Tommy Blue und der große, grüne Drache
Tommy Blue und der große, grüne Drache
Von phattimaddi (illustriert von edoggypaws, übersetzt von miracleworld und jinnis)
„Tommy Blue! Lauf nicht davon. Ich will dir das nicht schon wieder sagen müssen."
Tommy blieb, wo er war. Er war einem Frosch gefolgt und hatte nicht groß darauf geachtet, wo er hinging.
Er drehte sich um, um zu seiner Mutter zu blicken, die vorsichtig die gewaschene Wäsche an der Leine befestigte, damit sie trocknen konnte. Sie sah nicht zu ihm herüber, aber er wusste, dass sie das auch nicht musste. Es schien, als hätte sie einen sechsten Sinn — sie wusste immer, wenn er sich zu weit entfernte.
Es war ein heißer Tag, der erste nach vielen regnerischen, die in den letzten Tagen ihrem Zuhause beschert wurden, und seine Mutter hatte die Gelegenheit genutzt, die Wäsche zu waschen und draußen zu trocknen.
Tommy schob seine Unterlippe nach vorn und kreuzte trotzig die Arme vor der Brust. Er streckte seiner Mutter, die gerade ein weißes Laken aufgehängt hatte und damit nicht zu sehen war, die Zunge heraus.
"Das habe ich gesehen, Tommy."
Verärgert ließ Tommy sich ins Gras fallen. Gedankenverloren lutschte er an dem Lollipop, den seine Mutter ihm am Morgen geschenkt hatte, und suchte nach einer anderen Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Als er keine finden konnte, die ihm interessant genug schien, machte er sich daran, Löwenzahn zu pflücken. Das knallige Gelb der Blüten bot einen starken Kontrast zum Meer aus dunklem Grün.
Er setzte das eine ganze Zeit lang fort und hatte schnell den Boden um sich herum von diesen lästigen Unkräutern (zumindest nannte sie seine Mutter so) befreit, als etwas in der Ferne seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Es war ein plötzlicher, blendender Lichtschimmer, der ihn zwang, zu blinzeln und wegzusehen. Mit einer Hand wischte er sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel, die sich dort gebildet hatte, und drehte seinen Kopf langsam zurück in die Richtung, aus der das Licht gekommen war.
Es strahlte wieder, was auch immer es war, und dieses Mal konnte Tommy ganz genau erkennen, woher es kam: vom Rand des verbotenen Waldes.
Tommy schielte zurück zu seiner Mutter, die noch immer hinter der aufgehängten Kleidung versteckt war. Sie summte eine leise Melodie, die vom Wind zu ihm getragen wurde, und es schien ihm, dass sie eventuell gerade gut genug abgelenkt war, um nicht zu merken, was er vorhatte.
Langsam stand er auf, seine Augen wieder auf das im Sonnenlicht glänzende Objekt gerichtet. Er musste wissen, was das war.
Er bewegte sich mit der allergrößten Vorsicht und begann sich zum Wald zu schleichen. Einen Schritt nach dem anderen machte er sich leise auf den Weg. Immer wieder warf er einen Blick zurück zu seiner Mutter, doch irgendwie schien sie nicht zu bemerken, dass ihr Sohn sich schon wieder davonmachte.
Am Eingang des Waldes fand Tommy, wonach er gesucht hatte. Doch was genau es war, wusste er nicht.
Er bückte sich und betrachtete das Objekt genauer. Es ähnelte nichts, was er je zuvor gesehen hatte. Es sah aus wie eine große, grüne Träne, die perfekt in das grüne Gras um sie herum eingebettet war. Vorsichtig hob er sie auf, drehte sie in seinen Händen hin und her. Die Oberfläche schimmerte.
Er starrte sie an, hingerissen von ihrer Schönheit.
„Ich sehe, du hast eine meiner Schuppen gefunden. Ich muss wirklich vorsichtiger sein, wenn ich unterwegs bin, während mir die Schuppen ausfallen."
Tommys Kopf schoss nach oben in die Richtung, aus der die mysteriöse Stimme gekommen war, und die Schuppe fiel aus seinen Händen. Da, direkt vor ihm, lag ein Drache und sonnte sich wie eine übergroße Katze.
„Du... du bist..." Tommys Mund war plötzlich sehr trocken und vor Angst versagte seine Stimme.
„Ein Drache? Aber ja, genau das bin ich, du kluger Junge."
Der Drache lächelte ein warmes, scharfzähniges Lächeln.
Tommy's Augen wurden groß, als er den Drachen betrachtete. Er hielt den Lollipop fest, als sein Mund überrascht aufklappte.
Der Drache hatte eine lange grüne Schnauze aus der sich sanft Rauch kräuselte. Kleine, spitze Stacheln liefen von seinem Hals entlang seines Rückens bis zu seiner Schwanzspitze, die alle paar Sekunden träge auf- und abzuckte. Zwei Flügel saßen halb geöffnet auf seinem Rücken, und sein Körper war vollständig bedeckt mit den grünen Tränentropfen. Sie leuchteten sanft im Sonnenlicht.
„Aber du bist ein echter Drache," stellte Tommy atemlos fest.
Der Drache lächelte noch breiter.
Tommy spürte, wie sich seine Angst auflöste. Das Lächeln des Drachens beruhigte ihn und kurz darauf lachte er auch.
„Aber was machst du hier?" fragte Tommy und legte den Kopf schief. Der Drache tat dasselbe.
"Ich genieße die Sonne, genau wie du. Die letzten paar Tage waren scheußlich mit all dem Regen. Da dachte ich, ich strecke meine Flügel ein bisschen." Seine mächtigen Flügel zuckten und entfalteten sich etwas weiter. „Außerdem warte ich darauf, dass es Nacht wird. Dann kann ich mein Abendessen genießen." der Drache seufzte, und das Lächeln schwand. „Ich hatte seit Tagen keine anständige Mahlzeit."
Tommy dachte einen Moment darüber nach. Er betrachtete seinen Lollipop, den er immer noch fest in der Hand hielt, und hatte eine Idee.
„Möchtest du meinen Lollipop? Meine Mutter sagt, man solle das Dessert nicht vor dem Essen genießen, aber sie behauptet auch, es gäbe keine Drachen. Also..." Er zuckte die Schultern und streckte seinen Arm aus, so dass der Lollipop gerade in den Wald hinein ragte.
Die Augen des Drachens wurden sanft und ein tiefes Glucksen kam aus seiner Kehle.
„Möchtest du denn nicht zu mir in den Wald kommen?"
Tommy kaute auf seiner Unterlippe. „Ich kann nicht. Meine Mutter hat mir verboten, alleine in den Wald zu gehen."
Der Drache nickte dazu. „Kluger Junge! Hör immer auf das, was deine Mutter sagt. Nun, zu diesem Lollipop."
Eine schlangenartige Zunge schob sich zwischen den Lippen des Drachens hervor und überbrückte die kurze Distanz zu Tommys ausgestreckter, zitternder Hand. Als sie den Lolli erreichte, schlang sie sich nicht einmal, auch nicht zweimal, sondern gleich dreimal darum herum und zog ihn zurück in den Mund.
„Mhm," schnurrte er. „Wassermelone ist mein Lieblingsgeschmack."
Eine Wassermelone aus Rauch puffte aus seinem Mund und stieg in den Himmel. Tommy kicherte begeistert beim Zusehen.
„Tommy? Tommy Blue!"
Tommy erstarrte beim Klang der Stimme seiner Mutter. Er warf dem Drachen einen letzten Blick zu, der ihn erstaunt musterte, bevor er gerade noch rechtzeitig herum wirbelte, um seine Mutter heran eilen zu sehen.
„Was in aller Welt machst du da? Du weißt, dass der Wald verboten ist! Ich dachte, ich hätte dir explizit erklärt, dass du nicht davonlaufen sollst? Hast du deinem Vater und mir überhaupt zugehört? Es ist nicht sicher da draußen! Wo doch unsere Schafe nachts von den Wölfen geholt werden. Um Gottes Willen, Tommy, du hast mich halb zu Tode erschreckt."
Tommy runzelte die Stirn, als er das bleiche, verängstigte Gesicht seiner Mutter sah. Eine Hand hielt sie vor die Brust gepresst und sie sah aus, als ob sie Mühe hätte, zu atmen. Schuld jagte ihm die Röte ins Gesicht.
„Aber Mama, ich wollte nicht in den Wald gehen, ehrlich! Nur... ich habe... einen Drachen gesehen."
Er presste die Wörter heraus und deutete auf den Fleck hinter sich, wo der Drache lag. Seine Mutter sah zu der Stelle, auf die er zeigte, aber statt zu erschrecken, wie er erwartet hatte, wurde ihr Gesicht nur noch strenger.
„Oh, Tommy," seufzte sie und schloss für einen Moment die Augen. „Du und deine Phantasie."
Tommys Mund klappte schon wieder auf. Er wirbelte herum, darauf gefasst, den Drachen mit seinem breiten Lächeln zu sehen, zusammengerollt an seinem sonnigen Flecken. Aber er war verschwunden. Das Sonnenplätzchen war leer.
„Aber... aber..." stotterte Tommy ungläubig. „Er war gerade noch da, Mama, ich schwöre es."
Verstört sah er zu seiner Mutter hoch, aber sie schüttelte nur den Kopf.
„Komm jetzt mit, Tommy. Zurück zum Haus mit dir."
Ihre Stimme passte zu ihrem strengen Gesichtsausdruck, aber die Hand, mit der sie Tommys festhielt und ihn nach Hause führte, war sanft. Er warf einen versteckten Blick zurück zum Waldeingang, und seine Augen suchten verzweifelt nach einem grünen Leuchten.
War es möglich, dass er sich die Begegnung nur eingebildet hatte?
Enttäuscht ließ Tommy den Kopf hängen und starrte auf seine Füße, die ihn weiter und weiter vom Wald fort trugen. In dem Moment, als er der Mutter die Treppe zu ihrem Haus hinauf folgte, hörte er ein leises Klimpern in seiner Hosentasche.
Sein Kopf schoss hoch, und während seine Mutter ihm nach rief, rannte er in sein Zimmer. Sobald er es erreicht hatte, schloss er die Tür hinter sich und hüpfte auf sein Bett. Mit zitternden Fingern steckte er die Hand in die Tasche und ergriff den grünen Tränentropfen, der magisch darin aufgetaucht war. Er zog ihn heraus und starrte auf die Farben, die im Sonnenlicht tanzten.
Mit einem breiten Grinsen sah er durch sein Schlafzimmerfenster hinaus. Hinüber zum verbotenen Wald. Dabei dachte er für sich, „dein Geheimnis ist bei mir sicher."
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