14 | Das Wiedersehen. (1/2)

NISAN

Es war ziemlich kalt. Ich kuschelte mich feste in die schwarz gehaltene Jacke und beobachtete, wie der Atem in Gestalt kleiner, halbtransparenter Wolken in die Atmosphäre emporstieg. Ich hustete, zitterte ein bisschen vor mich hin. An die kalte Jahreszeit hatte ich mich noch nicht gewöhnt, die letzte Zeit generell drin verbracht.

Als ich genug von den umliegenden Neubauten und dem glitzernden Tau auf der Wiese hatte, trat ich einen Schritt zurück. Ich beschloss, wieder rein zu gehen und mir einen Tee, irgendwas Warmes zu gönnen. Den Blick richtete ich stets auf den Fußboden, trippelte auf bloßen Zehnspitzen über die Türschwelle... und stieß gegen einem starren Oberkörper, der mich wie eine Wand abprallen ließ. »Was zum...?!«, fluchte ich, verstummte allerdings.

Als ich aufschaute, blickte ich in müde, braune Augen. Die Tür fiel ins Schloss. Ich versuchte, ihm keine Beachtung zu schenken, allerdings schlich sich gleich darauf ein breites Grinsen über seine Lippen, was bedeutete, dass er mich in ein Gespräch einbinden würde. »Ich dachte, wir hätten hier einen Einbrecher«, flüsterte Onur. Meine Augenbrauen verzogen sich gleich darauf. »Einbrecher... um acht Uhr, wenn es gerade hell wird?«

»Sag niemals nie«, stammelte Onur. 

»Sage ich doch gar nicht«, meinte ich. Wir verfielen in stilles Gelächter.

Ich striff die Jacke vom Körper und hing sie in eine kleine Garderobe zu den restlichen Mänteln. Die Jacke war für Männer zugeschnitten und mir somit drei oder vier Nummern zu groß. Onur sah mich mit tiefer Verwunderung an, richtete seinen Blick kurz darauf auf die Uhr an seinem Arm. »Ich will Brötchen holen und ein paar Dinge einkaufen. Hast du Lust, mitzukommen?«
»Würde ich ja, aber Gönül...«, erklärte ich. »Sie sieht uns nicht gern miteinander. Du baggerst ihre Freundinnen an.« Onur lachte, tat aber keine besondere Mühe damit, den Vorwurf abzuweisen. »Nisan, du bist Familie. Wenn ich Interesse an dir hätte, würde ich es dir sagen. Wir holen nur Essen, mehr nicht. Bist du dabei?«

Reflexartig musterte ich die Umgebung, fixierte die Treppe und einzelnen Raumeingänge, nur um festzustellen, dass uns zweien niemand zuhörte. Als ich mir ganz sicher war, gab ich mich seinem Angebot schließlich doch geschlagen. Ich hoffte, dass ich nicht allzu verkrampft und unsicher wirkte. »Okay, sie schläft bestimmt noch. Darf ich mir deine Jacke nochmal ausleihen?«

Onur begegnete meiner Aussage mit einem bereitschaftlichen Nicken. Er half mir sogar in die Jacke, als ich mich ganz merkwürdig in den Ärmeln verfing. Mit gemischten Gefühlen hinsichtlich Gönül, folgte ich Onur bis zu seinem Auto, einem silbernen Opel Corsa, in welchem ich mich behutsam auf den Beifahrersitz sinken ließ. Die Autotür schmiss ich jedoch lauter als geplant zu.

Onur hob die linke Augenbraue an und kicherte. »Dafür, dass Gönül uns nicht sehen soll, bist du viel zu laut.« Ich schnallte mich an und schaute zunächst griesgrämig drein. Allerdings lockerte sich meine Miene, als Onur mir einen seichten Anschubser gab, bevor er den Wagen startete. »Welche Musik hörst du, Nisan?«

»Hast du was von Beyoncé, oder so?«

»Beyoncé?«, erkundigte er sich gespannt. »Nö, so was höre ich nicht. Aber wir können was von Müslüm Gürses hören!« Ich zögerte kurz; Onurs Zeigefinger stoppte vor dem Display. »Nein«, funkte ich dazwischen. »Den mag ich gar nicht so. Rihanna vielleicht?«, hakte ich nach. Kopfschütteln. »Oh, oder dieses eine Lied von Ed Sheeran....« Onur schritt mir ins Wort. »Was willst du mit dem westlichen Kram? Das ist billig produzierte Musik, Nisan. Wir hören gute, türkische Musik.«

Ich zuckte zurück und kniff die Augen zu dünnen Schlitzen zusammen. Ohne mir noch weiterhin zuzuhören, bestimmte Onur die Musik und schaltete über sein Handy, das über ein Kabel mit dem Radio verbunden war, eine alte, türkische Ballade ein. Balladen, die unerwiderte Liebe, Verlust oder ein gebrochenes Herz thematisieren. Das war die Art türkische Musik, die ich schier abscheulich fand.

Während ich mein Bestes daran tat, ihm nicht zuzuhören, rundete Onur die Geräuschkulisse im Auto mit asynchronen und schiefen Gesangseinlagen ab. Er vergaß regelmäßig den Text, was er äußerst unelegant löste, indem er irgendeinen Kauderwelsch, auf jeden Fall nicht Türkisch, dahin nuschelte. Ein Glück befanden sich die Fensterscheiben oben. So bekam keiner der Fußgänger Onurs Gesang mit.

Wenige, aber anstrengende Minuten vergingen, bis wir endlich die Feinbäckerei am anderen Ende des Stadtviertels erreichten. Während der kurzen Fahrt mit dem Auto hatten wir uns nicht besonders viel miteinander unterhalten. Erst, als Onur sich abschnallte und die Autotür öffnete, glitt ich aus meiner Abwesenheit und bemerkte, dass die Musik bereits verstummt war. Beinahe widerwillig wand ich mich vom Beifahrersitz und begab mich zu ihm nach draußen in die Kälte.

»Wo ist dein Lächeln hin?«, fragte er mit angehobenen Mundwinkeln. Ich verdrehte die Augen, aber erwiderte Onurs Lächeln, um zu signalisieren, dass ich die Autofahrt überlebt hatte. Gemeinsam betraten wir die gut besuchte Bäckerei, in der sich die Verkäuferin mit einer Kundin unterhielt. Sie schweifte vom Gespräch ab, um uns mit strahlenden Augen zu begrüßen. Dann waren wir auf uns allein gestellt. Hier drin war es warm; es roch nach frischem Gebäck aller Art und zu meiner Rettung lief englischsprachige Musik.

Während ich die riesigen Laibe Brot auf den Tabletts an der Wand fixierte, fixierte Onur einen der kleinen Tische vor den Fenstern des Ladens. »Hast du Lust, einen Kaffee zu trinken?«, fragte er mit forderndem Unterton. Um unscheinbar zu wirken, wischte er sich ein paar dunkle Locken aus der Stirn. Obwohl ich dazu angehalten war, abzulehnen, kam mir im selben Augenblick meine Müdigkeit in die Quere. Ich gähnte in den Jackenärmel und zuckte mit den Schultern. »Ein Kaffee würde nicht schaden, denke ich. Aber nur einen.«

Als Antwort wanderte Onur in kleinen Schritten zum Glastisch und rückte mir ganz vornehm den Sitzplatz zurecht, den er für mich vorsah. In seinen unschuldigen, dunklen Augen lag zum einen derselbe konsequente Glanz, welchen ich im Auto vernommen hatte; andererseits aber die gut gemeinte und gastfreundliche Miene, die mir das Gefühl von Willkommenheit schenkte. Wie etwa, als er mir bei Gönül seine bedingungslose Hilfe angeboten hatte. Ich ließ mich auf das Leder des Stuhles sinken und zog die Jacke aus.

»Der Kaffee kommt gleich«, teilte Onur mir mit, als er nach wenigen Augenblicken zurückkehrte und ebenfalls Platz nahm. »Tut mir leid wegen eben. Das im Auto war dumm von mir.« Ich nickte überrascht. Eine Entschuldigung hätte ich von ihm nicht erwartet. »Ist okay. Geschmäcker sind unterschiedlich, glaube ich... vor allem bei Musik.«

Es sollte jedoch nicht mehr allzu lange beim Thema Musik bleiben. Onur musterte mich die ganze Zeit, was mich äußerst verlegen stimmte. Ich rührte mich nicht, traute mich aber auch nicht, mich nach dem Grund zu erkundigen. Bis er eigenständig mit der Sprache herausrückte.

»Du flüchtest also einfach so vor deinem Mann... und trägst weiterhin euren Ehering? Vermisst du ihn etwa?« Unangenehm berührt warf ich einen Blick in die unmittelbare Umgebung, nur um zu bemerken, dass niemand direkt unserem Gespräch lauschte; ich zischte, um Onur dazu zu bringen, leise zu sprechen. Mein Blick wanderte langsam auf meine Hand, dessen Ringfinger zart vom weißgoldenen Schmuckstück geziert wurde. »Darf ich ihn sehen?«, fragte er.

Tapfer nickte ich. Ich musste vergessen haben, dass noch immer der Ehering an meinem Finger klaffte. Zugegeben saß dieser ein wenig zu fest und gefiel mir in seinem Erscheinungsbild nicht sehr. Er war klobig und stach seinem Betrachter direkt ins Auge. So konnte jeder sehen konnte, dass ich verheiratet war. Zentral befand sich darauf ein grüner Smaragd, der die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Alles halb so wild, wäre da nicht die seitliche Gravur. Insgeheim hoffte ich, Onur würde sie nicht erkennen. Aber das tat er und las sie laut vor.

»Nisan und Salman«, las er vor, während er meinen Ringfinger in seinen Händen wog. Von außen konnte es fast so aussehen, als steckte Onur mir gerade einen Ring an, gerade deshalb stürzte ich mich gedanklich in Stress und Unbehagen. Einen Moment später ließ Onur von meiner Hand ab und distanzierte sich. »Ich hoffe, dass ich niemals gegen meinen Willen verheiratet werde. Ich weiß gar nicht, was ich tun würde... ich kann mich nicht mal gegen meine Mutter durchsetzen.«

Mit dem Zucken beider Schultern quittierte ich Onurs Anstoß. »Was die Eltern sagen, ist bei uns Türken doch Gesetz«, flüsterte ich und griff nach dem kleinen Kerzenlicht, welches die Mitte des Tisches zierte. »Das dachte ich zumindest, bis ich Salman heiraten musste. Am Tag danach wollte... konnte ich nicht mehr. Ich musste weg. Einfach weg von ihm, diesem fremden Mann. Und dann...« Die Kerze im Glas rutschte aus meinen Händen und rollte gen Tischkante. Onurs guten Reflexe verhinderten, dass die Kerze vom Tisch fiel. Ein Glück. »Es ist okay, Nisan. Denk nicht zu viel darüber nach, denn du bist deinem Gewissen gefolgt. Das erfordert viel Mut, verstehst du?«

»Ja, verstehe ich«, murmelte ich. »Es ist nur...«
Ich stoppte, als uns die Verkäuferin die beiden Tassen Kaffee vorbeibrachte. Bevor wir über den Kaffee herfielen, wiederholte Onur meine Worte: »Es ist nur... was

»Es ist seltsam, Onur. Zuerst kettet man mich an jemanden, der mich fast umbringt, und dann treffe ich einfach meinen Ex. Nicht mal der lässt mich in Ruhe, hat sich aber damals noch mir nichts, dir nichts aus dem Staub gemacht. Im Krankenhaus war er die ganze Zeit bei mir und ist mir nicht von der Seite gewichen.«

Onur schüttete enorm viel Milch in seinen Kaffee. Da er einen eher abwesenden Eindruck machte, vermutete ich, dass meine Worte nicht bei ihm angekommen waren. Das war okay für mich, schließlich wollte ich mich ungern in den Mittelpunkt unseres Gespräches drängen. Ich musterte ihn noch eine Weile und widmete mich dann schließlich meinem Kaffee. Diesem rührte ich ein wenig Zucker und einen Schuss Milch bei, ehe ich einen Schluck davon nahm. Doch als er sein Handy zückte und begann, Nachrichten zu schreiben, platzte mir der Kragen.

»Wieso sage ich dir überhaupt?«, fragte ich, als Onur das Handy zückte und anfing, Nachrichten zu schreiben. »Du hörst mir nicht zu.« Onur ließ das Handy wieder in seine Hosentasche sinken. »Sorry, das war wichtig. Ich habe dir zugehört. Du hast dich über die ganzen Typen in deinem Leben aufgeregt.« Wenn du das so nennst, okay. Widerwillig stimmte ich ihm zu und ließ mich weiter zurück in die Lehne des Stuhles sinken, von wo aus ich ihn beobachtete.

»Du tust so, als sei dein Ex ein Stalker«, lachte Onur mir ins Gesicht. Er grinste und versuchte, auch meine Miene zu beeinflussen. »Es ist ja nicht so, als würde er im nächsten Moment den Laden betreten.« Ich hoffte es sehr. Nichts war mir im Augenblick unangenehmer. Wir wechselten keinen Ton mehr, bis Onur nach einer Weile verkündete: »Ich muss mal. Kann ich dich hier allein lassen?«

Ich summte ein unbekümmertes »Ja, geh ruhig« in seine Richtung und beobachtete ihn, bis er verschwand. Zunächst spielte ich mit den Gedanken, meine Sachen zusammen zu packen und mich aus dem Staub zu machen. Bei all dem unhöflichen Verhalten besaß ich ein gutes Recht darauf. Von seinem gutem Benehmen am Abend war nicht viel übrig geblieben.

Nachdem wir den Kaffee ausgetrunken, das Brot gekauft und die Bäckerei verlassen hatten, hatte ich eigentlich keine Lust mehr, Onur weiter zu begleiten. »Ich kehre um. Nimm's mir nicht übel, aber du bereitest mir Kopfschmerzen«, murmelte ich. Auf seinen fragenden Blick hin lieferte ich seine Erklärung. »Du kritisierst die Musik, die ich mag, okay, ist auch Geschmackssache. Aber dass du mir nicht mal zuhören kannst, ohne dein Handy zu holen und währenddessen Nachrichten zu schreiben... tut mir leid, das ist respektlos.«

Ich kehrte ihm den Rücken. Ich vernahm ein paar Sekunden später nur noch das Knallen der Autotür. Es sollte mir recht sein. Bis zu Gönül waren es nur zehn Minuten Fußmarsch, es würde also gar nicht allzu lange dauern. Wenn ich nur nicht so gut darin gewesen wäre, mich von der Umgebung ablenken zu lassen.

• • •

Die alten Gebäude des Viertels waren mir nur allzu bekannt. Nahtlos aneinander reihten sich kleine türkische Kneipen und Sportcafés, Bars und Restaurants. Wettlokale, Dönerbuden. Vor ein paar Jahren existierte hier eine nennenswerte Dichte an Frisörsalons, die sich im Zuge starker Baufälligkeit und Konkurrenz nach und nach in Luft aufgelöst hatte. Die Fassaden der Häuser waren von hartnäckigem Dreck, der Bordstein von Unkraut und Rissen im Teer geprägt. Wie befremdlich, dass Gönül und ich Teile unserer Jugend damit verbracht hatten, hier um die Häuser zu ziehen.

Ich ließ etwa die Hälfte des Weges hinter mir, bis ich eine schmale, schlecht geteerte Wegkreuzung erreichte. Der Blick auf die üppig bewachsenen Baumkronen und Tannen, sowie die frische Waldluft verliehen mir ein wohliges Gefühl und lenkten mich zeitweise von der bitteren Kälte ab. Es dauerte nicht lange, bis ich mich selbst davon überzeugte, mich in Richtung Waldlichtung zu begeben. Diese war mir ebenfalls bekannt. Aber aus anderen Gründen.

Zugegeben: An Ausdauer mangelte es mir. Auf dem Weg nach oben musste ich innehalten, da mir der Körper einen Strich durch die Rechnung machte. Der Wald lag auf einem kleinen Hügel, von welchem man das Viertel überblicken und sogar Gönüls Wohnhaus erkennen konnte. Ich ging weiter, blieb aber zunächst vorsichtig.

Grashalme, kleinere Äste und gelbbraunes Laub knirschten unter meinen Schuhsohlen. Neben meinen Schritten war lediglich der Gesang der Vögel zu vernehmen. Sonst blieb es ruhig. Ich blickte nach links und erkannte nichts Weiteres als ein unberührtes, dicht bewachsenes Biotop. Ich blickte nach rechts und erkannte eine alte, morsche Parkbank, die ihre besten Zeiten schon lange hinter sich gelassen hatte und in Begriff war, jederzeit in ihre Einzelteile zu zerfallen.

Ich schritt ein Stück näher heran. Ja, diese Bank hatte schon bessere Zeiten mitgemacht, und zwar deutlich. Auf dem aufgeweichten Holz befand sich einiges. Unliebsame Kritzeleien, Gedanken wirrer Köpfe und eingemeißelte Zahlen auf der porösen Oberfläche. Mit den Fingerkuppen überprüfte ich, ob die Bank nass war, aber nein, sie war erstaunlicher Weise noch trocken, was mich dazu brachte, Platz zu nehmen. Es war unsere Bank.

»Das ist nur unser Ort, Nisan. Wenn wir hier sind, kann uns niemand was. Aber versprich mir eins: Warte auf mich. Wo du bist, bin ich nicht weit entfernt.«

Ich spüre, wie du deine starken Arme um mich legst. Deine Lippen sind so warm, als sie auf meiner Stirn auftreffen. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich heute geschminkt bin. Aber nein, tut es nicht. Du küsst mich wieder und wieder und ich verliere mich in dir. Wir reden nicht miteinander, aber ich presse mich an deinen Oberkörper, damit du mich nicht, nie wieder verlässt. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch gar nicht, dass du nie wieder zu mir zurückkehren wirst. Aber ich liebe dich, wie könnte ich daran denken, dass du mich verlässt?

»Liebst du mich wirklich, Adnan?«

»Hast du mich denn wirklich geliebt?«, flüsterte ich leise vor mich hin. Mein Blick sank auf das verworrene Holz auf der Lehne. Ich sah genauer hin. Im Holz eingeritzt befand sich ein A für Adnan, gleich daneben ein N für Nisan. Mir war klar, eigentlich war ich längst über ihn hinweg, und doch ging in mir etwas Seltsames vor, als sich meine Finger auf die beiden Buchstaben legten. Mit den Fingerkuppen rieb ich eine Schicht dünnes Moos weg und legte einen kleinen Zusatz frei. Ein Datum. Das Datum, an dem wir uns das erste Mal geküsst hatten. Unser Datum hatte er damals mit seinem Haustürschlüssel eingeritzt. 26.07.15.

Seitdem waren mehr als vier Jahre ins Land gezogen. Vier Jahre, in denen ich keinen anderen Mann in mein Leben gelassen hatte. Vier Jahre, in denen ich Adnan für seine Unehrlichkeit und Untreue verteufelt, mich mit den wesentlichen Dingen beschäftigt hatte. Das war aber auch die Zeit gewesen, in der ich von der Volljährigen zur Erwachsenen wurde. Meine Brüder heirateten nacheinander rekordartig schnell die Töchter guter Bekannter. Schnell wurde klar, dass auch ich irgendwann dran war. Meine Familie war in Begriff, mir das hart erkämpfte, freie Leben zu nehmen.

»Na, sieh mal einer an«, raunte eine tiefe Stimme, die ihr Echo im Wald fand. »Dass ich gerade dich hier treffe, hätte ich nicht mal im tollsten Traum erwartet.« Ich fuhr zurück. Blinzelte ein, zweimal kräftig, bis ich merkte, dass er wirklich vor mir stand. Mütze, Dreitagebart, Trainingsanzug. Genau sein Style. Adnan kleidete sich entweder sportlich oder elegant. So wie damals auch. Er hatte sich nicht sonderlich verändert.

Aber wie war es möglich, dass Adnan genau in dem Moment auftauchte, in dem ich zufällig vorbeisah? Bisher hatte ich nicht an schlechte Zufälle geglaubt. Doch er stand direkt neben mir.
Und würde mich ins Gespräch einlullen wollen. Egal, wie unangenehm mir das Treffen war.

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