2.3 ♌︎ Candice
»Mist!«, flucht Kate, die an ihrem Schminktisch sitzt und sich gerade mit ihrem Eyeliner vermalen hat. »Josephine, kannst du mir mal ein Kleenex reichen?«
Der nächste Morgen ist angebrochen und wir fünf haben alle bei Kate geschlafen, um auch ja keinen Verdacht gegenüber Kates Eltern zu wecken. Sie denken bestimmt, wir hätten im Nighthawks noch etwas gefeiert, anstatt uns ein professionelles CSI-Labor in der Schule aufzubauen.
»Kate, du weißt schon, dass Kleenex die Marke ist und man dazu eigentlich...«
»...Kosmetiktuch sagt?«, beendet Mary Jos Satz, die gerade aus einem der anderen Gästezimmer ins Zimmer platzt. »Ist doch völlig egal, was man sagt, Hauptsache man versteht sich.«
Augenblicklich erschrickt Jo, weil sie so nie in Gesellschaft anderer reden würde.
»Genau meine Rede«, pflichtet ihr Kate bei.
»Wie ihr meint«, bringt Jo noch hervor, ehe sie im Raum unruhig auf- und abläuft. »Es muss etwas anderes sein...«, murmelt sie dabei. Wahrscheinlich denkt sie genau wie ich non-stop an Louise, Eckstein und seine Handlanger.
»Du solltest dich erst einmal für die Schule herrichten, der Unterricht beginnt schon in zwanzig Minuten«, rät ihr Kate, die sich nun Mascara auf die Wimpern trägt.
»Ja Jo, deine Augenringe sind tiefer als der Marianengraben«, zischt Mary grinsend.
Kate und Mary lachen.
»Ich hab schon verstanden, ich seh scheiße aus«, gibt Jo genervt von sich und verschwindet in Kates Badezimmer, indem sie die Tür etwas zu fest zuschlägt.
Ich kann förmlich fühlen, wie sehr sie sich beherrschen muss.
»Okay, Leute, wir sollten sie den Rest des Tages einfach schonen«, sage ich zu den beiden und ziehe mir meine weinrot-weiße Baseballjacke mit dem Greyforks-Vipers-Logo über.
»Sag mal, Kate, kann es sein, dass Candice viel zu nett ist?«, fragt Mary an Kate gewandt und lehnt sich gegen ihren Schminktisch.
»Ganz eindeutig!« Kate steht auf. Dann sieht sie an mir runter. »Deine weinrote Baseballjacke passt doch nicht zu deiner weinroten Jeans, die irgendwie einen anderen Ton hat.«
»Stimmt, das beißt sich voll, Candice«, stimmt Mary mit ein.
»Haltet einfach die Klappe«, winke ich lachend ab und verschwinde in den Flur, wo Liam schon auf mich wartet.
Ich frage mich, wo Brandon eigentlich ist. Seit der Party bei Marcus Delaware verhalten wir uns beinahe wieder wie Freunde. Es gab nur hier und da mal einen Kuss, als wir alleine waren.
»Na, auch so mies geschlafen wie ich?«, fragt er mit müden Augen.
Ich lache auf, weil ich an die Nacht mit Jo in einem der Gästezimmer denken muss. »Ja, Jo wirkt immer so klein und lieb, aber ich schwör's dir, in der Nacht wachsen ihr weitere Gliedmaßen.«
Liam grinst. »Und Kate schnarcht.«
Ich pruste los. »Im Ernst jetzt?«
»Ja, aber sag's ihr bitte nicht.«
»Ganz bestimmt nicht.« Ich zwinkere ihm zu. »Da hatte es Mary, die allein im Zimmer war, wohl am besten.«
Er schmunzelt. »Das glaub ich auch!«
»Was gibt's hier zu lachen?«, ertönt die Stimme von Kate herrisch, die gerade aus ihrem Zimmer getreten kommt.
»Ach, gar nichts«, winke ich scheinheilig ab, werfe aber einen unauffälligen Blick zu Liam, der mir verschwörerisch zu grinst.
»Ich geh dann mal mit Mary zum Auto«, verkündet Kate und die beiden staksen in ihren Highheels den Gang runter.
Als ich auf die dunkelblauen Lackpumps mit dem goldenen Schriftzug von Mary blicke, erkenne ich, dass es die von Kate sein müssen. Offenbar haben sich die beiden gut verstanden. Wenn ich nur daran denke, wie Kate Mary eigentlich gehasst hat, dann bin ich mir nicht so sicher, ob sie sich wirklich vertragen haben, oder sie nur so tut.
●●●
In der Mittagspause stehe ich auf dem langen inneren Balkon, von dem aus man über die gesamte Kantine blicken kann. Ich lehne mich seufzend gegen das weiße Metallgeländer und suche in dem Gedrängel nach Brandon, was sich etwas so anfühlt wie das Spiel Where's Waldo.
An unserem Stammplatz sitzen Kate, Jo, Mary und Liam. Die Ereignisse scheinen uns wohl endlich näher zusammen zu bringen. Auf freundschaftlicher Ebene jedenfalls. Die Sache mit Brandon wird eigentlich immer komplizierter. Zwischen Liam und Kate scheint es aber auch ziemlich ausgekühlt.
Ich will die Suche nach Brandon schon beinahe aufgeben, als sich plötzlich zwei Arme um mich legen. »Na, hab ich dir gefehlt«, flüstert mir eine dunkle Männerstimme ins Ohr und ich fühle Brandons Kinn auf meinem Kopf.
Ruckartig entziehe ich mich seinen Armen. »Ich hab dich gesucht«, zische ich schlecht gelaunt und versuche mich verzweifelt näher an das Geländer zu drücken, um mehr Abstand zu ihm zu gewinnen.
Irritiert blickt er mir entgegen. »Was ist denn mit dir los?«
»Sollte nicht ich dich das fragen?«, fauche ich.
»Mann, Candice...«, will er ansetzen, doch ich falle ihm ins Wort.
»Bin ich dein Kumpel oder deine Freundin?«, schießt es aus mir und im selben Moment wird mir klar, dass ich diese Frage nicht mehr zurücknehmen kann.
»Du...du...«, stottert er.
»Ist schon gut«, winke ich mit gesenktem Blick ab und trete seitlich von ihm weg. »Ich hätte nie was mit einem Jüngeren anfangen sollen.«
»Candice!« Er hält mich am Oberarm zurück und dreht mich wieder zu sich. Dann sieht er mir tief in meine Augen. »Du bist meine Freundin.«
Ich blicke mit erschrockenen Augen zu ihm hoch.
»Und sag sowas nie wieder, hast du mich verstanden?«
»Es...es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen sollen. Aber es ist mir so vorgekommen, als wäre ich bloß dein Kumpel. Aber falls es dir noch nicht aufgefallen ist, ich bin ein Mädchen.«
»Klar ist mir das aufgefallen, Candice. Du...du bist wunderschön. Du bist die schönste Frau, die ich mir nur vorstellen kann.«
»Lass uns doch heute was zusammen machen«, schlage ich vor. »Nur wir beide.«
»Das wäre wirklich schön.« Er lächelt mir mit seinem Sommersprossengesicht entgegen.
●●●
Das leuchtende Wasser umhüllt mich wie ein seidenes Tuch. Dampf steigt in den sternenübersäten Himmel auf und bahnt sich einen Weg durch meine durstenden Lungen.
Brandons Haare sind schon ganz nass und wirken nun dunkler. Mit seinen Sommersprossen sieht er in diesem Moment haargenau aus wie ein Surfer.
Er hat mich in ein Luxushotel in Chester Hill eingeladen, auf dessen Dachterrasse ein warmer Pool mit Lichtern eingelassen ist. Ich hätte diese Einladung nie angenommen, wenn ich davor gewusst hätte, wo wir hinfahren. Er muss mich nämlich nicht mit teuren Ausflügen trösten, um unsere junge Beziehung zu retten, die ja gerade erst angefangen hat.
Schon seit einer halben Sunde waren keine anderen Gäste hier und an meinen Fingerspitzen haben sich bereits diese tiefen Rillen gebildet.
»Hattest du eigentlich schon dein erstes Mal«, fragt er plötzlich in die Stille der Nacht und Blickt über die Lichter von Chester Hill.
»Du?«, stelle ich die Gegenfrage, um von mir abzulenken.
»Also ich hab dich wohl erster gefragt, also musst du auch erster antworten«, lacht er und sieht nun zu mir.
Ich setze mich neben ihn und blicke ihm belustigt entgegen. »Wer hat denn bitte diese kindische Regel aufgestellt?«
»Das ist ein ungeschriebenes menschliches Gesetz, Candice. So wie man keine Babys schlägt und nie als erster nach dem letzen Stück Pizza im Karton greift.«
Ich lache kurz auf, werde dann aber wieder ernst und rücke noch ein Stück näher zu ihm, sodass ich seine behaarten Beine an meinen Schenkeln fühlen kann. »Gut, wenn ich es dir sage, musst du auch ehrlich antworten.«
»Abgemacht.« Brandon blickt mir verschwörerisch in die Augen und ich kann direkt spüren, wie erwartungsvoll er gerade ist.
»Ich bin noch Jungfrau«, schießt es dann direkt aus mir. Er wird es schließlich ohnehin erfahren und warum sollte ich es nicht gerade heraus sagen?
Ein warmes Lächeln breitet sich auf Brandons Gesicht aus. »Ich hatte gehofft, dass du das sagst.«
»Und was ist deine Antwort?« Ich lehne mich noch etwas weiter zu ihm, sodass ich ihn durch den aufsteigenden Wasserdampf noch besser sehen kann.
»Ich bin Widder.« Auf seinem Gesicht breitet sich ein breites Grinsen aus.
»Ich weiß dein Sternzeichen, du Blödmann!«, zische ich und verpasse ihm lachend einen Schlag.
»Okay, okay«, gibt er sich geschlagen und hält sich dabei schützend die Hände vors Gesicht.
»Die Wahrheit ist, ich hatte schon ein paar Male Sex...«, bringt er schließlich etwas reuevoll hervor.
»Das ist okay«, stoße ich mit einem Kloß im Hals hervor. Auch wenn ich sagen muss, dass es mich doch etwas enttäuscht. Diese Seite an Brandon hab ich nie so wirklich registriert. Schließlich ist er für mich immer sowas wie ein Kumpel gewesen. Und jetzt muss ich plötzlich an all die Mädchen denken, die bereits mit ihm auf ein Luxus-Date eingeladen worden sind und die von ihm vielleicht genau dieselbe Frage gestellt bekommen haben.
»Candice, ist was?«, fragt er nun besorgt.
»Nein.« Ich sehe zum leuchtenden Boden des Pools, dessen Lichter durch die unruhige Wasseroberfläche verzerrt erscheinen.
»Ich sehe doch, dass du was hast. Ist es wegen dem Sex? Es ist nichts Schlechtes, noch Jungfrau zu sein...«
Ich schüttle wütend den Kopf. »Das weiß ich doch selbst«, zische ich. Er stellt es aber tatsächlich so hin, als wäre etwas, für das man sich schämen müsste.
»Aber ich darf nicht mit anderen Mädchen geschlafen haben, oder was?« Auch seine Stimme wird etwas härter.
»Ich gehe jetzt besser, ich muss ohnehin nach Hause«, murmle ich und steige aus dem wohlig warmen Wasser. Augenblicklich breitet sich die beißende Kälte auf meinem gesamten Körper aus. Mein gesamter Körper schmerzt und zuckt unkontrolliert. Aber das ist mir in diesem Moment egal.
Ein Kapitel, bei dem es viel um Candice und Brandon ging. Ich hoffe, das hat die #Candon/#Brandice Fans unter euch gefreut. Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und bis Morgen,
eure Anna Vanilla ♡
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