track 5


Disc 3
Track 5 - You & I
» meet in the middle, there's always room for common ground «
NIALL
im dritten Jahr nach der Trennung von One Direction


Letztendlich hatte mich alles zurück nach Irland geführt. Diesmal war ich jedoch nicht in Mullingar oder Dublin, sondern in einer Kleinstadt im Süden. Hier würde ich in wenigen Stunden mit meinem ersten Konzert meine Tour eröffnen und es machte mich unglaublich nervös. Mittlerweile war es fast drei Jahre her, dass ich vor Publikum gespielt hatte, auch wenn dieses nicht annähernd so groß sein würde wie es früher gewesen war.

Ich ging den Flur des Backstagebereichs geradeaus weiter zum Aufgang der Bühne. Die Wände waren grau und aus Stahl, wodurch hier alles noch beklemmender wirkte als es ohnehin schon war. Ich ließ meine Augen in jeden Winkel und durch jegliche Richtungen ziehen, währenddessen ich meine Hände mit jedem Schritt etwas weiter in meinen vorderen Hosentaschen vergrub. Allmählich neigte sich der Flur neigte sich nun dem Ende zu, wo er mit einer Eisentür abschloss. Ein wenig zögerlich langte ich nach dem eisernen Griff, entriegelte die Tür und schob mich durch den Spalt auf die Bühne.

Ich bemerkte, wie ich immer breiter zu grinsen begann. In der Zeit mit der Band war ich zwar in weitaus größeren Hallen aufgetreten, doch das war nichts im Vergleich zu dem, das sich vor mir bot. Es wäre mein erstes eigenes Konzert mit Menschen, die einzig und allein für mich und meine Musik gekommen waren. In Momenten wie diesen fühlte ich mich als würde mir die Welt zu Füßen liegen.

Meine Schritte hallten durch den Raum und meine Finger verloren sich weiter im Stoff meiner Jeans. In der Mitte der Bühne kam ich schließlich zum Stehen. Ich legte den Kopf in meinen Nacken und sah gespannt dabei zu, wie das Bühnenbild aufgebaut wurde. Ein Gerüst wurde an eisernen Seilen stückchenweise in die Höhe gezogen, im Hintergrund überprüften ein paar Techniker die Anschlüsse. Selbstsicher nickte ich vor mich hin.

„Eines muss man dir lassen – für so kreatives Zeug hast du wirklich schon immer ein Händchen gehabt", hörte ich plötzlich jemanden hinter mir sagen. Es war eine tiefe, raue Stimme, von der ich gedacht hatte, sie bereits verdrängt zu haben. Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und schaute über meine Schulter zu ihm zurück. Mein Blick wanderte über sein ganzes Gesicht - von seinen ausdruckslosen Augen über sein markantes Kiefer bis hin zu dem Septum an seiner Nase. Er musste es sein.

"Noah", sagte ich trocken und ging ein wenig auf ihm zu, "was machst du hier?" Grinsend verdrehte er die Augen, "ich wusste, dass du mich das fragen würdest, Horan." "Nenn' mich nicht so", meinte ich, woraufhin er lediglich einen Arm ausstreckte und gegen meine Brust schnippte. "Warum denn nicht? Früher hat dich das doch auch nicht gestört." Er klang so sarkastisch, dass es mich anwiderte. Sein Atem roch zudem derart intensiv, dass ich gar nicht sagen konnte, ob es Zigaretten oder Joints gewesen waren, die er geraucht hatte.

Wahrscheinlich beides.

„Hat es dir jetzt etwa die Sprache verschlagen?", fragte er heuchlerisch, nachdem ich ihn einige Sekunden entgeistert angestarrt hatte. Allmählich löste ich mich aus meiner Starre und legte meinen Kopf schief. „Ich meine es ernst, Noah. Was hast du hier verloren?", zischte ich ihn an "Vielleicht hättest du dir das vorher ein bisschen besser überlegen sollen, wen du auf deine Gästeliste schreiben lässt. Ich hätte beinahe schon geglaubt, du würdest dich freuen, mich endlich wiederzusehen."

"Jetzt stell dich nicht so an. Wir wissen beide, dass du nur deswegen auf die Gästeliste stehst, weil ich die anderen beiden auch eingeladen habe. Und weil ich nicht annähernd so ein Arschloch bin wie du es bist." Obwohl ich versuchte, so leise wie möglich zu sprechen, spürte ich inzwischen die Blicke der Techniker auf meinem Rücken brennen. Erst zu diesem Zeitpunkt fiel mir auf, wie still es um uns herum geworden war.

"Ach ja stimmt, die anderen beiden ... wie konnte ich darauf nur vergessen!" Noah schlug sich mit einer Hand auf seine Stirn und breitete danach demonstrativ seine Arme aus. Die Ärmel seiner Lederjacke rutschen ein wenig zurück. "Hm, vielleicht liegt es daran, dass ich der Einzige von uns bin, der tatsächlich auch gekommen ist." Er ließ die Arme sinken und zuckte stattdessen gleichgültig  mit den Schultern.

In diesem Moment kam ich mir vor wie eine Silhouette von mir selbst Ich fühlte mich leer und mit einem Mal ganz klein auf dieser Bühne. Obwohl ich allen Grund dazu hatte, Noah nicht zu glauben, tat ich es dennoch. Er war zwar falsch, aber er log nicht. Bisher hatte Noah immer wieder mit der Wahrheit meine alten Wunden aufgerieben. Unbewusst schüttelte ich den Kopf und flüsterte ein kaum hörbares Warum.

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie er die Arme vor seinem Oberkörper verschränkte und etwas weiter auf mich zuging. "Em ist in der Arbeit und Flynn, ... Flynn tut eben das, was auch immer er tut. Soweit ich es mitbekommen habe, hat er es endlich geschafft, eine Freundin zu finden - vermutlich erklärt das so einiges. Die Welt hat sich nicht aufgehört zu drehen, als du weg warst, Horan. Das habe ich dir aber vor zwei Jahren schon einmal gesagt", meinte er. Ich sah herausfordernd zu ihm auf. "Ich weiß. Und so wie es aussieht, bist du derjenige, bei dem die Welt aufgehört hat, sich zu drehen. Ansonsten würdest du nicht hier auftauchen und mir all das von vorne erzählen", ich schob mich an ihm vorbei"wenn du mich jetzt entschuldigst, ich spiele nachher noch ein Konzert, auf das ich mich vorbereiten muss. Den Weg zum Ausgang findest du bestimmt auch ohne mich."

Abermals zog ich die Stahltür auf und verschwand im Backstagebereich. Ich hatte meinen Blick starr nach vorn gerichtet, währenddessen ich den Flur entlangging. Die Worte von Noah hallten mit jedem meiner Schritte in meinem Kopf. Kurzerhand fuhr ich mir mit beiden Händen über das Gesicht und sog durch meine Finger scharf Luft ein. Ich sollte wirklich damit aufhören, mir so viele Gedanken darüber zu machen, was er von mir hielt.

Die Tür zum Besprechungsraum stand bereits offen. Ich lehnte mich in den Spalt und stellte fest, dass die Musiker aus meiner Band bereits an ihren Instrumenten herumschraubten. Allesamt saßen sie sich auf Couchen, die  so wirkten, als wären sie einfach provisorisch zusammengeschoben worden und als hätte dieser Raum eigentlich gar keine sonderliche Bedeutung. Doch sie füllten ihn mit Leben.

Ich drückte mich vom Türrahmen weg und ging geradewegs in die Garderobe. Blind tastete ich nach dem Lichtschalter, ehe ich in dem schwachen Licht das Regal nach meiner Sporttasche durchstöberte. Ich beugte mich hinunter, zog eine Tasche nach der anderen hervor und schließlich die meine vor mich auf den Boden. Mit einem Ruck zog den Reißverschluss auf. Meine Hände fuhren orientierungslos durch den Haufen unsortierter Klamotten. Hin und wieder fischte ich ein Teil hervor, doch um ehrlich zu sein hatte ich schon längst vergessen, wie man sich für ein Konzert richtig anzog.

Während ich so vor mich hinschaute, fiel mein Blick auf einen abgenutzten Rucksack, der auf einem der untersten Fächer des Regals geworfen worden war. Allmählich ließ ich von meinen Klamotten ab und langte nach ihm. Ich nahm ihn an den Trägern zwischen die Finger, währenddessen ich ihn ein Stück weit von mir entfernt in die Höhe hielt. Ich kannte diesen Rucksack nur allzu gut. Er war schon früher Emmas Lieblingsrucksack gewesen und wie es aussah, hatte sie sich selbst nach all den Jahren nicht von ihm trennen können.

Abrupt rappelte ich mich auf und stürmte aus der Garderobe auf den Flur, direkt in Richtung Ausgang. Ich drückte den Rucksack etwas fester an mich, meine Augen starrten einfach nur geradeaus. Mein Herz schlug so schnell, dass ich dachte, mein Blut im Gaumen schmecken zu können. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich so vor den Kopf geworfen wie damals am Balkon. Nur um Meilen stärker und unabhängig von irgendwelchen Medikamenten oder Suchtmitteln.

Und da sah ich ihn auch schon. Noah, wie er sich um den Nacken fasste, das rote, lange Band mit dem laminierten Backstagepass unter seinem Shirt hervorzog und einem der Sicherheitsleute reichte. Danach klopfte er ihm brüderlich auf die Schulter.

"Noah, warte!", rief ich.

Wie auf Kommando drehte er sich zu mir um. Sein Blick glitt von mir auf den Rucksack in meinem Arm und er streckte demonstrativ den Zeigefinger aus. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, schnitt ich ihm das Wort. "Wo ist sie? Emma?", wetterte ich ihn an, aber er verzog lediglich amüsiert das Gesicht. "Das habe ich dir doch vorhin schon gesagt. Sie ist in der Arbeit. So wie alle anderen Menschen, die etwas für ihr Geld tun müsen." Er langte nach dem Rucksack, doch ich wich zurück. Für einen Moment öffnete er den Mund, schielte nachdenklich beiseite und verdrehte letztendlich seufzend die Augen.

"Ich versteh' schon. Du denkst, sie ist hier, nurweil ihr Rucksack hier ist. Ich enttäusche dich ungern, aber ich war derjenige, der ihn mitgebracht hat. Sie hat irgendwelche Personalien vergessen, die sie für einen Termin braucht. Und nachdem ich mich in ihrem Chaos sowieso nie zurechtfinde, habe ich einfach direkt den Rucksack mitgenommen. Das ist alles." Er griff ein weiteres Mal nach dem Rucksack und ich wehrte mich nicht. Stattdessen suchte ich den Boden nach Antworten ab. "Ein Termin, ja?", hakte ich skeptisch nach.

"Ja, richtig gehört." Noahs scharfer Tonfall zog meine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz auf ihn. Er hatte sich gerade erst von mir weggedreht, da blieb er stehen und wandte sich erneut zu mir um, "für eine Fruchtwasseruntersuchung. Denn ob du es glaubst, oder nicht, Em und ich werden im Sommer Eltern. Also jetzt geh, mach' deine Tour, schreib deine Lieder, was auch immer. Eigentlich ist mir  das scheißegal. Tu mir einfach den Gefallen und lass uns ein für alle Mal in Ruhe."

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