Kapitel 25
»Wie ist er nur hier rausgekommen?«, fragte Dean, der seine Blicke durch den Bunker schweifen ließ.
»Vielleicht hatte er Hilfe«, meinte Bobby und deutete auf die Teufelsfalle, die auf den Boden gezeichnet worden und nun zerstört war. »Die meisten Teufelsfallen sind zerstört.«
»Dämonen? Ruby?«
»Daran hab' ich auch schon gedacht.«
»Ich bezweifle, dass sie es war«, sagte ich. »Sie kann nicht mal die Tür anfassen.«
»Denkst du, sie hat Zauberkräfte?«, fragte Bobby.
»Bisher dacht' ich das nicht«, meinte Dean.
Er hockte sich hin und fuhr mit der Hand über die Stelle, an welcher die Teufelsfalle, die vor der Tür gewesen war, unterbrochen wurde.
»Ich weiß nicht, Mann.«
»Egal. Wie er verschwunden ist, ist nicht so wichtig. Wichtiger ist, wohin.«
»Ich kann mir vorstellen, wohin«, sagte ich.
»Ich auch.« Dean erhob sich. »Wir können nur hoffen, dass er wirklich bei Ruby ist.«
»Wieso?«, fragte Bobby.
»Sie zu töten, ist der nächste Punkt auf meiner Liste.« Dean lief los.
»Ich schließ' mich dir an«, sagte ich und folgte ihm. »Sie mag zwar anders aussehen, aber innerlich ist sie noch dasselbe Miststück.«
»Ich dachte, du seist in Rufbereitschaft für die Engel«, meinte Bobby, der im Bunker blieb.
»Ich bin in Rufbereitschaft. Trotzdem werd' ich jetzt diese Schlampe töten.«
»Eine Sache noch.«
Dean und ich blieben stehen.
»Was?«, fragte Dean.
»Sam will nicht gefunden werden. Was bedeutet, es wird nahezu unmöglich sein, ihn zu finden.«
»Das wird sich zeigen«, meinte Dean nur und lief weiter.
Dean schraubte gerade an seinem Wagen herum, als Bobby zu uns kam.
»Die Polizei hat meinen Wagen gefunden. Verlassen in einer Straße in Jamestown, North Dakota.«
»Tja, er hat gewechselt. Gibt's noch andere Autodiebstähle in Jamestown?«, fragte Dean und wischte sich mit einem Lampen das Öl von seinen Händen.
»Zwei. Ein 99er Honda Civic, blau. Schön anonym, so wie Sam es mag.«
»Und der andere?«, fragte ich.
Bobby lachte auf. »Ein weißer Escalade mit Spezialfelgen, relativ neu. Ziemlich auffällig.«
»Du hast recht. Den würde er nie nehmen«, stimmte Dean zu. »Und genau das hat er getan.«
»Meinst du?«
Dean nickte. »Ich kenn' den Kerl.« Der Mann begann sein Werkzeug zusammenzupacken. »Alles klar, ich werd' hinfahren. Ihr bleibt hier und durchforstet die Polizeidatenbank. Wir müssen ihn schnell finden.«
»Okay«, sagte Bobby. »Aber Cat wird dich begleiten.«
»Ich mach' das lieber allein.«
»Vergiss es. Ich komm mit.«
Bevor Dean etwas erwidern konnte, schwang ich mich auf den Beifahrersitz. Ich sah, wie der Winchester Bobby einen kurzen Blick zuwarf und dieser nickte nur. Dean setzte sich wortlos neben mich und startete den Motor, und ohne zu zögern, fuhr er los.
»Die Polizei hat den Escalade außerhalb von Elk River gefunden«, hörte ich Bobby am Telefon, welches Dean laut gestellt hatte, sagen.
»Wie weit bin ich entfernt?«, fragte der Winchester.
»Ein paar Stunden. Ich hab' 'ne Wetterkarte aufgerufen und 'n paar Telefonate geführt. Ganz in der Nähe gibt's 'ne Stadt, Cold Spring. Die ist voll von Dämonenzeichen.«
»Ein guter Ort, um zu suchen.«
»Hey, hör zu.«
»Was?«
»Wenn wir Sam finden sollten. Es geht darum, ihn zurückzuholen, nicht, ihn wegzustoßen.«
»Klar.«
»Ich weiß, du bist wütend, Dean. Ich verstehe das, du hast ein Recht darauf, aber ... ich sag's ja nur. Versuch trotzdem, nett zu ihm zu sein. Du musst ihn überzeugen.«
Dean antwortete nicht, sondern legte einfach auf.
»Du wirst nicht nett sein, stimmt's?«, fragte ich, ohne den Mann anzusehen.
»Könntest du es?«, gab er zurück. «Könntest du ihm in die Augen sehen und so tun, als wär' nichts gewesen?«
»Das hast du doch auch, Dean«, entgegnete ich. »Du hast mich auch nicht für das, was ich getan hab' zur Rechenschaft gezogen.«
»Bei dir war's was Anderes.«
»Ach, ja?« Ich sah ihn an. »Was war daran anders, Dean? Ich war schlimmer. Ich habe Menschen getötet. Ich hab' nicht nur das Blut getrunken, sondern auch Unschuldige umgebracht. Das ist der Unterschied, aber das Verhalten ist immer noch dasselbe.«
Dean schwieg und ich sah wieder aus dem Fenster, hinaus in die bereits angebrochene Nacht.
Wir fanden das Hotel, in welchem Sam eingecheckt hatte. Mit etwas geldlicher Bestechung wussten wir auch sein Zimmer, und vor diesem lauerten wir ihm auf.
Sam verließ sein Zimmer, ohne uns zu bemerken, während wir dicht an der Wand gepresst um die Ecke lugten. Als er verschwunden war, brach Dean ohne ein Geräusch ein. Ruby hatte sich über ihre Tasche gebeugt und uns den Rücken zugedreht, so dass sie uns nicht bemerkte, als wir von hinten leise an sie heranschlichen.
Plötzlich drehte sie sich um, bevor wir sie überrumpeln konnten. Sie wehrte Deans Messerangriff ab und wollte ihm die Waffe aus der Hand reißen, doch drückte er sie mit aller Kraft gegen die Wand. Er wollte gerade zustechen, als Sam hinter ihm erschien und seinen Arm festhielt.
»Nein!«, rief er und schubste Dean auf das Bett. »Lasst sie gehen!«
Schützend stellte er sich vor Ruby und daraufhin hob ich die Hand.
»Tut mir leid, Sam, aber ich hab' zu viel durchgemacht, um mir das jetzt nehmen zu lassen.«
Ich spürte die Kraft, die in mir aufkam, doch bevor ich sie anwenden konnte, vollführte Sam eine Handbewegung und ich schlug mit voller Wucht gegen die Wand.
»Sam, nicht!«, rief Ruby. »Du brauchst deine Kraft noch.«
Stöhnend sank ich zu Boden und Sam ließ die Hand sinken. Dean half mir auf und funkelte Sam und Ruby wütend an.
»Das muss ja 'ne tolle Party gewesen sein, die ihr beide hier veranstaltet habt«, sagte der ältere Winchester. »Wenn man bedenkt, wie sehr du dich bemüht hast, mich abzuschütteln. Tja, gute Arbeit, aber hier bin ich.«
»Dean, ich bin froh, dass du hier bist«, meinte Sam gelassen. »Hör zu, lass uns darüber reden.«
»Sobald sie tot ist, können wir reden, so viel du willst.«
Sam atmete tief durch. »Ruby, geh raus.«
»Nein, sie geht nirgendwo hin!«, rief Dean wütend.
Ohne auf ihn zu hören, verließ die Frau das Zimmer. Ich wäre ihr hinterhergerannt, wären da nicht diese Schmerzen gewesen.
»Sie vergiftet dich, Sam!«, meinte Dean laut.
»Es ist nicht so, wie du denkst.«
»Sieh nur, was sie dir angetan hat. Alle paar Wochen gibt sie dir 'n bisschen Blut, und dann lässt sie dich hängen.«
»Sie war auf der Suche nach Lilith!«, erwiderte Sam.
»Die verarscht dich doch nach Strich und Faden. Merkst du das denn nicht?«
»Du irrst dich, Dean!«
»Sam, du belügst dich doch selbst«, sagte Dean sanfter und trat ruhig einen Schritt auf seinen Bruder zu. »Ich will einfach nur, dass es dir gut geht. Du würdest genau das Gleiche für mich tun, das weißt du.«
»Hör mir zu.« Sam warf Rubys Messer auf das Bett. »Hör mir einfach 'ne Sekunde zu. Es gibt einen Dämon, der Lilith nahe steht. Komm mit uns mit, Dean. Wir machen das gemeinsam.«
»Das klingt toll - doch nur für mich und dich und Cat. Diese Dämonenschlampe gehört nicht dazu. Schick sie in die Wüste und wir können sofort los.«
Sam atmete tief durch und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
Dean nickte enttäuscht und wandte sich ab.
»Dean, nur sie kann mir helfen, Lilith zu töten. Ich weiß, dass das nicht in deinen Kopf geht, aber vielleicht wirst du das eines Tages verstehen. Ich bin der Einzige, der das schaffen kann.«
Dean drehte sich um. »Nein, du bist nicht der Einzige, der das schaffen kann.«
»Richtig. Ich vergaß, die Engel denken, dass nur du das kannst«, sagte Sam höhnisch.
»Du denkst, ich kann es nicht?«
»Nein, du kannst es nicht. Du bist nicht stark genug.«
»Für wen hältst du dich?«, fragte Dean und allmählich stieg wieder Wut in ihm auf.
»Ich bin nur pragmatisch. Ich tu das, was getan werden muss.«
»Ach, ja? Du wirst nicht das Geringste tun, glaub' mir.«
»Kommandiere mich nicht herum, Dean!«, knurrte Sam. »Weißt du, mein ganzes Leben lang warst du derjenige, der gesagt hat, wo's langgeht, und ich vertraue dir, weil du mein Bruder bist. Und jetzt bitte ich dich, einmal, vertraue mir.«
Dean nickte verstehend und erst dachte ich, er würde es wirklich tun, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Du weißt nicht, was du tust, Sam.«
»Doch, ich weiß es!«, entgegnete Sam.
»Das ist noch schlimmer!«
»Wieso? Glaub' mir, ich ...«
»Weil's nichts mit dem zu tun hat, was du tust, sondern was du bist!«
Das saß. Sam sah seinen Bruder fassungslos und getroffen an und ich auch konnte nicht glauben, was Dean soeben gesagt hatte. Er mochte damit Recht behalten, ja, aber dennoch. So etwas zu sagen, zu seinem eigenen Bruder, das war schmerzhaft.
»Es bedeutet …«
»Was?«, hackte Sam nach. Sein Ton war ernst, auch wenn er Tränen in den Augen hatte. »Nein. Sag es.«
»Es bedeutet, du bist ein Monster«, gestand Dean.
Sam presste die Lippen aufeinander und nickte. Auch in Deans Augen waren Tränen getreten. Ich fühlte mich auf einmal fehl am Platz. Keine richtigen Worte wollten über meine Lippen kommen, und auch wenn mein Körper daran zog, etwas zu sagen, mahnte mein Verstand mich und hielt mich zurück. Es tat weh, die beiden so zu sehen, sie streiten zu sehen, und nichts tun zu können.
Sam holte plötzlich mit der Faust aus und schlug, ohne mit der Wimper zu zucken, Dean ins Gesicht, so dass der ältere Winchester zu Boden stürzte.
»Sam!«, schrie ich und aus Reflex hielt ich meine Hände vor den Mund.
Ich wollte Dean hoch helfen, doch er schlug meine Hand beiseite und kämpfte sich selbst auf die Beine. Mit einem verhassten Blick sah er seinen Bruder an und im nächsten Moment stürzte er sich auf ihn.
»Hört auf!«, rief ich, doch hörten sie nicht auf mich. Natürlich. Warum sollten sie das auch tun? Sie waren wütend, sehr wütend, und das Einzige, was ich tat, war hilflos dabei zusehen, wie sie das Hotelzimmer auseinander nahmen.
Dean wurde gegen den Wandspiegel geworfen. Sam zog ihn davon weg und schubste ihn Richtung Tisch, auf welchen sein Bruder fiel und dieser klirrend unter ihm zusammenbrach. Im nächsten Moment stürzte sich der junge Winchester auf ihn und versuchte ihn mit den Händen die Luft abzudrücken. Erst jetzt erwachte ich aus meiner Starre und selbstsicher hob ich die Hand.
»Sam, hör auf!«, befahl ich, doch der Winchester dachte nicht einmal daran. Er verstärkte den Griff sogar. »Sam!«
Meine Stimme war lauter, mahnender, und als Sam wieder keine Anstalten machte, riss ich ihn mit einer einzigen Handbewegung von Dean los. Er taumelte nach hinten, ich hatte nicht viel Kraft genutzt, und sofort stellte ich mich zwischen ihn und seinen Bruder.
»Das reicht, Sam. Es ist das Beste, wenn du jetzt verschwindest, bevor ich zu anderen Mitteln gezwungen werd'.«
Sam sah an mir vorbei und funkelte wütend seinen Bruder an. »Du kennst mich nicht im Geringsten. Das hast du noch nie getan. Und du wirst es auch nie.«
»Wenn du jetzt durch diese Tür gehst, dann brauchst du nie wieder zurückzukommen«, sagte Dean nach Luft ringend und mit schwacher Stimme.
Sam blickte ein letztes Mal auf seinen Bruder herab. Sein Gesicht war ernst und gefühllos, und dann verschwand er. Ich half Dean auf die Beine. Er sah wirklich mitgenommen aus. Im Gesicht hatte er Platzwunden und seine Jacke war voller Splitter des Tisches.
»Wieso hast du nichts gesagt?«, verlangte Dean zu wissen, und obwohl er schwach war, klang seine Stimme wütend.
»Was hätt' ich denn sagen sollen, Dean?«, gab ich zurück. »In gewisser Weise hatte er sogar recht.«
Dean presste die Lippen aufeinander und nickte. »Okay. Wenn du das so siehst …«
Der Winchester riss sich von mir los und humpelte zur Tür.
»Dean?«, fragte ich vorsichtig, doch der Mann verschwand einfach und ließ mich allein zurück.
Ich seufzte und fuhr mir verzweifelt durch die Haare. Die Winchesters waren zerstritten und dieses Mal war es schlimmer als je zuvor. Dean hatte Sam ein Monster genannt, weil er süchtig nach Dämonenblut war. Was würde er sagen, wenn er wüsste, was ich war?
»Castiel?«, fragte ich und begann zwischen den Trümmern umherzulaufen. »Ich denke, ich werde meine Meinung ändern. Wenn es Sam und Dean retten kann, bin ich bereit dafür, mich den Engeln anzuschließen.«
»Das hört sich wunderbar an«, erklang hinter mir eine Stimme und erschrocken wirbelte ich herum. Der Engel mit der Halbglatze und dem runden Gesicht lächelte mir siegessicher zu und mit einem Nicken hielt er mir seine Hand hingegen. »Willkommen zurück im Team, Cat.«
2033 Wörter
Noch ein Kapitel, ein Epilog und dann ist das Buch beendet.
Yes!
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