1. In Blut getränkt
-19. Januar 2101-
Obwohl die Sonne schien, hätte man meinen können, dass es Nacht wäre. Der sonst so schöne blaue Himmel wurde von dunklen, schweren, bedrohlichen Gewitterwolken bedeckt und ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt.
Ein breiter Landstreifen, davor voll mit saftiger Gräsern und bunten Blumen.
Jetzt ein Ort der Verwüstung - dem Krieg zum Opfer gefallen. Wohin das Auge blickte war kein Stein auf dem anderen. Eine schreckliche Schlacht hatte gewütet. Es waren unruhige Zeiten seit sich England und Argentinien regelmäßig bekriegten. Mehr als tausende Tote hatte es bereits gegeben.
Der Grund dafür war ein mächtiges Erz, welches sich an der Küste von Argentinien über tausenden von Jahren tief unter der Erde gebildet hatte. Nach zahlreichen Untersuchungen kam man zu dem Ergebnis, dass das sogenannte „Extol" über die Jahre eine Unmenge an Energie angehäuft hatte.
Somit war eine neue Energiequelle gefunden, die man sooft es möglich war einsetzte. Beispielsweise war es ein Ersatz für Strom, Öl, Benzin - selbst Sonnenenergie wurde dadurch ersetzt.
Außerdem machte man noch eine andere sehr interessante Entdeckung. Mithilfe des erforschten Stoffes war es der Menschheit möglich ihre geistige und körperliche Fähigkeit zu steigern.
So ging das einige Jahre lang. Es wurden Massen aus den Minenschächten geholt und anfangs billig, später immer teurer weiterverkauft. Bis es zu ersten Mängel kam. Die Vorkommen wurden immer seltener und so sehr sich Forscher und Wissenschaftler auch bemühten, sie fanden keine weiteren.
Argentinien stoppte den Handel mit Extol und bewahrte es für Notfälle auf - das sagten sie zumindest. Allerdings wurde ein Großteil der Ware für unvorstellbar viel Geld auf dem Schwarzmarkt verkauft. Dies blieb nicht lange verborgen und als es ans Licht kam, waren viele Nationen empört. Sie verlangten von ihnen, alles gerecht unter ihnen aufzuteilen, da so ziemlich jeder davon abhängig war. Natürlich weigerte sich Argentinien.
Daraufhin kamen dunkle Zeiten. Die Nation mit der meisten Autorität war zu dieser Zeit England, eine Weltmacht. Und sie legte sich mit dem südamerikanischen Staat an.
Ein unendlich scheinender Krieg entfachte. Bereits seit mehreren Jahren bekämpften sie sich ohne dass ein Ende in Sicht ist. Unzählige Naturreservate, Dörfer und Städte wurden zerstört oder niedergebrannt - sowohl in Argentinien, als auch in England. Und so war auch Plymouth im Südwesten Englands nicht verschon geblieben.
Ians Sicht:
Langsam richtete ich mich auf, immer noch leidend unter dem Schmerz. Ich hob den Kopf, sah mich um. Tief graue Gewitterwolken hingen schwer über mir. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen. Von Zeit zu Zeit schnellten Blitze aus der dunklen Masse hervor und tauchten die umgebene Welt für einen Augenblick in grelles Licht.
Die Umgebung sah aus, als ob jemand mit einer riesigen Dampfwalze darübergerauscht wäre und vor nichts halt gemacht hätte. Überall war der Boden verkohlt, Schlaglöcher von Bomben prägten die Oberfläche sowie tausende von leblosen Körpern.
Aufgespießt, aufgeschlitzt, getrennt von den verschiedensten Gliedmaßen in einer scharlachroten Blutlache.
Obwohl ich es mittlerweile gewohnt sein sollte Szenerien wie diese zusehen, könnte es mir jedes mal wieder schlecht werden.
Mein Blick wanderte an meinem Körper hinab. Mein Schienbein war völlig Blutig geschlagen, die Hose an diversen Stellen zerrissen und in einigen Wunden hatte sich bereits Dreck verfangen. An den Armen waren nur einige Kratzer und Schrammen zu sehen.
Der Regen hatte den Boden aufgeweicht und das Feld in ein einziges Schlammloch verwandelt. Ich fühlte die erdige Substanz meine Stirn, meinen Nacken und die Schläfen herunterlaufen. Ich hob meine Hand und wollte sie aus meinem Gesicht wegwischen, hielt jedoch inne als ich merkte, dass sich der Matsch mit rubinrotem Blut mischte.
Meine Augen weiteten sich geschockt als ich das Blut an meinen Händen sah. Nicht mein eigenes. Fremdes Blut. Blut des Feindes. Derjenigen die ich getötet hatte. Wer weiß wie viele Leute wegen mir ihr Leben verloren hatten.
Der linke Ärmel meiner Uniformjacke war zur Hälfte abgerissen, sodass der zerkratzte Arm zum Vorschein kam. Das Symbol meiner argentinischen Einheit war verschwunden zusammen mit dem Rest des Stoffes.
Ganz vorsichtig tastete ich meinen Oberkörper ab. Am Brustkorb angekommen spürte ich ein starken Ziehen auf der linken Seite. Augenblicklich zog ich scharf Luft ein. Na super! Sieht so aus als hätte ich mir einige Rippen angeknackst.
Nachdem ich einigermaßen sicher war, dass ich keine weiteren schweren Wunden hatte, wollte ich auch nichts wie weg von diesem Schlachtfeld. Es ging nur sehr langsam voran, da mir mein geschundenes Schienbein einige Probleme bereitete. Mehr humpelnd als gehend näherte ich mich dem nahe gelegenen Waldrand. Nur noch wenige Meter trennten mich von dem schützenden Zufluchtsort.
Im Wald konnte ich mich wenigstes ein wenig orientieren. Dort draußen, auf dem freien Feld, war ich wie eine Zielscheibe für jeden Feind. Die Vorfreude, sich endlich ausruhen zu können, ließ mich jedoch unvorsichtig werden.
Zu Beginn nahm ich sie gar nicht wahr. Ein Spähtrupp des Groß Britannischen Militärs. Vermutlich wurde nach letzte Überlebende gesucht.
„ There is somebody!", schrie eine Stimme.
Völlig panisch drehte ich mich um, blickte in die Richtung aus der die Stimmen kamen.
„ We've found someone!"
Ich verstand rein gar nichts von dem was sie sagten. Ich konnte kein Englisch, hatte es nie gelernt. Die Vorgesetzten der Einheiten und die Regierung waren der Meinung, die Sprache des Feindes zu beherrschen, wäre für uns ein großer Nachteil. Bei einer Gefangennahme könnten sie eventuell Information aus uns herauskitzeln - oder prügeln. Wobei das eigentlich total sinnlos war, da man einfach einen Dolmetscher holen konnte und selbst mit Zeichnungen war sich zu helfen.
Obwohl es sehr wohl mein Interesse weckte, eine mir noch fremde Sprache zu beherrschen.
„Where does he belong to?", holte mich eine Stimme wieder aus meinen Gedanken.
„Wait a second! He's wearing an argentine uniform! He is a Argentine!"
Es waren fünf Männer, fünf bedrohliche Schatten die sich bei jedem Blitz aus der Wolkendecke schauderhaft weiteten. Sie näherten sich langsam und vorsichtig. Schritt für Schritt kamen sie näher. Meine Gedanken rasten, suchten nach einer Möglichkeit zu entkommen. Es gab Chancen selbst mit meinen Verletzungen hier heil herauszukommen. Drei der Angreifer hatten Gewehre, gingen aufgrund dessen in die Defensive. Die anderen zwei kamen, geduckt mit erhobenen Messern auf mich zu.
Plötzliche Müdigkeit drückte auf mich ein, wahrscheinlich das Nachwirken der Schlacht.
Der Schmerz am Schienbein schien - leider Gottes - auch nicht nachzulassen. Doch konnte ich mir nicht leisten Schwächen zu zeigen.
Automatisch griff ich an meine Gürtel, an dessen Rückseite platz war für sechs Wurfmesser. Vier hatte ich bereits davor verbraucht. Langsam zog ich die zwei letzten verbliebenen heraus, klemmte sie zwischen meine Finger und ging in eine geduckte Kampfstellung. Keiner bewegte sich, wartete darauf, dass jemand den ersten Schritt macht. Die vergehenden Sekunden kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Dann auf einmal. Eine Bewegung bei einem der Schützen. Er hat eine misstrauische Miene.
Er verstärkt den Griff um seine Waffe, sichtbar ein Zeichen von Unsicherheit.
Und darauf hatte ich gewartet. Mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit wirbelte ich um meine eigene Achse, um kurz darauf das Messer mit Schwung Richtung Schützen zu feuern.
Und ich traf. Mitten zwischen die Augen. Der getroffene ließ seine Waffe fallen.
Er stammelte noch einige letzten unverständliche Worte, dann fiel er leblos zur Seite. Seine Kollegen sahen ihrem toten Kumpanen mitgeweiteten Augen an.
Lauthals, wütend fluchend schrie mich einer von ihnen an: „You will pay for this!"
Daraufhin ging alles ganz schnell. Die Schwertkämpfer kamen näher.
Den Angriff des Ersten, konnte ich blocken.
Ich zog mein Messer so zur Seite, dass das Schwert des Angreifers nach links abdriftete und rammte ihm stattdessen meine Waffe in den Bauch. Getötet hatte ihn das zwar nicht, jedoch sollte er sich vorerst vor Schmerzen krümmen und nicht mehr fähig sein für die nächsten Minuten aufzustehen, wenn nicht sogar noch länger.
Über meine Hände floss noch das warme Blut des Gegners. Ich zog meine Klinge heraus und ein weiterer Körper sackte in sich zusammen. Der zweite. Doch mir blieb keine Zeit zum Verschnaufen. Es waren noch immer drei übrig. Der zweite Nahkämpfer nahm schon etwas mehr Zeit in Anspruch. Er wählte seine Angriffe bewusst aus und stürzte sich nicht wie ein blindes Huhn in den Kampf. Doch meine Aufmerksamkeit galt mehr dem Schützen. Ich musste höllisch aufpassen wenn ich während meines Zweikampfes nicht von einer Kugel durchlöchert werden wollte.
Doch Menschen waren berechenbar. Durch Mimik und Gestik konnte man das Verhalten und Vorgehen von ihnen voraus ahnen. Da ich nur einen Fernkämpfer sehen konnte, konzentrierte ich mich auf ihn. Er hatte geladen und bereits angelegt, der Lauf seiner Waffe zielstrebig auf mich gerichtet. Ich ließ meine Deckung ein wenig fallen um das Fischchen mit einem Köder in die Falle zu locken. Manchmal musste man warten und Geduld haben, doch irgendwann verriet er sich von selbst. Ein Zusammenzucken seine Augenbrauen - für mich ein Zeichen, dass er gleich abdrücken würde.
Instinktiv drehte ich mich zu meinem Kontrahenten, dem verbleibenden Nahkämpfer. Mit ein paar schnellen Schritten war ich hinter ihm. Gerade wollte er zum Schlag ausholen , als ich ihm ein Bein stellte. Mit diesem Zug hatte der junge Mann nicht gerechnet. Er geriet ins Straucheln.
Er fiel mir wortwörtlich in die Arme, sodass ich ihn auffangen konnte, drehte mich daraufhin, mit ihm als Schutzschild, zum Schützen hin um, der just in diesem Moment abdrückte. PENG! Kurz daraufhin folgte kurze Stille. Leblos fielen die Hände des Soldaten zur Seite. Ich ließ ihn wie einen viel zu schweren Mehlsack auf den Boden plumpsen.
Ich schaute ihn mir noch einmal an. Der Schuss ging mitten durchs Herz.
Der konnte gar nicht mehr leben. Langsam breitete sich eine rote Suppe um ihn aus.
Daraufhin wendete ich mich zum Schützen, welcher vor Schreck seine Waffe fallen gelassen hatte. Sein Blick versprühte pure Angst, seine Augen waren vor Panik geweitete. Wie festgewachsen stand er da, rührte sich keinen Millimeter.
Ungewollt verzogen sich meine Lippen langsam zu einem hässlichen Grinsen. Adrenalin schoss unaufhörlich durch meine Blutgefäße, ließen mich den Schmerz, den ich vorher verspürte, vollkommen vergessen.
Das Fischchen zappelte an meinem Angelhaken. Langsam setzte ich mich in Bewegung, verringerte stetig den Abstand zu meinem Opfer. Gefühle der Überlegenheit stiegen in mir auf und machte mich blind, sodass ich mich nicht beherrschen konnte. Mit Freude betrachtete ich wie der völlig verschreckte Soldat, vergebens zu seiner Rückseite hin zu fliehen versuchte.
Ich war an der Stelle angekommen, an der der Schütze sein Gewehr fallen gelassen hatte lag. Ich hob es auf und lud nach. Den Gewehrlauf in meiner linken, den Finger am Abzug in der rechten Hand. Konzentriert fand ich eine angenehme Haltung und zielte.
Mein Gegner der mir bereits eine große Strecke voraus war und stetig einen flüchtigen Blick über die Schulter geworfen hatte, erkannte nun was ich vorhatte und versuchte sein bereits schnelles Tempo nochmals zu beschleunigen.
Doch das sollte ihm nicht nützen, denn ich verfehlte nie.
>Adiós Amigo!<, waren meine letzten gedachten Worte bevor ich abdrückte. Das dumpfe Geräusch eines Aufpralls versicherte mir nun, dass ich getroffen hatte.
Nun entspannte ich meine Haltung ein wenig. Das war wieder ein Schütze weniger.
Das macht dann in Summe zwei Nahkämpfer und zwei Gewehrschützen...Moment mal!
Nur zwei? Es waren doch drei Schützen! Das hieß es war immer noch einer da.
Verdammt! Den hatte ich ja total vergessen.
Ruckartig drehte ich mich um, versuchte auszumachen wo der letzte sein könnte. Doch ich konnte ihn nirgends erkennen.
Kein Geräusch, keine Bewegung. Nichts regte sich. Selbst der vorher so starke Wind, schien abgenommen zu haben.
Wie konnte ich nur so unachtsam gewesen sein? Das dümmste was mir jetzt noch passieren konnte war, dass er Unterstützung durch einen Notruf angefordert hatte, da er hier einen immer noch lebenden Fein ausfindig gemacht hatte.
Leider war mir das Glück heute mal wieder nicht gerecht und genau dieser Extremfall trat ein. Dummerweise hatte ich auch noch völlig die Zeit vergessen und der Unterstützungstrupp war, zu allem Überfluss, auch noch verdammt schnell hier gewesen.
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