Kapitel 3
Bonnie steht außerhalb des Pentagramms und atmet einige Momente tief durch, bevor sie schließlich die Augen öffnet, nur um einen leeren Raum vorzufinden. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie sagen es hat nicht funktioniert. Doch Elena ist weg, daran gibt es keinen Zweifel.
Sie hatte sie vor ungefähr zwei Minuten in die Vergangenheit geschickt und ist sich dessen vollkommen bewusst.
Müsste sich nicht bereits irgendetwas geändert haben? Wenn Bonnie den Zauber richtig verstanden hatte, hätte sie sich eben in diesem Moment an nichts mehr erinnern sollen. Mit Elenas Verschwinden in die Vergangenheit, dürfte die Zukunft wie sie jetzt ist, nicht mehr existieren. Oder doch?
Bonnie blättert nervös in ihrem Grimoire, auf der Suche nach irgendeiner Erklärung oder irgendeinem Hinweis, auf ein Falschverlaufen des Zaubers. Sie wird das mulmige Gefühl in ihrem Magen einfach nicht los, außerdem fühlt sie sich erstaunlich schwach. Bonnie stößt schließlich unter dem Zauber auf eine kleine Randbemerkung. Sie braucht einen Moment, um die lateinische Formel zu entziffert. Wenn die Reise mehr als hundert Jahre zurückgeht, kann die Zauberkraft der Hexe deutlich in Mitleidenschaft gezogen werden!
Was so viel bedeutet wie, Elena ist mehr als nur ein Jahr in der Zeit zurückgeschickt worden.
In diesem Moment kommt Jeremy in das Wohnzimmer gestürzt. „Bonnie? Was ist passiert?“ Er hatte scheinbar die Auswirkungen des Zaubers gespürt und sieht jetzt etwas besorgt zu ihr hinüber.
„Ich habe Elena in die Vergangenheit geschickt, wie du wolltest“, gibt Bonnie gedankenverloren zurück, während sie weiterhin in ihrem Buch blättert. „Aber irgendetwas ist schiefgelaufen.“ Dessen ist sie sich inzwischen vollkommen bewusst-irgendetwas ist verdammt schiefgelaufen.
„Irgendetwas ist schiefgelaufen? Was meinst du damit? Was genau ist schiefgelaufen?“, sagt Jeremy jetzt leicht panisch, während er zu ihr hinüber kommt, um ebenfalls einen Blick in das Grimoire zu werfen.
„Ich weiß es nicht.“ Bonnie war schon zuvor nervös gewesen, doch Jeremy hat es mit seiner bloßen Anwesenheit geschafft, ihr schlechtes Gewissen noch zu verstärken. Sie hatte unbedingt ihrer Freundin helfen wollen. Dafür hatte sie sich auf einen gefährlichen Zauber eingelassen, den sie überhaupt nicht richtig verstand. Sie hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen und kindlich naiv darauf vertraut zu wissen, was sie tut. Was war bloß in sie gefahren?
Plötzlich klingelt Bonnies Handy. Sie sieht aufs Display und erschrickt sofort als sie den Namen ließt. Damon.
„Hallo?“
„Bonnie? Wo bist du?“ Damons Stimme klingt angespannt und ausnahmsweise nicht sarkastisch oder witzelnd.
„Im Gilberthaus. Warum?“ Angst steigt in Bonnie auf. Damon dürfte sie eigentlich nicht mehr kennen. Irgendetwas ist verdammt schiefgelaufen.
„Ist Elena bei dir? Ich würde gerne mit ihr reden, aber sie geht nicht ans Handy.“
„Elena ist nicht hier.“ Mehr bringt Bonnie nicht heraus. Elena konnte überall sein, in jedem Jahr, an jedem Ort. Wieso hatte sie sich nur auf diesen Zauber eingelassen?
„Was meinst du damit? Was ist los, Bonnie?“, meint Damon jetzt unruhig und mit deutlich fordernder Stimme. Anscheinend hat er ihr ihre Verzweiflung angemerkt.
„Elena ist nicht hier und damit meine ich, sie ist nicht in unserer Zeit. Sie ist weg. Ich habe einen Zauber gesprochen, weil wir dachten es macht die Dinge besser. Ich weiß, dass es schlecht war. Irgendetwas ist schiefgelaufen, Damon. Ich habe keine Ahnung wo sie ist. Ich…“
„Ok, Bonnie, ganz ruhig. Beruhig dich erstmal und dann sagst du mir genau was passiert ist“, unterbricht Damon sie und versucht scheinbar selbst nicht in Panik zu verfallen.
„Ich habe Elena heute Morgen besucht und sie hat mir von letzter Nacht erzählt, und von den Dingen, die sie dir gesagt hat. Sie meinte sie würde gerne alles rückgängig machen. All die Sachen, die ihr Leben seit sie Stefan und dich getroffen hat, auf den Kopf gestellt haben. Ich meinte, ich könnte das möglich machen, indem ich sie in der Zeit zurückschicke, um die Dinge zu verändern. Aber es hat nicht so funktioniert, wie ich dachte. Sonst würden wir jetzt nicht miteinander reden.“ Es entsteht ein langes Schweigen in der Leitung.
„Ich bin in fünf Minuten da“, meint Damon dann mit mühevoll unterdrückter Wut in der Stimme und legt auf, bevor sie noch irgendetwas erwidern kann. Bonnie schluckt kurz und lässt den Hörer ebenfalls einrasten. Jeremy starrt sie unsicher an. Sie weiß, dass er jedes einzelne Wort gehört hat und somit auch vollkommen auf dem Laufenden ist.
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Ich erstarre sofort, als ich Damons Frage realisiere. Katherine. Er hat mich Katherine genannt. Der verwirrte Ausdruck auf seinem Gesicht zeigt mir, dass er eindeutig überrascht ist, so bestimmt zurückgewiesen worden zu sein. Ein Anflug von Sorge erscheint auf seinem Gesicht.
„Katherine, ist alles in Ordnung?“
„Ich bin nicht Katherine!“ Ich hatte es gesagt, ohne weiter darüber nachzudenken. Wäre ich nicht so sauer gewesen, mit meinem manipulativen Doppelgänger verwechselt worden zu sein, hätte ich wahrscheinlich eher erkannt, dass in Sachen Zeitreisen tatsächlich etwas falsch verlaufen war.
Damon trägt nicht seine für ihn so typische schwarze Kleidung. Er hat ein weißes Leinenhemd an, eine braune Weste und eine leicht beschmutzte graue Hose.
Seine Augen, die mich nach wie vor intensiv mustern, unterscheiden sich von denen, in die ich noch vor ungefähr zehn Stunden geblickt habe. In ihnen liegt zwar die typische eisblaue Wildheit, die ich kenne, sie sind jedoch trotzdem in einer Weise anders, sanfter und unschuldiger.
Unschuld. In diesem Moment realisiere ich, dass das hier nicht der Damon ist, den ich kenne. Es ist der Damon von vor vielen Jahren. Der Damon von 1864. Der menschliche Damon, der den Tod und die Blutgier noch nicht erlebt hat. Mein Herz hämmert inzwischen unruhig in meiner Brust, als Panik in mir aufsteigt. Wie bin ich nur hier hergekommen?
„Wenn du nicht Katherine bist, wer bist du dann?“, holt Damon mich in die Realität zurück.
Ich stocke, während ich hecktisch darüber nachdenke, was ich antworten soll. Die Wahrheit zu sagen würde zu viele Fragen aufwerfen, die ich womöglich nicht beantworten könnte. Da ich nicht weiß, wie viel Damon bereits über die übernatürliche Welt weiß, die ihn umgibt, lüge ich.
„Ich bin Katherines Zwillingsschwester, Elena.“
Diese Worte hinterlassen einen sauren Nachgeschmack in meinem Mund. Eine falsche Verbindung zu dem von mir wahrscheinlich am meisten gehassten Vampir zu knüpfen, erscheint mir ziemlich schwierig. Aber es ist die beste Option, die ich habe, um gut aus dieser Situation herauszukommen.
„Katherine hat dich nie erwähnt“, sagt Damon schließlich langsam. Er ist offensichtlich erst jetzt auf meine Kleidung aufmerksam geworden. Ich trage eine blaue Jeans und ein weinrotes Top, sowie braune Sandalen-definitiv nicht die richtige Kleidung für dieses Jahrhundert.
„Ich hatte nichts anderes erwartet“, sage ich, um ihn bewusst abzulenken. „Wir sind seit einigen Jahren zerstritten und haben uns seitdem nicht mehr gesehen. Allerdings haben sich jetzt Umstände ergeben, die es erforderlich machen, dass ich meine Schwester treffe.“
Ich hoffe, dass er sich mit diesen Informationen zufrieden gibt, da ich nicht weiß, wie ich meine Lüge weiter fortsetzten soll. Zu meiner Erleichterung lächelt Damon mich jetzt freundlich an, steht auf und reicht mir seine Hand.
„Nun, Katherine ist heute Nachmittag außerhalb der Stadt unterwegs. Es hätte mich also tatsächlich sehr gewundert, sie hier auf dem Friedhof vorzufinden“, erklärt er. Ich Lächle nun ebenfalls leicht, ergreife Damons Hand und lasse mich von ihm auf die Füße ziehen. „Sie wohnt im Moment bei meiner Familie. Du kannst gerne ebenfalls für eine Weile bei uns bleiben, wenn du möchtest. Katherine müsste heute Abend wieder da sein.“
Auch wenn ich nicht weiß, wie Katherine reagieren wird, willige ich ein. Vielleicht würde ich sie eine Weile umgehen können.
Damon führt mich über den Friedhof und versucht eine höfliche Unterhaltung anzufangen, während wir zum Haus der Salvatores gehen. Er hat Fragen über mich und meine Beziehung zu Katherine. Ich versuche ihm zu antworten und seine Neugier zu befriedigen, ohne mich zu verraten.
Schließlich laufen wir schweigend nebeneinander hier. Eine weiße, ziemlich große Villa kommt in Sicht. Im Augenwinkel sehe ich wie Damon mich unauffällig beobachtet. Ich kann regelrecht fühlen, wie er mich anstarrt und werde rot.
„Und hier wären wir“, sagt er sobald wir das Haus erreicht haben. „Katherines Dienerin, Emily Bennett, dürfte noch da sein. Ich werde ihr sagen, dass sie ein Zimmer für dich vorbereiten soll, bevor ich meinen Vater davon in Kenntnis setzte, dass du eine Weile hier wohnen wirst.“
Als er Emily erwähnt bleibe ich stehen. Wenn mir irgendjemand helfen kann, dann sie. Sie müsste wissen, wie ich zurück in die Zukunft gelangen kann. Schließlich ist sie eine Vorfahrin von Bonnie und damit eine mächtige Hexe.
„Ist irgendetwas?“, fragt Damon, der wahrscheinlich, die Veränderung in meinem Gesichtsausdruck wahrgenommen hat.
„Nein. Nein. Es ist gar nichts“, antworte ich schnell. Er sieht mich immer noch fragend an, scheint sich dann jedoch dagegen zu entscheiden, mich weiter zu bedrängen.
Nachdem wir das gigantische Gebäude betreten habe, führt Damon mich die Treppe hinauf zu einem schlicht eingerichteten wunderschönen Raum. Es ist sicher, dass seine Familie sehr wohlhabend ist. Eine junge Frau mit langen dunklen Haaren sitzt auf einem Holzstuhl in der Nähe des Fensters und liest aus einem Buch, dass ich sofort als das Grimoire identifiziere. Sie schaut auf, sobald wir den Raum betreten und fixiert mich mit ihren dunklen Augen.
„Emily, das ist Katherines Schwester, Elena. Sie wird eine Weile bei uns bleiben. Es wäre wirklich nett von dir, wenn du ihr ein Zimmer im unteren Teil des Hauses einrichten könntest“, meint Damon zu ihr. Dann dreht er sich zu mir um, nimmt meine Hand und küsst sie. Als ich erneut erröte, grinst er.
„Ich werde noch mit meinem Vater sprechen, um ihn davon zu informieren, dass du hier wohnen wirst. Ich hoffe, wir sehen uns beim Abendessen.“ Mit diesen Worten verlässt Damon den Raum und lässt mich mit Emily allein.
Die Hexe, die mich offensichtlich durchschaut hat, eilt an mir vorbei, um die Tür zu schließen. Ihre Augen sind kühl, als sie sich wieder zu mir umdreht. „Wer bist du?“
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