Lebenszeichen
Damian P.O.V.
Ich sitze gerade hinter meinem Schreibtisch in meiner Praxis und schaue mir die Unterlagen der nächsten Patientin an. Seit der erneuten Flucht von Kathrin habe ich mich in die Arbeit gestürzt und nur noch wenig Kontakt mit der Außenwelt. Selbst zu Bob und Elaine halte ich nur lockeren Kontakt, weil sie mich einfach zu sehr an sie erinnern. Anfangs habe ich Kathrin noch jeden Tag geschrieben, weil ich gehofft habe das meine Nachrichten doch ankommen. Leider ist meine Hoffnung wie eine Seifenblase geplatzt. Ich habe seit fast 6 Wochen nichts mehr von ihr gehört und mache mir Sorgen um sie. Ich weiß nicht wo sie ist, ob es ihr gut geht oder sie wieder den Drogen verfallen ist. „Mister Miller. Ich habe einen Anruf für sie, der sich sehr dringend anhört." höre ich meine Mitarbeiterin durch die Gegensprechanlage. Ich seufze auf und streiche mir durch die Haare. „Miss Bloom ist bereite mich gerade auf meine nächste Patientin vor und will nicht gestört werden. Bitte vertrösten Sie den Anrufer. Ich werde zurückrufen." antworte ich. Als Sie mir das bestätigt hat, stehe ich auf und schaue aus dem Fenster meines Büros. Ich sehe die blühenden Bäume und ein Einhörnchen über die Wiese rennen. Der Frühling hat in St. Louis Einzug gehalten und lässt die Natur wieder aufleben. Ich wünschte bei mir wäre es auch so. Früher haben Kathrin und ich die ersten Sonnenstrahlen genutzt, um draußen zu joggen oder zu picknicken. Ich vermisse meine Zwillingsschwester so sehr. Plötzlich höre ich wieder die Stimme von Muss Bloom „Entschuldigen Sie Mister Miller. Der Anrufer lässt sich nicht abwimmeln. Er ist sehr hartnäckig. Er sagt es geht um ihre Schwester Kathrin.". Ich drehe mich zum Schreibtisch und stürze fast auf die Gegensprechanlage zu „Stellen Sie ihn durch.". Mein Telefon klingelt und ich nehme schnell den Hörer ab. „Hallo Damian." höre ich die vertraute tiefe Stimme von Bob. „Hallo Bob. Ist etwas mit Kathrin passiert?" antworte ich aufgeregt. „Ihr geht es gut. Ich habe heute eine Email von ihr erhalten, die ich dir gern vorlesen möchte. Kannst du bitte vorbeikommen?" sagt er. Ich lehne mich zurück und schnaube aus. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten habe. ‚Ihr geht es gut' denke ich erleichtert. „Ich bin gegen 14 Uhr bei euch. Ich habe noch einen Termin und fahre dann los." informiere ich ihn. „Okay. Fahr vorsichtig." sagt er und beendet das Gespräch. Ich lege den Hörer auf und ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Kathrin hat sich endlich gemeldet und ihr geht es gut. Ich hoffe in der Email steht wo sie ist und das sie wieder zurückkommen wird. Ich will meine Schwester zurückhaben und wieder ein Teil ihres Lebens sein. Meine Gedanken schweifen zu Randy und meine Hände ballen sich zu Fäusten. Ich hätte sie niemals zu ihm gehen lassen sollen. Ich habe gehofft, dass die Beiden glücklich als Paar werden. Doch was hat er gemacht? Er hat sie enttäuscht und ihre Gefühle verletzt. Und das nicht nur einmal. Ich habe mich in meinem ehemaligen besten Freund geirrt. Nachdem Kathrin gegangen ist, habe ich nur noch einmal mit ihr gesprochen. Ich habe ihn zu Hause besucht und wurde von seiner neuen Freundin begrüßt. Ich war völlig geschockt, dass er sie so schnell ersetzt hat. Er hat mir etwas von großer Liebe erzählt und jetzt wohnt die dumme Kuh bei ihm. Als er mir seine Gründe erzählt hat und dabei nur noch abwertende Worte für Kathrin übrig hatte, bin ich völlig ausgeflippt. Ich habe ihm einen Kinnhacken verpasst und ihm die Freundschaft gekündigt. Ich wünsche ihm alles Schlechte auf der Welt. Diese Sam und er haben sich wirklich verdient. Ich werde durch das Klopfen an meiner Tür aus meinen Gedanken geholt. Meine Patientin ist da und ich muss mich jetzt auf sie konzentrieren. Nach einer Stunde sind wir fertig und vereinbaren einen neuen Termin. Ich vermerke den Gesprächsinhalt und meine Gedanken dazu. Ich schließe die Akte weg und teile Miss Bloom mit, dass ich jetzt außer Haus bin. Zum Glück hat mein letzter Termin heute abgesagt und somit habe ich jetzt frei. Ich fahre zu dem Haus der Ortons und packe in der Einfahrt direkt hinter dem Auto von Bob. Ich atme tief durch und betätige die Türklingel. Nach kurzer Zeit wird die Tür regelrecht aufgerissen und eine blasse Elaine steht vor mir. „Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Wir haben dich vermisst Damian." sagt sie mir leiser Stimme und ihre Augen sind wässrig. Ich gehe auf sie zu und nehme sie fest in den Arm. „Es tut mir leid. Ich musste allein sein und meine Gedanken sortieren. Ich vermisse sie so schrecklich. Ich habe das Gefühl nicht mehr vollständig zu sein. Ich hatte sie doch nach 15 Jahren doch erst wieder zurückbekommen und jetzt ist sie weg." flüstere ich und kämpfe ebenfalls mit den Tränen. Sie nickt und streicht mir beruhigend über den Rücken. „Komm rein Damian. Lasst uns im Wohnzimmer in Ruhe reden." höre ich Bob hinter uns sagen. Ich hebe meinen Kopf und schaue meinen Ersatzvater an. Ich löse mich von Elaine und wir gehen ins Wohnzimmer. Ich lasse mich auf die Couch fallen und Bob neben mich. Elaine hat sich in den Sessel gesetzt und knetet ihre Hände. Ich sehe das Macbook auf dem Couchtisch stehen und fühle Nervosität aufsteigen. „Bevor wir reden, zeige ich dir die Email von ihr. Bitte bleib ruhig und lies sie genau durch." sagt Bob und gibt mir das geöffnete Macbook. Ich sehe als Erstes den Namen von Kathrin und muss leicht schlucken. Ich atme tief durch und fange an zu lesen.
Mail Kathrin:
„Lieber Dad,
du machst mich mit deiner Mail sehr glücklich. Ich vermisse euch auch und denke jeden Tag an euch. Ich bin nach einem kurzen Zwischenstopp in London nach Tokio geflogen. Ich habe für eine alte Kanzlei eine Zweigstelle in Tokio eröffnet, die bisher sehr erfolgreich ist. Mir geht es hier sehr gut und ich gehe in meiner Arbeit auf. Ich wünschte ich wäre näher bei euch, aber derzeit könnte ich es nicht ertragen. Ich will nicht auf ihn treffen oder auf seine glückliche Familie. Überraschenderweise hilft mir deine Information wirklich beim Abschließen mit Randy. Er hat mich nicht verdient und das ist mir endgültig klargeworden. Danke Dad. Ich finde es traurig, dass ihr keinen Kontakt mehr mit ihm habt aber ich kann eure Entscheidung verstehen. Vielleicht kommt er irgendwann zur Besinnung. Ich habe einen wirklich netten Mann in London kennengelernt, der mich auch nach Tokio begleitet hat. Er heißt Aiden Montgomery und ist ebenfalls Anwalt. Ihr würdet ihn mögen. Er macht mich glücklich und lässt meine Wunde langsam heilen. Er hat sich in mich verliebt. Ich mag ihn sehr gern und scheine mich auch langsam in ihn zu verlieben. Ich werde es langsam angehen, weil mein Vertrauen in die Männerwelt sehr erschüttert ist. Ich will auch ein Teil eures Lebens sein. Ich habe euch meine neue Adresse in Tokio und London beigefügt und hoffe ihr kommt mich vielleicht besuchen. Irgendwann werde ich auch nach St. Louis kommen, aber dafür brauche ich noch Zeit. Meine Handynummer habe ich behalten, aber euch alle geblockt. Wenn du diese Mail liest, habe ich die Blockierung aufgehoben. Bitte gib Mum einen Kuss von mir und drücke Damian ganz fest von mir. Ich bin in Gedanken immer bei euch.
Euch über alles liebende Kleine"
Ich fühle wie mir die Tränen über die Wangen laufen und wische mit dem Ärmel meines Hemdes darüber. „Sie ist in Tokio, hat eine Kanzlei aufgebaut und einen neuen Mann kennengelernt. Wow." flüstere ich. „Ja und ihr scheint es gut zu gehen. Sie hat die Blockierung wirklich aufgehoben. Wir haben heute Morgen mit ihr geschrieben. Sie ist in einem SPA mit Aiden und verbringt dort ein entspanntes Wochenende." sagt Elaine und lächelt leicht. Ich nicke und lächle sie an. Mir fehlen die Worte. Sie hat sich gemeldet, aber befindet sich an der anderen Seite der Welt. Dieser Bastard hat sie von uns weggetrieben. „Was denkst du Sohn?" fragt mich Bob. Bei dem Wort Sohn muss ich noch mehr lächeln. Seit unsere Eltern gestorben sind, haben Elaine und Bob uns wie ihre eigenen Kinder behandelt. Sie nennen uns sogar Sohn und Tochter. „Ich bin froh das es ihr gut geht, aber auch stinkwütend auf Randy. Sie ist nach Tokio geflüchtet, weil er sie verletzt und betrogen hat. Es tut mir leid, aber euer Sohn ist ein elendiger Bastard ohne Herz." sage ich und knurre am Ende fast. „Das muss dir nicht leid tun. Wir sind auch enttäuscht von ihm und erkennen ihn nicht mehr wieder. Wir haben den Kontakt abgebrochen, weil wir seine Entscheidung für die Schlampe Sam nicht akzeptieren können. Du und Kathrin seid Teil unserer Familie und wir stehen euch bei. Er hat sich gegen seine Familie entschieden und muss damit jetzt leben." sagt Elaine ernst. Ich schaue sie überrascht an und nicke dann. Sie haben sich wirklich gegen ihn entschieden. Ihren leiblichen Sohn. „Was werden wir jetzt tun? Ich will sie wiedersehen und in den Arm nehmen." frage ich nervös. „Wir werden jetzt erstmal wieder Kontakt zu ihr aufbauen und vielleicht sie irgendwann besuchen. Wir dürfen sie nicht überfordern sonst zieht sie sich wieder zurück. Nochmal kann ich den Verlust nicht ertragen." sagt Bob und streicht sich übers Gesicht. Ich schaue ihn mir zum ersten Mal richtig an. Wie Elaine ist er sehr blass und wirkt schwächer als sonst. Sie leiden genauso unter der Trennung wie ich. „Ich hätte euch nicht allein lassen sollen. Ich konnte euren Anblick nicht ertragen, weil er mich immer an sie erinnert hat. Wir sind eine Familie und halten zusammen. Dein Vorschlag hört sich vernünftig an. Es wird schwer werden, aber du hast Recht. Ich werde ihr nachher schreiben. Sie soll wissen, dass ich nicht böse auf sie bin. Ich vermisse meine Kleine." sage ich und ziehe Bob in eine feste Umarmung. Ich spüre wie Elaine ihre Arme um uns legt und ihren Kopf auf meine Schulter. Ich genieße die Nähe und komme nach den letzten Wochen endlich zur Ruhe. „Lasst uns etwas essen. Ich habe dein Lieblingsessen, Gulasch mit Rotkohl und Kartoffeln, gemacht." sagt Elaine mit einem Lächeln in der Stimme. Ich nicke und wir gehen in die Küche. Beim Essen unterhalten wir uns noch etwas über die letzten Wochen und wie es mit Kathrin weitergehen soll. Wir sind etwas ratlos, aber hoffen das sie glücklich in Tokio wird. Nach vier Stunden verabschiede ich mich und fahre zum nächsten Supermarkt. Ich muss dringend einkaufen. In den letzten Wochen habe ich meist von Fastfood gelebt und dementsprechend nichts zu Hause. Als ich alles besorgt habe, fahre ich nach Hause und schleppe die Taschen in meine Wohnung. Ich räume die Lebensmittel weg und stelle mich dann unter die Dusche. Das warme Wasser lockert meine verspannten Muskeln und wäscht den anstrengenden Tag weg. Ich trockne mich ab und ziehe mir eine frische Boxershort, Sweatpants und Tanktop an. Ich hole mir eine gekühlte Wasserflasche aus dem Kühlschrank und lege mich auf die Couch. Ich stelle den Fernseher an, aber reguliere die Lautstärke runter. Ich konnte noch nie in einem komplett stillen Raum sitzen. Ich nehme mein Handy und öffne den Chat von Kathrin in WhatsApp. Nach langer Zeit sehe ich ihr Profilbild zum ersten Mal wieder. Ich schaue mir das Bild genauer an und fühle mich ihr gleich näher. Sie steht mit einem dunkelhaarigen, attraktiven Mann Arm im Arm und die Sonne geht hinter ihnen unter. Sie sieht sehr glücklich und unbeschwert aus. Ihre Haare sind leicht zerzaust und ihre Wangen sind gerötet. Die Beiden strahlen um die Wette und man sieht die Zuneigung förmlich zwischen ihnen. Ob dieser Mann Aiden ist? Er sieht sehr sympathisch aus und scheint meine Kleine wieder zum Lächeln zu bringen. Ich schließe das Profilbild und formuliere meine Nachricht. Nach unzähligen Versuchen habe ich es geschafft und drücke auf Absenden.
„Hallo meine Kleine. Du hast mich heute sehr glücklich gemacht, weil ich die Mail an Bob gelesen habe. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr ich dich vermisse. Seit 6 Wochen fühle ich eine Leere in mir, weil meine Kleine nicht mehr bei mir ist. Danke das du dich gemeldet hast. Tokio also? Ich bin etwas geschockt, weil du soweit von uns weg bist. Aber ich kann dich verstehen. Ich hoffe wir halten den Kontakt und du lässt mich wieder ein Teil deines Lebens sein. Ich habe dich lieb Kleine.
PS: Ist das Aiden auf dem Bild? Er sieht sehr nett aus und scheint dich glücklich zu machen."
Ich lege das Handy zur Seite und starre auf den Fernseher. Ich nehme nicht wahr was dort läuft. Hoffentlich antworte sie mir und wir können regelmäßig Kontakt halten. Ich will meine kleine Schwester wieder zurück. Diese Leere will ich nicht mehr spüren. Wenn sie in Tokio bleiben will, dann werde ich meine Praxis aufgeben und zu ihr ziehen. Wir gehören nicht auf getrennte Kontinente. Für sie würde ich mein derzeitiges Leben hinter mir lassen und bei ihr neu starten. Als Psychologe kann ich überall praktizieren. Und in Tokio wird es genug Patienten für mich geben. Den restlichen Tag verbringe ich auf der Couch und denke über Kathrin und meine Zukunft nach. Abends habe ich immer noch keine Antwort von ihr, aber schlafe trotzdem glücklich ein.
A/N
Hallo ihr Lieben 😘. Ich hoffe ihr habt die stürmische Woche gut überstanden. Jetzt sind es bereits 22 Kapitel mit viel Drama, Liebe und Chaos, die ich veröffentlicht habe. Und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
Was glaubt ihr wie Kathrin auf Damian's Nachricht reagieren wird? Werden die Geschwister bald wieder zueinander finden oder bleiben sie weiter von zwei Kontinenten getrennt?
Im nächsten Kapitel kommt Aiden zur Sprache und wird uns einen Einblick in seine Gefühlswelt geben. Seid gespannt wie es mit ihm und Kathrin weitergeht. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und freue mich über Feedback und Sternchen von euch.
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