Kapitel 4
Unsicher ging ich nach unten. Was hatte meine Mutter jetzt bitteschön angestellt? Mit großen Schritten eilte ich in die Küche, um überrascht im Türrahmen stehen zu bleiben. Auf einem Stuhl saß Rodolphus. Er blickte zu meiner Mutter, wobei ich sehen konnte wie alt sein Gesicht schon aussah. All seine Gesichtszüge waren eingefallen und er wirkte krank. ,,Rodolphus ist zu Besuch gekommen, Isabelle." Mum stand am Herd und rührte tatsächlich in einem Topf herum. Dadurch sprach sie auch eher mit dem Gebräu, anstatt mit mir. Rodolphus sah mich auch keineswegs an, was ich verstehen konnte. Er mochte meine ganze Existenz nicht, wieso also seine kostbare Zeit verschwenden? ,,Hallo", nuschelte ich schüchtern, um das Eis etwas zu brechen. Mit Erwachsenen konnte ich auch nicht besonders gut reden oder ihnen in die Augen schauen. Augen konnten so viel ausdrücken, wovor ich mich fürchtete.
,,Sie ist immer noch so nervtötend?" Rodolphus Stimme klang einschläfernd, weswegen ich mich fast nicht auf den Inhalt seiner Worte konzentrieren konnte. Nach Sekunden stellte ich allerdings doch fest, dass er mich beleidigt hatte. Mein Herz klopfte genauso schnell weiter, wie vorhin und auf einmal fühlte ich mich in meinem eigenen Zuhause unwohl. Dieses Haus war mein Rückzugsort. Hier hatte ich jahrelang alleine mein Leben geführt. Hatte mir angewöhnt alles zu putzen, meine Katze zu pflegen und hatte mir Dinge beigebracht. An dem Schreibtisch im Wohnzimmer hatte ich schreiben gelernt und hier in der Küche lesen. Aus Wut war ich mal im Flur gegen die Kommode gelaufen und hatte mir einen Zeh verstaucht. Auch hier war ich im Badezimmer ausgerutscht und hätte mir wahrscheinlich dabei das Genick brechen können, doch ich war, nach einer kleinen Ohnmacht, wieder aufgewacht und war wieder aufgestanden. Ich hatte Holz gesammelt, um wenigstens den Kamin im Wohnzimmer benutzen zu können und hatte viele Dinge repariert, weil Lucius und Narzissa keine Zeit hatten. In diesem Haus hatte ich soviele Erfahrungen gesammelt, dass ich nicht mit negativen Erfahrungen umgehen konnte. Nicht heute und auch nicht morgen. Gerade als ich etwas sagen wollte, sprach Rodolphus wieder.
,,Mürrisch ist sie auch. Kommt bestimmt von ihrem ekelhaften Vater." Ich zuckte zusammen und die Kälte der Fliesen unter mir zog in meinen Körper. Unsicher klammerte ich mich an den Türrahmen und versuchte meinen Kopf hochzuhalten. Wenn ich jetzt zusammensackte, hätte Rodolphus gewonnen. Tief durchatmend drückte ich meinen Rücken durch und verschränkte die Arme vor meinem Oberkörper. ,,Mein Vater ist nicht ekelhaft." Mum drehte sich zu mir um und lächelte leicht, dann schenkte sie Rodolphus einen Blick, der mir Angst gemacht hätte, wäre er für mich bestimmt gewesen. Aber Rodolphus störte der Blick nicht. ,,Dein Vater war ekelhaft. Er ist es vielleicht nicht mehr, weil er tot ist. Hat Bella dir das nicht erzählt?" Seine Mundwinkel zuckten belustigt, denn er sah wie entsetzt ich meine Mutter ansah, bevor ich mich umdrehte, meinen Schuhe anzog und dann meinen Rückzugsort verließ. Ich war fertig mit dieser Welt. Absolut fertig.
Wie ein Tier, das gejagt wurde, lief ich durch die Straßen. Mein Zauberstab lag natürlich Zuhause, aber ich durfte ihn sowieso nicht benutzen, weshalb mich dieses Detail nicht störte. Tansu tat mir leid, nur wollte ich nicht zurück gehen. Hier war alles verlassen, bis auf ein Haus, was neu bezogen war. Dunkle Silhouetten wiesen auf eine Familie hin, die nun vor einem schillernden Ding saßen und drauf schauten. So ein Muggle Ding kannte ich nicht. Gerne hätte ich die Muggle weiter angeschaut, doch ich kam mir komisch vor. Also lief ich weiter und freute mich über die restliche Wärme. Das T-shirt war keine besonders schlaue Wahl für Abende, heute konnte ich es hier drin aber aushalten, ohne zu frieren.
Ich brauchte diesen Spaziergang, um meine Gedanken zu sortieren. Alles erdrückte mich. Meine Tante, meine Mutter, Rodolphus, Veronica und Fred. Ich wollte schrecklich gerne weinen, nur konnte ich einfach nicht. Mein Inneres sagte mir, dass ich wegen solchen Leuten nicht weinen sollte. Auch wollte ich erst wissen, warum jeder so handelte. Narzissas Verhalten war mir nämlich unerklärlich. Rodolphus Verhalten war irgendwie verständlich. Er war betrogen worden und ich erinnerte ihn immer daran. Beleidigungen hätte ich wegstecken können, doch jetzt betrauerte ich im Gehen meinen toten Vater. Bellas Blick veriet mir sofort, dass Rodolphus die Wahrheit sagte. Ich kannte ihn gar nicht und trotzdem war ich traurig. Er hatte mir vieles vererbt. Mein Aussehen war da nur der Anfang.
Ich wollte weiter überlegen, doch da bog ich an in eine Straße, die nicht mehr besonders gut beleuchtet war. Sofort wäre ich umgedreht, hätte ich nicht den hochgewachsenen Körper einer Person unter einer Laterne gesehen. Hier wurden Menschen nicht sehr oft gesehen, deswegen wurde ich neugierig und ging langsam auf die Person zu. Auf der Hälfte des Wegs erkannte ich ihn. Jack Ward stand da und sah mir zu wie ich näher kam.
,,Jack?" Flüsterte ich und versuchte zu ignorieren, dass ich bestimmt fürchterlich aussah und somit eigentlich nicht in die Öffentlichkeit sollte. Er nickte stumm. Sein Gesicht sah schrecklich aus. Er konnte nicht mit dem Tod seines Vaters umgehen, hatte mir Veronica geschrieben, also wieso sollte er toll aussehen? ,,Was machst du hier?" Zwischen uns waren nur noch wenige Meter, die ich überwinden könnte doch ich wollte nicht. Der Asphalt war hier löchrig und so klaffte auch ein Loch zwischen uns. Irgendwie passt das Loch hierher. ,,Ich wollte wissen wie ihr so wohnt." Verwirrt sah ich auf und musste blinzeln durch das Licht der Laterne. Ihr Lichtschein befand sich direkt über Jack, der immer noch kleiner als ich war. ,,Was meinst du damit?" Kurz rieb ich mir über die Schläfe, um festzustellen, ob ich nicht schlief. Doch ich war tatsächlich hellwach. ,,Was wohl? Ich wollte schauen, ob es deiner Mutter schlecht geht. Genauso wie es mir und meiner Mutter geht." Seine Wörter überrollten mich. Ich konnte ihn verstehen, dennoch fragte ich mich, woher er wusste wo wir wohnten. Auch mochte ich es nicht, wenn man sich zuerst nannte, doch das war nur meine Meinung.
,,Es geht ihr gut", murmelte ich und blickte wieder zu Boden. ,,Ich weiß und weißt du was ich am liebsten machen würde?" Er wurde wütend und seine Stimme hörte sich nun laut und bestimmend an, was mir eine Gänsehaut bescherte. So kannte ich ihn gar nicht. Veronica wahrscheinlich auch nicht. Verängstigt schüttelte ich mit dem Kopf und wäre gerne gegangen. Nur ging das nicht. So unhöflich wollte ich nicht sein. ,,Ich würde ihr gerne die selben Schmerzen hinzufügen, die sie meinem Dad angezaubert hat." Bei dem Wort 'Dad' stockte er kurz, riss sich jedoch direkt wieder zusammen. ,,Verständlich", brachte ich nur hervor. Doch Jack lachte nur. ,,Du verstehst nichts. Du kannst den Schmerz nicht nachvollziehen. Aber ich könnte dir helfen", blitzschnell zog er seinen Zauberstab hervor und richtete ihn auf mich, woraufhin mein Herz wie wild begann zu klopfen. Wieso passierte mir das jetzt? Tränen stiegen in meine Augen und ich ballte meine Hände zu Fäusten, um nicht auszurasten. Womit hatte ich das verdient? Und wieso dachte man so von mir? ,,Familienmitglied für Familienmitglied. Ist das nicht fair?" Jack hob den Zauberstab an und ich drehte mein zitterndes Kinn, damit er seinen Zauberstab nicht gegen die empfindliche Haut drückte. ,,Du hast Angst. Er hatte sie auch. Und trotzdem hat sie ihn umgebracht." Seine Stimme zitterte auch, was mich etwas beruhigte. Trotzdem trippelte ich auf der Stelle hin und her, um meine Nervosität abzubauen. Mein ganzer Körper war angespannt und ich bekam so langsam Kopfschmerzen von den vielen Ereignissen, die mich heute überschütteten. ,,Jack, du möchtest das nicht." Ich flehte diese Worte leise, während ich die Hoffnung aufgab, dass hier gleich jemand vorbei ging. ,,Würdest du die Hände mal hochheben?" Sein Zauberstab berührte mein Kinn und ich riss im selben Moment die Hände hoch. Jack lachte, was mich nur noch ängstlicher machte. ,,Man sollte dich umbringen." Ich kniff die Augen zusammen und wartete. Es passierte nichts, außer dass sehr schlimme Dinge an mir vorbei zogen. Ich zählte von eins bis fünfzig, dann öffnete ich meine Augen wieder. In dieser Zeit achtete ich nur auf meine Atmung und dachte an die letzten Minuten, die ich hier verbrachte. Allerdings hörte ich keinen Fluch, stattdessen entfernte sich der Zauberstab von mir. ,,Ich bin nicht wie deine Mutter, aber du solltest vielleicht nicht mehr alleine rausgehen abends." Jack grinste mich feindselig an, bevor er ging und eins mit der Dunkelheit wurde. Nun hatte ich Angst vor Hufflepuffs.
Ich rannte nach Hause, denn dort auf der Straße konnte ich nicht bleiben. Meine Haare flogen mir nur so in das Gesicht, aber das war mir egal. Hauptsache ich lebte. Und das tat ich momentan auch. Meine Mutter öffnete mir verwundert die Tür, doch ich sprach nicht mit ihr, sondern rannte in mein Zimmer und warf mich weinend auf mein Bett. Tansu kam angeschnurrt und schmiegte sich sofort an mich, um mir Trost zu spenden, nur half ihr Versuch nicht wirklich. Mir war gerade der Tod gewünscht worden. Ich schluchzte und wusste nicht mehr, ob ich morgen noch aufstehen sollte. Alle hatten sich gegen mich verschworen und ich glaubte, ich würde niemals mehr einen schönen Tag verbringen. Mein ganzer Körper war erschöpft, von dem Stress und Narzissas Essen. Meine bisherigen Ansichten kamen mir dumm vor, was mich enttäuschte. Eigentlich dachte ich mein Leben würde besser werden, doch die Realität sah ganz anders aus und dieses Detail machte mich fertig.
Ich wusste nicht, wem ich noch vertrauen sollte. Sogar Jack Ward wollte mich umbringen und er hatte immer so gewirkt, als könnte er keiner Fliege was antun. Ich musste unbedingt siebzehn werden. Volljährigkeit hieß Freiheit. Doch davon war ich noch meilenweit entfernt. Meine Kopfschmerzen wurden schlimmer, weswegen ich aufhörte zu weinen. Ich musste mich zusammenreißen! Mit zitternden Beinen setzte ich mich auf, um meine Haare zu richten und meine Katze zu streicheln, was in solchen Momenten meiner Seele gut tat. ,,Was soll ich machen, Tansu?" Der Klang meiner Stimme war brüchig, was meine Katze viel mehr interessierte. Jedenfalls sah sie mich nur verwundert an, als würde sie sich fragen wem die Stimme gehörte. Ihr Blick funktionierte, denn jetzt begann ich ein kleines bisschen zu lächeln. ,,Schokolade, mhm?" Ich öffnete mein Nachttischschublade und holte meinen kleinen Vorrat hervor. Hoffentlich erfuhr Narzissa das nicht. ,,Eigentlich essen wir nicht in diesem Bett, verstanden", verschwörerisch blickte ich meine Katze an, die daraufhin entweder gewollt oder ungewollt zwinkerte. Süß. Ich wickelte mich in meine weiße Bettdecke ein und lehnte mich an die Wand. Sie war kühl, was mir half nachzudenken. Mit meiner Mutter und Veronica wollte ich erstmal über alles nicht reden. Bella war impulsiv und ich wollte nicht, dass sie am Ende Jack umbrachte. Veronica würde mir wahrscheinlich nicht glauben. Schließlich kannte sie nur den netten Jack. Draco konnte ich ebenfalls vergessen, er führte sonst im nächsten Schuljahr einen Krieg gegen Hufflepuff, an dem ich dann schuld war. Nein danke. Narzissa wäre sonst meine erste Wahl gewesen, nur war sie so komisch zu mir. Deshalb würde ich mich für jemand anderen entscheiden.
Fred. Ich wollte unbedingt mit ihm reden und bisher konnte ich das auch immer. Die Frage war nur, ob er noch mit mir redete und wie er zu dieser Bridget stand.
•••
Ich hätte wetten sollen, dass ich es schaffe auch heute ein Kapitel hochzuladen.
Sollte Belle Fred besuchen gehen?
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