2. Nicht mein Tag
- 19. Januar 2101 -
Ian's Sicht
Von Weitem konnte ich Schritte vernehmen, vereinzelte Stimmen fragten nach dem richtigen Weg. Jetzt saß ich so richtig in der Tinte. Ich konnte niemals einschätzen wie viele weiteren Soldaten geschickt worden waren. Die Anzahl konnte sich von 10 bis 50 erstrecken. Langsam drang auch der Schmerz aus meinem Fuß zu mir hinauf. Durch den Adrenalin-kick hatte ich ihn unterdrücken und somit bei Seite schieben können.
Doch selbst in dieser Situation sah ich nun keine Weitere Option als: Fliehen.
Ich könnte versuchen, es mit den Soldaten aufzunehmen, doch dieses Risiko war es mir nicht wert.
Und mit meinen Verletzungen war das eh keine gute Idee. Also ergriff ich die Flucht. Schon beim ersten Schritt schmerzte mein Bein furchtbar. Ich versuchte das ziehende Gefühl wieder zu unterdrücken, so wie vorher, doch das gelang mir nicht.
Mit jedem weiteren Schritt und je weiter ich kam, desto unerträglich wurde der Schmerz. Aber ich durfte noch nicht anhalten. Nicht jetzt. Ich konnte mehr und mehr Stimmen hinter mir wahrnehmen. Anscheinend war ich aufgeflogen und sie hatten mich bemerkt.
„He is trying to escape!!"
„Catch him, immediately!!"
„Open the fire!"
Ich wagte einen Blick über meine Schulter. Die Angreifer setzten ihre Gewehre an, bereit jeder Zeit zu schießen. Das war nun wirklich eine blöde Situation. Sie würden mich mit Sicherheit treffen und in seiner jetzigen Umgebung gab es nirgends einen Platz um von Geschossen Schutz zu suchen. Mir blieb nichts anderes übrig als weiterzulaufen. Ich warte nur darauf den ersten Schuss zu hören. Lange Zeit kam nichts. Doch dann drückte jemand ab. Und tat es einer, taten es alle anderen ihm gleich. Ein Hagel aus Gewehrkugeln flog an mir vorbei. Der Großteil hatte mich verfehlt. Doch eine hatte meine Schulter getroffen. Das plötzliche Ziehen ließ mich laut aufkeuchen, doch stehen blieb ich nicht. Die Kugel sollte mich, zumindest vorerst, nicht davon abhalten weiterzulaufen.
„Reload!!!",schrie ein großgewachsener Mann mit weißen Schnauzbart und großer Mütze.
Auf seiner Uniform waren eine Menge von Orden zu sehen, außerdem das Erkennungszeichen für einen britischen Kommandanten.
Danach diesem Kommando alle anwesenden Soldaten das Magazin der Schusswaffe wechselten, schlussfolgerte ich daraus, das dies das Zeichen zum Nachladen war.
Aber, egal!
Weiter rennen!
Jetzt hatte ich ein ganz anderes Problem!
Nicht stehen bleiben!
Mein Blick wieder zum Waldrand gewand, setzte ich meinen Weg zu meinem Ziel fort.
Doch das würde ich niemals erreichen. Die nächste Salve von Kugeln würde bestimmt treffen. Die nächste Welle ließ auch nicht lange auf sich warten. Ich wurde von der Ladung völlig überrascht, da ich den Zeitpunkt anders geplant hatte. Ich wollte mich noch auf den Boden werfen, versuchen den tödlichen Kugeln zu entkommen. Doch ich war zu langsam. Ein Meer aus Patronen hagelte auf mich nieder. Ich spürte wie mich die Kugeln durchbohrten. Ein Ziehen rechts, leicht unterhalb der angeknacksten Rippe. Ein Blick abwärts meines Körpers verriet mir, dass ich erneut getroffen wurde. Ich spürte bereits wie sich ein großer unangenehmer, feuchter, klebriger Fleck auf meinem grauen Hemd ausbreitete und selbst durch die grüne Jacke durchsickerte. Plötzlich ein stechender Schmerz an meinem Schienbein. Ein lautloser Schrei formte sich auf meinen Lippen. Hätte ich schreien können, man hätte es für das Gebrüll eines wilden Tieres gehalten.
Das war verdammt noch mal die Hölle. Eine Kugel, direkt in die Wunde. Ich stolperte, fiel über meine eigenen Füße und schlug hart mit dem Kopf auf den Boden auf. Unfähig mich zu bewegen oder sich irgendwie zu rühren, blieb ich einfach liegen. Ich fing an heftig und stoßartig zu atmen. Vor meinen Augen erschienen schwarze Punkte und die bereits vorher anwesende Dunkelheit rückte immer näher. Mein Blickfeld verschwamm langsam.
Dieses Pochen trieb mich in die Bewusstlosigkeit. Das durfte nicht wahr sein. Ich war so kurz vor dem Ziel. Und jetzt lag ich da, gelähmt von dem Schmerz, der bei jeder kleinsten Bewegung durch meinen gesamten Körper schoss. Ich verlor völlig die Orientierung.
Die ganze Welt schien Kopfüber zu stehen. Meine Augenlider wurden von einen Moment auf den anderen schwer wie Blei.
Nur mit Mühe konnte ich die Kraft finden, sie weiterhin offen zuhalten. Ich konnte wieder das schwere Stapfen von Stiefeln hören.
„He got hit!!"
Die Worte schrillten auf einmal in meinen Ohren auf und ich hatte das Gefühl, allein von dem Lärm bewusstlos zu werden.
„Is he dead?"
Die weiteren Worte vernahm ich dann plötzlich dumpfer, wie als würde ich sie durch eine dicke Wand hindurch hören. Ja, es war fast schon angenehm.
„No, i think just unconcioness. All right lets end this..."
Das Klicken einer nachgeladenen Pistole kämpfte sich durch die dicke Watte vor meinen Ohren.
Ich wartete.
Und wartete.
Doch es kam nichts.
Nur Stimmen erschallten ein weiteres Mal.
Aber ich konnte sie nicht mehr zu ordnen
„...don't...-im...yet...could...-sefull."
Kurz drehte sich auf einmal alles, der Druck von meinem Bauch wurde genommen und stattdessen auf meinen Rücken verlegt.
Daraufhin hörte ich sie nicht mehr. Das war einfach zu viel auf einmal. Ich gab nach, mich dem Schmerz hin. Ließ mich einfach fallen, in die Dunkelheit. Die kräftigen Hände die mich jeweils links und rechts an meinen Armen packten nahm ich bereits nicht mehr war. Nur das Rauschen des Blutes in meinen Ohren und das Tropfen des Regens auf mein Gesicht war noch gegenwärtig.
Allgemeine Ansicht:
Mittlerweile war eine gesamte Kavallerie angerückt. Drei Trucks mit einem Doktorteam, ein Panzer sowie Kampfhubschrauber. Und unzählige andere Rekruten. Kommandant Westwood kniete sich zu dem jungen Soldaten hinunter, welcher umringt wurde von zwei Ärzten, einem Assistenten und einigen gewöhnlichen Rekruten. Er lag auf dem Rücken im Schlamm und hatte die Augen geschlossen, schon längst von dem Schmerz überwältigt. Seine weißen, langen Haare wirkten irgendwie irritierend und völlig fehl am Platz für jemanden der bereits so mit Blut befleckt war. Viel von dem was im Folgenden geschah sollte er gar nicht mehr mitbekommen. Der Junge war bereits einige Male in anderen Gefechten aufgefallen. So jung und bereits befleckt mit menschlichen Blut. Wie tief konnte die Menschheit noch sinken.
„Kommandant Westwood!"
Einer der Ärzte hatte die Anwesenheit des alten Mannes bemerkt.
„Mister Coulson.", erwiderte der Kommandant. Er hatte bereits in früheren Einsätzen Bekanntschaft mit dem Militärarzt gemacht.
„Ich würde ja gerne sagen, dass es mich freut sie wieder zu sehen, allerdings währe das jetzt ein wenig unangebracht.", antwortete Coulson sich am Hinterkopf kratzend.
Um weg von diesem unangenehmen Gespräch zu kommen, deutete Westwood stattdessen auf den Jungen.
„Kannst du schon sagen wie's mit ihm aussieht?"
„Seine Verletzungen? Nein, tut mir leid, dazu brauch ich meine Ausrüstung. Aber er hat einiges einstecken müssen, ich denke das sieht man auch mit dem bloßem Auge."
Zustimmend nickte der kniende Mann.
„Bitte Platz machen!!"
Von hinten drängelte sich der zweite Arzt und der Assistent mit einer Trage durch die Masse. Der Junge wurde sorgsam auf den dunkelgrauen Stoff gelegt. Riemen wurden um Arme und Beine geschnallt, die für einen sicheren Halt sorgen sollten. Die ringsherum stehenden Soldaten wurden gebeten die Trage zu einem der Trucks zu tragen.
So machten sie sich auf den Weg, geführt von Doktor Harry Coulson. Sie verfrachteten den mittlerweile weißhaarigen Jungen samt Trage in den Hinterraum und befestigten ein weiteres mal die Trage an dafür vorhergesehene Schlingen. Coulson machte noch einmal kehrt um an die Seite des Kommandanten zu treten.
„Wir werden schon mal voraus fahren. Je eher er ins Hauptquartier kommt, desto schneller können wir helfen."
Stumm nickte er.
„Helfen sie diesem Jungen so gut es geht. Ich will dass sie alles geben."
„Natürlich Sir. Das...ist unser Job."
Verständnisvoll lächelte er seinen Vorgesetzten an.
Das Team sammelte sich am Truck. Die Ärzte hinten, wo sie den Patienten erstmals untersuchen konnten, Soldaten auf Fahrer und Beifahrersitz. Die Motoren heulten auf und schon rollte das Gefährt Richtung Nord-Osten. Immer Richtung Hauptquartier.
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