10. Panik

-23. Januar 2101-

Ian's Sicht:

Ich trieb in den ewigen Strömungen eines Flusses. Oder zumindest fühlte es sich so an. Mein Körper war taub - ob es vor Kälte war, wusste ich nicht. In meinen Ohren konnte ich das Rauschen des stetig fließenden Wassers wahrnehmen, dass gleichmäßig seinen Weg um mich herum bahnte.

Nicht nur mein Körper auch mein Gedächtnis war wie benebelt. Es war nicht möglich für mich klare Gedanken zu fassen, geschweige denn, irgendwelche Erinnerungen aufzurufen.

Meine Gliedmaßen waren schwer, von der Gravitation wurden sie ohne Gnade bis auf den Grund des Gewässers gezogen. Immer schwerer drückte das Gewicht von oben auf mich herab. Irgendwann war ich auf dem Abgrund angekommen, jedoch war ich überrascht weichen Konstanz aufzufinden.

Auch wenn in meinen Fingern noch immer fast kein Gefühl vorhanden war, versuchte ich zu ertasten um was es sich bei der mystischen Materie handelte. Die einzelnen Glieder meiner Finger krallten sich darin fest. Es war Stoff, anschmiegsamer aber ein wenig kratziger Leinenstoff.

Ich versuchte mich zu konzentrieren, was mir sehr schwer fiel. Doch langsam kam ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ich lauschte.

Spitzte meine Ohren und versuchte etwas aus der Umgebung heraus zu hören. Ein dumpfes, gleichmäßiges Pochen kristallisiert sich heraus, das meinen Schädel zum vibrieren brachte.

Störend war das zweite Geräusch. Viel höher und Nerven zerreißender als das andere. Jedoch schlug es im exakt gleichen Rhythmus. Es hörte und fühlte sich anders an. Nicht so lebendig.

Ich bekam wieder ein Gefühlt in meinen Körper. Ich fühlte den Stoff unter mir, meine Hände darin verkrallt, meine schweren Augenlider, meine Haare die in sanften auf meiner Haut auflagen, ein seltsamer Druck um Mund und Nase, mein Körper der von meinem Hals abwärts mit schwerem Material bedeckt war.

Mit Mühe bewegte ich meine Augen dazu sich zu öffnen. Alles war schwammig und verschwommen.

Ich schloss sie wieder und wartete ein paar Minuten. Dann schlug ich sie wieder auf.

Über mir eine weiße Zimmerdecke.

Die Cuartos in Argentinien waren nicht weiß, sie hatten ein gefährliches grau. Stahlgrau.

Dann sickerte es langsam wieder in mein Gedächtnis, die Ereignisse der vergangenen Tage.

Der Aufbruch nach Groß Britannien.

Die vielen Stunden im Flugzeug.

Die Schlacht.

Die Schreie.

Das Blut.

Meine Verletzungen und der Schmerz.

Die fremden Leute.

Die Flucht.

Wieder Schmerz.

Und dann:

das Sinken in die Bewusstlosigkeit.

Meine Augen weiteten sich nun geschockt. Sie hatten ihn mit genommen. Von Briten verschleppt. Er war nun Gott weiß wo, in England.

Mein Kopf neigte sich erst auf die linke, dann auf die rechte Seite. Links stand in weitem Abstand ein kleiner Schreibtisch zusammen mit Stuhl und stählernes Schränkchen.

Vor mir führte eine Tür in einen anderen Raum. Daneben hing ein Schild auf dem die Wörter "WC" geschrieben standen.

Rechts war der Raum ziemlich leer, nur eine Zimmerpflanze erfüllte den leeren Platz. Und eine weitere Tür, die keinerlei Vermutungen offen ließ, wo diese hinführen würde. Der Raum war ziemlich abgedunkelt, nur eine kleine Lampe warf spärliches Licht in den Raum und gab die Sicht auf die dort vorhandenen Gegenstände.

Ich unternahm erste Versuche mich auf eine Seite zu rollen. Allerdings wurde ich durch Widerstand daran gehindert. Erst jetzt bemerkte ich auch, dass bei jedem meiner Atemzüge ein lautes Rauschen erklang. Ein seltsames geformtes Stück aus Plastik war über meine Nase und Mund gezogen und mit einem Schlauch verbunden, welcher neben meinem Bett an einen großen Kasten anschloss.

Langsam hob ich meinen linken Arm, zog mir das Ding von meinem Gesicht runter und warf es auf die Seite.

Mit einem Ellenbogen versucht ich mich aufzustützen, was jedoch kläglich scheiterte und ich sofort mit zusammengebissenen Zähnen zurück auf die Matratze sank.

Mit zusammengekniffenen Augen tastete ich meine Schulter ab. Sie war in dicke Bandagen eingewickelt, ebenso wie Teile meiner Arme und meiner Beine.

Ich glaube ich hatte noch nie solche Schmerzen verspürt.

Statt der Taubheit meines Körpers war er nun völlig verspannt. Alles schmerzte, jede kleinste Bewegung tat weh.

Trotz ziehender Sehnen und Muskeln startete ich einen neuen Fluchtversuch aus dem Bett.

Nach großer Anstrengung endlich aufrecht sitzend, schlug ich die Bettdecke auf die Seite.

Meine Beine fühlten sich dermaßen verunstalten an, dass ich keine Zweifel hatte, dass sie auch so aussehen würden. Und ich bezweifelt, dass ich auch nur einen Schritt mit ihnen machen konnten.

Sobald ich sie über die Bettkante geschwungen hatte berührten sie auch schon den kalten Fliesenboden. Ein Schauer durchfuhr mich. Die plötzlicher Wärme, die sich unter der Decke angesammelt hatte, war nun schlagartig verflogen.

Langsam rutschte ich Stück für Stück von der Bettkante und verlagerte mein Gewicht auf meine Füße. Als ich mir sicher war, meine Beine konnten dies tragen, tat ich den ersten Versuch.

Der erstmal damit endete, dass ich Bekanntschaft mit dem Fußboden machte.

Ich fiel der Länge nach hin, meine Hände bremsten scharf gegen den Boden. Mit einem schmerzerfüllten Ächzen kam ich auf dem harten Untergrund auf und blieb erstmal eine Zeit lang liegen.

Mir wäre von dem Zusammenstoß fast kotzübel geworden. Mein Kopf dröhnte von dem plötzlichen Kontakt und ein Schwindelgefühl kam auf. Die paar Minuten fühlten sich wie Stunden an.

Nachdem ich mich zumindest in der Lage fühlte, wieder aufzustehen, rappelte ich mich auf.

Am das Bett hinaufgequält, saß ich wieder an meiner ursprünglichen Position.

Dieses Mal ging ich aber ging ich die Sache anders an. An der Wand abstützend startete ich den zweiten Versuch.

Nur mit vorsichtigen und zögernden Bewegungen schaffte ich es mich aufrecht hinzustellen. Und mit der Zeit packte ich auch die ersten Schritte indem ich mich an der Wand entlang hangelte.

Ich fühlte mich wie ein neu geborenes Kind, welches gerade laufen lernte. Ein Kleinkind, das gerade die Welt neu entdeckte.

Dennoch stieß ich mich langsam von der Wand ab und versuchte erstmal mein Gleichgewicht während des aufrechten Standes zu finden.

Dann setzte ich mich in Bewegung. Die ersten Schritte waren noch immer wackelig aufgrund der fehlenden Unterstützung doch bei den folgenden wurde ich immer sicherer.

Die Raumerkundung konnte starten.

Zuerst wollte ich herausfinden, was sich hinter der Tür verbarg, die am nahsten bei mir lag.

Ich ging auf sie zu und drückte sofort die Klinke hinunter. Vielleicht war es ja der Ausgang ins Freie. Mein Chance zu entkommen.

Leider wurde diese Hoffnung auch so schnell wieder verworfen, wie sie gekommen war.

Denn hinter der Tür befand sich nur ein kleines Badezimmer mit Waschbecken, Toilette und eine Dusch-Badewanne.

Ich wollte den Raum schon wieder verlassen, da erhaschte ich einen kurzen Blick auf mein Spiegelbild. Ich trat näher an das Waschbecken heran und musste erst mal stutzen.

Ich sah miserabel aus. Wenn ich nicht gewusst hätte, das das ich wäre, hätte ich gedachte es sei ein Toter.

Die weißen Verbände ließen meine Haut und meine Haare noch bleicher wirken. Der ganze Schmutz und Dreck war heraus gewaschen und gaben nun freie Sicht auf meine schneeweißen Haare.

Ich fuhr mir mit meiner Hand einmal durch die weißen Strähnen und war überrascht wie lang sie bereits geworden waren. Sie gingen mir nun schon fast bis zu den Schultern.

Aus meinen Augenhöhlen starrten zwei leblose, lustlose Augen entgegen. Sie hatten jeglichen Glanz verloren und waren stattdessen kalt wie Stahl und unerbitterlich. Augen eines Monsters.

Nur eine dünne Stoffschicht der Krankenhaus-Bekleidung bedeckte meinen Körper. Meine Arme waren sichtbar und deutlich geschunden, dasselbe galt für meine Beine.

Mit unsicheren Schritten stolperte ich aus dem Bad hinaus.

Ich musste hier raus, auf irgendeine Weise.

Mein Blick fiel auf die zweite Tür, die wesentlich massiver und fester erschien als die, die zum Badezimmer führte. Mit nun entschlossenen Bewegungen ging ich zu der Tür.

Ich suchte einen Weg sie zu öffnen, doch es gab keine Türklinke, nur ein seltsamer Knüppel war dort angebracht. Doch auch den konnte man nicht nach links oder rechts drehen.

Nach ein paar weiteren hysterischen Versuchen mir einen Fluchtweg zu schaffen, gab ich auf. Ich wollte mich schon von der Tür abwenden, als ich hinter der Tür Stimmen vernehmen konnte.

Okay, jetzt sollte ich mir eventuell Sorge machen.

"...-aby he is already awake."

"He should not. The doctors said the sedative would last until tomorrow."

"So, we can check on his wounds today. Where the hell is Dave, he's already late again."

"I'm sure he has to deal with his own shit ."

Ein seltsames Piepen erklang, regelmäßig und in gleichmäßiger Reihenfolge. Dann sprang auf einmal das Schloss auf, die Tür ging auf und ich wich panisch zum Bett zurück. Vor lauter Aufregung traf ich auf einen kleinen Kasten und ein Scheppern erklang. Ich blickte auf die Seite, wo ein schmales Tablett heruntergefallen war und nun kleine Werkzeuge auf dem Fußboden herumlagen. Ein kurzes, längliches Messer mit dünner Schneide sah mir am nützlichsten aus und so packte ich es und hob es in Richtung Tür auf meine Angreifer. Ich packte es so fest, als ob davon mein Leben abhängen würde.

Meine Blicke trafen die von einem jungen Paar, ein blonden Frau mit langen Pferdeschwanz und ein um ein ganzes Stück kleinerer Mann mit längerem schwarzen Haar. Wir tauschten eine Millisekunde Blicke aus, dann schlug die Blondine die Tür wieder zu und trennte mich wieder von der Außenwelt.

Und das nächste Kapitel ist draußen!!!

Langsam nimmt die Geschichte mal ein wenig an Fahrt auf, wird ja auch Zeit. :-)

Cuartos: Raum/Zimmer/Kammer

Wie immer vielen Dank fürs Lesen und sollte es Unklarheiten geben bitte melden!

Schöne Adventszeit und das 11. Kapitel kommt vielleicht am 24.Dezember, wenn ich es bis dahin fertig habe.












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