track 12


Disc 3
Track 12 - Something Great
» one day you'll come into my world and say it all «
HARRY
im dritten Jahr nach der Trennung von One Direction


Meine Beine gaben mit jedem Schritt etwas mehr nach, als ich durch den Flur ging. Die Muskeln zerrten, mein Herz schlug viel zu schnell. Im Hintergrund hörte ich die Fans noch immer applaudieren und nach Zugabe rufen. Allmählich verblassten ihre Stimmen hinter den massiven Stahlwänden.

„Die Show war großartig, Harry. Sozusagen der krönende Abschluss. Ich kann mich nicht oft genug dafür bedanken, dass du mich ein Teil von etwas so Besonderem sein hast lassen", hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme zu mir sagen. Ich blickte auf und schaute in die funkelnden Augen von Sarah, der Schlagzeugerin meiner Band. Ich schenkte ihr ein schwaches Lächeln, „Nein, ich muss mich bei dir bedanken. Du warst jedes Mal aufs Neue schlichtweg unglaublich. Ohne dich wären wir verloren gewesen." Sarahs Augenwinkel zuckten auf und sie fiel mir um den Hals. Ihr schien es nichts auszumachen, dass mein Körper von oben bis unten verschwitzt war. Das tat es nie. Vielmehr akzeptierte sie jeden Menschen so, wie er war, und konnte gar nicht genug davon bekommen, zu zeigen, wie sehr sie jemanden liebte.

„Du bist ein echt toller Mensch, Harry", flüsterte sie in meinen Nacken. Ich legte daraufhin meine Hände um sie und strich ihr in leichten Bewegungen über das Shirt. Mir gingen so viele Worte durch den Kopf und doch wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich war noch nie gut darin gewesen, Komplimente anzunehmen. Schon gar nicht, wenn sie derart von Herzen kamen.

Also zog ich sie einfach ein bisschen näher an mich. „Ich werde jetzt duschen gehen. Sag Mitch und den anderen, dass du ihr auch tun solltet, denn wir werden heute Abend noch in einer Bar auf uns anstoßen", flüsterte ich, woraufhin Sarah von mir abließ. „Das werde ich. Wir sehen uns dann später." Sie winkte mir leicht zum Abschied zu, als sich unsere Wege wieder trennten.

Kaum hatte ich die Leitung aufgedreht, ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. Das kalte Wasser rann über mein Gesicht auf meinen Oberkörper. Einzelne Tropfen liefen über meine Adern, mein warmer Atem zog in einer zarten Nebelschwade durch die Luft. Ich lehnte mich ein wenig weiter zurück und schloss die Augen. Es fühlte sich an, als würde mein Körper in eiskalten Flammen stehen.

Eine Weile später tappte ich auf nackten Füßen in Richtung meines Kleiderstapels und hinterließ dabei nasse Fußabdrücke auf dem Boden. Ein paar Strähnen stachen in meine Lider, weswegen ich reflexartig die Augen etwas zusammenkniff. Darüber hinaus hatte ich lediglich mein Handtuch um meine Hüfte gebunden, das mit jedem Schritt ein wenig verrutschte. Schützend griff ich mit den Fingern in den Stoff.

Ich beugte mich vor und griff nach meiner Kleidung auf der Bank. Mit dem Handtuch immer noch um die Hüfte gewickelt, schlüpfte ich in meine Calvin Klein und meine Jeans, bevor ich mühevoll ein schwarzes Oberteil über meinen immer noch nassen Oberkörper zog. Kurzerhand fuhr ich mir danach mit dem Handtuch noch über mein Gesicht und durch meine Haare. So frisch hatte ich mich schon seit Wochen nicht mehr gefühlt. Obwohl die Zeit auf Tour großartig gewesen war, freute ich mich irgendwie schon darauf, wieder in meinem eigenen Bett schlafen zu können.

Nachdem ich das Handtuch an einem der Haken aufgehängt hatte, ging ich zur Tür und zog diese auf. In meinem Kopf saß ich mit meinen Kollegen bereits in irgendeiner Bar. In den letzten paar Monaten waren sie zu meiner zweiten Familie geworden und mir mehr ans Herz gewachsen als ich es mir je hätte vorstellen können. Natürlich hatte Gemma nicht die ganze Tour über bei mir sein können, um mit mir all den Herzschmerz und die Selbstzweifel durchzustehen. Schließlich hatte auch sie einen Job und überdies ihre eigenen Probleme. Ich war es wohl doch nicht gewohnt, allein zu sein. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch gebraucht, um mir klar zu werden, dass ich - auch wenn sich das Leben manchmal so anfühlte - eigentlich nie auch nur einzigen Tag so richtig allein gewesen war. Auch, wenn gerade niemand neben mir war.

Doch das Lächeln in meinem Gesicht schwand, als ich die Tür aufdrückte und beinahe in ein Mädchen lief. In ein Mädchen mit trüben Augen, blondem Haar und leichten Sommersprossen auf den Wangen. Es war dasselbe Mädchen, dem ich auch schon vor etwa zwei Jahren fast eine Tür an die Stirn geschlagen hatte. „Estelle", flüsterte ich nahezu perplex. Mehr brachte ich nicht hervor. Sie setzte gerade dazu an, etwas sagen, als ich nach ihren Handgelenken griff, die Tür hinter mir wieder aufstieß und sie mit mir in den Raum zog.

Sie schaute ein wenig geschockt zu mir auf. „Es tut mir leid", entschuldigte ich mich augenblicklich, „ich ... ich hätte nur nicht gedacht, dass ich dich wiedersehen würde. Nicht hier. Nicht jetzt." Kopfschüttelnd sah sie von mir weg, „ach, das hast du nicht?" Am liebsten hätte ich in diesem Moment nach ihrer Hand gegriffen und unsere Finger so miteinander verschränkt, wie wir es letzten Sommer noch getan hatten. Aber ich konnte nicht. Alles, was wir hatten, schien wie erfroren und unter einer tiefen Schneeschicht verborgen zu sein. Wie damals, als wir zum ersten Mal aufeinandergetroffen waren. Mit Schneeflocken, die um uns herumtanzten und Eisblumen an den Fensterscheiben.

„Waren sie nett zu dir?", fragte ich, woraufhin Estelle verwirrt die Augenbrauen zusammenzog. „Die Sicherheitsleute." Sie zögerte ein wenig, dann zuckte sie mit den Schultern. „Sie waren ganz okay." - „Und du? Geht es dir auch ganz okay?"

„Weißt du, ich verstehe dich einfach nicht, Harry. Du warst diejenige, der mir geschrieben hat und jetzt stößt du mich nur von dir weg", seufzte Estelle daraufhin. Sie hatte recht. Ich war tatsächlich derjenige von uns beiden, der versucht hatte, den Kontakt wiederaufzubauen, als von ihr nichts mehr gekommen war. Ich hatte ihr direkt nach meinem ersten Konzert eine Nachricht geschrieben, als Gemma bereits geschlafen und ich mich hellwach in meinem Bett hin- und hergewendet hatte. Dass Estelle, wenn sie wollte, jederzeit zu einem meiner Konzerte kommen könnte ich hier auf sie warten würde. Dass sie dann nur meinen Manager anrufen und er sie sofort reinlassen würde. Aber sie hatte die Nachricht nicht geöffnet. Irgendwann hatte ich dann langsam angefangen, sie aufzugeben.

Ich war derart in Gedanken verloren, dass ich völlig vergaß, zu antworten. Daher trat Estelle einen Schritt zurück und verschränkte die Arme schützend um ihren Bauch. „Ich versteh' schon. Du hast jemand anderen kennengelernt." Sie sagte zwar nicht viel, aber das, was sie sagte, war Wort für Wort mit Schmerz erfüllt. Ich beobachtete, wie sie sich umdrehte und nach dem Türgriff langte. Doch ich hielt sie gerade noch rechtzeitig davon ab. „Nein, das habe ich nicht", drängte ich, „ich habe niemand anderen kennengelernt. Ich war am Boden zerstört. Ich glaube, ich habe mich im Laufe der Zeit einfach an den Schmerz gewöhnt und irgendwie gelernt, damit umzugehen." Obwohl ich es ernst meinte, drehte sich Estelle nicht zu mir um. Stattdessen ließ sie ihren Kopf gen Boden sinken. „Ich weiß nicht, ob ich dir das glauben kann. Du wirkst so ... fremd."

„Wirklich. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, mich auf jemand anderen einzulassen. Ich habe all die Monate gebraucht, um zu lernen, von dir loszulassen und herauszufinden, wie es sich anfühlt, wieder auf sich allein gestellt zu sein", meinte ich. Estelles Haare fielen von ihren Schultern auf ihren Rücken, als sie ihren Kopf zaghaft zu mir drehte. „Und? Wie ... wie fühlt es sich an?", fragte sie mich.

„Einfach nur furchtbar. Als ich dich verloren habe, hast du so viel von mir mitgenommen. Es war, als hätte man mir meine ganze Lebensfreude genommen und als ob ich sie nie wieder zurückbekommen würde", meinte ich. Estelle starrte erneut auf den Boden, „es tut mir so leid, Harry. Ich hatte nie die Absicht, dich zu verletzen." Ich schüttelte entschlossen den Kopf, wobei ich meine Hände nach ihr ausstreckte und sie um ihren Kiefer legte. Zögernd sah sie mit ihren glasigen blauen Augen zu mir hoch. Meine Finger fuhren über ihren Kieferknochen, als würden sie ihn zum ersten Mal erkunden. Ich spürte, wie mein Herz gegen meine Brust hämmerte. „Du hast nichts falsch gemacht. Wir haben damals beide gemeinsam entschieden, dass es so besser wäre, und wir haben beide gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Für keinen von uns."

Nickend strich Estelle ein paar lose Haarsträhnen hinter ihre Ohren. Danach legte sie vorsichtig ihre Hände auf meine und zog sie von ihrem Kiefer. „Du bist immer noch in meinem Herzen, Harry. Mit all diesen schönen Erinnerungen. Und es ist völlig in Ordnung, wenn es jetzt jemand anderen in deinem Leben gibt. Ich habe dich nur vermisst. So sehr. Und ich habe mich nie dazu durchgerungen, aufzustehen und bei dir vorbeizuschauen, weil ich solche Angst hatte, dass es zu spät sein könnte. Und jetzt bin ich hier. In Los Angeles, völlig fertig und verdammt ängstlich. Nur, um dich wieder sehen zu können. Und um deine Stimme wieder zu hören. Deine Show war übrigens unglaublich. Ich habe alles hinter der Bühne aus mitangesehen. Du bist wirklich ein Star, Harry."

„Das freut mich, dass es dir gefallen hat", erwiderte ich, währenddessen ich mich umso mehr in ihren Augen verlor. Aber Estelle blinzelte und presste ihre Lippen zusammen. „Ja? Du klingst nicht sonderlich begeistert." „Ich meine es ernst", versicherte ich ihr, „schließlich bist du nach wie vor immer noch diejenige, mit der ich irgendwann einmal dumme Schlagzeilen machen will. Wir haben mal darüber gescherzt, falls du dich noch erinnern kannst." Ein unbewusstes Lächeln huschte dabei über meine Lippen. Zunächst fühlte ich mich deswegen unglaublich schlecht, aber dann begann auch Estelle vor sich hinzulächeln. „Als wir uns in deinem Auto vor ein paar Fans versteckt haben. Klar weiß ich das noch, Harry." „Im Nachhinein finde ich es sogar irgendwie lustig", flüsterte ich, währenddessen meine Hände nach ihren suchten. Unsere Finger verschränkten sich. Anstatt ihre Hand wegzuziehen, drückte Estelle meine etwas fester und schaute auf sie hinab.

„Ich finde es eher unvergesslich."

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