte nicht mehr. Die Dunkelheit, die mich umhüllte, war beruhigend und verlockend.
Als ich langsam die Augen öffnete, überkam mich ein Gefühl der Verwirrung. Ich lag in einem weichen Bett, die Wände um mich herum waren mit dunklen Vorhängen geschmückt, und das Licht der Dämmerung schien sanft durch das Fenster.
Nico lag neben mir, tief im Schlaf, seine Arme fest um mich geschlungen. Ich spürte seine Wärme und den leichten Duft von Blut und Holz, der von ihm ausging. In diesem Moment schien alles, was passiert war, für einen Augenblick in den Hintergrund zu treten.
Doch dann küsste er sanft meinen Hals und murmelte im Schlaf: „Bleib liegen, Dylan. Du gehörst mir."
Ein Schauer lief über meinen Rücken. Die Worte schienen mir die Wahrheit zu offenbaren, die ich tief in meinem Inneren gefühlt hatte. Unter den Werwölfen hatte man mir oft erzählt, dass der Thronerbe, wenn er sich verliebte, ganz der Liebe verfallen würde. Er würde seine Geliebte als seinen Besitz betrachten und alles tun, um sie zu beschützen – oder zu kontrollieren.
Ich setzte mich langsam auf, aber Nico zog mich wieder an sich. „Bleib da, ich habe dich gefunden", sagte er mit einer Stimme, die noch vom Schlaf durchzogen war.
„Nico, ich...", begann ich, doch er öffnete die Augen und sah mir direkt in die Seele.
„Was ist los?", fragte er, sofort wach und besorgt. „Hast du Schmerzen?"
„Ich... habe nur nachgedacht.", stammelte ich und spürte, wie meine Wangen heiß wurden. „Du hast mir nie gesagt, was es bedeutet, dass du der Thronerbe bist."
„Das ist nicht wichtig", sagte er und setzte sich auf. „Was zählt, ist, dass ich bei dir sein will. Du bist mir wichtig, Dylan."
„Wichtig? Oder ein Besitz?", murmelte ich, und ich konnte den Schmerz in meiner Stimme nicht ganz verbergen. „Du hast mich gerettet, ja, aber wieso? Weil ich etwas für dich bin?"
Nicos Gesicht verhärtete sich, und er nahm meine Hände in seine. „Es tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, du seist nur ein Spielzeug. Das wollte ich nicht. Ich... ich fühle mehr für dich, als ich je für jemand anderen gefühlt habe."
„Das klingt so, als würdest du es nicht wirklich wissen", erwiderte ich, unsicher, ob ich ihm trauen konnte. „Ich bin ein Halbwolf. Und du bist ein Vampir. Was, wenn das alles nur ein Spiel für dich ist?"
„Dylan, hör mir zu", sagte er eindringlich. „Ja, ich bin der Thronerbe, und ja, es gibt Erwartungen, die ich erfüllen muss. Aber ich will nicht, dass du nur ein Werkzeug in diesem Spiel bist. Ich will, dass du bei mir bist, weil du es willst, nicht weil ich es verlange."
„Wie soll ich wissen, dass du nicht nur spielst?", fragte ich, die Zweifel nagten an mir. „Was ist, wenn ich eines Tages nur noch ein Druckmittel für dich bin?"
Nico seufzte und ließ meine Hände los. „Ich kann dir das nicht versprechen, Dylan. Aber ich kann dir versichern, dass ich alles tun werde, um dich zu beschützen. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt."
„Und was, wenn Fenris oder Ragnar es herausfinden? Was wird dann mit uns?"
„Dann werde ich sie konfrontieren", antwortete er entschlossen. „Ich lasse nicht zu, dass sie dir weh tun. Ich werde alles tun, um dich zu verteidigen."
In diesem Moment spürte ich die Wahrheit in seinen Worten. Er war entschlossen, und ich wusste, dass er kämpfen würde. Aber in mir regte sich die Angst, dass ich nicht stark genug war, um in dieser Welt zu überleben.
„Was, wenn ich nicht in diese Welt passe?", fragte ich leise, und meine Stimme brach. „Was, wenn ich nicht stark genug bin?"
Nico beugte sich zu mir und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Du bist stärker, als du denkst, Dylan. Du bist ein Halbwolf, und das macht dich einzigartig. Lass nicht zu, dass andere dir das Gefühl geben, du seist weniger wert."
„Und was ist mit uns?", fragte ich, während ich in seine Augen sah, die in diesem Moment voller Entschlossenheit und Zuneigung waren. „Was wird aus uns?"
„Wir werden es gemeinsam herausfinden", sagte er und lächelte sanft. „Ich werde nicht aufgeben, und ich hoffe, dass du mir die Chance gibst, dir zu zeigen, wie wichtig du für mich bist."
Ich seufzte tief und nickte langsam. „Ich will es versuchen. Aber es wird nicht einfach werden."
„Ich weiß", sagte er und zog mich wieder an sich. „Aber ich bin bereit, alles dafür zu tun."
In diesem Moment fühlte ich mich sicher. Egal, was kommen mochte, ich würde es mit Nico an meiner Seite angehen. Denn tief in meinem Herzen wusste ich, dass ich ihn nicht aufgeben konnte, egal wie kompliziert unsere Beziehung war.
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