Kapitel 10

„Und was macht man mit so einem Ding, hm?" Damon hält mein schwarzes Handy nachdenklich in die Höhe und sieht mich fragend an. Er hockt auf dem Holzboden meines Zimmers und hat gerade das Versteck unter meinem Bett entdeckt, in dem ich meine „Zukunftssachen" aufbewahre.

Wir verstehen uns dank der abendlichen Aussprache blendend. Es ist mein dritter Tag in dieser Zeit und ich fühle mich langsam aber sicher nicht mehr fehl am Platz-und ich werde das Gefühl nicht los, dass es an Damon liegt.

„Das ist ein Handy." Ich nehme ihm lachend das Telefon aus den Händen. „Damit können wir in meiner Zeit mit Läuten reden, ohne ihnen gegenüberzustehen."

„Ach und das geht einfach so?", meint er und steht auf. Er setzt sich neben mich aufs Bett und schaut mir nachdenklich über die Schulter. „Erstaunlich."

„Ja, aber in dieser Zeit funktioniert es nicht." Ich schüttele schmunzelnd den Kopf und lasse mein Handy in der Nachttischschublade verschwinden.

"Warum nicht?"

"Na ja..." Ich runzle die Stirn. "Du brauchst eine Art Netz, ein Funknetz, indem Signale, die das Handy aussendet, aufgefangen und weitergeleitet werden. Das wird von vielen Metallmasten abgesichert."

Ich sehe amüsierte zu, wie Damon versucht das eben Gesagte nachzuvollziehen. "Du hast kein Wort verstanden, oder?"

"Doch, das habe ich." Damon sieht mich entrüstet an, kann seine ernste Mine jedoch nicht lange aufrecht erhalten. Er rollt die Augen. "Na ja, das Meiste zumindest."

„Elena? Wolltest du mir nicht helfen nach einem Zauber zu suchen?"

Ich zucke zusammen, als Emily plötzlich im Türrahmen erscheint. Sie erstarrt, sobald sie Damon an meiner Seite erblickt.

Ich sehe sie entschuldigend an. „Es tut mir leid, das hatte ich völlig vergessen."

Emily sieht zwischen mir und Damon hin und her, und ein wohlwissendes Lächeln erscheint auf ihren Lippen. „Schon in Ordnung. Vielleicht kann Damon dir helfen."

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hat, seufze ich erleichtert. Damon starrt noch etwas länger auf den Ausgang des Zimmers, bevor er sich mir zuwendet. „Du hast es Emily erzählt?"

Ich nicke. „Sie ist eine Hexe. Ohne ihre Hilfe schaffe ich es nicht zurück."

„Gut, dann werden wir uns heute wohl ein bisschen genauer mit Hexenlektüre beschäftigen müssen", seufzt Damon und steht abrupt vom Bett auf. Er nimmt sich ein Grimoire. Dann setzt er sich wieder neben mich. Ich tue es ihm gleich und lächle schließlich. „Danke."

Damon sieht mich verwirrt an. „Wofür?"

"Für alles. Dafür, dass du mich wie einen Freund behandelst und versuchst mich zu verstehen. Dafür, dass du mir hilfst wieder nach Hause zu kommen."

Damon lächelt warm. „Gern geschehen." Er schweigt kurz. „Denkst du, ich mache mir große Sorgen um dich? In der Zukunft, meine ich."

„Oh ja", stoße ich sofort hervor. „Ich nehme an, du bist gerade am durchdrehen vor Sorge. Ich denke du wirst im Moment dabei sein, Bonnie, Alaric oder irgendjemanden sonst den ich kenne anzuschreien. Mir tut derjenige leid, der in deine Nähe kommt."

Damon sieht jetzt etwas verletzt aus. „Bin ich so schlimm?", fragt er vorsichtig.

Ich schüttele lächelnd den Kopf. Er ist verunsichert und das finde ich aus irgendeinem Grund niedlich. Ich habe Damon noch nie unsicher gesehen.

Dann zwinge ich mich jedoch um eine ernste Mine. „Du bist ein Vampir und kannst teilweise ziemlich furchteinflößend sein", gebe ich zu. „Du magst es nicht, wenn du als nett oder emotional eingestuft wirst, obwohl du es eigentlich bist."

Ich sage diese Worte mit größter Überzeugung, da ich mir sicher bin, dass sie stimmen. Ich weiß, wie unberechenbar Damon sein kann, wenn er Angst hat oder sich um irgendjemanden sorgt. Ich weiß aber genauso gut, dass all das nur eine Maske ist, ein Schauspiel. Er will mit seiner arroganten und teilweise angsteinflößenden Art Menschen von sich stoßen. Er will versuchen seine Gefühle zu unterdrücken. Ich wünschte einfach, er würde häufiger den Menschen hinter dem Vampir zeigen. Den Mann von 1864.

Ich sehe Damon an, der in diesem Moment genauso in seinen Gedanken verloren ist, wie ich. Es dauert einen Augenblick, bis er schließlich das Wort ergreift. „Du meintest wir seien in deiner Zeit Freunde", sagt er jetzt sehr ernst. „Erzähl mir von uns."

Ich überlege kurz und versuche mir meine Erlebnisse mit Damon ins Gedächtnis zu rufen. „Einmal hatte ich einen schlimmen Autounfall. Es war Nacht und da stand plötzlich ein Mann auf der Straße. Ich wollte ausweichen und habe die Kontrolle verloren. Mein Auto überschlug sich und ich saß fest." Ich schweige einen Moment, um Damons Reaktion zu beobachten. Schließlich habe ich Autos noch nicht erwähnt. Doch er unterbricht mich nicht. Scheinbar möchte er zuerst die komplette Geschichte hören. „Der Mann auf der Straße war ein Vampir und kam direkt auf mich zugelaufen. Er hätte mich wahrscheinlich getötet, wärst du nicht dagewesen. Du hast mich damals gerettet."

Damon grinst breit. „Ja, das klingt ganz nach etwas, das ich tun würde."

Ich verkneife mir einen Kommentar, über seine zu dieser Zeit eher rare Hilfsbereitschaft. „Ja und dann hast du mich nach Georgia gebracht und in eine Bar mitgenommen."

„In eine Bar?", fragt Damon entrüstet und unterbricht mich damit zum zweiten Mal. „Wirklich? Eine Bar?"

„Ja und das ist in meiner Zeit ganz und gar nicht untypisch für dich." Ich sehe ihn streng an. „Lässt mich jetzt die Geschichte erzählen?"

„Ja, natürlich." Er nickt. „Tut mir leid."

Ich lehne mich zufrieden zurück. Kein sarkastischer Kommentar. An diesen Damon und seine Höflichkeit könnte ich mich wirklich gewöhnen. „Wir hatten Spaß. Es war das erste Mal seit Langem, dass ich wirklich Spaß hatte. Ich denke, in dieser Nacht sind wir Freunde geworden." Ich denke nach. „Mein Leben war zu dieser Zeit sehr stressig und kompliziert. Du musstest mich überreden mitzukommen. Du meintest, ich solle eine Minute Pause von allem machen. Ich bin froh, dass ich eingewilligt habe."

„Ich bin immer gern zur Stelle", meint Damon arrogant. Er schweigt kurz. „Ist dein Leben seitdem besser geworden?", fragt er nun deutlich ernsthafter.

„Nein." Ich schüttele frustriert den Kopf. „Aber ich bin froh hier zu sein... mit dir", ergänze ich sofort und irgendwie automatisch. Es ist, als würde mich das Leben in dieser Zeit, meine Sorgen vergessen lassen. Als würde das Zusammen sein mit ihm mich glücklich machen. Ich sehe tief in seine eisblauen Augen in denen jetzt Verwunderung liegt. „Du hattest recht, als du meintest, ich hättet dich im Jahr 1864 kennenlernen sollen."

Damon mustert mich abschätzend. „Ich verstehe nicht. Wieso sollte ich so etwas zu dir sagen, wenn wir nur Freunde sind?", sagt er jetzt sehr leise, so leise, dass ich wünschte es wäre nur Einbildung.

Ich rutsche unruhig auf dem Bett hin und her. Da hätten wir es. Das Thema, was ich bis jetzt erfolgreich gemieden habe. „Das kommt daher weil... wir Freunde sind; aber das heißt nicht..." Ich bemerke, dass ich stottere und schweige einen Moment, um meine Gedanken zu ordnen. „Du liebst mich", stoße ich schließlich hervor. Ich bemerke, dass es in Damons Augen aufblitzt, wie eine Erkenntnis oder die Bestätigung einer Tatsache, in der er sich bis jetzt noch nicht sicher war. Ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. „Du wolltest schon immer mehr als Freundschaft, aber ich habe dich auf Abstand gehalten, weil ich mit Stefan zusammen bin."

„Empfindest du etwas für mich?", unterbricht Damon mich. Da ist sie wieder diese Unsicherheit in seinen Augen. Ich weiß, dass es ihm sehr wichtig ist, was ich auf seine Frage antworte. Ich schlucke. Empfinde ich etwas für ihn? Vor ungefähr einem Tag hatte ich dasselbe Gespräch mit Stefan. Inzwischen kenne ich die Antwort auf diese Frage, doch ich scheu mich davor, sie zuzugeben. Nein, ich darf einfach nicht so denken.

„Das spielt keine Rolle", stottere ich und sehe ihn entschuldigend an.

„Natürlich spielt es eine Rolle!" Damon rückt näher zu mir heran und ergreift mit seinen Händen mein Gesicht. Er durchbohrt mich mit seinem Blick. „Elena, empfindest du etwas für mich?"

„Ja, das tue ich seit du mich damals vor dem Vampir auf der Straße gerettet hast", schrei ich fast und Tränen steigen mir in die Augen. „Ich darf aber nicht so fühlen. Ich darf nicht so sein wie sie."

„Wie wer?"

"Wie Katherine!", stoße ich aufgebracht hervor. Mir ist das plötzlich alles zu viel. Ich empfinde etwas für Damon, ein Gefühl, das weit über Freundschaft hinausgeht. Jetzt, wo ich es zugegeben habe, ist es, als würde eine Last von meiner Seele fallen. Andererseits bin ich immer noch mit Stefan zusammen. Ich kann ihm das nicht antun, sonst bin ich nicht besser als Katherine. Ich habe mich doch für Stefan entschieden.

Damons Blick wird weicher. Er zieht mich näher zu sich heran und streicht mit meinen Daumen sanft über meine Wangen. „Du bist nicht Katherine", flüstert er.

Erneut steigt diese bekannte Wärme in mir hoch und ein Schauder überläuft meinen Körper. Ich liebe Stefan. Ich liebe Stefan. Diesen Gedanken wiederhole ich verzweifelt in meinem Kopf, doch er erscheint mir plötzlich nicht mehr so aussagekräftig, wie er es noch vor ein paar Monaten gewesen ist.

Vor allem nicht in dieser Situation. Wenn Damons stahlendblaue Augen in meine blicken und unsere Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt sind. Wir bewegen uns nicht und starren einander verwundert an. Währe es jetzt so falsch Damon zu küssen? Ich senke meinen Blick auf seine Lippen und lasse ihn dann wieder zurück zu seinen Augen wandern. Mein Herz hämmert inzwischen wie ein Vorschlaghammer in meiner Brust und mein Atem beschleunigt sich.

Ich beobachte unter halb geschlossenen Liedern, wie Damon sich nach vorne lehnt. Sein Atem liegt heiss auf meinem Gesicht, doch er hält inne, kurz bevor unsere Lippen sich berühren. Es ist, als würde er um Erlaubnis fragen.

Ich nicke leicht und lehne mich ebenfalls nach vorne. Meine Lieder schließen sich, sobald meine Lippen die seinen finden.

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