Schlimmer geht immer

Für die, die sich nicht trauen
Im Sturm nach vorn zu schauen
Die in sich so gefangen sind

(Lied von den Vergessenen- Rosenstolz)

,,Und was jetzt?", fragte Marco irgendwann in die Stille. Ich zuckte mit den Schultern. Woher sollte ich das wissen? ,,Wisst ihr was ich mich frage? Was treibt ihn dazu so ein Ventil zu benötigen? Ich glaube nicht, dass es mittlerweile noch immer nur darum geht, dass er seinen Platz verloren hat." Julian schaute bedrückt, als er das aussprach, was wir wahrscheinlich alle schon dachten. ,,His girlfriend." Sagte Erling ganz einfach. Auch seine Leichtigkeit war in den letzten Minuten verflogen. ,,Ja, daran hatte ich auch schon gedacht.", murmelte Marco. Ich hatte mich übrigens mittlerweile beruhigt und lehnte gegen die Waschbecken. Und mich interessierte es herzlich wenig, warum Roman so war wie er war. Ich wollte nur, dass er sich änderte. Deswegen kam ich zu Marcos Frage zurück.

,,Also mir würde es schon mal helfen, wenn mir jemand von euch ein T-Shirt besorgt und meine Sachen holt. Ich hatte nämlich nicht vor ewig in diesem Klo zu hocken, sondern würde sehr gerne nach Hause." Erling sprang geradezu auf. ,,I will go", sagte er, dann schloss er auf und verließ den Raum. ,,Nimm es ihm nicht übel.", kam es daraufhin von Julian, ,,Er ist nicht so gut, was tiefgründige Gespräche angeht." Ich nickte. ,,Weißt du, Roman war früher nie so." Wieso genau glaubten eigentlich irgendwie alle, dass es mir weiterhelfen würde, wenn sie mir sagten, dass Roman sonst eigentlich nicht so war? ,,Deswegen kann ich dir auch kaum gute Ratschläge geben. Aber eins kann ich dir sagen: Du kannst immer zu einem von uns kommen, wenn irgendetwas ist." Marco schaute mich durchdringend an. Julian neben ihm nickte bekräftigend. Mir wurde wieder ein bisschen wärmer ums Herz.

Wenig später klopfte es an der Tür. Diese hatten wir wieder zu geschlossen, nachdem Erl gegangen war. Ich erhob mich und schloss auf. Erl reckte mir ein schwarzes Oberteil entgegen. Fragend nahm ich es entgegen: ,,Wo hast du das denn jetzt so schnell hergeholt?" ,,Ich hatte es in my car. Bring es einfach back morgen." Ich streifte es mir über den Kopf, dann nahm ich aus Erlings anderer Hand meinen Rucksack. Ich stopfte mein Shirt rein und dann machten wir uns auf den Weg nach draußen. Die Gänge waren wie leergefegt. Der Rest der Mannschaft war wahrscheinlich schon längst wieder zuhause. Dies störte mich aber nicht im Geringsten. Ich war froh, dass mich nicht so viele Menschen mit einem komplett verheulten Gesicht hier herumlaufen sahen. Meine Augen brauchten ein wenig, um sich wieder an das verhältnismäßig helle Licht zu gewöhnen.

Hinter mir hörte ich Marco und Julian leise flüstern. ,,Woher hast du auf einmal diese Tiefgründigkeit? Hätte ich dir gar nicht zugetraut.", flüsterte Julian. Marco kicherte leicht. ,,Habe ich mir von Mats abgeguckt. Ich habe mich einfach gefragt: Was hätte Mats jetzt gesagt?" Ich musste schmunzeln. Irgendwie war mir klar gewesen, dass so etwas Ernstes nicht von Marco selbst stammen konnte. Aber er hatte mir so immerhin bewiesen, dass er zumindest ein bisschen schauspielerisches Talent besaß. Obwohl, wenn ich so an die Nummer in der Kabine vor ein paar Tagen dachte, dann doch wohl eher weniger. Wir verabschiedeten uns auf dem Parkplatz voneinander. Ich ließ mich auf den Fahrersitz meines Autos fallen und atmete ein paar Mal tief durch. Nach ein paar Minuten schaffte ich es mich zu sammeln und startete den Motor. Erst dann bemerkte ich, dass die anderen noch um mich herum auf dem Parkplatz standen. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf.

Ich war heilfroh, als ich den Motor ausstellen und aussteigen konnte. Mein Bett schrie geradezu nach mir. Aber leider hatte ich heute Nachmittag noch zu viel zu tun, als das ich mich jetzt schon hätte ausruhen können. Und mein Magen knurrte mittlerweile natürlich auch wie verrückt, schließlich war von dem eigentlichen Essen dort nichts angekommen. Also machte ich als erstes Halt in der Küche und schaute nach etwas essbarem. Leider hatte ich meinen Kühlschrank wegen des Trainingslagers in den letzten Tagen schon gut leer gegessen. Ich beschloss bei diesem deprimierenden Anblick mir einfach eine Pizza zu bestellen. Die passte zwar eigentlich gar nicht in meinen Ernährungsplan, aber das war mir in dem Moment egal.

Während ich auf die Pizza wartete, kramte ich meinen Koffer hervor. Dann begann ich zu überlegen, was genau ich für 9 Tage Trainingslager inklusive 2 Testspiele benötigte. Leider kam ich erst darauf, mal die Wetterapp nach der Vorhersage für Bad Ragaz zu fragen, als sich gefühlt schon mein halber Kleiderschrank auf meinem Bett befand. Und mein Handy lag natürlich unter dem Stapel. Es musste wirklich immer erst schlimmer werden, bevor es besser wurde. Immerhin half mir das Schicksal beim Suchen. Mein Handy begann genau in diesem Moment lautstark zu klingeln, als wollte es ,,Ich bin hier, Gregor!", sagen. Ich beeilte mich, durch den Klamottenberg zu kommen. Das würde definitiv etwas sein, über das ich mich später ärgern würde, wenn ich die ganzen Sachen wieder ordentlich falten durfte. Mein Handy klingelte glücklicherweise immer noch, als ich es erreicht hatte. Als ich jedoch sah, wer anrief, hätte ich es am liebsten direkt wieder unter den Klamotten vergraben. Dennoch ging ich ran.

,,Gregor, mein Schatz. Es freut mich mal wieder mit dir zu sprechen." In ihrer Stimme klang ein leichter Vorwurf mit, den ich aber zu ignorieren versuchte. ,,Freut mich ebenfalls von dir zu hören Mutter.", erwiderte ich und glaubte es mir teilweise sogar selbst. ,,Warum rufst du an Mama?" Ich wusste, dass es irgendeine Grund haben musste. Meine Mutter war kein Mensch, der einfach so aus Langeweile anrief. Zumindest nicht bei mir. ,,Dein Vater und ich haben beschlossen, dass wir nach St. Gallen zum Testspiel kommen werden. Ist das nicht toll?" Und immer wenn ich dachte es geht nicht schlimmer, kamen meine Eltern um die Ecke. Wieso hatte ich das Gefühl, dass der liebe Gott momentan Lust hatte mich zu ärgern? ,,Ja, klingt super.", murmelte ich, bevor meine Mutter misstrauisch werden konnte. Genau im passenden Moment klingelte es an der Tür. ,,Ich muss auflegen Mama.", verabschiedete ich mich schnell, dann drückte ich auf den roten Hörer. Ich ließ das Handy zurück auf das Bett fallen und mich daneben. Dann aber erinnerte ich mich an das Klingeln und ging zur Tür.

Am Abend standen meine Sachen fertig gepackt neben meinem Kleiderschrank. Sie füllten einen Koffer, eine Sporttasche und einen Rucksack, welchen ich im Handgepäck mitnehmen würde. Mein Tagebuch hatte ich bereits in dem Rucksack verstaut. Ich wusste nicht, ob ich überhaupt zum Schreiben kommen würde, aber ich fand es besser, es sicherheitshalber dabei zu haben. Es war mittlerweile kurz nach 11 Uhr Abends und ich lag hellwach im Bett. Also beschloss ich mein Tagebuch noch einmal hervor zu holen.

Liebes Tagebuch,

Heute war ein erneuter Tiefpunkt in der Roman Geschichte. Er hat mir mein heißes Essen übers Shirt gekippt. Niemand hat es mitbekommen. Marco, Jule und Erl haben lange nicht gemerkt, dass ich weg bin. Ich habe es dann nicht mehr ausgehalten und bin zur nächsten Toilette geflüchtet. Ich musste weinen. Ich weiß im Nachhinein noch nicht mal mehr warum mich das so fertig gemacht hat, aber irgendwie war es erholsam. Und es tut irgendwie auch gut dass die drei dann doch noch gekommen sind. Nur weiß ich noch immer nicht, wie ich das Trainingslager überleben soll. Ich wünschte du könntest mir antworten...

Greg

Hey Leute,

Heute habe ich irgendwie keine Idee was ich hier schreiben soll. Wie hat euch das Kapitel gefallen?

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