Track 6


Disc 1

Track 6 – I Wish

» why can't you look at me like that? «

HARRY

im ersten Jahr nach der Trennung von One Direction


Ich fuhr mit dem Zeigefinger die Zeilen zur nächsten Adresse hinab. Das fahle Licht der Straßenlaterne machte es mir schwer, meine ohnehin unleserliche Handschrift zu entziffern, weswegen ich meine Augen zusammenkneifen und die Notiz noch näher an mein Gesicht halten musste.

Das, was ich dann lesen konnte, tippte ich in Google Maps ein und ließ mich orientierungslos durch den Stadtteil leiten. Gefühlt mein halbes Leben hatte sich innerhalb der letzten Wochen auf den Kopf gestellt, doch Estelle hatte ich irgendwie und trotz allem nicht vergessen können.

Es dauerte nicht mehr als fünf Minuten, bis ich von meinem Handy direkt auf die verglaste Fassade des Hotels starrte. Kurzerhand sah ich mich in der Fensterscheibe ein letztes Mal an und strich mir die Haare zurecht.

Einmal wieder schob ich mich durch den Eingang eines Hotels, vor mir eröffnete sich eine modern eingerichtete Lobby, die in Gold und Schwarz funkelte. Hinter dem Tresen lächelte mir bereits von Weitem ein junger Mitarbeiter zu. Als ich auf ihn zuging, fragte ich mich, ob er wohl frisch eingestellt oder schlichtweg von Natur aus gastfreundlich war. Sowas sollte es immerhin ja auch noch geben.

„Herzlich willkommen!"

Seine klare, helle Stimme erfüllte den Raum und Lachfältchen sammelten sich um seine Augenpartie. Auf seiner Brust prangerte ein laminiertes Schild mit seinem Namen. Charlie Milward. „Guten Abend", erwiderte ich und stütze mich dabei mit verschränkten Armen auf dem Tresen ab. Er fragte mich, wie er mir behilflich sein könne.

Ich ließ meinen Blick an ihm vorbeigleiten und suchte in der Luft nach den richtigen Worten. Ich fühlte mich nach wie vor einfach nur unwohl in meiner Haut. „Falls Sie ein Zimmer belegen möchten, wir sind leider bis Ende des Monats vorerst ausgebucht", kam es dann schließlich von Charlie, da ich derart in Gedanken versunken war, dass ich komplett darauf vergessen hatte, ihm zu antworten. Reflexartig schnellten meine Augen zu ihm zurück. „Hm?" Er wollte sich gerade wiederholen, aber ich kam ihm zuvor. „Nein ... nein, danke, deswegen bin ich nicht hier", meinte ich. Irritiert rückte Charlie mit dem Zeigefinger das Brillengestell auf seinem Nasenrücken zurecht. „Kann ich denn sonst etwas für Sie tun?", fragte er. Ich nickte beiläufig vor mich hin, „ich suche jemanden." Beschämt vergrub ich dann mein Gesicht in meinen Händen und wich Charlies Blick aus. Achtmal hatte ich in den letzten Stunden exakt diesen einen Satz über die Lippen gebracht und achtmal war ich mir dabei wie der größte Serienkiller vorgekommen.

„Ich darf leider keine Infos über unsere Gäste an Dritte weitergeben. Datenschutz und so", erwiderte Charlie, ließ von seiner Brille ab und fuhr sich stattdessen über seinen Hals bis zu seinem Kragen, an dem er letztendlich nervös herumzog. Okay, er ist definitiv neu eingestellt. „Ich suche nach einer Mitarbeiterin. Wäre es in Ordnung, mir zu sagen, wo sie ist? Oder ob sie überhaupt da ist? Sie heißt Estelle." „Ach, Sie meinen etwa Estelle Hilvers?", murmelte Charlie vor sich hin, währenddessen er auf seinem Computer in die Tasten schlug. Schwungvoll tippte er auf die Eingabetaste ließ seinen Blick über den Bildschirm huschen und sah erneut zu mir auf. „Unsere Estelle ist im Moment für das Aufräumen im Speisesaal eingeteilt", er deutete mit seinem Zeigefinger nach rechts, „einfach geradeaus." Erst zu diesem Zeitpunkt fielen mir das hochgeschlossene Hemd und das schwarze Sakko auf, die er trug. Genau wie Estelle es damals im Dezember trug.

Ich konnte Estelle bereits von mehreren Metern Entfernung erkennen. Der Raum war dunkel, nur ein paar wenige Lämpchen flackerten an den Wänden und ihre blasse Haut war das Einzige, das sich von der Dunkelheit absetzte. Sie sah genauso aus wie ich sie in Erinnerung hatte, nur dass sie heute ihre Haare zu einem unordentlichen Zopf zusammengebunden hatte.

Ich langte nach der Türklinke und drückte sie langsam hinab. Die Bilder von der Taxifahrt vermischten sich mit dem, was sich für meinen Augen abspielte. Musik dröhnte aus den Lautsprechern und mit jedem Takt ließ sich Estelle ein wenig mehr vom Putzen ablenken. Ganz leise sang sie die Lyrics mit, ein paar vereinzelte Haare lösten sich aus ihrem Zopf. Sie wirke wie in ihrer eigenen kleinen Welt. Währenddessen stand ich noch immer da überlegte ich, wie ich Estelle am besten ansprechen sollte.

Doch auf einmal tauchte da eine andere Silhouette aus dem Hintergrund auf. Zunächst konnte ich nicht viel erkennen, aber nach und nach zeichneten sich markantere Konturen ab. Er trug dieselbe standardisierte Kleidung wie es auch Estelle und Charlie taten. Ich ging erst einmal davon aus - oder redete es mir ein -, dass es einfach ein Kollege von ihr war, mit dem sie sich die Schicht teilte.

Meine Gedanken rasten, ich biss mir so fest auf die Unterlippe, bis ich das Gefühl hatte, sie würde jeden Moment aufplatzen. Ich sah dabei zu, wie er seine Arme sanft um Estelles Hüfte schloss. Sie schrak leicht auf und drehte sich lachend zu ihm. Eine Weile lang starrten sie einander in die Augen, dann legte sie ihre Arme um seinen Nacken und die beiden verloren sich in einem ausgiebigen Kuss.

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