12. Vertrauen?

23. Januar, 2101

Ian's Sicht

Als die Blonde und der seltsame Zwerg die Tür zugeknallt hatten, saß ich immer noch zusammengekrümmt auf dem Boden und musste den Schock erst einmal verdauen. 

Meine Hand mit dem Skalpell in der Hand senkte ich wieder zu Boden. Ich atmete hektisch ein und aus, versuchte meine Luftzufuhr zu kontrollieren. 

Die ganze Realität sickerte nun durch meine Haut.

Die Kälte, die von außen auf mich eindrang und von allen Seiten meine dünne Haut entlang krabbelte. 

Die erstickende Luft, eines geschlossenen Raumes. 

Der Schmerz, welcher plötzlich wieder stoßartig durch meinen Körper pulsierte. 

Meine freie Hand wanderte hinauf zu meiner Schulter, der Ursprung des Leidens. Ich fühlte nassen Stoff unter meinen Fingerkuppen, worauf ich meinen Kopf hob und meine Schulter begutachten wollte. Rote Substanz hatte sich ausgebreitet und schien mit jeder Sekunde, die ich auf dem Boden verharrte, mehr zu werden. Ich versuchte mit Druck auf die Wunde drauf zu pressen, was es nicht gerade komfortabler machte. Stattdessen stieß ich lautlos einen Fluch aus und presste die Zähne fest zusammen. 

Meine Füße konnte ich kaum bewegen. Nach der plötzlichen Benutzung lagen sie nutzlos und taub vor mir, fast kein Gefühl in den Zehenspitzen. Aufstehen war für mich nicht möglich, nicht in diesem Zustand.   

Keine Chance. Sollte nun nochmal jemand kommen, wäre ich ihm bedingungslos ausgeliefert. Die Hoffnung, die vorher aufgekeimte, welkte nun bis sie vollkommen verdorben war. 

Ich erkannte die hoffnungslose Situation, in der ich mich befand. Erschöpft und mich der Lage hingebend lehnte ich mich nach hinten, bis mein Rücken das kalte Material des Schrankes berührte. 

Erst jetzt bemerkte ich wie eine weitere feuchte Flüssigkeit sich einen Weg über mein Gesicht bahnte. Sie tropfte vor mir auf die Kleidung und hinterließ dunkle Flecken, tiefe dunkle Abgründe. 

Tränen.

Tränen meiner Hoffnungslosigkeit. 

Ich war seit langem nicht so verzweifelt gewesen. Nicht seit dem Tag, an dem ich meine Eltern nie wieder gesehen hatte. Seit Nicolás Tod. 

Mein Körper krümmte sich zusammen, der Oberkörper sackte in Richtung Boden. Keine Kraft hielt ihn mehr aufrecht. Hätte ich die Füße anziehen können hätte ich es getan und mich wie ein kleines Kind zusammengekauert. Ein Kleinkind, welches sich vor einem großen Monster versteckt. Nur dass ich hier das Monster war. 

Ich war so in meinen Gedankengängen versunken, dass ich den neuen Besucher nicht bemerkt hatte. Als ich aber plötzlich seine Schritte hörte, schreckte ich sofort aus meiner kauernden Haltung wieder auf und hielt ihm mein (tödliches) Messer entgegen. Meine Augen waren ein wenig feucht und verklebt von den Tränen.

Zu Beginn sah ich von dem Fremden nur vage Umrisse. Als ich die letzten Tränen weggeblinzelt hatte, konnte ich dann schon mehr wahrnehmen. 

Es war ein junger Mann, um die 22 oder 23 Jahre alt. Er war ziemlich groß. Da war ich eh schon relativ klein für meine 20 Jahre und jetzt von meiner Position vom Boden aus zu ihm hinauf blicken musste, kam er mir wie ein Gigant vor.

Kurze, hellbraune Haare standen in alle Richtungen ab. Man konnte sie mit der Mähne eines Löwen vergleichen.

Seine Augen hatten die Farbe eines tiefen Ozeanes, dunkles Blau gemischt mit etwas hellem. Das konnte ich selbst aus der Entfernung sehen. 

Er trug ein einfaches Shirt und eine Jeans und sah im Allgemeinbild aus, als sei er gerade erst aufgestanden und einen Marathon gelaufen. 

Sein Oberteil war zerknittert, Wangen und Ohren ein wenig rot von der kalten Luft draußen. Leichte Augenringe zierten sein Gesicht, als hätte er die Nacht durchgemacht. 

Unsere Blicke trafen sich für einen Moment. In dieser Zeit schien auch er mich genauer zu studieren, mich zu beobachten. 

Ich versuchte tiefe Atemzüge zu nehmen, was dazu führte, dass ich fast gar keine Luft mehr bekam. Mein Kehle war zudem staubtrocken, was es nicht besonders angenehmer machte.

Der Fremde stand für ein paar Minuten einfach nur da. Dann hob er langsam seine Arme auf beide Seiten und zeigt mir seine Handflächen. Eine Geste um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. 

Er ging vor mir auf die Knie und ließ sich zu Boden sinken die Arme noch immer angehoben. Seine Bewegungen waren zögerlich und eher improvisierend. Er war definitiv nicht auf  so etwas wie mich vorbereitet. Und ich nicht auf seine Aktion. Mir erst einmal mit so einer Geste zu kommen, ließ mich kurz die Spannung in meinem gehobenen Arm verlieren. Meine angespannte Miene verlor für einen Augenblick seine Härte. Doch dann wurde ich mir wieder meiner Situation bewusst. 

Das war alles nur ein Trick. Erst Vertrauen gewinnen, dann kommen sie zu ihren wahren Absichten. Vielleicht war er einfacher zu überlisten, als er aussah. Dennoch war dann immer noch die verflixte Tür. 

Der Braunhaarige sah überlegend zu mir hinüber, öffnete uns schloss ein paar mal den Mund bevor er versuchte ein Gespräch zu beginnen. 

"Okay...ruhig, ganz ruhig...bitte, du musst dich beruhigen...ich will dir nichts tun..."

Ein Moment der Stille ging vorüber, in der er auf eine Antwort von meiner Seite gewartet hätte. Als keine kam fuhr er unsicher fort.

"Ähhm...gut...mein Name ist Dave...ich bin Arzt...ich hab mich zusammen mit einem Kollegen um deine Wunden gekümmert...und..."

Daraufhin verzog er seltsam das Gesicht und rollte mit seinen Augen.

"Und leider waren das die zwei, die plötzlich in das Zimmer geplatzt sind..."

Also waren diese seltsame blonde Frau und der schwarzhaarige Mann seine Kollegen. Er erhoffte sich wieder einen Antwort von mir, doch ich blieb stumm. 

Hob stur das Messer in seine Richtung und verharrte in meiner abwehrenden Stellung. 

"Also...das sieht ziemlich schmerzhaft aus...", sagte er auf die Wund an meiner Schulter deutend.

"Ich...könnte mir das mal ansehen...wir sollten den Verband wechseln...", murmelte er leise vor sich hin aber so, dass ich es immer noch hören konnte. 

Er machte eine kleine Geste nach vorne, die mich nur wieder panisch werden ließ. 

Noch fester drückte ich mich in das kleine Kästchen hinein, noch stärker griff ich das  Skalpell. Meine Schulter wurde noch mehr zusammengedrückt, wobei ich mir selbst keinen großen Gefallen tat. 

Ein erblindender Schmerz zog sich quer durch meinen Körper. Mein Atem nahm noch mehr an Geschwindigkeit auf, als er eh schon hatte. 

"Hey...du solltest das lassen...das-das reißt die Wunde noch mehr auf...", wies er mich darauf hin.

Mein Blick verschwamm und dieses Mal nicht vor Tränen. Mich überkam ein Gefühl der Schwere fühlte mich aber gleichzeitig wieder leicht. Mein Arm hatte keine Kraft sich aufrecht zu halten und sackte langsam Stück für Stück nach unten. Meinem Kopf ging es nicht anders. Immer wieder erwischte ich mich dabei ihn wieder ein Stück auf die Seite fallen zu lassen.

Ich hörte noch wie der Fremde einen Fluch ausstieß, bevor ich hart auf der rechten Seite aufschlug.

"Oh shit!"

Bevor ich nachdenken konnte, war er aufgesprungen und hatte die Strecke zwischen ihm und mir in rasender Schnelle zurückgelegt. Jetzt kniete er neben mir und sah sich den Verband an der bereits von dem roten Blut durchtränkt war. Meine Lungen kahmen nicht mehr mit der Sauerstoffversorgung hinterher.

"Ahhh...shit, shit, shit...okay, listen...ähhh hör mir zu ", er nahm meinen Kopf mit beiden Händen und drehte ihn so, dass ich ansehen musste, "..du musst versuchen ruhig zu atmen, okay? Tiefe Atemzüge."

Da ich völlig verzweifelt war und mir nicht anders zu helfen wusste, tat ich was er von mir verlangte und schloss kurz die Augen. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und versuchte, so wie er sagte, tiefe Atemzüge zu nehmen. 

Was sich dann schwieriger herausstellte als gedacht. Den Atem beruhigen. Leichter gesagt als getan. Dennoch gelang es mir nach wnigen Minuten wieder einigermaßen normal zu atmen. 

Während der ganzen Zeit murmelte der Braunhaarige mir 'beruhigende' Wörter zu und versuchte mich durch ein regelmäßiges Mantra mich zu beruhigen. 

Als er sich versicherte, dass meine Atmung wieder stabil war, legte er meinen Kopf wieder auf den Boden. 

Ich blieb einfach liegen, wie ein nasser Sack, welchen man in eine Ecke gepfeffert hatte und rührte mich nicht. Konnte ich auch nicht. Meine Glieder fühlten sich wieder einmal unmenschlich schwer an und es machten sich Anzeichen von höllischen Kopfschmerzen breit.

Der Andere war aus meinem Gesichtsfeld verschwunden und auf die andere Seite getreten, wo ich ihn nicht sehen konnte. 

Doch schon nach kurzer Zeit kam er zurück und nahm mal wieder den knienden Platz vor mir ein. 

In der Hand eine kleine, unscheinbare Spritze.

"Okay, hör zu. Das ist ein Beruhigungsmittel. Du wirst erst einmal eine Runde schlafen, sobald es in deinen Blutkreislauf kommt."

Wäre ich nicht nutzlos auf dem Boden gelegen, nicht in der Lage mich zu bewegen, wäre dieses ganze Aufeinander treffen  bestimmt anders ausgegangen. Jedoch sah ich mittlerweile ein, dass es wenig Sinn machte, gegen die Bedürfnisse meines Körpers anzukämpfen und gab ihm die versprochene Ruhe. 

Ein leichtes Piksen an meinem Oberarm ließ mich kurz zusammenzucken, jedoch entspannte ich mich sogleich danach.

Und dieses Zeug wirkte. Und wie es wirkte. Innerhalb von Sekunden hatte sich fast mein ganzer Körper einem Gefühl der Taubheit unterzogen. Es kroch ausgehend von meinem Arm über den Brustkorb nach unten in meine Füße und Zehen. Meine Augenlider wurden schwer und ich konnte dem Verlangen nicht entgehen sie zu schließen.

Nach bereits einer Minute lag ich vollkommen ruhig auf dem Boden, mein Kopf rollte zur Seite und die Schwärze der Bewusstlosigkeit empfing ich mit offenen Armen. 

Und da wär auch schon das nächste Kapitel!

Ich würde mich gerne bei ein paar Lesern bedanken und zwar:

TheArtist13, Hero_of_Olymp, Yaralii und Chuutarou

Danke das ihr meine Geschichte so tatkräftig unterstützt und mir Feedback gebt! Ich hoffe ihr findet auch Gefallen an den weiteren Kapiteln. Überrascht mich dass die Geschichte so gut ankommt.

Nochmal vielen Dank auch an alle anderen Leser. Wenn ihr Feedback habt dann lasst mal was da ansonsten bis zum nächsten Kapitel. 















Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top