22. Dante, der Teufel höchstpersönlich

London, 20. April

Die Reue kam, als Ian mit pochendem Schädel erwachte. Als hätte jemand seinen Kopf mit einer Axt gespalten und wieder zusammengeklebt. Stöhnend kroch er aus dem Bett und schlich aus dem Zimmer hinaus in den hell beleuchteten Wohnbereich. Er wurde sogleich von einer flauschigen Hündin begrüßt.

„Guten Morgen", hallte Daves Stimme aus der Küche herüber. Er betrachtete den Argentinier aus dem Augenwinkel, bevor er ergänzte: „Du siehst genauso verkatert aus, wie ich es mir vorgestellt hatte."

*Ich werde nie wieder trinken*, entgegnete ihm Ian und ließ sich auf das Sofa fallen, was er sofort bereute. Sein Magen fuhr Achterbahn und war nicht begeistert von den plötzlichen Bewegungen. Konzentriert schloss Ian die Augen und atmete sich durch die Welle der Übelkeit. Er spürte Sachmets Gewicht, wie sie es sich auf seinen Füßen gemütlich machte. Als er der Deckenbeleuchtung entgegenblinzelte bemerkte er das Glas Wasser und die Tablette, die ihm entgegengehalten wurden.

„Das sagen alle", meinte Dave ironisch. „Meistens bleibt es aber nicht dabei. Du hast gestern aber gut gebechert, deswegen wunderte mich dein Zustand nicht wirklich."

Ian rollte mit den Augen, aber nahm beides mit einem dankenden Nicken entgegen. Die Shots, die er mit Jenny im Pub getrunken hatte, waren tatsächlich nicht seine klügste Wahl gewesen.

Dave nahm auf dem freigelassenen Plätzchen der Couch Platz. „Brauchst du noch etwas?", wollte er wissen und lehnte sich über Ian. Der Argentinier schüttelte den Kopf, doch überlegte dann noch mal genau.

*Mehr Wasser? Bitte?*

Sie verbrachten den angebrochenen Tag in Daves Wohnzimmer. Mit viel Wasser und ein oder zwei Notausflüge ins Bad. Ian nutze die Zeit, um noch mehr über Daves Familie herauszufinden. Der Braunhaarige ging enthusiastisch darauf ein. Er holte einen Bildschirmcomputer und öffnete eine Galerie. Ein Beweis, dass Dave doch im modernen Zeitalter der Technik angekommen war.

„-nd das hier sind meine Cousinen Ana, Gloria und Emilio. Mit ihnen bin ich aufgewachsen. Sie haben meine Geschwister ersetzt und sind jetzt ungefähr so alt wie ich", erläuterte Dave und wischte weiter zu einem nächsten Foto, auf dem zwei jüngere Kinder zu sehen waren. „Antonio und Lucía sind neun und zwölf Jahre alt. Seit wir nach London gezogen sind, habe ich leider nicht mehr viel von ihnen gehört. Wir versuchen sie so oft es geht in Almuñécar zu besuchen."

Dave schweifte weiter ab zum nächsten Bild. Ian versuchte angestrengt mit den Erzählungen mitzukommen. An jedes Detail konnte sich er sich nicht mehr erinnern, da er zwischendrin wegnickte. Jedes Mal, wenn er seine Augen wieder öffnete, saß Dave noch immer neben ihm. Zeitweise mit einem Buch in der Hand, manchmal mit seinem KOM. Sachmet hingegen kam und ging, wann immer es ihr passte. Zu Beginn kämpfte Ian gegen die Müdigkeit, doch irgendwann gab er sich dem Schlummer hin. So hatte er sich seine ersten Tage in Daves zu Hause nicht vorgestellt.

Erst am frühen Abend fühlte sich Ian wieder ansprechbar und nicht wie eine wandelnde Alkoholleiche. Er machte sich Vorwürfe, da Dave sich extra freigenommen hatte und sie die Zeit sinnvoller nutzen sollten. Der Braunhaarige sah von seinem Gerät auf, auf dem er gerade eben noch getippt hatte.

„Wie wäre es mit einem schnellen Spaziergang, bevor wir mit dem Abendessen starten. Ich war heute noch nicht mit Sachmet draußen."

Die Idee von frischer Luft und Essen hörte sich wunderbar an. Vor allem, weil er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Sie hielten ihren Ausgang kurz nachdem beide Männer merkten, wie hungrig sie waren. Es gab ihnen Zeit, wichtige Dinge zu klären. Über ihr gemeinsames Zusammenleben, Daves Arbeitsplan und Sachmets Routine.

Zurück in der Wohnung starteten sie das gemeinsame Abendessen.

„Kennst du argentinische Gerichte?", meinte Dave, als ihm Ian eine geschälte Kartoffel reichte. Er teilte sie in der Hälfte und begann sie kleiner zu schneiden. „Ich bevorzuge meist selbst zu kochen und ich bin immer offen für neue Rezepte."

Ian hatte den Schäler bereits an einer neuen Kartoffel angesetzt, doch war gezwungen, ihn zum Antworten aus der Hand zu legen.

*Ein oder zwei Sachen weiß ich noch von meiner Mutter. An die Mengenangaben kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Das ist zu lange her.*

„Ach, da lässt sich bestimmt etwas machen. Wir finden schon ein Rezept mit den passenden Mengenangaben."

Die Patatas Bravas brutzelten schon bald in der Pfanne und die zwei jungen Männer deckten den Tisch. Lennard kam kurz darauf durch Daves Wohnungstür gestiefelt und ihr Abendessen war bereit, um angerichtet zu werden.

An solche Abende könnte Ian sich gewöhnen.

Doch leider blieb es nicht dabei.

Die folgenden Tage musste Dave wieder zur Arbeit erscheinen und somit war Ian auf sich alleine gestellt.

Dave versuchte so viel freie Zeit mit Ian zu verbringen wie möglich, doch der Wechsel seiner Arbeitsschichten machte es ein wenig schwierig und der junge Arzt brauchte genauso Schlaf und Ruhe. Nicht immer schafften sie es zum gemeinsamen Abendessen und so kam es auch vor, dass Ian bis spät in die Nacht mit Sachmet alleine war.

Der Argentinier versuchte sich zu beschäftigen. Seine Besuche im Hauptquartier waren eine nette Ablenkung. Manchmal nutzte er die Mittagszeit, um sich mit Jenny und Fenrir in ihren Pausen zu treffen. Selbst Mortimer lief er über den Weg und grüßte ihn freundlich. Leider blieben seine Nachforschungen bezüglich La Frontera weiterhin fruchtlos. Es gab keine neuen Befunde, keine Nachrichten. Ian konnte die Frustrationen spüren, die von Hughs Mitarbeitern und Kollegen ausging. Der Einzige, der hoffnungsvoll blieb, war Kommandant Arnold. Er verabschiedete ihn jedes Mal mit aufmunternden Worten.

Die andere Zeit nutzte der Argentinier, um sein Zimmer einzurichten und allen geschenkten Gegenständen einen festen Platz zu geben. Er wiederholte Sprachübungen, kramte seine Klebezettel wieder heraus, suchte im Internet nach Rezepten und lenkte sich mit kleinen Tätigkeiten im Haus ab.

Mithilfe seines neuen KOMs konnte er sich regelmäßig mit Jenny und Fenrir unterhalten. Jenny hatte ihn dezent auf ihre zehn Punkte-Liste aufmerksam gemacht, die sie noch abarbeiten mussten.

Ian entging auch nicht, dass eine gewisse Veränderung in Fenrirs und Mortimers Beziehung stattgefunden hatte. Seit ihrem Pub-Besuch verbrachten beide deutlich mehr Zeit miteinander. Die Berührungen, die die zwei auf den Gängen austauschten oder während des Mittagessens zuließen, waren innig und vertraut. Als er sah, wie Mortimer dem Kupferschopf zum Abschied einen Kuss auf die Wange drückte, war er sich sicher. Der Schwarzhaarige hatte sich tatsächlich an seine Abmachung gehalten.
Die zwei waren überraschenderweise sehr offensichtlich und versuchten ihre Zuneigung zueinander nicht einmal zu verstecken. Selbst der begriffsstutzige Dave raffte, was zwischen den beiden jungen Männern passierte. Jenny redete so lange auf Fenrir ein, bis er mit der Sprache herausrückte. Er und Mortimer waren offiziell in einer Beziehung und Ian konnte nicht anders, als sich für sie zu freuen.

Die Tage waren erträglich, die Nächte hingegen entpuppten sich als hart.

Ian schlief wieder schlechter. Manchmal lag er ruhelos in seinen Bettlaken und fand für Stunden keine Ruhe. Manchmal verfolgten ihn die Albträume. Wenn er aus einer weiteren Höllenvision aufschreckte, war er schweißgebadet und schnappte fischartig nach Luft. Mit tiefen Atemzügen führte sich Ian selbst durch die Nachwirkungen.

Es war, als würde er wieder bei null anfangen. Was grundsätzlich gar nicht so weit hergeholt war. Ein neues Leben, neue Umgebung und neu dazu: Mitbewohner. An jede Umstellung musste er sich wieder anpassen. Aber nicht nur Ian musste mit den Veränderungen klarkommen.

Wenn der Argentinier nicht schlafen konnte, versuchte er sich abzulenken. Mit kühlem Wasser oder indem er sich die Füße in der Wohnung vertrat. Auf der Suche nach Ablenkung landete er meist auf dem Sofa. Sachmet die rastlose Hündin, leistete ihm vielmals Gesellschaft, während er viel zu oft auf Daves Bildergalerie blickte und an seine eigene Familie dachte.

Es dauerte einige Tag, bis Dave etwas bemerkte.

Der junge Arzt kam von einer Spätschicht nach Hause, als er Ian im Wohnzimmer vorfand. Er schreckt mit einem Schrei zurück, als er den Lichtschalter betätigte.

Dios mío, hast du mich gerade erschreckt", entgegnete er mit gedämpfter Stimme. Ian blinzelte gegen die plötzlich hellen Lichtverhältnisse und vergrub den Kopf unter seiner Decke. Eine Antwort blieb aber aus. Die Deckenbeleuchtung wurde abgedunkelt und es folgten Schritte durch die Schwärze. Keine Minute später glühte der weichere Schein einer Stehlampe neben der Couch.

„Wieso bist du noch wach?", wollte Dave vom anderen Ende des Sofas wissen. „Hattest du eine schlechte Nacht?"

Ian gab ein stummes Nicken von sich und lugte unter der Decke hervor. Wie eine kleine Schildkröte, dachte sich Dave. Süß.

Ian signalisierte: *Albträume*

„Und wie lange geht das schon?"

Dave versuchte die müden Handzeichen auf der Oberfläche der Decke zu identifizieren.

*Seit vier oder fünf Tagen?*

„So lange?", rutschte es dem jungen Arzt besorgt heraus. Ein wenig Enttäuschung lag unter seiner Aussage. „Warum hast du denn nichts gesagt?"

*Ist nicht so wichtig. Wollte dich nicht belästigen.*

„Nicht so wichtig?!?" Dave war empört und holte tief Luft. „Du brauchst Schlaf. Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen! Schlafen ist wichtig, damit sich dein Körper erholen kann und dein Gehirn wieder aufnahmefähiger wird. Du verbesserst deine Konzentration und wirst vermutlicher weniger krankt. Außerdem-„

Ian unterbrach ihn in seiner Belehrung. Er wusste, was zu wenig Schlaf bewirken konnte. Er hatte alles in den ersten Militärjahren bereits mitgemacht.

*Ist ja gut, Botschaft ist angekommen.*

Dave hielt inne und betrachtete die müden Augen des Argentiniers. Er erinnerte sich an einen Trick, der in der Vergangenheit schon funktioniert hatte.

„Soll ich dir die Kopfhörer holen?"

Ein schwaches Nicken war alles, das Dave brauchte, um sich hochzuziehen und sich auf die Suche zu machen. Er ließ den Argentinier mit der schlafenden Hündin alleine, nur um wenige Minuten später wieder in das Wohnzimmer zu treten.

Sie fanden eine gemütliche Position, in der Dave den Kopf des Kleineren auf seinen Schoß zog, ihm die Kopfhörer aufsetzte und die Musik laufen ließ. Die ersten Sekunden waren dem Argentinier nicht geheuer. Erst als eine sanfte Hand begann, Kreise über seine Stirn und Haare zu ziehen, löste sich die Anspannung aus seinen Muskeln. Es wurde immer anstrengender, seine Augen offen zu halten, bis er sie schließlich schloss.

Zufrieden sah Dave zu dem stillen Körper auf seinen Oberschenkel, den der Schlaf ausgeknockt hatte. Er musste selbst ein Gähnen unterdrücken. Die meditativen Bewegungen seiner Hände begannen nun bei ihm zu wirken. Das letzte, an das er sich erinnerte, war die Stehlampe neben ihm, die zur Seite kippte, bevor er in das Reich der Träume geschickt wurde.

Dave erwischte Ian ein zweites Mal auf dem Sofa, als er kurz nach Mitternacht auf dem Weg in das Badezimmer war. Ian machte sich auf eine weitere Belehrung gefasst, doch die kam nicht. Stattdessen ging der junge Arzt wortlos in sein Zimmer zurück und brachte ihm die Kopfhörer.

Ihre Konstellation im Wohnzimmer wurde zu einer angenehmen Gewohnheit, von der auch Sachmet schnell Wind bekam.

Glücklicherweise wurden die folgenden Tage leichter. Ian bekam ein Gefühl für seinen Alltag und hatte auch nachts weniger Probleme. Er fand immer mehr Aufgaben, die ihn interessierten und lernte gleichzeitig Pausen nach einem langen Tag auszunutzen.

Er begann sein Leben mit Daves Gesellschaft immer mehr zu genießen - auch wenn ihre Beziehung zueinander etwas seltsam war. Es war, als würde er auf Glasscherben laufen. Er genoss jede Aufmerksamkeit, die er von dem jungen Arzt bekam und sog sie auf wie eine durstige Pflanze. Bis er an einen Punkt kam, an dem er an sein eigenes Versprechen erinnert wurde. An Aaron und all die vergangenen Dinge.

Ian redete sich ein, dass es Zeit brauchte. Die Dinge würden sich von alleine regeln. Dann würde sein Leben vielleicht normale Züge annehmen. Vielleicht könnte er endlich komplett neu anfangen.

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Etwa zur gleichen Zeit in Argentinien

Der schmale Daumen fuhr gelangweilt über die Klinge von Grita. Wenig Millimeter und sein Finger würden sich ohne großen Aufwand in zwei Teile zerfleischen lassen. Er zog seine langen Glieder weg, bevor es passieren konnte. Stattdessen holte Dante sein Poliertuch hervor. Auf seinem Messer waren noch immer rot-braune Abdrücke zu sehen. Er sollte seine treue Begleiterin säubern, bevor er sie wieder einsetzte. Die Flecken standen ihr gar nicht gut. Außer sie waren frisch.

Dante hob den Kopf. Eine Einheit war vor wenigen Minuten im Hangar gelandet und so befand sich die ganze Halle in Aufruhr. Verletzte wurden auf die Sanitärstation geschoben, Zugfahrzeuge zogen schwere Wagengüter hinter sich her, beladen mit Vorräten, medizinischer Ausstattung und Munition.

Der Blonde sah in die Gesichter, die das Elend zeichnete. Am Ende des Tages hing eine erneute Liste mit gefallenen Soldaten am großen Brett. Dort, wo sie jeder sehen konnte. Es würde Tränen der Trauer geben.

Nichts für Dante. Er war nicht hier, um irgendwelchen Memmen hinterherzutrauern. Der Tod gehörte zum Leben dazu. Die einen traf es eben früher, als die anderen.

"Sir?", räusperte sich eine leise, angespannte Stimme neben ihm. "Der Gouverneur wünscht euch zu sprechen."

Dantes Hände hielten in seiner Tätigkeit inne und ließ die nun blitzende Klinge im fahlen Licht der Hallenbeleuchtung glänzte. Zufrieden verzogen sich seine Lippen zu seinem Grinsen. Der Botengänger neben ihm trat unsicher von seinen Fuß auf den anderen.

"Äh, Sir?", erkundigte er sich erneut mit einem Zittern in Wortlaut und Händen.

"Ich habe dich schon gehört", seufzte der Angesprochene genervt und steckte Grita zurück in die Scheide. Das er mit einem alten Küchenmesser herumlief hinterfragte mittlerweile keinen mehr. Jeder wusste, dass er es hegte und pflegte, damit die Klinge scharf und einsatzbereit war. Alle Zeit bereit.

Die Scheide glitt an seinen Gürtel zurück, wo es immer in Greifnähe war. Er erhob sich und ließ den boten verdutzt stehen. Er begab sich in das Treiben der Halle. Die Beschilderung schickte ihn hinaus in das Verwaltungsgebäude. Die Torwächter kannten ihn bereits und ließen ihn ohne Aufhalten durch. Er bemerkte, wie die Leute in den Gängen zurückwichen, Abstand hielten und Augenkontakt vermieden. Wenn El Diablo unterwegs war, sollte man sich besser hüten.

An der Tür mit der Aufschrift Ramiro Garía trat er ein. Der Geruch von Tabak und beißendem Whiskey schlug ihm entgegen. Sein Vorgesetzter stand am Fenstern, Kommunikationsgerät am Ohr und wild am Diskutieren. Seinem Untergeordneten warf er auf das unaufgeforderte Eintreten einen kurzen Blick zu. Dante begriff es als Zeichen am Schreibtisch Platz zu nehmen. Provozierend legte er seine schweren Militärstiefel auf die Arbeitsfläche des Gouverneurs.

"-entschuldige mich, ich werde mich später um die Sache kümmern. Adiós."

Garía riss den Kommunikator von seinem Ohr und warf es wütend in seine Dokumente. Ein unzufriedener Blick ging zu den schmutzigen Sohlen des Schuhwerks auf seinem Tisch, doch er gab nur ein frustrierendes Schnauben von sich. Der Gouverneur war wohl gerade nicht in bester Stimmung.

"Sie haben nach mir geschickt?", wollte Dante wissen.

Die Abzeichen an der prachtvollen Uniform des Gouverneurs blitzen golden im halbschattigen Licht, als er sich den Weg um seinen Schreibtisch bahnte. Er schloss die Türe ab, durch die Dante gerade hereingetreten war.

"Wie oft muss ich noch sagen, dass du anklopfen sollst", sprach Ramiro Garía mit bestimmenden Worten.

Der Blonde schnaubte nur. Sein Vorgesetzter hatte es schon oft gesagt. Für ihn war es keine Sache des ‚Lernens', sondern des ‚Wollens'.

"Haben sie jetzt was für mich oder nicht?"

Garía trat zurück zum Tisch und griff nach einem Bildschirm auf seiner Arbeitsfläche.

"Ich habe durchaus einen Auftrag für dich."

Dante zog die Augenbrauen nach oben und nahm den Bildschirm mit Kribbeln in den Fingern entgegen. Scheint so, als ob es endlich mal wieder spannend werden würde.

Neben all dem Text auf dem Dokument stach ein Bild heraus. Es zeigte einen jungen Mann. Schmale Gesichtszüge, wasserblaue Augen und weiß-silbrige Haare, die ihm mehr als vertraut waren. Er machte sich nicht viel Aufwand, Namen oder Gesichter zu merken. Aber Ian Álvarez, seinen Culebra-Kollegen erkannte er ohne Probleme. Auch wenn er gehört hatte, dass er aus seiner letzten Schlacht nicht mehr wiedergekommen war. Schade. Dante hätte gerne noch versucht, die harte Schale des Weißhaarigen zu durchdringen. Die, die mühevoll zu knacken sind, machen immer am meisten Spaß.

"Álvarez war der Deserteur", erklärte Garía der mittlerweile auch Platz genommen hatte.

"Wer hätte das gedacht... Unser schweigendes Lämmchen. Ich dachte, er galt in Plymouth als gefallen?"

"Bis vor Kurzem, waren wir auch der Meinung. Bis wir vor wenigen Tagen eine Nachrichtenübertragung aus London bekommen haben. Direkt aus dem Hauptquartier."

Dante hob den Blick. "Jemand unserer Informanten?"

"Nein", grunzte der Gouverneur. "Es war keiner unserer Leute. Sie ging von einem Kommunikationskanal der Briten aus."

"Und was steht in der Nachricht?"

"Die Briten haben unsere Culebra. Álvarez ist alles andere als tot."

"Interessant", murmelte Dante. „War er der einzige Deserteur?"

„Zumindest der einzige, den wir erwischt haben, aber es gehören vermutlich mehr dazu. Wir hatten keine Chance, Álvarez zu verhören, aber, aber aber ich vermute schwer, dass er die Frontera ihre Finger mit im Spiel hat. Wir müssen davon ausgehen, dass es noch weitere Verräter in unseren Truppen gibt. Ich habe eine genaue Prüfung veranlasst. Dadurch lassen sich einige Verdächtigen herausfiltern und beseitigen."

Garía ballte frustriert die Fäuste und beinahe währen sie gewaltvoll auf dem Rest seiner Dokumente gelandet. Dante hört nur mit einem Ohr zu. Er wartete auf seine essenzielle Information, auf seinen Auftrag.

„Und warum bin ich jetzt hier?"

"Dein Auftrag ist es, dass du dich um el Ágento kümmerst. Wenn Álvarez noch am Leben ist, dann beseitige ihn. Ich kann es mir nicht leisten, dass alles wegen ihm zugrunde geht."

Dante stutzte. „Kein Verhör?"

„Nein, dafür bleibt keine Zeit. Wir müssen das Problem bei der Wurzel packen und für Nebenmänner wie Álvarez habe ich keine Geduld. Vielleicht kommen sie aus ihrer Reserve, wenn sie vom tragischen Tod ihres Kollegen hören."

Dante musste ein Kopfschüttelnn unterdrücken. Den spaßigsten Teil sollte er einfach so auslassen? Das war doch nicht sein Ernst? Mit Geiseln konnte man so viel mehr anfangen, als mit der leblosen Leiche eines Soldaten.

Aber wen interessierte hier schon seine Meinung? Er war eine weitere Figur auf dem Schachbrett des südamerikanischen Militärs.

„Seien sie unbesorgt, Sir", schmunzelte Dante, bis sich seine Mundwinkel zu einem diabolischen Grinsen verzogen. "Sie wissen, ich bin sehr gründlich mit meiner Arbeit."

Er hatte seinen Auftrag, aber es war immer Zeit für Spontaneitäten. Eine Chance wie el Agénto, sollte er sich nicht entgehen lassen.

"Ich möchte, dass du mir Bericht erstattest, sobald du dich darum gekümmert hast. Hol dir die Ausrüstung und das nötige Personal, das du brauchst. Hier sind alle Informationen, die wir aus London haben", erläuterte der Gouverneur und reichte Dante einen kleinen USB-Stick.

"Wie sie wünschen, Sir. Der Job ist innerhalb einer Woche erledigt."

Dante nahm den USB entgegen und verabschiedete sich. Der Datenträger spielte zwischen seinen Fingern hin und her, als die Tür zum Gouverneur ins Schloss fiel. Vorfreude machte sich in seinem Inneren breit, als er sie wie nervöses Kribbeln durch seinen Körper schnellen spürte. Endlich passierte wieder etwas Spannendes. Er hatte genug von Garías simplen Botengängen. Sie hingen ihm zum Hals raus. Seine Hände zuckten aufgeregt und voller Tatendrang. Er konnte nicht anders, als seine Finger über den Griff von Grita fahren zu lassen. Bald würde der Durst seiner Klinge wieder gestillt werden.

Lasset die Jagd beginnen.

(Ich hoffe ihr seid auch nächstes Mal dabei! Ihr würdet mir sehr helfen, wenn ihr mir eine Rückmeldung in Form von einem Kommentar oder einer Bewertung des Kapitel da lassen würdet.)

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