11. Beunruhigung

23. Januar, 2101

Dave's Sicht:

Ich vermute, dass ich irgendwann eingeschlafen sein musste. Mit größter Wahrscheinlichkeit auch noch auf meinem Schreibtisch.

Ich träumte.

Ich wusste nicht ob ich es als schönen Traum oder Albtraum eingliedern sollte.

Meine Mutter war da. Wie sie immer war. Freundlich, sympatisch, besorgt.

Abends saß sie neben meinem Bett, streichelte meinen Kopf und erzählte mir die verrücktesten Geschichten. Dann las sie mir aus den alten, dicken Büchern vor; Bücher aus denen bereits meine Ur-ur-Großmutter gelesen hatte. Meistens hatte ich sie nicht verstanden und meine Mutter musste sie mir erklären. Mit einem Lächeln auf den Lippen gab sie mir einen Gute-Nacht-Kuss und versprach mich morgen mit demselben Lachen aufzuwecken.

Leider entsprach das nicht so ganz der Wahrheit.

Denn das einzige, was mich mit seinem schrillen Gelächter aufweckte, war mein Handy.

Schon der erste Klingelton ließ mich so heftig aufschrecken, dass ich beinahe mitsamt Stuhl umgekippt währe. Welcher Idiot war auch auf die Idee gekommen, das Handy direkt neben meinem Ohr zu positionieren.

Ein Blatt Papier hatte sich über Nacht an meine Backe geheftet und wollte mich schon gar nicht mehr loslassen.

Ein paar Sekunden saß ich einfach nur verdutzt da und starrte aus dem Fenster. Von dort blendete mich die frische Morgensonne mit ihren Strahlen. Reflexartig hob ich meine Hand vor die Augen um ihnen ein wenig Schatten zu spenden, als ich den unangenehmen blinden Passagier in meinem Gesicht bemerkte. Sofort riss das Ding herunter und legte es zurück auf den Schreibtisch.

Erst jetzt drängte sich das bereits nach Notfall schreiende Mobiltelefon zurück in meine Gedanken.

Ohne auf den Display zu schauen entsperrte ich ihn und nahm den Anruf an.

"Was ist...?"

"David Samuel Warner, beweg sofort deinen fetten Hintern ins Headquarter. Wenn du in 15 Minuten nicht vor dem Raum unseres Patienten auftauchst sorg ich dafür, dass dein Vater dir mehr als die Übersetzung eines Tagebuchs aufgibt!!!"

"Was ist denn...?"

Schon hatte sie wieder aufgelegt und nur das Tuten der toten Leitung drang durch den Lautsprecher.

Das war Tessa's Stimme gewesen, oder?

Meine Güte, so hysterisch hatte ich sie noch nie zuvor vernommen. Wenn sie schon in solch kurzen Sätzen antwortete und der Anruf schon nach 5 Sekunden beendet war, musste es sich um einen Notfall handeln.

Da sie ihre Konsequenzen klar gemacht hatte, wollte ich sie auch nicht warten lassen und machte mich schnellstmöglich daran, mich fertig zu machen um zum HQ aufzubrechen.

Nachdem die Haustür zugesperrt war, wollte ich auch keine Zeit vertrödeln und beschloss die Metro zu nehmen, statt zu Fuß zu gehen.

Mit der völlig überfüllten Bahn um 9 musste ich mich halt abfinden, wenn es somit möglich wäre dem Groll der Tessa zu entkommen.

Nach 10 Minuten Fahrt war es auch schon Zeit auszusteigen. Die restlichen paar Minuten legte ich im Hyper-Sprint zurück und stand fast haargenau 15 Minuten nach Tessa's Anruf vor den Toren des HQ's.

Ohne Halt zu machen, quetschte ich mich durch die Eingangspforte, vorbei an den sich beschwerenden Passanten.

Quer durch die Eingangshalle machte ich mich auf zu den Fahrstühlen. Wobei ich mich zuletzt dann doch für das elende Treppensteigen entschied. Glücklicherweise ging es ja in die Erdgeschosse, sodass es ein- oder zwei Male fast vorgekommen ist, dass ich die Stufen vor lauter Schwung hinunter geflogen wär.

Als ich dann endlich im richtigen Stockwerke angekommen war, konnte ich bereits die zwei anderen Helfer sich zanken hören.

"...-achte das Mittel sollte mindestens zwei Tage wirken!?! Warum steht der auf einmal schon auf seinen Beinen?"

Simons Stimme hallte durch die Gänge. Ein wenig Angst und Unsicherheit schwang mit ihr mit.

"Woher soll ich das Wissen? Ich bin ja genauso überrascht wie du! Ich hatte fast 'nen Herzinfarkt!"

Das war Tessa die antwortete. Sonst die Gelassenheit in Person, konnte man auch aus ihrer Rückmeldung heraushören, dass sie Verunsichert war.

Simon wollte ihr schon wieder etwas entgegnen, als ihr Blick meine unscheinbare Gestalt am Ende des Flures wahrnahm. Vielleicht waren auch einfach die trampelnden Schritte, die ihr verrieten, wer sich da näherte.

"Gottverdammt, da bist du ja endlich!"

"Hey!", widersprach ich ihr sofort, "ich bin fast auf die Sekunde pünktlich! 15 Minuten hattest du gesagt!"

Verzweifelt schnaubte sie und warf ihre Hände in die Luft.

"Wen interessiert die Zeit. Nach meiner Ansicht hättest du auch viel früher kommen können."

"Aber..."

Bevor ich und Tessa sich weiter über diesen Schwachsinn streiten konnten holte und Simon wieder in die Realität zurück.

"Tessa, lass gut sein. Ich denke wir haben jetzt wichtigere Probleme!"

"Und wie siehst du eigentlich aus? Du hast deinen Kittel nicht an und tauchst hier auf, ungewaschen und ungekämmt."

"Das, allerliebste Tessa, liegt daran, dass ich eine wilde und schlaflose Nacht hatte..."

Und das war die Wahrheit. Ich konnte mich entsinnen mindestens bis um 2 oder 3 Uhr morgens das Tagebuch übersetzt zu haben. Und irgendwann war ich dann eingeschlafen...

"Eine wilde Nacht? So, so... Wer war denn die Glückliche? Die hübsche Brünette aus dem Mayflower? Oder die..."

"Tessa könntest du bitte...", Simon wollte sie hindern weiter zu reden.

Doch dann fiel ich ihm ins Wort.

"Du...Wieso...Was...W-warum...Warum denkst du an so was? Ich hab das verdammte Tagebuch übersetzt und das hat leider ein bisschen länger gedauert, als erwartet.", entgegnete ich ihr ein wenig wütend.

"Da bin ich ja erleichter, ich dachte du..."

Tessa begann eine ihrer sarkastischen Reden anzustimmen, als Simon sie lauthals unterbrach.

"Könntet ihr bitte mit diesem MIST aufhören? Oder muss ich euch wirklich noch einmal daran erinnern, dass wir hinter dieser Tür eine größere Herausforderung haben?"

Ich und Tessa blickten zu unserem Kollegen, der mittlerweile mit hoch rotem Kopf und Arme fuchtelnd vor uns stand.

Tessa gab ein 'Hmpf' von sich und straffte mit einem Ruck ihren Doktorkittel und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

"Stimmt ja." War ihre einzige Antwort.

"Genau. Erklärt mir jetzt bitte mal, warum ihr mich um 8:30 aus meinen schönsten Träumen holt?"

Langsam wurde ich ungeduldig und wollte endlich wissen, was los war.

"Wir haben ein Problem..."

"Das habe ich bemerkt.", stellte ich fest.

No Shit Sherlock! So weit hatte ich auch schon gedacht.

"Unser Patient sitzt angriffsfeindlich vor der Tür auf dem Boden, bewaffnet mit einem Skalpell, das ein gewisser Jemand am vorherigen Tag nicht aufgeräumt hatte."

Tessas warf vorwurfsvolle Blicke Richtung Simon warf, da sie angeblich wollte, dass er sich angesprochen fühlte.

Er gab ihr einen 'Was-schaust-du-mich-so-an?'-Gesichtsausdruck zurück.

"Sollte das Beruhigungsmittel nicht mindestens bis morgen wirken?"

Verdutzt blickte ich die anderen Zwei an.

"Das dachten wir ja eigentlich auch, aber anscheinend ist dies nicht der Fall."

Eine meiner Augenbrauen hob sich nach oben. Das sollte ich (oder einer der anderen bleiden) später mal kontrollieren.

"Und warum habt ihr mich jetzt so panisch gerufen?"

Die zwei blickten mich an, als hätte ich gerade einen furchtbar schlechten Witz ertzählt.

"Du kannst dich mit ihm verständigen.", sagte dann Simon.

Wirklich? Nur deshalb?

"Hör zu Dave, wir wollten nicht gleich die Security-Leute rufen. Der Junge muss Panische Angst haben, dass kann ich total nachvollziehen. Und wenn wir jetzt die Uniformierten Wachmänner holen würden, mit ihrem Sicherheits-Krims-Krams und den Schlagstöcken, und so weiter, denke ich nicht, dass wir das Vertrauen von ihm wecken."

Mit bettelnden Augen schielte mir die Blonde entgegen.

"Aber..."

Ich sah zu Simon hinüber.

"Simon du..."

Simon versuchte Tessa zu kopieren und setzte den gleichen Hundeblick auf wie sie.

"Hey, was..."

Immer zwischen den zweien hin- und herschauend, war ich völlig überfordert. Doch irgendwo hatte mich der Gedanke überzeugt, den Patienten durch meine Worte, eventuell, beruhigen zu können. Mit einem schweren Seufzen gab ich den Bettel-blicken nach und ließ mich auf die Herausforderung ein.

"Ich hasse euch, Leute."

Bevor ich mir ihre dankbaren und erleichterten Gesichter anschauen konnte, hatte ich mich auch schon zur Tür gedreht und zog meine Chipkarte durch den Skanner.

"Aber pass bitte trotzdem auf, Dave. Wie gesagt, er hat ein Skalpell."

Oh ja das mächtige Skalpell, das bereits Millionen von Tode gefordert hatte.

Ein mal durchgezogen, ertönte das entrasten des Schlosses als Klicken und ich stemmte mich gegen die Tür um sie zu öffnen.

Mal sehen, was ich hier so tun konnte. Ich drehte mich kurz zu meinen zwei Anhängsel um.

"Ich werd die Tür zu machen, ja?"

"Aber..."

"Moment mal..."

Genervt erwiderte ich ihnen.

"Mir wird schon nichts passieren. Und haltet jeden auf, der hier rein möchte. Selbst wenn es mein Vater ist."

Mit diesen Worten fiel die Tür zu. Und ich war alleine. Bis auf ein schweres Atmen, war sonst nichts zu vernehmen.

Ich blickte sofort auf eine zusammen gekauerte Gestalt am Boden, die Füße waren lagen ausgestreckt vor ihm auf dem Boden. Ein wenig in sich zusammen gesunken, hob und senkte sich der Oberkörper rhythmisch und regelmäßig. Jedoch viel zu schnell und die Bewegung wirkte viel zu panisch.

Seine weißen Haar hingen ihm stränenweise in Gesicht, wodurch mir sein Ausdruck verborgen blieb.

Eine Hand lag krampfhaft auf seiner Schulter, dort wo ihn die Kugel getroffen hatte. Durch das einfache Krankenhaus-Laken schimmerten bereits rote Blutflecken durch. So wie es schien, hatte sich die Wunde geöffnet und hatte den Verband um die Wunde schon verfärbt.

Er schien große Schmerzen zu haben, was deutlich an seiner Körperhaltung abzulesen war.

Er hatte mich mittlerweile (natürlich) bemerkt und den Kopf gehoben. Wilde, mit Panik und Angst erfüllte Augen starrten mich aus einem bleichen Gesicht an. Seine Augen waren angeschwollen und rötlich, die Wangen glänzten feucht.

Mit einer schnellen Bewegung hatte er wieder eine defensive Stellung eingenommen und mit der freien Hand hielt er nun das Skalpell in meine Richtung. Dass er jemanden damit verletzen konnte, daran zweifelte ich kein bisschen. Was ich in den Berichten gelesen hatte, waren Compators aus Argentinien nicht zu unterschätzen. Selbst ein Besen war in ihren Händen eine gefährliche Waffe.

Ich konnte sehen wie schwere Atemzüge seine Lunge verließen, jedoch bereitete anscheinend selbst das Atmen Schmerzen.

Ein paar Sekunden wusste ich nicht, wie ich nun anfangen sollte.

Dann kniete ich mich ganz langsam zu ihm auf den Boden und hob meine Hände so, dass er sehen konnte, das ich unbewaffnet war.

Ein leichter Ausdruck von Verwunderung zischte über sein Gesicht, der jedoch so schnell wieder zum alten wiederkehrte, wie er gekommen war. Auch die ausgestreckte Hand senkte sich für einen Augenblick, schnellte jedoch gleich wieder nach oben.

Ich öffnete meinen Mund, aus dem einfach keine Worte herauskommen wollte.

"Okay...tranquilo, tranquilo...por favor tienes que calma...te no quiero hiere..."

Das war also der erste Satz auf Spanisch. Ich lern zwar Spanisch, kenn mich aber trotzdem nich so gut aus, deswegen:

Sollte jemand von euch besseres Spanisch sprechen, bitte schreibt mir wie es richtig ist. ;-D

Den anderen kann es ja egal sein, ihr versteht eh nich viel. Die Übersetzung würde ich danach hinschreiben oder in meinen Kommentar am Schluss eben. (Die Übersetzung zu dem Satz in diesem Kapitel kommt im nächsten Kapitel )

Weil Ian am Anfang nur Spanisch "spricht" (bzw schreibt), wird es also Routine, dass spanische Sätze vorkommen.

Die erste Begegnung ist ja nich so prickelnd zwischen Ian und Dave aber das wird schon noch, versprochen...

Sonst das gleiche wie immer:

Verbesserungen? Anmerkungen? Rechtschreibfehler? Vorschläge?

Ansonsten bis zum nächsten Kapitel (und schöne Weihnachten!!!!)
















Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top