7. Kommunikation neu gedacht

(Passagen in kursiver Schrift werden in spanischer Sprache gesprochen)

London, 3. Februar

Auf dem Weg von der Kantine zurück zum Sicherheitssektor kam Dave schlagartig eine Idee. Er musste in baldiger Zukunft versuchen, ihren Patienten dazu zu bringen, seine Fragen zu beantworten, sonst würde es das Militär für ihn übernehmen. Da war nur das Problem mit der Kommunikation, die ja derzeit nicht stattfand. Mittlerweile klammerte er sich verzweifelt sich an jede mögliche Lösung, die ihm dabei helfen könnte, den Argentinier zum Reden zu bringen.

Zurück im Nebenraum erlöste er den Sicherheitsmann von seiner Aufsicht und kramte dann in seiner Tasche, bis er gefunden hatte, was er suchte. Er legte sein Notizbuch auf den Tisch und entfernte die ersten Seiten, die vollgeschrieben waren mit Notizen und Erinnerungsversuchen. Ein weiterer Beweis, dass er sehr altmodisch war. Nichts ging über das Gefühl, Ideen mit Stift und Papier festzuhalten.

Und vielleicht würde ihn das mit ihrem sturen Patienten weiterbringen.

Zusammen mit einem Filzstift und dem Fragebogen packte er den Notizblock und klopfte kurz an das Fenster, um sich anzukündigen. Dann öffnete er die Türe in den anderen Raum.

Ian war wach und ein wenig überrascht über Daves plötzliches Eintreten. Wie so oft lag er wach und wollte - oder konnte - nicht einschlafen.

„Hey, wie geht's wie steht's?", grüßte Dave, während er sich den Weg zum Bett bahnte. Der Weißhaarige konnte, wenn er wollte, ein astreines Pokerface haben. So wie gerade eben.

„Ich habe hier was für dich."

Dave hielt ihm Stift und Buch entgegen, die er nur mit angespanntem Ausdruck ansah. Die Augen des Weißhaarigen wanderten von der Hand weiter nach oben, um dem jungen Arzt ins Gesicht zu sehen und dann wieder zurück zu den Gegenständen. Er machte aber keine Anstalten, sie entgegenzunehmen.

„Ich weiß, du möchtest nicht wirklich kommunizieren, weshalb ich gedacht habe, dass das hier helfen könnte. Ich werde auch keine unnötigen Fragen stellen", versuchte Dave es noch einmal und schob es weiter in das Sichtfeld des Argentiniers.

Dieses Mal konnte er sein enttäuschtes Schnauben nicht unterdrücken, als er immer noch auf Ignoranz stieß. Ein Klingeln drang an sein Ohr, das sich als sein COM entpuppte. Es war sein Vater.

„Nun, du kannst es dir ja noch mal überlegen..."
Er platzierte beide Gegenstände auf dem Bett zu Füßen des Weißhaarigen, bevor er sich in den Nebenraum begab, um sein Telefonat anzunehmen.

Ian wartete und beobachtete, wie Dave im Nebenraum auf und ab lief. Er sah das Buch und den Stift am Ende des Bettes liegen und griff vorsichtig danach. Es war nichts Außergewöhnliches - ein Block für Notizen zum Abmachen und Aufkleben. Auf der Papieroberfläche sah man Umrisse von Wörtern und Zeichen, die davor geschrieben worden waren, und auf der Innenseite fand er eine kleine Inschrift. Überraschenderweise waren sie in spanischer Sprache verfasst.

¡Feliz cumpleaños, Dave!

Tú Abuela, España 2045

Die Buchstaben waren mit feiner Tinte und geschwungenen Linien geschrieben. Im nächsten Moment war er ein wenig verwirrt. Wieso gab der Arzt etwas so Wichtiges an eine Person wie ihn? Eine weitere Geste, die Ian nicht nachvollziehen konnte.

Ian wartete auf das Wiedereintreten des Braunhaarigen, doch dieser kam nach minutenlangem Ausharren nicht wieder. Stattdessen hatte er das Telefonat beendet und sich wieder im Nebenraum verschanzt, wo er gerade wie wild an seinem Cumputer am Schreiben war.

Der junge Argentinier fasste einen Entschluss. Er schob die Decke zur Seite und rutschte, soweit es seine Handfesseln zuließen, an die Bettkante. Es dauerte ein bisschen, bis er in Position war - gebrochene Rippen und Schusswunden machten den Prozess nicht wirklich einfach. Endlich in einer sitzenden Position angekommen, nahm er das Notizbuch, trennte ein Blatt heraus und schrieb auf die klebende Seite. Dann lehnte er sich so weit vor, wie er konnte und klebte den Zettel an die Glasscheibe. Direkt vor Daves Gesicht.

Als Dave das Geräusch eines dumpfen Aufschlags hörte, hatte er das Gefühl, dass sein Herz kurz vor dem Aussetzen war. Vor ihm auf der anderen Seite des Panzerglases hatte sich Ian aufgerichtet und saß an der Bettkante ihm gegenüber. Vertieft in seine elektronischen Dokumente hatte er nicht bemerkt, wie nah er gekommen war und den jungen Arzt erwartungsvoll anblickte. Einen Moment konnte er den Weißhaarigen nur perplex anstarren, bevor ihn seine Aufmerksamkeit auf den Zettel lenkte, der nun an der Scheibe klebte.

Er erkannte das Papier des Notizblocks und die Farbe des Filzstifts und - jetzt ehrlich mal, wo sollte der Zettel denn sonst herkommen? Dennoch überraschte es ihn.

Warum gibst du mir das?
stand dort in ordentlichen spanischen Kleinbuchstaben.

Dave konnte seinen Augen nicht trauen. Doch statt in einen Freudentanz über seine Errungenschaft auszubrechen, suchte er die Oberfläche seines Tisches nach einem freien Stück Papier ab. Auf ein Blatt vom Altpapierstapel schrieb er schnell eine Antwort, befestigte sie mit Tesafilm und warf sie fast mit Wucht zurück an die Scheibe.

Weil ich froh wäre, wenn du mit mir reden würdest.

Lässt es nicht so aussehen, als ob ich Selbstgespräche führen würde.

Die Augen des anderen flitzten über die Worte, die ihm entgegengehalten wurden. Nach wenigen Sekunden klebte eine weitere Notiz am Glas.

Nein

Kurz war Dave verwirrt, als der Argentinier den Kopf schüttelte und ein zweiter Zettel folgte.

Das ist von deiner Großmutter.

Du solltest es benutzten. Nicht ich.

Auf der anderen Seite wedelte das Notizbuch hin und her. Dave reagierte mit schnellen Stiftbewegungen.

Behalt es.

Ich habe genug davon zu Hause. Bekomme jedes Jahr eins.

Sein Gegenüber wartete und starrte ihm lange in die Augen. Der junge Arzt hatte schon befürchtet, dass ihr Gespräch so schnell wieder vorbei war, wie es sich zugetragen hatte, bevor ein einfaches Wort an der Scheibe landete.

Danke.

Dave hätte schwören können, dass er den Schatten eines Lächelns auf den Lippen des anderen gesehen hatte. Ein einfaches Wort, das ein ungewöhnliches Gefühl in ihm auslöste. Von seiner Mitte ginge ein leichtes, aber warmes Kribbeln aus und entlockte ihm selbst ein eigenes Grinsen. Ein plötzlicher Einfall überkam ihn. Es war eine riskante und mutige Frage, aber er hatte ein gutes Gefühl, dass er den jungen Argentinier jetzt erreichen konnte.

Lust auf ein paar Fragen?

Er war auf jede Antwort - vor allem auf eine Abweisung - vorbereitet. Gespannt wartete er. Der nächste Zettel flog an die Scheibe, aber mit einer anderen Antwort als erwartet.

Ian Álvarez

Die Worte, die er als den Namen des Soldaten wiedererkannte, überraschten ihn. Er nahm ihm seine Frage direkt vorweg und gab ihm Informationen, ohne danach fragen zu müssen. Den Fakt, dass ihm der Name des anderen schon bekannt war, musste er nun elegant überspielen. Das Tagebuch hatte dieses Mysterium für ihn bereits gelöst, nur wusste das Ian ja nicht.

Dave beschloss sich dumm zu stellen und malte ein großes Fragezeichen auf. Der Weißhaarige verdrehte die Augen, bevor der nächste Zettel neben seinem auftauchte.

Mein Name

Die Antwort des Briten war prompt und wie ihm im Nachhinein auffiel, völlig überflüssig.

Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Dave Warner.

Ich weiß.

Auf der anderen Seite der Glasscheibe hörte er ein belustigtes Schnaufen. Natürlich wusste er bereits, wie er hieß. Immerhin hatte er sich ja schon längst vorgestellt. Trotzdem empfand er die Geste in keiner Weise lächerlich. Es war, als würde er sein Gegenüber das erste Mal richtig kennenlernen. Ihm so richtig begegnen.

Oh, sorry

Schon vergessen.

Fragen?

Und so ging Dave dann seine Fragen durch. Der Dokumentenbogen füllt sich genauso wie die Panzerglasscheibe vor ihm. Ihn überraschte es, wie jung Ian tatsächlich war. Mit 23 Jahren war sein Gegenüber ein Jahr jünger als er selbst. Der Kommentar, dass er ihn aufgrund seiner Größe nicht so alt geschätzt hätte, wurde mit zwei hochgezogenen Augenbrauen entgegengenommen, die sich minimal gekränk und provoziert fühlten.

Nach 15 Minuten merkte er, dass der Argentinier nicht mehr so aufmerksam war wie zuvor. Er schwankte leicht und ein zuerst kaum erkennbares Zittern erfasst seine Hände und Arme. Er schien Schwierigkeiten haben, sich weiter aufrecht zu halten. Dave wunderte das nicht, doch sein Patient wollte anscheinend partout nicht zugeben, dass es ihm ziemlich miserabel ging. Er beschloss, dem ein schnelles Ende zu bereiten.

Du fühlst dich nicht gut.

Es war eine Feststellung, keine Frage.

Leg dich wieder hin. Ich habe keine Fragen mehr.

Eine Anweisung, keine Bitte.

Danke für deine Antworten.

Während sein Patient sich mit vorsichtigen Bewegungen wieder unter die Decke schob, suchte Dave Schmerztabletten heraus und brachte sie in den Nebenraum. Mittlerweile waren sie so weit, dass die Infusionsständer nicht mehr gebraucht wurden und zum größten Teil aus dem Raum geschafft werden konnten. Ian war gerade in den Laken versunken, als er die Tabletten in die Hand gedrückt bekam und sie mit Wasser hinunterspülte.

Doch die Hand des Argentiniers ging erneut zu Block und Stift. Dave wartete geduldig auf die Antwort, die ihm dann entgegengehalten wurde.

Das der Grund, weshalb du so gut Spanisch sprichst?

Im ersten Moment suchte Dave verzweifelt nach seinem Papier, bevor er realisierte, dass er es nebenan gelassen hatte.

„Du meinst meine Abuela?", sprach er also und hoffte, so das Gespräch am Laufen halten zu können. Er bekam ein Nicken von seinem Gegenüber. „Ich bin in Spanien aufgewachsen und meine Mutter hat mir die Sprache beigebracht. Als sie gestorben ist, bin ich mit meinem Vater nach Großbritannien gezogen."

Das mit deiner Mutter tut mir leid

„Das muss es nicht. Ich bin drüber hinweg - ganz im Gegenteil zu meinem Vater."

Trotzdem

Jemand Nahestehenden zu verlieren ist nie leicht

Dave dachte sich: wenn es jemand wusste, dann Ian. Er hatte bereits viele Personen um sich herum verloren, von denen man sagen konnte, dass sie ihm nahestanden. Fast wäre es aus dem jungen Briten herausgeplatzt, doch in letzter Sekunde musste er sich daran erinnern, dass ihr Patient vom Tagebuch noch nichts wusste.

„Nein, das ist es allerdings nicht", murmelte er also nur ein wenig geistesabwesend. Als die Antwort des anderen ausblieb, merkte er, dass dieser im Bett lag und die Augen geschlossen hielt. Schließlich hatte ihn die Anstrengung durch das Aufsitzen dann doch eingeholt. Dave nahm den Stift und den Notizblock aus den Händen des Weißhaarigen und legte beides in Greifnähe auf die Ablagefläche nebenan.

Während er die Zettel von der Panzerglasscheibe entfernte, kamen in ihm Erinnerungen hoch. Altes, das er eigentlich schon längst vergessen - oder verdrängt hatte. Eigentlich all die Dinge, über die er sagte, dass er bereits darüber hinweg war. Seine Kindheit und Teenagerzeit im Haus seiner Großmutter. Die Zeit, die er mit seiner Mutter in der Natur, in den Bergen und am Strand verbracht hatte. Wie glücklich sein Vater damals in der Beziehung mit Amilia war und wie all seine Hoffnung niedergeschmettert wurde, als man den Tumor fand. Seine Mutter war willensstark. Man gab ihr maximal drei Jahre. Sie machte vier daraus, doch dann waren die Reserven ihres Körpers aufgebraucht.

Ihm war gar nicht so bewusst, was das Gespräch wieder wachgekitzelt hatte. Er hatte so lange nicht mehr an die schöne Zeit damals gedacht. Sie wurde meist überschattet von der Zeit der Krankheit, die seine Mutter regelmäßig im Krankenhaus und in Untersuchungen verbringen musste.

Diesen Abend noch kramte er aus einem vollgestopften Schrank seines Vaters eine alte Fotobox hervor. Lennard kam pünktlich wieder aus dem Headquarter zurück und setzte sich zögerlich dazu, als sein Sohn all diese Bruchstücke seiner einst glücklichen Vergangenheit herausholte. Bis spät in die Nacht schwelgten beide Mitglieder der Familie Warner in den schönen und warmen Erinnerungen seiner Kindheit, während sie mit nostalgischer Paella - nach dem Rezept seiner Großmutter - am Wohnzimmerboden saßen und einen Wein köpften. Tränen flossen vor Trauer, aber auch vor Freude und Lachen. Sie schrieben Nachrichten an ihre Verwandten in Spanien, mit denen seit mehreren Monaten Funkstille herrschte.

Aus einfachen Texten wurden Telefonate und bald Video-Anrufe. Vor den Bildschirm auf der anderen Seite quetschen sich Kindergesichter, die Dave seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie waren alle gewachsen, hatten sich verändert und sind doch irgendwie gleichgeblieben. Erinnerungen wurden ausgetauscht und schon bald befanden sie sich zurück in ihrer spanischen Gastfreundschaft und der Wärme ihrer Familie. Es ging bis spät in die Nacht und endete mit vielen Versprechen, öfter anzurufen und bald zu Besuch zu kommen.

Dave hätte nie gedacht, dass ein einfaches Gespräch eine solche Lawine von Emotionen und Ereignissen auslösen konnte.

--.--

Von da an wurde das Kommunizieren mit Zetteln zwischen Ian und Dave zur Gewohnheit. Auch Tessa begann er Notizen vorzulegen. Mit Simon und Lennard war ihr Patient noch eher vorsichtig.

Es war mal wieder eine typische Nachtschicht, als Dave von seinem Trip zum Lager kam, um Material aufzufüllen. Nachdem er eingetreten war und die vollen Kisten in seinen Händen ablegte, sah er, dass Ian wieder aufrecht im Bett saß. In den letzten Tagen hatte er immer und immer wieder die Grenze seiner Erschöpfung herausgefordert und versucht, so lange wie möglich aufrecht zu bleiben. Dave konnte darüber nur den Kopf schütteln. Kein Wunder, dass er tagsüber in einen fast komatösen Schlaf fiel.

Aber nun saß er ein weiteres Mal aufrecht, die Füße unter der Decke vorsichtig zu einem Schneidersitz verschränkt. Erst wenige Augenblicke später bemerkte er, dass er ein dickes Buch in der Hand hielt und Dave konnte sich nicht daran erinnern, ihm eines gegeben zu haben. Der Weißhaarige hatte ihn nicht bemerkt, weshalb Dave kurz an die Scheibe klopfte.

Sein Patient hob den Kopf und griff darauf hinter sich, um den Block hervorzuholen. Kurze Zeit später klebte eine Notiz an der Scheibe.

Hast etwas vergessen

Auf der anderen Seite hob er das Buch und Dave erkannte erst jetzt, dass der dicke Wälzer in den Händen sein Wörterbuch war. Er hatte es vermutlich vergessen, als er die Verbände gewechselt hatte. Mit hineingenommen, aber nicht mehr mit hinausgenommen.

Der Brite wollte schon antworten, als es ihm plötzlich auffiel. Irgendetwas war ihm komisch vorgekommen und beim genauen Betrachten der Nachricht fiel dem jungen Mann auch auf, warum. Die Worte waren nicht mehr in Spanisch geschrieben - stattdessen in Englisch.

Du sprichst Englisch?

Antwortete ihm Dave mit Verwunderung.

Seit fünf Minuten

Dem Gesichtsausdruck zufolge verstand Dave nicht wirklich, worauf Ian hinauswollte. Das Fragezeichen, das sich in seinem Blick abgezeichnet hatte, folgte schon bald auf Papier und hing am Panzerglas.

Der Argentinier rollte die Augen. So viel Begriffsstutzigkeit konnte doch nicht normal sein. Er nahm das Spanisch-Englisch Wörterbuch und deutete darauf. Schließlich schien auch dem jungen Arzt ein Licht aufzugehen.

Du hast übersetzt.

Habe ich.

Über die letzten Tage konnte Dave sein mysteriöses Gegenüber immer besser kennenlernen. Er musste feststellen, dass Ian weitaus lockerer war, als angenommen. Allerdings war er auch ein ganz schönes Schlitzohr. Er war sich manchmal nicht sicher, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass der Weißhaarige es liebte, ihn zu irritierend. Gerade wie jetzt, wenn dieser scherzende Blick in seinen Augen lag und ein neckendes Grinsen seine Lippen umspielte.

Dave spürte, wie ihm Hitze ins Gesicht schoss und sich langsam auf seinen Wangen ausbreitete.

Klugscheißer, dacht er sich.

Na dann... Hauptsache, du hast Spaß

Er machte sich daran, die fehlenden Materialien, die er gerade holt hatte, einzuräumen, als ein weiterer Zettel am Panzerglas landete.

Du holst es dir nicht wieder?

Ian war wieder zu seiner Muttersprache gewechselt. Es war immerhin noch niemand innerhalb zehn Minuten zu einem Sprachentalent mutiert.

Du kannst es behalten

Die Augen des Argentiniers wurden groß, als er die Worte las. Er wusste zwar, dass Dave eine der wenigen Personen hier war, dem er mit großer Sicherheit vertrauen konnte, aber trotzdem konnte er seinen Gedanken des Misstrauens nicht unterdrücken. Dafür hatte er schon zu viel schlechte Erfahrung gemacht, die er im Nachhinein bereut hatte.

Bist du dir sicher?

Ja, ich bin mir sicher. Behalt es.

Dem großzügigen Lächeln nach entnahm Ian, dass Dave seinen Einwand wirklich ernst meinte. Ein einfaches "Danke" wurde an das Glas geheftet, bevor der Weißhaarige sich umdrehte und wieder unter die Bettlaken rutschte, damit Dave seiner Arbeit nachgehen konnte.

--.--


Eineinhalb Wochen vergingen und Dave wog sich in beruhigender Sicherheit, obwohl er aber wusste, dass dieser eine verheerende Tag kommen würde.

Vermutlich wollte er es nicht wirklich wahrhaben und hatte es verdrängt. Der Arbeitsalltag und die Zeit mit Ian ließen ihn vergessen, dass sich bei dem Argentinier immer noch um einen Kriegsgefangenen handelte.

Perplex kam er zum Stehen, als er die vielen Militärs- und Sicherheitsleute vor Ians Raum sah. Tessa und Simon standen ein wenig abseits, während sein Vater sich mit einem älteren Mann unterhielt. Er gesellte sich zu der kleinen Gruppe.

„W-Was ist los?", fragte er seine Kollegen. „Warum sind diese ganzen Leute hier?"

Er hatte eine Befürchtung, aber er traute sich nicht, sie auszusprechen.

„Hast du meine Nachricht nicht bekommen?", wandte sich ihm Tessa mit ihren blonden Locken zu.

„Nein, ich habe vergessen, es zu laden. Die Batterie war leer."
Simon öffnete schon seinen Mund, um seinen Kollegen zusammenzustauchen, als sein Vater dem Schwarzhaarigen das Wort kappte und ihm eine ordentliche Antwort gab.

„Du weißt, warum sie hier sind, Dave. Sie wollen Antworten. Man hat mir vermehrt Druck gemacht und nachdem sein Zustand nicht mehr lebensbedrohlich ist, musste ich ihn zur Befragung freigeben."

„Aber... Sie haben doch bereits das Tagebuch..."

Es war ein kläglicher Versuch zur Rechtfertigung, selbst Dave wusste das. Sein Vater seufzte.

„Das ist nicht genug und das weißt du." Er sprach harte Worte, aber Worte der Vernunft. „Er ist mittlerweile seit über drei Wochen hier und es geht ihm zunehmend besser. Er ist unser Patient, aber in erster Linie ist er ein Gefangener des Militärs. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man ihn holen würde."

Und da musste der junge Arzt einsehen, dass Lennard recht hatte.

„Ja, ich weiß. Du hast ja recht..."

„Ich weiß, du machst dir Sorgen, wie das ausgehen könnte", meinte Lennard mit einer beruhigenden Hand auf der Schulter seines Sohnes. „Aber du solltest ein wenig mehr Vertrauen in Ian haben. Ich glaube, du unterschätzt ihn ein wenig."

Einer der gepanzerten Sicherheitsleute rief nach Daves Vater, der kurzerhand durch die Tür trat und die drei Kollegen mit den Türwächtern alleine ließ.

Ehrlich gesagt war es nicht Ian selbst, dass Dave Sorgen machte, sondern eher das britische Militär.

Sie konnte nur hoffen, dass ihr Patient kooperativ war und sich nicht quer stellte. Es irritierte Dave, dass er die Tatsache so schwer akzeptieren konnte. Er hätte ihm gern ein normales Leben gewünscht, allerdings wusste er auch nicht, ob Ian das auch so wollte. Über das Endresultat der Sitzung konnte er nur Vermutungen anstellen. Wie es mit ihnen weiterging, hing noch in den Sternen und war einzig und alleine von Ian und den Senatsmitgliedern abhängig.

Ian hatte bisher nicht viel mit Lennard zu tun gehabt. Doch wenn er kam, dann ging es um etwas Ernstes.

Tessa, die gerade noch Schicht bei ihm hatte, schickte der ältere Mann mit einer knappen Geste und wenigen Worten hinaus, bevor er sich neben das Bett des Weißhaarigen setzte. Er wurde mit vorsichtigen Blicken beäugt. Auch wenn Daves Vater auf den ersten Blick sehr ernst erschien, konnte der Argentinier ihn gut leiden. Er brachte Dinge schnell auf den Punkt.

"Mein Spanisch ist zwar nicht so gut wie das meines Sohnes, aber ich hoffe es wird reichen..."

Trotz der Aussage, hatte Ian keine Probleme den Älteren zu verstehen. Er war so ziemlich die letzte Person, die über die Sprachkenntnisse von anderen urteilte.
So erklärte Lennard ihm kurz und bündig, was in den nächsten Minuten passieren würde. Ians Sprachkenntnisse waren noch lange nicht ausgereift. Allerdings hatte er über die letzte Woche viel Wortschatz gelernt, sodass er den Kern von Lennards Aussage gut verstehen und deuten konnte.

Ein unsicheres Gefühl beschlich ihn, als er realisierte, dass die Zeit gekommen war. Es war nur eine logische Konsequenz: Er war gesund genug für Befragungen. Nervosität kribbelte in seinen Fingern, doch Ian hatte über die letzten Tage viel nachgedacht. Er hatte einen Entschluss gefasst und war bereit, das Nötigste zu tun, um sein Ziel zu erreichen.

Lennard fragte zwar, ob der Argentinier bereit war, um zu beginnen, doch er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Es ging entweder auf die sanfte oder harte Tour. Er entschied sich für die Sanfte und hoffte, dass er das Richtige tat. Ein Nicken reichte dem Älteren als Signal, woraufhin er seine Handfesseln mit einem Schlüssel festigte, bevor der Ältere nach draußen trat. Keine Sekunden später schwärmte Sicherheitspersonal hinein und begannen den Raum zu sichern. Teils schwer bewaffnet, positionierten sich mehrere Soldaten neben ihm und um ihn herum. Er zwang sich durchzuatmen und ruhig zu bleiben, als Aufregung in ihm aufstieg, wie brodelnde Lava.

Ein Stuhl wurde an die gegenüberliegende Wand gestellt und diverse Geräte in seiner Nähe positioniert. Die Männer, die eine Art Videokamera aufbauten, beäugten ihn mit misstrauischen Blicken. Die Luft schien innerhalb weniger Minuten zum Schneiden dick geworden zu sein. Ian wagte es nicht, sich von seinem Krankenbett zu rühren. Die Tür schwang auf und herein trat ein Mann, der seiner Abzeichen nach ein hohes Glied in der Militärsstruktur war. Die Anstecknadeln ähnelten dem von argentinischen Kommandanten. Zuletzt trat Lennard durch die Tür und positionierte sich neben dem Ranghöchsten. Der Ältere gab den Männern hinter den Geräten ein Handzeichen, schlug die roten Haare nach hinten und räusperte sich.

„Nun, dann wollen wir beginnen", sprach er mit überraschend ruhiger Stimme. „Mein Name ist Hughs Arnold, Kommandant und Hauptmann im britischen Militär. Mister Warner hat sie bereits informiert, warum ich hier bin. Ich habe Fragen. Dieses Gerät hier...", er deutete einem jungen Soldaten neben ihm vorzutreten. In den Händen trug er einen flachen Bildschirm, den er Ian mit schnellen Handgriffen überreichte. Die Buchstaben, die er auf der glatten Oberfläche einer Tastatur wiedererkannte, leuchteten in einem hellen Blau.

„... ist ein Translator. Da wir bereits über ihre Umstände informiert wurden, ist dieses Gerät auf ihre Sprache konfiguriert und wird ihre Antworten für uns übersetzen. Des Weiteren wird Mister Thompson hier meine Antworten für sie ins Spanische übersetzten."

Ians Blick ruhte auf einem weiteren jungen Mann mit schwarzen Haaren, der ihm zunickte und ihm als Einziger ein aufmunterndes Lächeln zuwarf. Erwartendes Schweigen breitete sich im Raum aus und er sah die fordernden Blicke auf ihm ruhen, die eine Antwort erwarteten. Er starrte auf das Konstrukt in seinen Händen und beschloss, es hinter sich zu bringen. Er hatte lange genug Zeit, darüber nachzudenken.

Sein Griff festigte sich um das Gerät und er begann Worte zu tippen. Erst langsam, dann immer schneller fegten seine Finger über die Tasten, als er den Dreh raushatte. Mit den stagnierendenFesseln an seinen Händen war es umständlich, aber nicht unmöglich. Als er seine Antwort verfasst hatte, wartete er, aber es passierte nichts. Der Mann, der ihm das Board in die Hand gedrückt hatte, deutete ihm auf den grünen Knopf zu drücken und mit einem Klick plötzlich ertönte eine einfache, monotone Stimme, die seine Worte in englischem Gefasel wiedergab.

Fragen Sie.

Der Kommandant nickte zufrieden.

„Nun, dann beginnen wir mit etwas Simplen. Wie lautet Ihr Name?"

Ian lauschte dem Übersetzer, bis er zu Ende gesprochen hatte, wartete kurz und sah den Oberst herausfordernd an, bevor er seine Antwort tippte und sie von der Computerstimme vorlesen ließ.

Das wissen Sie bereits.

Ein paar der umstehenden Rekruten zogen scharf Luft ein und warfen sich schockierte Blicke zu. Nur Arnold vor ihm schien sich von der Aussage nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Was gibt Ihnen den Anschein, dass wir das wissen?", frage er mit unschuldigem Ton in der Stimme.

Die Ärzte wissen ihn. Sie führen Protokoll. Außerdem haben Sie mein Tagebuch.

Das entlockte dem älteren Gegenüber nun doch ein beeindruckendes Zucken mit den Augenbrauen. Ian wartete und war so dreist, um weiter zu tippen.

Und Sie haben es gelesen.

Man hörte das Tappen von Fingern auf Metall, während Arnold seine Finger ineinander verschränkte. „Nun, das erspart uns Zeit. Aber sagen Sie mir... Was hat uns verraten?"

Es ist mein einziger wertvoller Besitz. Ich habe es immer bei mir.

Ich bin nicht blöd, Mister Arnold.

„Nein, das sind Sie durchaus nicht, Mister Álvarez. Und das wollte ich auch nicht behaupten", schmunzelte der Ältere zufrieden. „Ihre Einträge waren bereits sehr... einleuchtend und detailreich. Vor allem aber verstörend. Dennoch gibt es ein paar Lücken, die ich schließen möchte."

Ian war fast überrascht, mit welchem Respekt ihm sein Gegenüber ansprach und behandelte. So hatte er sich sein Verhör nicht vorgestellt.

Fragen Sie, wiederholte Ian. Ich gebe Ihnen ihre Antworten.

Das war seine Entscheidung, die er traf. Und diese Entscheidung schien bei seinen Staatsfeinden auf Überraschung und Verwunderung zu stoßen. Sie hatten vermutlich mit weitaus mehr Widerstand gerechnet.

„Woher können wir wissen, dass die Culebras nicht nach einem der Ihren suchen?"

Sie haben den Chip entfernt und zerstört?

„Das haben wir", meinte der rothaarige Kommandant mit kurzem Zögern in der Stimme. „Am Tag des Gefechts in Plymouth."

Dann gibt es keine Möglichkeit, mich ausfindig zu machen.
Es sei denn, Sie sind an die Presse gegangen oder haben Verhandlungen mit den südamerikanischen Staaten begonnen.

„Wir haben weder das eine, noch das andere getan."

Dann sollten meine Vorgetzten nichts mehr von mir wissen. Den letzten Standort hat das SA vermutlich auf dem Schlachtfeld geortet. Der Chip sendet kein Signal mehr, wenn der Körper kein Lebenszeichen gibt, denn das Militär birgt keine Leichen.

Tote Körper sind für sie nichts wert.

Arnold nickte zufrieden.

„Nun, da das geklärt ist, stellt sich mir eine weitere Frage: Was sind Sie bereit zu riskieren, um zurück zu ihrer Einheit zu kehren...", frage der Kommandant mit einer Hand auf Ian deutend.

Ja, das war der Part, der selbst für Ian schwierig war. Wie überzeugte man den Staatsfeind, dass man keine bösen Absichten hatte, obwohl man jahrelang auf der gegnerischen Seite gemordet und zerstört hatte - auch wenn es nicht unbedingt willentlich war. Im Krieg war immerhin alles erlaubt.

Doch er erinnerte sich an seine Worte, die er sich damals geschworen hatte. Das Versprechen, dass er sich fast in seine Haut gebrannt hatte. Sein einziges Ziel, das ihn so weit gebracht hatte.

Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht zurückkehren.

Ich bin ein Abtrünniger. Ein Verräter. Gehe ich zurück, bin ich ein toter Mann.

Das verwunderte den Kommandanten. „Ein Verräter? Wie meinen Sie das?"

Während der Schlacht in Plymouth habe ich das Computersystem sabotiert.

Leider ist es anders gekommen, als ich geplant hatte. So bin ich hier gelandet. Sie wissen, dass ich hinter der Sabotage stecke, nur sind sie vermutlich derzeit im Glauben, dass ich mit der Schlacht begraben wurde.

Arnold wirkte in sich gekehrt und hatte eine Hand an sein Kinn geführt. „Nun, das macht es mir leichter, Ihr Handeln nachzuvollziehen. Ich muss sagen, dass ich sehr überrascht über Ihre Kooperation bin", sprach er nach weniger Sekunden der andächtigen Ruhe. „Sie sind wirklich nicht das, mit dem ich gerechnet habe."

Wie gesagt: Sagen Sie mir, was Sie wissen möchten und ich werde mein Bestes geben, darauf zu antworten.

Folgend drückte man Ian eine elektronische Karte in die Hand. Mit roten Zielsetzern verzeichnete er die wichtigsten Standorte der ihm bekannten Militärsstützpukte und notierte in kurzen Notizen, um was es sich handelte. Als Nächstes listete er alle Namen der obersten Führungskräfte auf, die die Stränge zogen - gemeinsam mit den vermutlichen Standpunkten ihrer Legion.

Der Argentinier merkte nicht, wie die Zeit verging und somit auch seine Konzentration und Ausdauer. Es kündigte mit leichten Kopfschmerzen an und wurde bald so schlimm, als würden seine Gehirnhälften wie seismische Platten gegeneinander driften. Das Zittern drang in seine Hände zurück und machte es schwerer das Gerät in seinen Händen zu halten. Dem Kommandanten war die Veränderung nicht entgangen. Er blickte zu seiner Rechten und tauschte einen fragenden Blick mit Lennard aus. Die Anzeichen waren eindeutig und er oberste Arzt riet zum Abbruch.

„Nun, Mister Álvarez. Wir sind fast am Ende. Eine letzte Frage hätte ich allerdings noch. Sagt Ihnen der Begriff „Extol" etwas?"

Ian runzelte die Stirn und stutzte kurz. Bevor seine schweigsame Stille auffällig werden konnte, tippte er mit dem Vibrieren in seinen Fingern eine letzte Nachricht.

Nur den Begriff in Berichten gelesen. Dort immer in Bezug zu Energiequelle genannt. Mehr wurden auch uns Culebras nicht gesagt.

Ein langer abschätzender Blick folgte, bevor der Kommandant mit einem knappen Nicken vom Thema abließ und sich stattdessen erhob. Er trat an Ians Bett und entsicherte mit einem echoenden Klicken die Handfesseln. Seinen Sicherheitskollegen waren nicht wirklich begeistert von der Nähe, doch den alten Herren schien das nicht weiter zu stören.

„Es war mir wirklich eine Freude mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ich hatte schon mit anderen Culebras zu tun, aber keiner von ihnen war bis jetzt bereit zu kooperieren. Wir werden diese Daten prüfen und innerhalb ein paar Tagen wieder auf Sie zukommen. Ich bin gespannt, was ich in Zukunft noch von Ihnen hören werde."

Arnold hob ihm freundschaftlich seine Hand entgegen und wartete, dass der Argentinier sie entgegennahm. Mit der Kraft, die Ian aufbringen konnte, schlug er ein. Die Fesseln an seinen Händen rasselten, als sich die Stahlschnüre aus der Winde kurbelten und der gesamte Raum schien für kurze Zeit den Atem anzuhalten. Griffe festigten sich um die Abzüge und Läufe der Pistolen.

Während Ians Hand zurück auf das Bett glitt, verabschiedete sich Arnold mit einem schnellen Nicken von den Anwesenden. Die Männer und Frauen salutierten, bevor sie ihre Gerätschaften abbauten und mitnahmen. Nach und nach leerte sich der zuvor vollgestopfte Raum und Ian fühlte sich, als könnte er wieder leichter atmen. Zurück blieb Lennard, der ihm eine Tablette gegen die Schmerzen anbot und anordnete, sich auszuruhen.

Die nächsten Stunden fand er sich in einem Stand-by-Modus. Was im Nebenraum geschah, drang nicht an sein Bewusstsein. Stattdessen konnte er nicht aufhören, über die Befragung nachzudenken.

War es das Richtige gewesen? Hatte seine Kooperation ausgereicht?

Jetzt konnte er nur noch abwarten, wie sich die Regierungsleute entscheiden würden.

--.--

„Also... Weißt du jetzt über das Tagebuch Bescheid?"

Dave saß am Bett des Argentiniers und war gerade dabei, die alten Verbände aufzurollen. Ian, der an der Lehne aufgerichtet war, legte das Wörterbuch aus seiner Hand und griff zu seinem Block. Es war ein paar Stunden her, dass der Kommandant und sein Gefolge den jungen Soldaten mit den drei Ärzten alleine gelassen hatten. Lennard hatte sich vorerst verabschiedet und war in die nächste Besprechung gegangen.

Den wenigen Schlaf, den der Argentinier bekommen hatte, half noch nicht wirklich mit seiner Erschöpfung, aber zumindest waren seine Kopfschmerzen und das Zittern aus seinen Händen verschwunden. Bis er fähig war, sich wieder hinzulegen, übte er weiter seinen englischen Wortschatz. Die Wand und Glasscheibe, die er mit den Fesseln erreichen konnte, waren innerhalb kurzer Zeit zugepflastert mit Post-it Notizen, mit denen er versuchte, sich wichtige Begriffe und Wörter zu merken. Dave neben ihm warf immer wieder einen Blick darauf und benannte Kleinigkeiten oder Fehler, die ihm aufgefallen waren. Der Andere nahm es dankend an.

Jetzt schob er Dave den Notizblock herüber.

Ich habe es schon lange gewusst

„Dann bist du also nicht sauer, dass ich dein Tagebuch für die übersetzt habe?"

Er wartete auf eine Antwort, doch es ertönte kein Kritzeln des Stiftes. Seine Hände erstarrten dabei, den Verband in einer kleinen Kiste zu verstauen, als er den starren Blick seines Gegenübers bemerkte. Ian schaute ihn nur mit weiten Pupillen an und Dave realisierte plötzlich, dass er es anscheinend nicht wusste. Zumindest nicht, dass Dave es übersetzt hatte.

Du?

Das eine Wort genügte und Daves Befürchtung bestätigte sich. Ein ungutes Gefühl beschlich den jungen Briten und er wünschte sich, es nicht erwähnt zu haben.

„Die... haben dir nicht gesagt, dass ich es übersetzt habe?"

Seine Stimme war nicht mehr als ein Piepsen und er betete zu Gott (oder irgendjemanden), dass es sich um einen Irrtum handelte.

Dem schockierten Blick und Kopfschütteln zufolge, war dem nicht der Fall. Er hatte voll ins Schwarze getroffen. Ein paar zögerliche Handbewegungen von Ian und ihm wurde eine Antwort vorgehalten.

Nicht dass es du warst....

Oh, verdammt. Mal wieder eine Glanzleistung. Die Finger des Arztes klammerten sich verzweifelt um die Rolle Verband in seiner Hand.

„Oh super, Dave... Das hast du mal wieder toll gemacht", murmelte er nun nervös in Englisch vor sich hin, bevor er sich zu Ian drehte. „Tut mir leid, ich dachte, die hätten es dir gesagt und ich wusste nicht wie ich es dir übermitteln sollte. Ich hätte es wahrscheinlich nicht mal dürfen und-"

Sein nervöses Stottern und sinnlose Plappern überdeckten nur die Unsicherheit, die sich in seiner Magengegend sammelte. Dave wartete auf irgendeine Reaktion des anderen. Einen Ausraster, wütende Aufschreie, eine verzogene Miene, eine aggressive Handbewegung - irgendetwas. Es kam nichts.

„Bist du wütend auf mich?", versuchte Dave mit kläglich leiser Stimme zu verstehen. Ian hatte den Blick abgewandt und suchte die Antwort irgendwo auf dem Fußboden des Zimmers. Die Zeit, während der Brite auf seine Antwort wartete, schien mit Absicht langsamer zu vergehen.

Nein. Nicht wirklich.

Besser du als irgendwer anders.

Die Worte ließen ihn aufatmen und Erleichterung zeigte sich, als er endlich den klammen Griff um die Mullbinde in seiner Hand löste. Er wollte nicht all die Zeit damit verbracht haben, das Vertrauen von Ian aufzubauen, nur um es mit einer einzigen dummen Frage wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen zu lassen.

Also kennst du meine Horrorgeschichten schon.

„Ja nun ich musste sie den anderen zum Lesen geben, aber so viel weißt du ja jetzt schon", fuhr er etwas unbeholfen fort. „Und ich habe schon schönere Bücher gelesen - was vermutlich daran liegt, dass es keine Fiktion ist, sondern dein persönliches Tagebuch und... ich weiß grad nicht, was ich dir noch sagen soll und schweife deswegen schon wieder ab, oder?"

Ian hatte mittlerweile ein belustigtes, aber sanftes Lächeln auf den Lippen und gab seinem Gesprächspartner ein kurzes und knappes Nicken. Dave konnte nicht fassen, dass er gerade jetzt in seine Stotterei verfiel. Es war einer seiner Ticks, in die er verfiel, wenn er nervös oder verlegen wurde. Er hatte eigentlich gehofft, dies hinter sich gelassen zu haben.

In seinen vielen Gedankengängen zuckte er plötzlich zusammen, als ein Klebezettel an seiner Stirn landete. Er zog ihn herunter und ließ seinen Blick darüber gleiten.

Wie gesagt. Nicht nachtragend. Ist okay.

Der geduldige Ausdruck in den Augen des Argentiniers sprach für seine Worte und Daves Unsicherheit war endgültig verflogen.

„Echt jetzt?"

Echt jetzt, schrieb Ian und griff zurück zu seinem Wörterbuch.

(Ich hoffe das mit den Sprachen ist in den Konversationen einigermaßen verständlich geschrieben und gekennzeichnet. Manchmal ist es ein bisschen schwierig das zu verdeutlichen.

Hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen! )

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