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Ungläubig schaute sie ihn an. Sie hatte ihre Macht schon Tage nicht mehr aktiv eingesetzt. "Ich... ich verstehe nicht..." Ihre Stimme brach ab und sie betrachtete wieder das Lichtschwert. Es schien sie anzuziehen, und Gregs Stimme klang weit weg, als er sagte: "Nur Mut."
Liana erlaubte ihren Augen, auf der Waffe zu verweilen und rührte sich nicht, als ihre Sicht verschwamm und sowohl ihre Augen als auch ihre Gedanken abdrifteten. Sie hatte ihre Familie verloren, ihre Wohnung, und dann hatte sie erfahren, dass sie eine Jedi war. Sie war trainiert worden in der Macht, die in ihr ruhte. Und jetzt lag eine Waffe vor ihr. Die Waffe der Jedi, die ihre Waffe sein sollte. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie runzelte ihre Stirn. Wenn sie sie jetzt, hier ergreifen würde, könnte sie Rache üben. Sie könnte ihren Verlust ausgleichen, denen, die ihr das angetan hatten, den gleichen Schmerz hinzufügen. Sie hatte nun nichts mehr zu verlieren. Ihr Blick wurde fest und kalt, Augen starr auf den Tisch vor ihr gerichtet. Sie könnte für Ausgleich sorgen. Ja, sie würde die Schuldigen finden und sie jagen, bis sie nichts als vor ihr knieende, hilflose und um ihr Leben winselnde Babys waren. Sie würde sich ein Stück von der Gerechtigkeit zurückholen, die ihr genommen wurde. Mit einem bedrohlichen Summen fuhr die Klinge aus, die der silberne Griff bis jetzt verborgen hatte. Liana zuckte vor Schreck zusammen und auch Greg rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Spürte er, dass sich ein Sturm zusammenbraute?
Liana nahm das Lichtschwert in die Hand. Der Griff bestand aus einem leichten, kühlen Metall, das gut in der Hand lag. Sie erhob sich und schwang es probeweise durch die Luft. Der Widerstand, den sie dabei spürte, schien ihre Macht zu beflügeln. Die Klinge leuchtete grün und hüllte alles Nahestehende in einen grünen Schleier. Durch den Griff schienen all die Erinnerungen des Vorbesitzers in ihre Hand zu sickern, sie erinnerte sich an Blut, Tränen, Gefahr, Angst, Hinterhalte und an das Beschützen.
Liana hielt inne und ließ das Schwert sinken. Ihre Augen jagten die Klinge hinauf und hinab. Sie musste sie schützen. Sie würde sie schützen. Sie beobachtete fasziniert, wie sich die Farbe der Klinge vor ihren Augen änderte. Das Grün wurde blasser und blasser und wich einem weißlich-gelben Schimmer. 'Wie war das möglich?', fragte sie sich und drehte das Schwert, als würde sie so Antworten erhalten. Es schien ihr etwas zuflüstern zu wollen, und Liana senkte ihren Kopf, um besser verstehen zu können. Aber auf einmal schnappte die Klinge zurück in den Griff und Greg hatte seine Hand auf ihrer Schulter.
Sie hatte ihn nicht aufstehen hören, aber ohne Fragen zu stellen setzte sie sich und legte die Waffe auf den Holztisch. Da setzte sich auch Greg wieder.
"Das habe ich nicht erwartet", brummte er nach einer Weile.
Lianas Kopf schnellte herum, ('Warum?'), wollte die Antworten von seinem Gesicht ablesen - erfahren, ob sie einen Fehler gemacht hatte - und wandte sich furchtsam wieder nach vorn, richtete ihren Blick auf den Saum ihres Hemdes, den sie zwischen den Fingern knetete. Aber trotz ihrer vielen Fragen fand nur ein erstauntes 'Oh' seinen Weg über ihre Lippen.
Er musterte sie von der Seite. "Ich habe das Ritual noch nie miterlebt, aber ich habe nicht erwartet, dass es so emotional wird."
Lianas Kopf ratterte. Emotional? War das gut oder schlecht? "Ich... ich wusste nicht, was von mir erwartet wird!", versuchte sie ihr Handeln zu rechtfertigen, unnötigerweise, wie sich zeigte.
Liana drehte sich zu Greg um, der abwehrend die Hände erhoben hatte. Dann lachte er leise und es klang kehlig. "Beruhige dich, es war doch keine Kritik. Du musst doch nicht immer die Erwartungen erfüllen."
Liana knetete verlegen ihre Hände. Sie war verwirrt. Sie brauchte doch eine Richtlinie, um zu wissen, was richtig und falsch war.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fügte er noch hinzu: "Vertraue dir selbst. Tief im Inneren weißt du, was richtig ist."
Greg gab Liana das Lichtschwert mit. Liana packte es in ihren Rucksack, so, dass es nicht verloren gehen konnte. Sie bedankte sich und verabschiedete sich von ihm. Sie wusste nicht, ob sie ihn wiedersehen würde. Wenn sie noch länger hierbleiben wollte, wäre dies wahrscheinlich. Sie hatte mit den Landwirten der Stadt, ihren Arbeitgebern abgesprochen, dass sie noch bis zum Ende der Erntesaison hierbleiben und helfen würde.
Doch in ihrer Position konnte man sich über nichts wirklich sicher sein. Vielleicht wachte sie am Morgen auf und alles kam anders.
Aber als sie am nächsten Morgen aufwachte, war alles noch genauso wie gestern. Die Sonne kitzelte ihre Nase durch den klitzekleinen Spalt zwischen den Vorhängen und die Vögel zwitscherten fröhlich. Der Himmel war nahezu wolkenlos und babyblau, ein wunderschöner Sommertag.
Die Luft war warm und schwül, als Liana aus dem Haus trat und dem Weg Richtung Stadt folgte. Schon auf dem Weg schwitzte sie, und sie war froh, dass sie unter der Erde arbeiten würde, auch wenn ihr das Tageslicht lieber war. Sie ging wie jeden Tag über den Marktplatz, vorbei an der überlebensgroßen Bronzestatue, vorbei an dem Haus der Stadtobersten. Sie passierte dutzender leerstehender Gebäude. Die Dunkelheit dort drinnen schien noch dunkler als die Dunkelheit der Nacht, ein alles verschlingendes schwarzes Loch.
Ein paar Männer führten Reeks hinter sich her, mit dicken, langen Seilen und Stöcken sorgten sie dafür, dass die Kreaturen ihnen genug Platz ließen. Einer der Reeks schüttelte zufrieden seinen Kopf und grunzte, ein kehliges Brummeln, das laut durch die Stadt hallte, bevor es verklang. Der Mann führte den Reek auf eine umzäunte Grasfläche. Sie sah zwar normal aus, Liana aber wusste, dass dies eine Art Fahrstuhl für die großen Tiere war. Unter der Erde halfen sie ihnen, die schweren Maschinen oder Waren zu bewegen, die für einen Nagai zu schwer waren. Der Mann klappte ein Metallgitter hoch, als sich der Aufzug in Bewegung setzte, das ihn, sollte der Reek sich erschrecken, im Notfall vor Verletzungen schützte. In den Arenen sah man, wozu die Reeks fähig waren, wenn sie Angst hatten.
Als Liana den Aufzug für die Nagai erreichte, kam ihr der gestrige Abend erneut in den Sinn. Es war, als hätte Greg sie hier erwartet. Ihr kamen seine ersten Worte zu ihr wieder in den Sinn. 'Sie sind da, Sie sind hergekommen. Werden Sie uns retten?' Er hatte es nur als wirres Geplapper hingestellt, aber vielleicht wusste er mehr, als er zugab. Immerhin war er ein Klon. Aber Liana schüttelte den Kopf, versuchte, diese Erinnerung mit der Hand wegzuwischen wie die Erinnerung an einen bösen Traum, als sie die Knöpfe im Fahrstuhl betätigte, die sie an ihren Arbeitsplatz bringen würden.
Die Ereignisse von gestern, die ihr so besonders schienen, gerieten bald in Vergessenheit und sie verblassten gemeinsam mit den anderen Erinnerungen der vielen Tage danach.
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