track 18
Disc 1
Track 18 – I Should Have Kissed You
» how do you feel about me now? «
LOUIS
im ersten Jahr nach der Trennung von One Direction
Meine Mutter klemmte das nächste Zanderfilet in die Servierzange und setzte dazu an, es auf Avas Teller zu legen. Indessen strich Avas Hand meinen Unterarm entlang. Ich lehnte mich etwas zurück und genoss ihre zarten Berührungen, bis sie schließlich an meiner Armbanduhr hängen blieb und mit den Fingernägeln unter das Lederband fuhr. Mehrfach zog sie daran meine Hand in ihre Richtung, woraufhin ich irritiert zu ihr schaute. Ava kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum und nickte mit geneigtem Kopf beiseite.
Sogleich glitten meine Augen an ihr vorbei zu meiner Mutter, die den Zander noch immer vor sich ausgestreckt hielt. Ihre Wangen waren heute ganz rosa und das Lächeln auf ihrem Gesicht so breit, dass sich Grübchen an ihren Wangen abzeichneten. Schon lange hatte ich sie nicht mehr derart glücklich gesehen.
„Lou?"
Ich schrak ein wenig auf, als ich Avas Stimme in mein Ohr flüstern hörte und noch ehe ich ihr in die Augen sehen konnte, überkam mich der intensive Geruch von gebratenem Fisch. Kurzerhand vergrub ich meine Nase in dem Kragen meines Poloshirts. „Mama ... ich habe dir doch gesagt, dass Ava Vegetarierin ist", nuschelte ich durch den Stoff, wobei ich verlegen zu meiner Mutter aufsah. „Das weiß ich doch, so oft wie du das mir erzählt hast", sie zwinkerte Ava fröhlich zu, „genau deswegen habe ich ja auch extra Fisch gekocht." Sichtlich überzeugt legte sie das Filet danach auf Avas Teller ab.
Mit einer groben Handbewegung zog ich den Kragen wieder von meiner Nase. „Vegetarier essen auch keinen Fisch", meinte ich. Augenblicklich verzogen sich die Mundwinkel meiner Mutter und ihre Wangen liefen noch röter an als sie es ohnehin schon gewesen waren, „oh." Mit gesenktem Blick starrte sie auf den Zander, der nun auf dem Teller vor ihr lag. „Das tut mir wirklich leid. Ich habe da wohl etwas falsch verstanden." Angespannt zog ich meine Unterlippe zwischen die Zähne. Die Aufmerksamkeit meiner gesamten Familie galt in diesem Moment allein Mama, Ava und mir.
„Ich weiß es unglaublich zu schätzen, dass Sie an mich gedacht haben. Von mir aus kann ich heute Abend auch eine kleine Ausnahme machen", meldete sich schließlich auch Ava zu Wort. Ihre Stimme klang sanft, doch sie hatte eine Hand nervös in meine Jeans gekrallt, weswegen ich erleichtert aufatmete, als meine Mutter bestimmt den Kopf schüttelte. „Das kann ich unmöglich von dir verlangen. Es war mein Fehler und ich möchte dir hier nichts aufdrängen", sagte sie. Ich spürte, wie sich Avas Griff lockerte und sie sich wieder etwas entspannter in den Gartenstuhl lehnte. „Vielen Dank, Frau Tomlinson." - „Ach bitte, nenn mich doch einfach Jay." Abermals zauberte sich meiner Mutter ein Lächeln auf die Lippen. Während sie Ava die Hand ausstreckte, schob Lottie die Pfanne voller Bratkartoffeln über die Tischplatte zu uns beiden.
Um uns herum klirrten die ersten Messer an das Porzellan. Meine kleine Schwester Daisy, die an meiner anderen Seite saß, versuchte derweil mit ihrer Handfläche eine Wespe von ihrer Limonade abzuwimmeln. Gekonnt schnappte ich nach einem der freiliegenden Untersetzer und deckte damit ihr Glas zu.
„Sag mal, Avery, woher kommst du denn eigentlich?"
Ava sah von ihrem Teller zu Dan auf, welcher sie neugierig musterte. Auf ihrer Gabel hatte sie eben ihre erste Bratkartoffel aufgespießt. „Aus einer Kleinstadt in der Nähe von Bristol", erwiderte sie dann, ließ ihre Gabel sinken und spielte mit der anderen Hand nervös an der großen Schleife ihres Einteilers herum. „Bristol?", er weitete ungläubig seine Augen, „das liegt doch fast am anderen Ende des Landes." Ava ließ von ihrer Schleife ab und fuhr sich stattdessen über den Nacken. „Ja, das kann man so sagen. Mit dem Zug fahre ich immer gut zwei Stunden nach London. Deswegen bin kann auch immer nur an den langen Wochenenden bei Lou sein. An den Wochentagen habe ich nämlich täglich Uni, da würde sich das niemals ausgehen." Bevor er weiter nachhaken konnte, biss Ava elegant von ihrer Bratkartoffel ab.
Auch ich nahm nun Messer und Gabel zwischen die Finger, um mich über den Fisch herzumachen. Das reine Ansetzen der Klinge genügte, um das Filet in feine Scheiben zerfallen zu lassen. Vorsichtig hob ich die Gabel an und drehte diese mitsamt dem aufgespießten Stückchen um die eigene Achse. Im Licht der untergehenden sonne glänzte der Zander ganz golden.
Ich lehnte mich ein wenig zurück und kuschelte mich in den Bezug des Gartenstuhls, wobei ich meinen Blick zufrieden über die Runde gleiten ließ. Meine Mutter zerteilte gerade die Portionen von meinen jüngsten Geschwistern Doris und Ernest in kleine Stücke, währenddessen Fizzy und Lottie sich über irgendeinen Schauspieler unterhielten. Ava kam derweil mit meinem Stiefvater immer mehr ins Gespräch. Im Gegensatz dazu verhielten sich Phoebe und Daisy relativ ruhig, was ich ihnen jedoch keineswegs übel nahm. Abgesehen davon, dass sie voneinander getrennt saßen, waren sie vor ein paar Monaten auch erst zwölf Jahre alt geworden.
„Also bist du für dein Studium extra nach Bristol gezogen?", fragte Dan weiter. Er saß neben meiner Mutter und somit uns beiden direkt gegenüber. Lächelnd setzte ich das Messer erneut an den Zander. „Nein. Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Eigentlich war es immer mein Traum gewesen, nach der Schule nach London oder sogar ins Ausland zu gehen, aber das stand aufgrund unserer finanziellen Lage von Anfang an nicht zur Debatte. Mein Vater ist alleinerziehend und arbeitet als einfacher Angestellter in einem Logistikzentrum. Ich bin daher einfach froh, dass er es mir überhaupt ermöglicht, studieren zu können. Selbst wenn es in Bristol sein muss", erzählte Ava und malte nebenbei gedankenverloren mit der Gabel Spuren im Frittieröl auf ihrem Teller. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Fizzy mir vom anderen Tischende einen skeptischen Blick zuwarf.
Sobald Ava und Dan den Smalltalk hinter sich hatten, widmeten wir uns allesamt dem Fisch und den Bratkartoffeln vor uns. Zwischenzeitlich fragte mich Daisy, ob ich ihr nicht den Wasserkrug reichen könnte und irgendwann hatte Ernest es geschafft, versehentlich mit dem Unterarm seinen Becher Apfelsaft umzuschütten. Schlagartig ließ meine Mutter das Besteck auf das Geschirr fallen, langte nach dem Stapel Servietten und verteilte sie auf der Tischplatte, woraufhin diese die Flüssigkeit in sich aufsogen. Man konnte vereinzelte Tropfen auf den Boden sickern hören.
„Lou?", wandte sie sich an mich, als ich das Messer fein säuberlich am Tellerrand abstreifte. Fragend sah ich zu ihr auf. „Möchtest du mit mir inzwischen schon einmal die Geburtstagstorte vorbereiten?", fragte sie weiter. Mir blieb nichts anderes übrig als zu nicken. „Natürlich, kein Problem", erwiderte ich daher. Ich sah mich noch einmal kurz um, dann wandte ich mich Ava zu und legte eine Hand an ihren Kieferknochen. Scheu neigte sie sich ein wenig in meine Richtung.
Ihr Lippenstift war mittlerweile von einer Schicht an Öl überzogen und dadurch ein wenig verschmiert. Ich fuhr mit meinem Daumen die Konturen ihrer Lippen nach, um die verlaufene Farbe wegzuwischen. Mein Blick wanderte über ihre Nasenspitze hinauf zu ihren Augen und ich konnte ihren warmen, gleichmäßigen Atem an meiner Halsbeuge fühlen. Ava schloss ihre Arme fest um meinen Nacken, wodurch sich unsere Körper immer näherkamen, aber ich hielt mich zurück. Wir waren noch nicht so weit, einander inmitten meiner Familie zu küssen. Sie presste ihre Lippen zusammen und schaute von mir weg, fing jedoch direkt wieder an zu lächeln, als ihr Blick auf ihr Handy fiel, auf dem massenweise Benachrichtigungen eingingen.
Ein wenig unbeholfen drückte ich wenige Minuten später die Geburtstagskerzen aus der Plastikverpackung. Mit dem Zeigefinger zählte ich dieser der Reihe nach ab und schaute daraufhin zu meiner Mutter, die gerade die Torte aus dem Kühlschrank balancierte. „Sollen wir sechzehn oder achtzehn nehmen? Also von den Kerzen", fragte ich nach, woraufhin sie mir einen verschmähten Blick über ihre Schulter zuwarf. „Siebzehn."
Normalerweise hatten wir Fizzys und Lotties Geburtstage immer separat voneinander gefeiert, auch wenn nur knapp zwei Wochen zwischen ihnen lagen. Doch dieses Jahr war alles anders. Anstelle von zwei Torten gab es heuer nur eine, die zudem gerade groß genug war, dass jeder von uns eine schmale Schnitte abbekommen würde. Der Teig war lediglich mit einem schlichten Fondant überzogen. Auch wenn die Torte im Vergleich zu denen aus den Vorjahren sehr einfach gehalten war, war es mir mehr als bewusst, dass meine Mutter ihre ganze Liebe hineingebacken hatte.
„Oh, und was Avery betrifft, muss ich mich übrigens voll und ganz Lotties Meinung anschließen." Für einen Atemzug stand ich wie erstarrt da. Der Themenwechsel war für meine Gewohnheit ein bisschen zu abrupt bekommen. Ich reagierte mit einem knappen „Ach ja?" und räusperte mich mehrfach in die Faust, da meine Stimme zwischen den Silben unsauber gebrochen war. „Ob du das als negativ oder positiv aufpasst, ist ganz dir überlassen. Ich kann mir durchaus vorstellen, warum sie dir gefällt, aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, mit ihr eine langfristige Beziehung zu führen. Wie alt ist sie nochmal? Neunzehn? Zwanzig?" Schützend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust. „Sie wird nächsten Monat einundzwanzig", meinte ich und meine Mutter zuckte gleichgültig mit den Schultern, „zwanzig eben."
Sie stellte die Torte neben mir ab und widmete sich den Kerzen, die noch immer quer verteilt auf der Theke lagen. „Ich finde nicht, dass ihr Alter unsere Beziehung großartig einschränkt. In manchen Situationen reagiert sie zwar ziemlich emotional oder aus Affekt, aber darüber haben wir schön öfters miteinander gesprochen und seither läuft alles besser als ich es mir je hätte vorstellen können", philosophierte ich vor mich hin. Sie fasste mir mit einer Hand sanft auf die Schulter und sah zu mir auf.
Wir sagten nichts.
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