track 18
Disc 3
Track 18 - Half a Heart
» half a man at best with half an arrow in my chest «
LIAM
im dritten Jahr nach der Trennung von One Direction
Der junge Mann hinter dem Tresen zog sich und seinen Drehstuhl abermals heran. "Ich bräuchte dann noch Ihre Unterschrift", meinte er, wobei er mit dem Zeigefinger auf eine freie Stelle auf dem Papier tippte. Er hatte seine schmalen Lippen zu einem gezwungenen Lächeln gepresst und ich schenkte ihm ein mindestens genauso gestelltes zurück, während ich den Bogen und den Faserstift entgegennahm. An der oberen Ecke hatte er bereits den Namen eingetragen, den ich meinem Label geben wollte. lp Records.
Ich beugte mich ein wenig vor, der der Riemen meiner Umhängetasche kerbte sich in den dünnen Stoff meiner Weste. Währenddessen ich meinen Namen niederschrieb, nahm ich wahr, wie der Mann sich seine grau gefärbten Haare zurechtstrich und meine Dokumente über den Tresen zu mir rüberschob.
"Die Registereintragung wird in gut zwei Wochen abgeschlossen sein. Sie werden zeitnah per Post Bescheid bekommen. Und vergessenen Sie nicht, innerhalb der vorgegebenen Frist die Rechnungen zu begleichen. Ich werde Ihnen die Rechnungsadresse sofort per Mail zukommen lassen", leierte er es herab und legte mir höflichkeitshalber ein paar Informationsblätter auf meine Unterlagen. "Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen natürlich immer zur Verfügung. Sie können uns sowohl in unserem Büro als auch telefonisch erreichen. Wie es Ihnen lieber ist." Sein starrer Blick brannte auf meiner Haut. Nahezu ertappt schaute ich von ihm weg auf meine Unterschrift.
"Vielen Dank. Schönen Tag noch", verabschiedete ich mich daraufhin, nahm den Pack an mich und drückte ihn fest an meine Brust und ging bereits nächstbesten Ecke ich in die Knie. Ich zog meine Umhängetasche von den Schultern und zog den Reißverschluss auf, um meine Unterlagen sowie meine Papiere sorgfältig einzusortieren. Meine Finger glitten über die Klarsichtfolien. Allein dieses Gefühl fühlte sich unglaublich befremdlich an. Aus dem Teenie-Star ist ein Firmengründer geworden und daran konnte sich mein Verstand nicht so recht gewöhnen. Ich wusste nicht einmal, wie es funktionierte, ein Musiklabel zu eröffnen. Ich wusste nicht einmal, ob ich das Zeug dazu hatte.
Ich schulterte meine Tasche erneut und ging weiter in Richtung Ausgang. Beiläufig zog ich mein Handy aus meiner Jackentasche. Die daran angeschlossenen Kopfhörer fing ich dabei locker mit meiner anderen Hand auf und drückte sie anschließend ganz fest gegen meine Ohren, denn so musste ich mir wenigstens nicht die Beschwerden derjenigen hören, zwischen denen ich mich gerade durch die Warteschlange drängelte.
Inzwischen hatte das Wetter draußen komplett umgeschlagen. Anstelle von Regen war es nun Sonne, die zwischen den Wolkenschwaden hervorblitzte. Ich musste aufpassen, nicht auf den durchnässten Blättern am Boden auszurutschen. Zwischen den kahlen Bäumen pickten inmitten der Wurzeln ein paar Vögel in den Grasbüscheln herum. Es war die Art von Herbstwetter, die einem in den Kopf geht, wenn man die Augen schließt und es sich ausmalt.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ging ich die Kontaktliste durch, um meiner Mutter eine Sprachnachricht zu schicken. Obwohl sie wusste, wie viel es mir bedeutete, aus dem Käfig meines alten Managements auszubrechen und endlich frei zu sein in dem, was ich machen möchte, sagte sie mir trotzdem und immer nichts als die Wahrheit. Egal wie bitter sie war. Gerade deswegen war eine der wenigen Personen, denen ich voll und ganz vertraute und die über das Musiklabel Bescheid wussten. Es war stets sie, die ich anrief, wenn ich irgendetwas Neues erfuhr oder einfach nur jemanden um Rat fragen wollte. Die Ratschläge meiner Mutter waren schon immer die besten gewesen.
"Hallo, guten Morgen. Ich hab' soeben das mit der Genehmigung geregelt", hob ich an und strich ich mir dabei wieder und wieder die Haare zurück, "die Sache ist fix. Ich muss nur noch die Rechnungen bezahlen, mich um den juristischen Kram kümmern und ein Apartment und das notwendige Equipment finden, einen Finanzberater anheuern und ..." Ich driftete ab. Da gab es derart viel zu erledigen, dass ich nicht so recht wusste, wo ich es anpacken sollte.
Unter einem tiefen Atemzug sog ich die süße Herbstluft ein. "Wie auch immer, es fühlt sich wirklich richtig an. Als ob ich irgendwie das getan hätte, was ich immer tun wollte. Zu tun, was ich will, wie ich will und wann ich es will. Klingt verrückt, nicht wahr? Glaub mir, das ist es auch. Es ist verdammt verrückt. Ich meine, klar, ich habe noch gar nicht mit dem Label angefangen, aber ich habe irgendwie ein richtig gutes Gefühl dabei. Ich kann es kaum erwarten, es dir eines Tages zu zeigen. Es ist eines der größten Projekte, an die ich mich jemals herangewagt habe. Es ist riskant, aber das Risiko absolut wert. Selbst wenn es scheitern sollte", sagte ich.
Meine Sohlen setzten vom Gras auf den Bürgersteig direkt vor der Haltestelle auf. Als ich die Straßenbahn gerade in die Station einfahren sah, verlangsamte ich mein Tempo etwas. Ein paar Meter von mir entfernt stand eine Gruppe von Mädchen und Jungen von einer morschen Holzbank auf. Ich schätze sie auf etwa fünfzehn oder sechzehn, weshalb ich wartete, bis sie in der Straßenbahn gestiegen waren, um dann zur hintersten Tür zu laufen, sie aufzudrücken und mich auf einen Fensterplatz setze.
Ich legt meinen Kopf über die Lehne und ließ den Blick über die Innenstadt schweifen, wobei ich mir erneut die Frage durch den Kopf ging, ob das denn der richtige Schritt war. Vielleicht war es das, aber vorerst war ich auf mich allein gestellt, um das herauszufinden. Genau das war gleichzeitig das Einzige und am meisten Verunsichernde an der ganzen Sache. Dieses Mal hatte ich keine vier Jungs mehr an meiner Seite, Ich hatte keine vier Jungs bei mir, die mir auf die Beine halfen, wenn ich etwas vermasselt hatte. Ich hatte keinen Manager, dem ich die Schuld zuschieben konnte, wenn etwas schief ging. Alles, was davon übrig war, war ich.
Ein bisschen überwältigt.
Vermutlich auch ein bisschen zu stürmisch.
Aber definitiv bereit.
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