Kapitel 9

Mit offenem Mund sah ich mich um. Das ekelhafte, gelbe Licht brannte in meinen Augen und die alten mit Rost überzogenen Tonnen widerten mich an.
»C-Castiel ...«, stammelte ich und sah entsetzt zu dem Engel, der neben Zachariah stand. »Ich dachte ... du hast gesagt ... du wolltest mir helfen …«
»Das war gelogen«, meinte Zachariah mit einem Grinsen.
Ich wurde an den Armen gepackt und auf die Knie gedrückt.
»Das ... das ist ein Missverständnis. Bitte, was ist hier los?«
»Du hast die Kontrolle verloren, Cat«, erklärte Zachariah.
»Nein. Nein, hab' ich nicht!«, rief ich.
»Ich habe Zeugen und ich habe es in deinem Kopf gesehen. Das Training hat nicht ganz funktioniert. Deswegen haben wir dir ein wenig Freilauf gegeben. Leider mit Rückschlägen. Deine dämonische Seite«, er trat einige Schritte auf mich zu, »sie ist so unfassbar gut ausgeprägt. Nur brauchen wir die andere ebenso sehr. Jungs, wir gehen wieder zur Gewohnheit über.« Er vollführte eine Handbewegung und ich wurde auf die Beine gezogen.
»Castiel, bitte«, flehte ich. »Ich habe alles getan, was du wolltest. Bitte. Castiel!«
Castiel sah mir in die Augen. Ich dachte, ich hätte einen Funken Verstand gesehen, doch dann wandte er sich ab.
»Castiel!«, schrie ich.
Ich wurde gegen die Wand geschleudert und sogleich zog sich ein unheilvoller Schmerz durch meinen Rücken. Stöhnend sank ich zu Boden und als ich mich aufrappelte waren Castiel und Zachariah verschwunden - nur noch zwei der Engelssoldaten waren da, die nun auf mich zuliefen. Einer packte mich am Kragen und warf mich durch die Luft. Ich stürzte gegen die Tonnen, die scheppernd zu Boden krachten.
Ich stöhnte auf. Jeder Muskel meines Körpers war aufgrund der Schmerzen taub. Ich konnte nicht aufstehen, es tat zu sehr weh. Einer der Engel war bei mir. Seine Finger umklammerten meinen Hals und er zog mich auf die Beine. Schwach schloss ich die Augen. Ich spürte nicht einmal mehr, wie mir die Luft abgedrückt wurde.
»Schluss damit«, erklang plötzlich eine bekannte Stimme. Nichts geschah. »Schluss damit!«
Die Finger lösten sich, und meine Beine knickten ein und ich sackte zu Boden, die Augen weiterhin geschlossen. Sie waren feucht, Tränen rannen stumm meine Wangen hinunter. Ich blieb auf dem kalten Gestein liegen, rührte mich nicht - jedes Gefühl war aus meinem Körper gewichen.
»Hey ...«, hörte ich auf einmal eine leise Stimme neben mir sagen.
Eine Hand strich durch meine Haare und abrupt öffnete ich meine Augen. Ich spürte, dass sie schwarz waren, und ich packte Castiels Hand, umklammerte sie fest und erhob mich hastig.
»Fass mich nicht an!«, knurrte ich.
Meine Augen wurden braun, die Schmerzen kamen zurück und ich sank keuchend auf die Knie. Ich spürte eine Hand auf meinem Kopf und augenblicklich war jeder gebrochene Knochen und jeder blauer Fleck verschwunden - einfach jeder Schmerz.
»Catherine, lass mich erklären ...«, sagte Castiel vorsichtig.
»Nein!«, schrie ich und erhob mich. »Du hast mir das eingebrockt. Woher weiß ich, dass du nicht schon wieder im Auftrag Zachariahs oder Gottes hier bist?«
»Du kannst es nicht wissen ...«, sagte der Engel leise.
»Und genau das ist der Punkt! Wie kannst du jemanden vertrauen, den du nie zuvor gesehen hast? Ich meine Gott und Engel ... Castiel, sag mir nicht, dass du diesen ... Wesen vertraust. Du solltest eine Unschuldige umbringen -«
»Du weißt nicht, was Anna getan hat«, erwiderte Castiel.
»Was es auch immer war, du hättest dich sehen sollen. Du warst wie besessen«, meinte ich. »Du bist das perfekte Schoßhündchen. Du tust alles, was man dir sagt. Bei dir heißt es nur: »Ich darf meinen Gehorsam nicht verweigern«, »Ich habe die Anweisung ...«, »Es war Gottes Befehl«. Nun, ja. Soll ich dir sagen, was es bei mir heißt? Familie steht an erster Stelle. Ich würde alles für sie tun, selbst wenn ich dabei draufgehen könnte.«
»Und du denkst, bei mir ist es anders?«
Ich schüttelte den Kopf, so dass meine gewellten Haare umherflogen. »Du hast keine Familie, Castiel. Du weißt nicht, wie es ist.«
»Du kennst mich nicht, Cat«, meinte Castiel mit zusammengebissenen Zähnen.
»Ich kenne dich sehr wohl.« Ich trat einen Schritt auf ihn zu.
»Nein. Denn sonst wüsstest du, dass ich eine Familie habe.«
»Gott? Oder die Engel?« Ich lachte. »Das nennst du Familie? Ich bitte dich. Familie bedeutet nicht, dass alle Wesen von einer Gattung eine sind. Wir Menschen sind nicht alle eine Familie.«
»Denkst du, nur Menschen mit demselben Blut gehören zu einer Familie?«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ein Freund hat mir mal gesagt - es ist nicht lange her; es war damals zur Zeit meiner Dämonenphase: »Familie hört nicht beim Blut auf.« Er hat recht. Meine Familie sind Bobby, Sam und Dean. Sie sind für mich das Wichtigste auf der ganzen Welt. Sie sind immer für mich da und ich will und werde immer für sie da sein. Das ist ein Unterschied zu den Engeln und Gott, Castiel. Sie schubsen dich nur umher, sie benutzen dich. Du darfst sich nicht darauf einlassen. Du bist frei. Niemand hat das Recht, dich so zu behandeln - selbst Gott nicht. Du bist immerhin ein Lebewesen und selbst wir Menschen dürfen alles frei entscheiden. Warum dann du nicht? Was sollte dir schon widerfahren? Geh einfach, so wie Anna. Ihr habt sie auch nicht sogleich gefunden. Entscheide dich für das Richtige. Für ein richtiges Leben. Nicht für das hier.«
Castiel hatte während meiner Worte den Blick niedergeschlagen.
»Cas ...?«, sagte ich vorsichtig.
Er sah auf. Seine blauen Augen wirkten unentschlossen.
»Es tut mir leid, Cat«, meinte er nach einer Weile. »Ich bin ihnen zur Treue verpflichtet. Ich bin Gott zur Treue verpflichtet. Die Engel und er sind meine Familie. Tust du nicht das, was dein Vater dir aufträgt?«
Ich schluckte. »Nein. Denn mein Vater ist tot«, erwiderte ich. Erst jetzt erkannte er den Fehler, doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff ich das Wort. »Bring mich hier weg, Cas. Bitte.«
»Ich kann nicht.« Er wandte sich ab und entfernte sich einige Schritte von mir.
»Cas, bitte«, flehte ich.
Er verharrte. »Kämpf dagegen an. Tu das, was sie verlangen. Du hast die Kraft. Du musst nicht unbedingt die Mittel benutzen, die sie von dir wollen. Sie werden dich in Ruhe lassen, wenn du dich ihnen fügst.«
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, war er verschwunden.

1024 Wörter


So true ^^

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