34. Frontera an den Fronten
Strathan, 10. Mai
Fenrir konnte das Desaster riechen, bevor er es sehen konnte. Naserümpfend kam er zu Bewusstsein. Seine Muskeln fühlten sich an, als hätte man sie als Trampolin missbraucht. Das Rütteln, das ihn zurück in die Welt der Lebenden brachte, half nicht dabei, dies zu verdrängen. Für einen kurzen Moment ließ das Erdbeben nach, doch als Fenrir erleichtert aufatmen wollte, klatschte eine Hand auf seine Wange. Nicht fest, aber mit genug Stärke, um ihn in die Gegenwart zurückzuholen.
„Fenrir!"
Schlagartig waren seine Augen offen und er blickte auf Jenny, die neben ihm kniete.
„Kannst du dich aufsetzen?"
Die Frage sickerte wie Sirup durch sein Gehirn, doch als die Botschaft ihn erreichte, nickte er benommen. Erst protestierte alles in seinem Körper, als er sich von seiner Bauchlage auf die Seite rollte. Mit Jennys Hilfe schaffte er es dann tatsächlich in eine sitzende Position.
„Bist du verletzt?", fragte seine Kollegin mit scannendem Blick.
Fenrir überlegte lange. Über dem Grölen und Ächzen seiner Muskeln war die Frage schwer zu beantworten, doch nach längerem Fühlen konnte er keine schlimmeren Schmerzen ausfindig machen.
„I-ich glaube mir geht es gut", antwortete er genauso langsam, wie sein Gehirn arbeitete. Er blickte um sich, mit der Überzeugung tief aus seinem Unterbewusstsein heraus, dass er etwas übersah. Plötzlich rastete das fehlende Gedankenfragment ein und im nächsten Moment war Fenrir hellwach.
„Wo sind die anderen?"
„Hinter dem Hubschrauber", entgegnete Jenny beschwichtigend und deutete mit einem Kopfnicken auf die Überreste der abgestürzten Maschine, die sich wenige Schritte von ihnen entfernt in den Boden grub. Bevor Fenrir nachfragen konnte, fuhr seine Kollegin fort: „Und ja – Mortimer ist bei ihnen. Komm, wir sollten dich kurz abchecken lassen."
Dank der helfenden Hand, die ihm entgegengestreckt wurde, fand Fenrir auf seine noch etwas wackeligen Beine. Jenny begann, die Führung in Richtung der zerstörten Maschine zu übernehmen und ihr Kollege folgte . Der Rest der Helikopterbesatzung hatte sich hinter dem metallenen Biest zusammengefunden – zumindest die, die noch da waren. Der Korpus des Hubschraubers war aufgebrochen und das geborstene Metall stand ab, wie die erstarrten Blätter einer Blume. Er erkannte einen der Piloten, der im aufgerissenen Inneren der Maschine an einem kleinen Gerät herumdrehte.
Die Übrigen sammelten sich um mehrere Körper, die man am Boden ausgelegt hatte. Fenrir hatte auf die Chance gehofft, dass sich die Opfer in Grenzen hielten. Er blieb Jenny dicht auf den Fersen und zögerte der Realität ins Gesicht zu blicken. Als er es tat, bereute er es abrupt.
Vorbei an Jennys schmaler Gestalt, neben drei reglosen Körpern, entdecke er Mortimer. Sein blasser Freund wurde gerade von einem Soldaten verbunden.
„Nein ...", flüsterte er atemlos und fühlte, wie sich seine Füße wie von selbst bewegte. Im nächsten Moment kniete er neben Mortimer am Boden und nahm die Gestalt des Älteren auf.
Der Schwarzhaarige antwortete ihm nicht. Fenrirs zitternde Finger rutschten an seinen Hals und suchten nach einem Puls. Als er das regelmäßige Beben der Haut vernahm, konnte er vor Erleichterung kaum atmen.
Eine Hand auf seiner Schulter holte den jungen Mann zurück in die Gegenwart.
„Fen, er ist nur bewusstlos", versuchte ihn Jenny zu besänftigen. „Er hat Glück gehabt und ist nicht schwer verletzt, aber für ein Gesamtbild müssen wir warten, bis er aufwacht."
„Warum hast du nichts gesagt?", herrschte er seine Freundin erzürnt an. Sie sah ihm tief in die Augen, bevor sie antwortete.
„Weil ich wusste, dass du so reagieren würdest. Fenrir, er wird es überstehen. Andere hat es schlimmer erwischt. Wir müssen einen klaren Kopf bewahren. Wir sind diesem Schlamassel noch lange nicht entkommen."
Im nächsten Moment wusch eine Welle der Scham über Fenrirs Schuldbewusstsein. Seine Freundin hatte recht. Mortimer war im Moment in besten Händen und jetzt auf irgendjemanden wütend zu sein, würde ihnen nichts bringen. Tief durchatmend lehnte er sich zurück und ließ den Soldaten ihm gegenüber zu seiner Arbeit zurückkehren. Die Hand auf seiner Schulter verließ ihn. Der Blick des Kupferschopfes wanderte über die Körper, die neben ihm ausgelegt waren.
„Wie viele sind es bis jetzt?"
Jenny folgte seinem Blick auf die reglosen Körper. Es war kein schöner Anblick.
„Drei. Einer davon ist Simon."
Bei der Nachricht musste Fenrir schlucken. Auch wenn Simon mit seiner Aktion ihr Vertrauen übel missbraucht hatte – solch ein Schicksal hatte er selbst ihm nicht gewünscht.
Der Rest der Mannschaft hatte vermutlich nur Glück gehabt. Ansonsten hätte es jeden von ihnen erwischen können. Er versuchte jeden der verdeckten Körper mit einem Gesicht im Hubschrauber zu verknüpfen, um sich an ihr Opfer zu erinnern. Unterbewusst umschlossen seine kalten Hände die kraftlosen Finger von Mortimer und hielt sie fest, als hätte er Angst, dass der Schwarzhaarige im See des Chaos davontreiben könnte.
Der Soldat, der gerade noch mit den Verbänden beschäftigt war, packte seine Sachen zusammen und wanderte einen Körper weiter. Einen Körper, den Fenrir bis zu diesem Moment noch gar nicht bemerkt hatte.
In Rage über Mortimers Zustand hatte er nicht realisiert, dass direkt neben seinem Freund die bewusstlose Gestalt des Kommandanten lag. Über die blasse Stirn zog sich eine scharlachrote Schramme, die sich irgendwo in seinen feurigen Haarsträhnen verlief.
„Kommandant Arnold hat es auch erwischt?"
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Flüstern jemand hörte, doch der Mann, der half, die Wunden von Herrn Arnold zu versorgen, antwortete ihm.
„Beim Aufprall hat ihn ein Splitter der Außenschale getroffen. Wir konnten die Blutungen vorerst stillen, doch er braucht dringende ärztliche Behandlung, wenn wir ihn am Leben halten wollen."
Fenrir musste schlucken. Ob man ihre Abwesenheit in London oder auf dem Stützpunkt so schnell bemerken würde? Er konnte nur hoffen, dass der Funkspruch mit der Basis in Rinigill kurz vor dem Absturz ihre Chance auf eine Hilfseinheit verbessern würde. Die Ereignisse im Hubschrauber hoch oben in der Luft hatten sich so plötzlich überschlagen, dass Fenrir gar nicht wusste, wo er anfangen sollte zu denken.
Aus Richtung dem Inneren der abgestürzten Maschine ertönte ein Fluchen, dann ein Klappern. Der Pilot wandte sich mit einem enttäuschten Seufzer von seinem Funkgerät ab.
„Kein Glück mit den Funksprüchen?", erkundigte sich Jenny, die nun ebenfalls an der geborstenen Wand des Hubschraubers. Der ältere Herr grummelte.
„Nein das Gerät streikt. Diese ganze Sache hier ist mir nicht geheuer. Angefangen bei diesem seltsamen Maschinenversagen ..."
Im nächsten Moment hallte ein Schuss über ihre Köpfe hinweg und Fenrir und Jenny zuckten panisch zusammen. Kurz darauf ertönte ein Zweiter und Jenny hätte schwören können, dass sich ein metallenes Profil neben ihr in die Außenhülle der Maschine bohrte.
Die Reaktion des Hubschrauberteams kam prompt. Sie waren unter Beschuss.
„In den Hubschrauber! Schnell!", rief der Soldat, der Hughs verbunden hatte und begann, den Kommandanten zum abgestürzten Hubschrauber zu ziehen. Als Fenrir nach wenigen Schocksekunden auch seine Fassung wiedererlangt hatte, realisierte auch er, dass sie unbedingt in Deckung mussten. Doch ohne Mortimer würde er nicht gehen.
Er wollte nach Jenny rufen, da stand diese schon neben ihm und fasste den bewusstlosen Schwarzhaarigen an Arm und Schulter. Fenrir spiegelte ihre Haltung und gemeinsam hievten sie den schweren Körper über den unebenen Grund, bis sie im Inneren der Flugmaschine angekommen waren. Der Pilot war sofort zur Stelle und unterstützte sie mit einem dritten Paar Hände, während es draußen mehrere Kugeln hagelte. In geduckter Haltung verharrten sie und wagten nicht zu atmen. Wo gerade noch Schüsse erklangen, war es plötzlich still.
„Sind sie weg?", flüsterte Fenrir nach einer Weile. Keiner bewegte sich. Die zwei verbliebenen britischen Soldaten tauschten stumme Botschaften aus und krochen dann mit gezückten Waffen zum Loch in der Außenwand. Es war naiv zu glauben, dass ihre Angreifer das Interesse an ihnen verloren hatten. Sie lauerten noch irgendwo dort draußen und warteten darauf zuzuschlagen. Die Karten standen schlecht für sie. Wie schlecht, das sollten sie erst wenige Sekunden später erfahren.
Der Soldat und Pilot hatten sich an der Mündung positioniert und der Soldat wagte es hinaus zu lugen. Er kam nicht weit, als es knallte. Der stämmige Mann ging mit schmerzerfülltem Grunzen zu Boden. Seine Waffe schlitterte auf dem Metall außer Reichweite.
Bevor der Pilot neben ihm überhaupt reagieren konnte, tauchten drei Gewehrmündungen am Eingang auf und stoppten jede Bewegung, die im Gang war. Tief in Fenrirs Magengrube keimte Panik auf. Trotzdem hielt es ihn nicht davon ab, sich vor Mortimers Körper zu positionierten und ihn abzuschirmen.
„¡Manos arriba!", herrschte einer der Gegner sie an und zuckte mit seiner Waffe nach oben.
Als sich keiner bewegte, wiederholte er sein Verlangen mit etwas mehr Nachdruck.
"¡Manos arriba o le vuelo la cabeza!"
Neben dem Fakt, dass niemand von ihnen die Forderung verstanden hatte, begann der Pilot zaghaft seine Hände zu heben. Kaum waren sie über seinem Kopf, schlug einer der drei SA-Soldaten die Waffe aus seiner Hand. Dann fiel die Aufmerksamkeit auf Jenny und Fenrir im ehemaligen Heck des Hubschraubers.
„¡Ustedes también!", wurde ihnen mit gezücktem Gewehr gedroht.
Sie wurden an den Hubschrauberkörper gedrückt. Selbst der verwundete Kamerad wurde nicht verschont und ohne Gnade auf die Füße gezogen. Seine Schulter war blutig und er schien mit den Schmerzen zu kämpfen. Einer der drei SA-Soldaten begann sie der Reihen nach abzutasten. Gerade wanderten Hände an Fenrirs leeren Hosentaschen entlang, als er aus dem Augenwinkel sah, wie ein Fremder auf Mortimer zuging und ihn mit dem Lauf seiner Waffe anstupste. Rage erfasste den Kupferschopf und er fing an zu protestieren.
„Hey, lasst ihn-„
Eine Hand auf den Hinterkopf presste sein Gesicht zurück in die Metallplatte der Hubschrauberinnenwand und ließ ihn schmerzerfüllt verstummen.
„¡Silencio!", zischte die harsche Stimme neben seinem Ohr. Fenrir fühlte sich mutig, wollte zur Gegenwehr ansetzen. Doch Jennys warnender Blick hielt ihn davon ab.
„¿Están muertos?", begann eine Konversation hinter ihren Rücken und Fenrir sah, wie einer der Männer erst neben Mortimer, dann neben Hughs auf die Knie ging und am Hals herumfühlte.
Dann antwortete er seinem Kollegen: „No, están vivos."
Die Hände der zwei Bewusstlosen wurden mit Kabelbinder festgemacht und am Boden liegen gelassen. Jenny, Fenrir und ihren zwei Mitstreitern erfolgte das gleiche Schicksal. Die zwei Soldaten zerrten sie im Pulk aus dem Helikopterwrack.
Fenrir tat den ersten Schritt nach draußen und bekam einen Überblick über das wahre Übel. Ihre Gegner waren weitaus in der Überzahl. Mindestens zehn weitere Leute tummelten sich auf dem Gelände rund um den abgestürzten Helikopter. Sie alle waren von Kopf bis Fuß ausgerüstet.
Nebeneinander wurden sie in den erdigen Untergrund gedrückt auf die Knie. Sachte gingen ihre Feinde nicht vor. Ihnen folgten die noch immer bewusstlosen Gestalten von Mortimer und Hughs, die von den Soldaten durch den Staub nach draußen geschliffen wurden. Unsanft wurden sie fallen gelassen, doch außer einem schmerzerfüllten Grunzen von Hughs kam keine weitere Regung. Der Mangel an Reaktion ließ große Besorgnis in Fenrirs Magengrube aufkeimen.
Schlurfende Schritte ertönten und plötzlich stand ein schmal gebauter Mann mit glatt gegelten Haaren vor ihnen. Er musterte sie mit abschätzendem Blick. Wenn nicht der Salut der fremden Soldaten wäre, hätte Fenrir ihn für einen einfachen Fußsoldaten gehalten. Doch anscheinend hatten sie es mit einem höheren Tier zu tun.
„¿Son todos?"
„Sí. Tres están muertos...", sprach einer der Soldaten, der sie hinausgebracht hatte und deutete auf die drei Körper vor der Flugmaschine. „... y hay dos heridos."
Der Mann beäugte die Überreste der Gruppe, als er zu einer emotionslosen Realisation kam. Seine Worte glichen dem Zischen einer Schlange.
„El Agénto no está aquí."
Ihre Festnehmer tauschten einen unsicheren Blick aus, bevor einer von ihnen antwortete: „N-no, señor."
Missbilligend schnalzte der Truppenführer mit der Zunge und drehte sich dann auf seinen Schuhabsätzen um.
"No lo necesitamos", sprach er im Abgang und machte eine kurze, aber deutliche Handgeste, die es Fenrir und Jenny eiskalt den Rücken runterlaufen ließ.
Das ladende Geräusch einer Waffe neben ihm bestätigte seine Vermutung: Sie waren gerade zu Tode verurteilt worden.
Jenny war mit dieser vorschnellen Entscheidung nicht einverstanden.
„W-warten sie! Un momento!", rief sie hinter dem Oberst her und handelte sich beinahe einen Schlag mit dem Gewehrknauf ein. Fassungslose Blicke der fremden und der eigenen Crew waren auf sie gerichtet.
Ob aus Überraschung oder aus reinem Interesse, konnten sie nicht sagen, doch die schmale Bohnenstange stoppte sein flottes Tempo augenblicklich. Er deutete dem ausholenden Soldaten zu warten. Die Augen zu schmalen Schlitzen geformt, sah er auf Jenny hinunter.
„¿Qué?"
Gedanken schossen Fenrir durch den Kopf. Was zum Teufel wollte Jenny damit erreichen? Sie noch tiefer in diesen Mist hineinreiten?
„Wir wissen, wo el Agénto ist!", rief sie in der Hoffnung, dass sie jemand verstand. Geschockt sahen der gefesselte Pilot und Soldat zu ihr hinüber. Sie hatte doch nicht vor ...
„Jenny, was machst du da!", raunte Fenrir mit gedrückter Stimme und bekam dafür einen Stiefel in die Seite geschlagen.
„Zeit kaufen", knirschte Jenny kaum hörbar zurück.
Der Truppenführer kam näher, bis er vor der jungen Dame kniete.
„Habla", raunte er mit schiefen Zähnen und üblem Mundgeruch.
Während sich Jenny die Worte im Kopf zusammenlegte, verlor der Mann bereits die Geduld. Sein nochmals lauteres „¡HABLA!" ließ seinen Kopf rot anlaufen.
Einen Schreckensmoment später wollte die Braunhaarige schon antworten, als es knallte.
Fenrir befürchtete schon, dass es den ersten von ihnen erwischt hatte. Doch die Reaktion der SA-Soldaten passte nicht dazu. Sie waren verwirrt, als wüssten sie nicht, wer geschossen hatte. Und dann ging alles viel zu schnell.
Ein Kugelhagel donnerte auf sie herab und hallte von allen Seiten. Um sie herum herrschte Chaos. Verwirrte Soldaten versuchten sich in Deckung zu bringen und das Feuer zu erwidern, während die vier Gefangenen sich kleinmachten. Durch aufwirbelnde Erdklumpen sah Fenrir, wie die gegnerischen Männer um sie herum zu Boden gingen. Sein Körper bebte mit Anspannung und doch wagte er es nicht, sich vom Fleck zu rühren.
Der Truppenführer der SA vor ihnen blickte gehetzt von einer Himmelsrichtung in die andere. „¿¡Quién es!?", brüllte er in die stillen Winde und zog seine Waffe aus dem Holster.
Ein Schuss antwortete ihm und bohrte sich wenige Meter neben ihm in den Boden. Seine Pistole zuckte nervös in die Richtung, aus der das Projektil gekommen war.
Die nächste Kugel traf ihn. Fluchend griff er sich den Arm, der gerade noch seine Waffe gehalten hatte.
Der Schütze tauchte hinter einem Felsen auf, das Gesicht verborgen hinter schwarzer Kapuze und Maske. Mit ihm gaben sich weitere Personen zu erkennen. Erst hoffte Fenrir, dass sie der ASTF oder dem britischen Militär angehören würden, doch die Fremden trugen einen bunten Mischmasch aus unterschiedlichsten Uniformen und Ausrüstungen, die sich teilweise den Mustern und Farben der SA und teilweise eigenen Einheiten zuordnen ließen.
„¡Mierda!", fluchte die Schmalzlocke vor ihnen. „¿Qué hace la Frontera aquí?"
Jennys Kopf raste genauso schnell zu Fenrir wie der ihres Freundes. „Frontera?", flüsterte sie mit großen Augen, welches der Kupferschopf mit geweiteten Pupillen beantwortete.
Der fremde Schütze hatte sich mittlerweile dem SA-Einsatzleiter genähert und stieg mit ihm in einen rasanten Wortwechsel ein. Es war so schnell, dass Jenny und Fenrir mit ihrem Spanisch am Ende waren und nicht folgen konnte. Das Ende der Konversation, wurde aber in eindeutiger Sprache ausgetragen: mit den Fäusten. Der Befehlshaber des SA zog dabei die schlechtere Karte. Der großgebaute Schütze knockte ihn mit einem Schlag bewusstlos. Er schüttelte die behandschuhte Faust, die gerade in Kontakt mit der Nase des Mannes gekommen war und begann dann seinen Gesichtsschutz zu entfernen.
Der Schütze entpuppte sich erstaunlicherweise als Schützin.
Unter der Maske kamen schmale, spitzzulaufende Züge auf sandigen Teint zum Vorschein. Die Frau ging neben dem bewusstlos Geschlagenen zu Boden und kramte in seinen Taschen. Sie nahm ihm ein Kommunikationsgerät und einen kleinen Handcomputer ab und reichte es an einen Nebenmann. Sie erhob sich mit leichten Füßen und rief ihren Leuten ein paar Befehle zu. Dann fiel ihr Blick auf Fenrir, Jenny, den Piloten und den Soldaten. Und kam auf sie zu.
***
Tessa und Lupa waren nur wenige Schritte von der Krankenstation entfernt. Sie hatten die Türe schon in Griffweite, als es erneut in den Gängen rumorte. Unheilvoll flackerten die Lichter. Der Unglücksbote der zweiten Welle. Die Lampen erloschen, doch dieses Mal hielt es Lupa und Tessa nicht davon ab, ihren Weg fortzusetzen.
Tessa stürmte voran in den Krankenflügel, bereit, die Tür aus ihren Angeln zu reißen.
Begrüßt wurden sie von mehreren Soldaten, die ihre Gewehre auf sie hielten. Die kampffähige Besatzung, die sich vor er Tür positioniert hatte, ließ die Waffen erst sinken, als Lupa sich hinter ihr hindurchquetschte und ihnen ein Zeichen gab.
Ian und Dave saßen gemeinsam mit der gescheckten Hündin an einem der Krankenbetten. In Ians Augen spiegelte sich Vorahnung, als wüsste er, dass etwas im Gange war.
„Evakuieren", verkündete Lupa in den Raum. „Alle Anwesenden in den Hangar bringen, dort stehen Maschinen bereit. Helft den Verletzten."
Sie drehte sich zu den zwei jungen Männern um, die ungeduldig auf Ians Bett warteten. „Mister Álvarez, Mister Warner – ihr kommt mit mir."
Augenscheinlich kam Bewegung in den Raum. Patienten der Station wurden aus den Betten gehievt und Richtung Sammelpunkt gebracht, sodass sich der Krankenflügel binnen weniger Minuten geleert hatte. Dave und Ian wollten ebenfalls anpacken, doch ein strenger Blick von Tessa unterband ihnen jegliches Handeln.
„Ich bin froh, wenn ihr beide es ohne Zusammenklappen zum Hubschrauber schafft", sprach sie hektisch als sie ein paar Verbandssachen in eine Tasche sammelte. Nur für den Notfall. "Wir bleiben bei Lu- Frau Milani."
Beide Männer grummelten unzufrieden, aber nickten schließlich. Ohne weiter Zeit zu vertrödeln, ging es - so schnell, wie es ihnen mit zwei kurierenden Personen möglich war - in Richtung Rettungshelikopter. Sie waren die Letzten, die die Krankenstation verließen. Lupa lief voran, der Rest, eingeschlossen Sachmet, folgte ihr zügig.
Die Notgeneratoren waren ein zweites Mal angesprungen, also versuchte Lupa über Funk Kontakt aufzunehmen.
„Hier Lupa", gab die Schwarzhaarige durch ihr Headset durch. „Wir haben Agénto, zusammen mit Dave Warner. Wir befinden uns auf den Weg in den Hangar."
Keine Sekunde später kam ihre Antwort von Thandie.
„Gut. Ich konnte Zarya erreichen. Sie ist auch auf den Weg zu uns. Ich treffe euch gleich bei den Hubschraubern. Der Stützpunkt ist bereit, um ihn zu verlassen."
„Wie lange haben wir Zeit?", sprach sie und machte Platz für einem Mitarbeiter, der sie von hinten überholte.
„Zehn Minuten. Die sollten ausreichen", antwortete Thandie außer Atem. Auch sie schien gerade unterwegs zu sein. „Haltet die Augen offen. Dante ist laut Zarya auf freiem Fuß. Die zweite Welle hat ihm den Weg aus dem Gefängnistrakt geöffnet."
„Verflucht. Wir werden aufpassen."
Sie passierten die leer gefegte Cafeteria, als Lupa auflegte und kamen an eine Gabelung, wo sich die Gänge spalteten. Der Weg war klar, dank einer Leuchtreklame, die den Flugzeughangar anzeigte. Trotz eindeutigem Wegweiser, bremste ihre führende Spitze an der Gabelung scharf ab. Sie verharrte und richtete den Blick in die entgegengesetzte Richtung ihres eigentlichen Zieles.
„Was ist?", wollte Tessa wissen und deutete dann auf das Schild. „Der Sammelpunkt ist doch im Hangar. Da geht es dort lang."
„Ich weiß. Findet ihr den Weg alleine? Es ist nur den den langen Gang hier hinunter."
„Was? Warum?"
„Ich muss noch etwas besorgen. Ich schließe dann im Hangar zu euch auf."
Tessa entgegnete mit lauter Stimme: „Dann komme ich mit!"
„Nein", machte die Schwarzhaarige deutlich. Sie packte die Waffe am Gürtelholster unter ihrer Lederjacke.
„Weißt du, wie man damit umgeht?", wollte sie von Tessa wissen, die den Kopf schüttelte.Tessas Waffenkenntnisse waren so gut wie die vom Segeln – also gleich null.
„Äh, Ian kann schießen", sprach Dave hinter den zwei Damen. Er schien für Ian zu übersetzten.
Mit prüfenden Augen begutachtete Lupa den Argentinier, den sie nicht recht einschätzen konnte. Um ihm vollstes Vertrauen zu schenken, wusste sie zu wenig über ihn. Andererseits hatte sie im Vergleich zu Zarya, die Berichte durchgeblättert und sich informiert. Wenn Hughs die Aussagen verfasst hatte, dann war der Großteil seiner Eindrücke überwiegend positiv und zum Vorteil des jungen Argentiniers.
Sie streckte die Waffe der Culebra hin, der nach ihr griff. Bevor seine Hand die Pistole zu sich ziehen konnte, packte ihn Lupa am Arm und führte sie Auge zu Auge zusammen.
„Keine Spielchen, hörst du?", raunte sie. „Lass es mich nicht bereuen, dass ich dir diese Waffe gegeben habe. Ich kann mit guter Sicherheit sagen, dass ich besser ziele als du."
Die grünen Seelenspiegel von Ian blickten ihr ernst entgegen. Es war kein Wanken in ihnen zu sehen, doch die Botschaft schien angekommen. Seine Antwort war auch ohne viele Worte gesagt.
Für den Anfang war Lupa zufrieden. Ihre Pistole wanderte in die Hände von Ian, der sie fachmännisch entsicherte und lud.
„Und jetzt seht zu, dass ihr zum Hangar kommt", erinnerte sie Lupa. „Egal was passiert, lasst euch nicht aufhalten. Die Flugzeuge sind euer Ziel."
Ohne ihre Antwort abzuwarten, rannte Lupa los und entfernte sich mit rasanter Geschwindigkeit von ihnen. Tessa spielte wenige Augenblicke mit dem Gedanken, ihr zu folgen, doch zwei Hände zogen sie in die Richtung ihres Zieles.
„Komm schon Tess, wir müssen weiter."
Für ihren lädierten Zustand legten beide Verletzten ein rasantes Tempo an den Tag. Vor allem Ian, der aus einer beinahe unerschöpflichen Quelle der Ausdauer zu schöpfen schien. Dave kämpfte ein wenig mit dem Atem und versuchte Sachmet auf Trab zu halten. Ihr setzte der Radau sehr zu. Den Weg zu finden war dank der Beschilderung an den Gängen leicht gemacht. Außerdem hatte sie sich die Richtung zu den Flugplätzen gut eingeprägt, nachdem die drei dort vor Kurzem erst ihre Freunde verabschiedet hatten.
Ihre Freunde, von den sie bis jetzt noch nichts gehört hatten. Sie sollten mittlerweile längst in London sein.
Im Hangar standen nur noch wenige Maschinen. Zwischen einigen defekten Helikoptern wurden fünf taugliche startklar gemacht. Einer davon war gerade dabei, sich einen Weg in die Lüfte zu bahnen. Mit lautem Surren verließ er den Hangar über das weit geöffnete Dach der Halle und verschwand bald Richtung Westen.
Ian, Dave und Tessa folgten den Soldaten, die zur Evakuation in die große Halle strömten.
An einer der vielen Maschinen entdeckten sie die große Gestalt von Thandie, die sie auch erblickte und herüberwinkte. Neben ihr an der geöffneten Helikoptertüre saß Zarya vor einem Erste-Hilfe-Koffer. Sie sah aus, als hätte sie schon bessere Tage erlebt. Ihr Gesicht trug mehrere blaue Flecken und Schrammen.
Als sie ankamen, startete bereits der nächste Hubschrauber. Mit brüllendem Lärm ging er in die Luft. Thandie begrüßte sie über den lauten Zugwind, der von den wirbelnden Rotoren durch die Halle jagte und sich in Kleidung und Haar der Flüchtenden verfing.
Sie zählte die Köpfe, dann bildete sich eine Sorgenfalte auf ihrer Stirn.
„Wo ist Lupa?"
„Sie meinte sie muss noch etwas holen. Sie wollte zu uns aufschließen", antwortete Tessa und sah in Richtung der Hangarpforten. Die Schwarzhaarige sollte bald hinterherkommen, oder?
Thandies Blick huschte zu ihrer Chefin, die sich ein Wundpflaster auf ihre Stirn klebte. Da sie die Hilfe ihrer Kollegen abgelehnt hatte, bedeckte es die nur einen Teil ihrer Verletzung.
„Sie wird doch nicht ...", begann die Dunkelhäutige, aber brach ab. Zarya war gerade nicht an suggestiven Gesprächen interessiert.
„Sie soll ihren verdammten Hintern herbewegen!", schimpfte sie ohne aufzusehen und holte stattdessen ein zweites Pflaster heraus, das sie um ihren Daumen streifte. „Noch ein Waffenfanatiker, der ohne sein Lieblingsspielzeug nicht aufbrechen kann – davon hab ich vorerst genug!"
„Ich werd sie ein wenig antreiben ...", murmelte Thandie mit gezücktem Headset und blickte auf Tessa, Dave und Ian. „Nehmt Platz, wir werden starten, sobald Lupa hier ist."
Also taten die drei wie geheißen und kletterten an Zarya vorbei in den Hubschrauber. Die Einzige, die sich sträubte, war Sachmet, die winselnd vor der Maschine herumtänzelte. Daves Beschwichtigungen und Überredungsversuche brachten nichts.
„Jetzt komm schon, Mädchen, blamier mich doch nicht vor so hohen Tieren ...", grummelte er. Ihm blieb nichts anderes, als die Notoption aus den Taschen hervorzuholen. Er brauchte nur mit den Belohnungen zu Rascheln, schon kam die Hündin seiner Aufforderung nach.
Tessa ließ sich zögerlich auf eine der Sitzbänke sinken und blickte durch die noch immer geöffnete Türe. Der Andrang im Hangar hatte sich gelegt. Nur noch einzelne Mitarbeiter kamen durch den Eingang gestolpert. Zwei Maschinen waren im Hangar, die dritte hob gerade ab. Zarya hatte sich den letzten Verband um die aufgerissenen Fingerknöchel gewickelt und steckte den Verbandskasten zurück in eine Ablage. Auf ihr Zeichen zum Piloten, begann die Metallbüchse um sie herum zu summen. Nervös fuhr die Tessa mit ihren Fingern kreisende Muster über ihren Arm.
Dann endlich kam eine Gestalt in glänzendem Leder in den Hangar geschlittert.
„Lupa! Hierher!", schrie Thandie. Ihr letzter Passagier nahm sofort Ziel auf den Hubschrauber. Auf dem Rücken wippte eine längliche Tasche im Gleichschritt mit ihrem schnellen Tempo.
„Starten!!", schrie die Schwarzharige und versuchte das Getöse der vorletzten Flugmaschine zu übertönen, die gerade abhob. „Maschinen starten!"
Verwunderte Blicke wurden zwischen Thandie und Zarya ausgetauscht, bevor beide in Bewegung kamen.
„Abheben!", brüllte die Befehlshaberin zu den Piloten, während Thandie sich auf den Landestangen an der Schiebetüre positionierte, bereit, ihrer Kollegin in den Hubschrauber zu verhelfen. Sie sah Lupa mit rasantem Tempo auf sie zu eilen, als ein Quietschen über ihnen ertönte.
Das Geräusch kam von der Dachluke, die sich über ihnen zu schließen begann. Sie mussten abheben und zwar jetzt sofort.
Die metallenen Schienen unter Thandies Füßen verloren Kontakt mit dem Boden, doch Lupa legte die letzte Entfernung mit drei großen Schritten zurück und drückte sich mit einem kräftigen Sprung ab. Sie bekam den ausgestreckten Arm ihrer Kollegin zu fassen und zog sich in das Innere der Maschine. Gerade rechtzeitig, als ein Schuss in der Halle ertönte.
Lupa ließ sich nicht mal Zeit, um durchzuatmen, als sie ihre Tragetasche zu Boden riss und den Zipper öffnete.
„Was ist da los?", wollte Zarya wissen, die gerade aus dem Cockpit hervoreilte.
„Dante ist los. Er schließt die Deckenschleusen vom Kontrollpult aus."
Aus ihrer Tasche holte sie ein langes Gewehr mit schmalem Zulauf und schwarzem Objektiv.
„Dreht den Hubschrauber um siebzig Grad", erklärte sie schnell und fischte nach ihrem Munitionsbeutel. Zwei Patronenhülsen befanden sich darin. Fluchend schob sie sie in den Lauf und lud. „Dann krieg ich ihn."
Abermals brüllte Zarya dem Piloten etwas zu, worauf die bereits schwebende Maschine schwenkte. Lupa schulterte das Gewehr, ging in Stellung. Ian, Dave und Tessa suchten festen Halt mit ihren Händen. Sie bekamen den Übeltäter bald zu Gesicht.
Neben den großen Toren, die auf den Flug- und Landeplatz hinausführten, stand Dante an einem der Kontrollpulte. Das Grinsen auf seinem Gesicht verzerrte die Narbe über seiner Nase zu einem grässlichen Ausdruck, die selbst vom Hubschrauber aus gesehen werden konnte. Am Arm der Culebra baumelte die Handschelle, von der er sich hat befreien können. Mit der anderen richtete er seine Waffe auf die Flugmaschine in den Lüften.
„Wo wollt ihr denn so schnell hin?", hörten sie ihn höhnend über den Fahrtwind hinwegrufen. Auch wenn er am anderen Ende der Halle stand, hallte seine Stimme mit brechendem Echo durch den Raum.
Lupa musste warten, bis sie ihn anvisieren konnte, doch sobald sie ihn im Objektiv sichtete, fiel der erste Schuss. Die Kugel traf nicht ganz das Ziel, das sie beabsichtigt hatte.
Sie sah, wie Dante seine Waffe fallen ließ. Natürlich hätte sie el Diablo nicht unterschätzen sollen. Und jetzt hatte sie nur noch eine Kugel.
Die zweite Patrone rastete in das Gewehrgehäuse ein. Doch zu einem weiteren Versuch kam Lupa nicht, denn Dante war aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden. Hinterlassen hatte er nur den leblosen Körper eines Soldaten, dessen Kopf in ungesundem Winkel gebogen war.
„Hast du ihn erwischt?"
„Nein", grummelte die Schwarzhaarige zurück. Zu gerne hätte sie ihren letzten Schuss versenkt, doch ihr heiles Rauskommen hatte gerade Prioritäten. Die Dachluke über ihnen schloss sich stetig.
„Der Pilot soll uns hier herausschaffen!", brüllte sie zu ihren Kollegen und hoffte, dass die Flugzeugführer sie ebenfalls hörten.
Lupa setzte erneut an, dieses Mal mit neuem Ziel. Sie visierte das Schaltpult an, zog einen tiefen Atemzug in ihre Lungen. Dann ließ los. Im gleichen Moment schwankte der Helikopter, doch Lupas Schuss war versenkt. Sie sah, wie es vom Kontrollschalter blitze, funkte und die Kontrolllichter erloschen. Das rollende Dach über ihnen stoppte. Es hinterließ eine Lücke, eine Fluchtroute, auf die ihr Transportflugzeug sogleich zusteuerte.
Es ging steil in den Himmel hinauf. Die Insassen konnten sich gerade noch rechtzeitig eine Möglichkeit zum Festhalten suchen, sonst wären sie im nächsten Moment durch den Frachtraum gepurzelt. Dave murmelte beruhigende Worte zu Sachmet, die winselnd und mit eingezogenem Schwanz unter der Bank kauerte. Seine Füße dienten ihr als Barriere, sodass die Hündin nicht herumrutschen konnte. Dennoch war deutlich, dass ihr die Situation nicht geheuer war. Dave stimmte ihr da vollkommen zu. Sein Magen war ihm in den Hals gerutscht und ihr plötzlicher Anstieg in die Höhe raubte ihm den Atem. Tessa erging es nicht anders. Ihr Gesicht war um zwei Nuancen erbleicht. Nur Ian beeinflusste der Höhenenwechsel nicht weiter.
Dave sah, wie sie in peitschender Geschwindigkeit aus dem Hangar preschten. Der Wind pfiff durch die geöffnete Schiebetüre und die Rotoren über ihnen sirrten in Hochform. Als der Helikopter abdrehte, erhaschten sie einen letzten Blick auf Dante.
Die Culebra unter ihnen stand nun einsam und verlassen in der Halle, die Waffe erhoben zu einem letzten Angriffsversuch.
Doch Höhe und Abstand spielten den Flüchtenden in die Hände. Keine der drei abgefeuerten Kugeln erreichte sie. Mit stetiger Geschwindigkeit wurde Dantes Silhouette kleiner und unscheinbarer, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwand.
Das grünes Grasflachland wandelte sich zu steilen grauen Klippen, die in tosende Wellen hinabführten. Bald schon hatten sie nur noch blaues Wasser unter sich und am Horizont die Küstenlinie von Schottland. Als sie der wilde Meereswind einhüllte, zog Lupa die Schiebetüre zu und packte dann ihr Gewehr zurück in die Tasche.
Doch kaum entspannte sich die Situation, begann Zarya zu zetern: „Was zum Teufel, Lupa! Die Anweisungen waren klar, warum musst du einen Alleingang hinlegen?! Es hätte uns fast den Kragen gekostet!"
Die Schwarzhaarige fuhr herum und türmte sich vor Zarya auf. Sie überragte sie um einige Zentimeter. „Bitte? Dank mir sind wir hier überhaupt noch rausgekommen!"
„Ach ja?" Die Befehlshaberin schloss den wenigen Abstand zwischen ihnen, stand nun Brust an Brust mit Lupa. „Ich meine zu sehen, dass du ihn verfehlt hast?"
„Und trotzdem habe ich uns damit-„
„Hey!"
Thandie riss beide Streithähne auseinander und schickte Zarya an das andere Ende des Hubschrauberinnenraums. „Jetzt kriegt euch mal wieder ein, Verdammt! Es gibt wichtigeres!"
Patzig, wie kleine Kinder standen Lupa und Zarya sich nun gegenüber „Und das wäre?", schoss es gleichzeitig aus beiden Mündern.
„Hughs. Und die anderen."
Die Information brachte beide aufgebrachte Frauen schlagartig zur Besinnung.
„Weißt du, wo sie sind?"
„Nein ...", entgegnete Thandie und schob sich zum Cockpit vor. „... aber ich hab die Koordinaten vom Standort, als wir den Kontakt zu ihnen verloren haben."
Ians Atem stockte, Tessa blickte erschrocken auf und Dave stand senkrecht im Hubschrauber, als er von der Nachricht hörte.
„Moment mal!", platze der Braunhaarige dazwischen. „Was soll das heißen? Was ist mit Kommandant Arnold und den anderen?"
Thandie blieb an seiner Seite stehen, ganz vergessen, dass sie noch nichts von den Nachrichten wussten.
„Wir haben das Signal zu ihrer Flugmaschine verloren. Genaueres wissen wir bis dato selbst nicht."
„Warum hat uns keiner informiert? Unsere Freunde sind-"
„Lass mich eine Frage zurückstellen", beantwortete die Großgewachsene sachlich. „Hätte es die Situation in irgendeiner Weise verbessert, wenn wir euch diese Information nicht verschwiegen hätten?"
Dave überlegte kurz und verneinte dann mit einem Kopfschütteln. Thandie fuhr fort mit ihrer Erklärung.
„Ich habe mit Hughs kurz vor dem Stromausfall kommuniziert. Da unsere Systeme aber noch funktioniert haben, konnte der Kontaktabbruch kein Versagen unserer Maschinen sein. Was genau passiert ist, konnten wir nicht genauer investigieren, da wir kurz darauf selbst betroffen waren."
Lupa, die sich auf einer der Bänke niedergelassen hatte und ihre Gewehrtasche unter sich verstaute, ergänzte dazu: „Außerdem war kaum Zeit dazu. Wir mussten evakuieren, euch in den Hangar schaffen und el Diablo umgehen. Das hatte im Moment für uns Priorität."
Dave ließ die Worte ein paar Mal durch den Kopf gehen. In nächster Sekunde war ihm sein plötzlicher Gefühlsausbruch beinahe peinlich.
„Entschuldigt, ihr habt recht ...", sprach er mit gesenktem Kopf, ehe er sich wieder schwerfällig setzte. Es zerriss ihn, nicht zu wissen, was mit seinen Freunden passiert sein könnte. Das konnte immerhin alles sein.
Thandie hangelte sich zurück zum Cockpit vor. Sie warf Zarya einen mahnenden Blick zu, ehe sie eine gedämpfte Konversation mit den Piloten begann, um die Koordinaten weiterzugeben. Die Kursänderung war kaum zu spüren, sodass auch Sachmet ihr Köpfchen unter der Bank hervorstreckte. Winselnd blickte sie auf Dave, als hätte sie sein Unwohlsein bemerkt. Manchmal wunderte sich der junge Arzt, ob sie nicht als Therapiehund geboren wurde. Er begann mit seinen Fingern durch das Fell zu kraulen.
„Das Ungewisse ist immer eine Qual", sprach Zarya, die sich als einzige noch nicht zu ihren vermissten Freunden geäußert hatte. „Zerbrecht euch nicht zu sehr den Kopf darüber. Das könnt ihr dann machen, wenn wir mehr herausgefunden haben."
Sie legte eine längere Redepause ein. Dave wusste nicht, ob er etwas ewidern sollte, da meldete sich die Truppenführerin erneut zu Worte.
„Ihr seid nicht die einzigen, die gute Freunde an Bord dieser Maschine haben. Freunde, Mitarbeiter, Kollegen. Leute, für die ich verantwortlich bin."
Ihr Tonfall war ungewöhnlich ruhig und enttäuscht, als ihr Blick aus dem Fenster hinausglitt, uns sich in den auftürmenden Wolken verlor.
Dave fühlte weiche Fingerkuppen über seine gleiten, als sich Ians Hand um seine schloss.
*Geduld*, formulierte der Argentinier.
„Das sagst du so leicht ...", seufzte Dave, als der besänftigende Druck seines Freundes zunahm. Gerade blieb ihm nur das Warten übrig.
(PS: Bild ist in Arbeit :-) )
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