track 12


Disc 2
Track 12 - They Don't Know About Us
» i just wanna tell the world that you're mine, girl «
ZAYN
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


An diesem Abend erkannte ich mich selbst kaum wieder. In einem Designeranzug, der mit unzähligen Sicherheitsnadeln an der Innenseite so eng gesteckt worden war dass ich kaum mehr Raum zum Atmen hatte und mit klobigen Ringen an den Fingern, die die einfachsten Handbewegungen nahezu unmöglich machten. Immerhin schaffte ich es noch, den Saum des Tischtuchs anzufassen und den weichen Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger zu drehen.

Gigi legte ihre Hände um mein Kiefer, zog meinen Kopf etwas näher zu sich und drückte mir daraufhin einen Kuss auf die Schläfe. „Ich liebe dich. So, so sehr." Mein Blick schweifte von dem Tischtuch zu mir - zu dem Leuchten in ihren Augen und der Kette um ihren Hals, deren Anhänger mir jetzt erst so richtig auffiel.

„Ein Anker", flüsterte ich so leise, dass mich an diesem Tisch niemand außer uns beiden verstehen konnte. Gigi legte ihre Stirn an meine, „und ich hatte schon befürchtet, du würdest ihn schon gar nicht mehr bemerken." Ihre Wangen schimmerten noch geröteter als zuvor und ich spürte, wie sie nach meiner Hand griff und sie ganz fest mit ihrer verschränkte. „Weißt du denn noch, was er bedeutet?", fragte sie mich, aber ich schüttelte lediglich den Kopf.

Ich wich zurück und sah ihr eindringlich in die Augen. „Wenn ich nochmal so drüber nachdenke, war es damals vielleicht tatsächlich ein Hufeisen. Mein Fehler", meinte ich, woraufhin Gigi skeptisch die Augenbrauen zusammenzog. Es war mehr als offensichtlich, dass ich mich nicht großartig darum bemühte, mich aus ihrer Frage herauszureden. „Achso? Da haben wir zwei aber ganz unterschiedliche Erinnerungen." Ich verneinte abermals, „alles nur Einbildung deinerseits. Die Räucherstäbchen sind Schuld." Abrupt löste Gigi ihre Hand aus meiner, verschränkte gespielt arrogant die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief. „Du willst mir meine Räucherstäbchen also tatsächlich als Drogen verkaufen, ist dir das eigentlich bewusst?", fragte sie so kritisch wie sie es nur konnte, musste jedoch bei jedem Wort aufpassen, nicht lachend auf der Tischplatte zusammenzubrechen und mit sich das Gedeck zu Boden zu reißen.

Wir wichen beide etwas zurück, als die Hand des Kellners zwischen unsere Schultern langte und die leergetrunkenen Sektgläser über unsere Köpfe auf ein Silbertablett hob. Er fragte uns, ob er uns noch etwas bringen könnte. Gigi lockerte die Arme, strich sich unter einem leichten Kopfschütteln die Haare aus dem Gesicht und hinter die Ohren, während ich mich zum Kellner umdrehte. „Nein, danke. Aber könnten Sie vielleicht ... "

Im nächsten Moment wusste ich schon gar nicht mehr, was ich sagen wollte. Stattdessen wurde meine gesamte Aufmerksamkeit von einem Mann auf sich gezogen, der eben hinter dem Kellner die Tische passierte. Mit Freunden um sich herum, die ich nicht kannte und in einem Anzug, der noch teurer zu sein schien als der Schmuck um seine Handgelenke. Das Licht war gedimmt und er stand mit dem Rücken zu mir, aber seine Silhouette war das Einzige, das aus dem Meer aus Dunkelheit und Prominenz hervorstach.

Ich realisierte erst, dass jemand anderes an meiner Stelle die Bestellung übernommen hatte, als nicht eine Minute später eine junge Frau sechs bis zum Rand angefüllte Sektgläser und eine eisgekühlte Flasche Champagner in der Mitte des Tisches aufstellte. Meine Augen glitten vom Champagner zu Gigi bis hin zu den Lichterketten an der Decke, die wie unzählige funkelnde Sterne auf uns herabblickten. In diesem Augenblick zog mein Leben an mir vorbei wie ein einziges Déjà-vu.

Gigis Stimme riss mich aus meinen Gedanken zurück ins Geschehen. „Alles in Ordnung bei dir? Du wirkst irgendwie den ganzen Abend schon so zerstreut." Einfühlsam legte sie mir dabei eine Hand auf die Schulter und strich mir mit dem Daumen immer und immer wieder in sanften Zügen den Hals entlang. „Mhm", seufzte ich. Ich schielte an ihr vorbei zu der Stelle, wo eben noch der Mann gestanden hatte, doch dort war nun niemand mehr.

„Ich glaube, ich habe nur jemanden erkannt", sagte ich, währenddessen ich meinen Blick durch die gesamte Halle gleiten ließ und Gigi tat es mir gleich. „Nun ja, Preisverleihungen eben", sie hatte mittlerweile die Unterarme über die Lehne ihres Stuhls geschlagen, „warte - meinst du jemanden, den man kennt, oder den du kennst?" Neugierig schaute sie über ihre Schulter zu mir, ich hingegen starrte weiterhin geradeaus in die Menge.

„Harry."

„Oh."

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie sie sich auf ihrem Stuhl wieder umdrehte und mit den Handflächen verlegen über die Pailletten ihres Kleides strich, "ich hab' gar nicht daran gedacht, dass er auch da sein könnte. Hast du die anderen etwa auch gesehen? Oder etas von ihnen gehört?" Ahnungslos zuckte ich mit den Schultern. "Ich habe weder etwas gehört noch habe ich sie hier gesehen. Aber es ist eine der wichtigsten Preisverleihungen in der Musikindustrie. Es ist also ziemlich naheliegend, dass sie hier irgendwo sind", antwortete ich.

Sie legte ihre Hände sanft an meinen Nacken und Oberkörper und richtete mich etwas gerade. "Vielleicht solltest du später mit Harry ein Gespräch suchen. Schließlich ist das alles schon so lange her und ihr könnt doch nicht euer gesamtes Leben damit verbringen, euch aus dem Weg zu gehen oder anzuschweigen. Das ist doch Blödsinn." Unbewusst begann ich abermals damit, am Saum der Tischdecke zu ziepen, "wenn das so einfach wäre."

"Champagner?", Gigi griff über den Tisch nach zwei der Sektgläser. Ich verneinte, weswegen sie die Gläser an Ort und Stelle stehen ließ, bevor sie sie überhaupt erst berührt hatte. Verunsichert griff sie sich mit einer Hand um den Nacken. "Wenn es sonst irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann, gib mir einfach bescheid. Oder wenn du reden möchtest", sagte sie, woraufhin ich sie fragte, ob sie mit mir ein paar Minuten raus in die frische Luft gehen wollte.

Unentschlossen wiegte sie den Kopf hin und her. "Jetzt? Die Show müsste jeden Moment beginnen", meinte sie und beugte sich an mir vorbei nach vorne, um besser auf die Bühne sehen zu können. Gleich würden dort der Reihe nach Auftritte gespielt und und Awards verliehen werden. Auch ich war für ein paar Auszeichnungen nominiert, aber das kümmerte mich gerade am wenigsten. "Mh, ja okay. Du willst wahrscheinlich sowieso nur kurz eine rauchen gehen, oder?", fragte sie mich dann. Ich nickte.

Gigi lächelte mir dankbar zu, als ich meine Hand ausstreckte, um ihr aufzuhelfen. So wie sie es immer machte. Im Schein der Lichterketten schimmerten die Paletten auf ihrem Kleid in unzähligen Farbtönen und stellte alles andere in den Schatten. Sie griff nach ihrer Tasche und umklammerte diese mit gen Boden ausgestreckten Armen mit beiden Händen, währenddessen ich mich bei ihr einhakte und sie quer durch den Raum führte. Vorbei an all den Kameras und Newcomern, deren neugierige Blicke auf unserer Haut brannten.

Die Schiebetüren zum Park standen bereits offen und wir drängten uns zwischen ihnen durch nach draußen mitten in die kalte Nachtluft. Hier war alles grün und bepflanzt mit unzähligen Bäumen, die uns vom Großstadtleben abschirmten und uns wie immer in unserer eigenen kleinen Idylle vorkommen ließen. Gigi schlang ihre Arme um meinen Bauch, die Tasche hatte sie dabei fest an sich gedrückt. „Ich gebe dir genau zwei Minuten, mir jetzt zu erklären, was heute mit dir los ist und mich danach in den Arm zu nehmen, wenn du nicht willst, dass ich hier noch erfriere", sagte sie liebevoll.

„Was mit mir los ist?", ich senkte den Kopf und vergrub beide Hände in meinen Hosentaschen, „ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. Vielleicht damit, dass ich gar nicht vorhabe, eine zu rauchen. Denn ich bin gerade auf einem richtig guten Weg, von dem Zeug wegzukommen." Gigi sah daraufhin erstaunt zu mir auf. Sie hatte die Augen geweitet und das Lächeln in ihrem Gesicht war unverkennbar. „Wirklich? Das ist großartig! Dann ist es vielleicht genau das, warum du heute so neben der Spur bist. Du weißt schon, Nikotinentzug." - „Nein, das ist es nicht, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin mir durchaus dessen bewusst, was ich tue und ich weiß auch ganz genau, warum ich heute so abwesend bin. Weil ich schlicht und ergreifend unfassbar nervös bin."

„Du musst dir echt nicht den Kopf über die Leute hier zerbrechen. Es wird immer jemanden geben, der blöd guckt, bis du selber mal dort oben auf der Bühne stehst und für deine Songs die Preise nur so abräumst. Du bist der Beste, Zayn, und ich werde dir das so lange erzählen, bis du es mir endlich einmal glaubst." Sie trat einen Schritt näher an mich heran. „Nicht deswegen. So wichtig ist mir das nicht", wisperte ich und Gigi zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Wegen Harry?", hakte sie weiter nach, aber ich schüttelte erneut den Kopf, „nein, auch nicht wegen Harry." „Was ist es dann? Hat dich irgendjemand verletzt oder ist irgendetwas passiert, von dem ich Bescheid wissen sollte?"

Ich sah zu, wie sie versuchte, mir in die Augen zu schauen. Doch ich schaffte es nicht, dasselbe zu tun. „Glaubst du eigentlich an Schicksal?", fragte ich sie stattdessen und sie hinterfragte nicht, weshalb ich das Thema mit einem Mal in eine komplett andere Richtung zu lenken versuchte. „Ich bin ein Mädchen, das an Silvesterbräuche glaubt, liegt die Antwort nicht auf der Hand?", entgegnete sie mir in einem sanften Tonfall, was mir augenblicklich ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Dann erzähl mir davon. Irgendetwas über das Schicksal. Über dich und mich."

Sogleich driftete ihr Blick in Richtung Himmel. „Ich habe neulich wieder so ein bisschen über das Leben nachgedacht und dann ist mir diese Theorie eingefallen. Wobei, eingefallen ist eigentlich das falsche Wort. Denn alles andere würde für mich keinen Sinn ergeben. Es ist also quasi wie Schicksal", hob sie an und hauchte gedankenverloren auf. „Was ist... was ist, wenn wir eigentlich ständig wiedergeboren werden, ohne uns an das Leben davor zu erinnern? Wenn wir immer wieder mit teils neuer DNA geboren werden, gleichzeitig aber gewisse Eigenschaften von unserem alten, eigentlichen Ich beibehalten. Das würde bedeuten, dass wir - dass du und ich - jetzt bereits unendlich oft gelebt haben und uns jedes Mal nur in der Zwischenstufe des Lebens davor befinden", ihre Augen suchten den Himmel nach Antworten ab, „aber vermutlich wäre das zu schön, um wahr zu sein, hm?" Sie schaute zurück in meine Augen, sie wirkte unglaublich verträumt.

„Angenommen, es wäre tatsächlich so, glaubst du, man trifft in jedem seiner Leben auch immer wieder auf dieselben Menschen? Bloß in anderer ... Form?", fragte ich. Beinahe hilflos zuckte sie mit den Schultern, „möglich. So ganz werden wir das wohl nie wissen."

„Egal, was kommt - wir treffen uns immer wieder, okay? Immer wieder hier, selbst wenn wir am anderen Ende der Welt leben sollten. Versprich mir das." Sie seufzte. „Ich frage dich das ein allerletztes Mal. Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte sie mich. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und fuhr mir vom Kiefer hinweg bis zu den Wangenknochen. „Es ist alles gut. Mehr als das sogar. Ich will dich nur nicht verlieren. Niemals", flüsterte ich kaum hörbar und Gigi reichte nach meiner Hand. „Egal, was wann wie passiert. Ich werde da sein und auf dich warten. Und ganz egal, wie lange das dauern sollte."

Ich zog die Ringschatulle aus meiner Anzugtasche.

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